Titel: | Notizen aus der Wiener Weltausstellung 1873; mitgetheilt vom Docenten Johann Zeman. |
Fundstelle: | Band 210, Jahrgang 1873, Nr. XXXIX., S. 241 |
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XXXIX.
Notizen aus der Wiener Weltausstellung
1873; mitgetheilt vom Docenten Johann Zeman.
Mit Abbildungen auf Tab.
IV.
(Fortsetzung von S. 171 des vorhergehenden
Heftes.)
Zeman, Notizen aus der Wiener Weltausstellung.
55. Nadelschußwächter für Kraftstühle,
patentirt und ausgeführt von der Sächsischen Webstuhl-Fabrik (Louis
Schönherr) in Chemnitz. (Figur 1–5.)
Bisher kannte man Schußwächter – d.h. Mechanismen zum selbstthätigen Abstellen
des Webstuhles beim Reißen oder Auslaufen des mit der Schütze in das Fach
einzulegenden Schußfadens – von wesentlich zwei verschiedenen Einrichtungen.
Entweder ist der Mechanismus zur Einleitung des Stillstandes in der Schütze selbst
angebracht (Schützenschußwächter) und functionirt in
Verbindung mit jener Abstellvorrichtung, welche selbstthätig beim Steckenbleiben der
Schütze im Fach wirkt,Man vergleiche den Artikel im polytechn. Journal Jahrg. 1872, Bd. CCIII S.
4. oder ein eigener gabelförmiger Taster (Gabelschußwächter) fühlt nach dem Vorhandenseyn des durch die Schütze
einzulegenden Schußfadens, um bei fehlendem Eintrag die Ausrückung des Stuhles
herbeizuführen.
Der Gabelschußwächter ist bei solchen Webstühlen, bei denen von einer Seite her mehr
als ein Schuß hintereinander abgegeben wird, ganz unanwendbar. Es kommt demselben
aber auch bei gewöhnlichen Webstühlen schon der Nachtheil zu, daß das Anfühlen des
einzulegenden Schußfadens erst knapp vor dem Anschlag der Lade stattfindet, der
Stuhl daher eigentlich zu spät ausgerückt wird, weil die Lade, vor Fortsetzung des
Ganges, zurück in die hinterste Position geführt, das Fach wieder geöffnet werden
muß.
Der Schützenschußwächter dagegen arbeitet nur so lange verläßlich, als die
Beweglichkeit des in der Schütze untergebrachten Wächterhebels eine vollkommen freie
ist. Der weich gedrehte Wolleintrag verliert aber nach kurzem Betrieb so viel
Flug, daß dieser das Spiel des Wächterhebels beeinträchtigen kann. Selbst davon
abgesehen, wirkt diese Sicherheitsvorrichtung auch erst beim Vorwärtsgehen der Lade,
welche daher nach geschehener Ausrückung von Hand zurückgeführt werden muß, wenn
dieß nicht durch eine kräftige Bufferfeder beim Ausrücken automatisch geschieht.
Zweckmäßiger erscheint es unter allen Umständen, einen Schußwächter nach dem
Fühlersystem so einzurichten, daß derselbe bei vollständig offenem Fach, ohne daß
die Lade ihre Schlagbewegung nur begonnen hat, die Bewegung der Stuhlwelle
unterbricht, da hierbei der kleinste Zeitverlust und die geringste Materialabnutzung
eintritt.
Der Schönherr'sche Schußwächter entspricht dieser
Bedingung vollkommen; derselbe stellt ab bei mangelndem Einschlagfaden während des Laufes der Schütze durch das offene Fach und ohne
Rücksicht auf die Zahl der von einer Seite hintereinander abgehenden
Schützen. Dabei ist dieser Schußwächter an beiden Seiten des Gewebes
wirksam und in seiner Einrichtung so einfach und verläßlich, daß er mit Recht die
Aufmerksamkeit und Anerkennung aller Sachverständigen auf sich gelenkt hat.
Um das Wesentliche der schönen Erfindung vorerst anzudeuten, so wird eine nach zwei
Seiten beweglich aufgehängte, etwa 30 Millimeter von den äußersten Kettenfäden
entfernte Nadel, aus schwach gekrümmtem Stahldraht, durch einen von der Hauptwelle
des Stuhles in Gang gesetzten Mechanismus während des Rückganges der Lade und vor
Abgang der Schütze in eine solche Stellung gebracht, daß der abgeschlossene
Eintragfaden um das untere Ende der Nadel sich umlegen und dadurch, dieselbe mit
fortziehend, bis an die Leistenfäden verdrehen muß.
Unterbleibt diese Bewegung der Nadel, was ja beim Fehlen oder Reißen des Schusses
eintreten wird, so bleibt der Stuhl durch Auslösung der Falle am Schloßrad, dem
bekannten Zahnrad an der Hauptwelle des Schönherr'schen
Webstuhles, sofort stehen.
Näher wird die sinnreiche Auskehrvorrichtung, welche sich bei den mehrmonatlichen
öffentlichen Arbeiten in der Maschinenhalle vollkommen bewährt hat, mit Hülfe der
Abbildungen in Figur
1 bis 5 verständlich gemacht werden können. Die Figur 1 stellt den
Grundriß des Vordertheiles eines Schönherr'schen
Webstuhles dar mit den beiden Nadelwächtern a, a rechts
und links; Figur
2 gibt die betreffende Seitenansicht und Figur 3 die Vorderansicht
der Hauptwelle mit dem Excenter 1 zum Betriebe des
Schußwächter-Mechanismus.
Nach den Zeichnungen ist die Schütze auf dem Wege nach links durch das offene Fach
und die Nadel a rechts durch den Eintragfaden s aus der punktirten Lage nach der Leiste des Gewebes
hingezogen worden. In Folge dessen ist der halbkreisförmige Bügel b, b' am anderen Ende der Nadel-Drehspindel c soweit gedreht worden (vergleiche Figur 5), daß der äußere
Lappen b' dieses Bügels vor die Schraube d fällt und diese in ihrer etwaigen Vorwärtsbewegung
hemmt.
Eine solche Bewegung der Schraube d wird durch die
Flachfeder g (Figur 2) veranlaßt, welche
zunächst gegen das untere Ende des doppelarmigen Hebels e auf der Welle f wirkt, auf welcher auch der
Hebel h mit der Stellschraube d sitzt.
Kann daher der Hebel e dem Federdruck Folge leisten und
nach auswärts – in Figur 2 nach links
– ausschlagen, so erhält auch der Hebel h,
bezieh, die Schraube d den Impuls zu dieser
Bewegung.
Die Vorwärtsschwingung des Hebels e und der Stellschraube
d kann jedoch zunächst nur stattfinden, wenn die
Zugstange i den tiefsten Stand angenommen hat, bei
welchem sich die Rolle oben am Hebel e in den Ausschnitt
der Stange i einlegen kann.
Angenommen, die Zugstange i habe dem Hebel e Platz gemacht, was in der That während des
Schützenlaufes geschieht, und e die Vorwärtsbewegung
begonnen, so stößt die Stellschraube d sofort gegen den
Bügel b, b' an, da gerade oben vorausgesetzt wurde, daß
sich der Lappen b' in Folge der Mitnahme der Nadel a durch den Schußfaden s vor
die Schraube d gestellt hat (Figur 5). Die durch die
Feder g beabsichtigte Bewegung der Hebel h und e bleibt also in
diesem Falle noch gehemmt.
Ist aber kein Faden oder bloß ein kurzes Fadenstück durch
die Schütze beim Einlauf in das offene Fach gebracht und deßhalb die Nadel a und ihr Bügel b, b' in der
alten, in Figur
5 punktirten Position, welche vor dem Abschnellen der Schütze statthatte,
belassen worden, so bietet der Bügellappen b' der
Stellschraube d kein Hinderniß zum Vorwärtsrücken dar.
Es wird daher, sowie die Zugstange i im nächsten Momente
in die tiefste Stellung herabrückt, der Ausrückhebel e
gegen den Bolzen m treffen, das Schloßrad auf der
Hauptwelle frei und der Stuhl sofort zum Stillstand gebracht.
Nach dem bisher Gesagten muß daher in der Periode des Schützenlaufes die Zugstange
i die tiefste Stellung erhalten, damit eventuell die
Ausrückung des Schloßrades erfolgen kann.
Aus diesem Grunde sitzt auf der Hauptwelle ein Excenter l
mit einem Ausschnitt γα (Figur 3), in
welchen in der gedachten Periode die Rolle k' am Doppelhebel
k durch Wirkung einer Feder p einfällt und dadurch die Zugstange i
vollständig herabzieht.
Wenn unterdessen der Schuß richtig in das offene Fach eingelegt und die Nadel a mit dem Bügel b, b'
verdreht wurde, so übernimmt letzterer anstatt der Zugstange i für die kurze Zeit des Schützenlaufes die Zurückhaltung des Hebels h beziehungsweise e, und der
Stuhl läuft ungestört weiter.
Dabei kehrt die Zugstange i durch Weiterdrehung des
Excenters l in ihre frühere gehobene Stellung zurück,
die Lade geht vorwärts und gibt den Schlag. Nach Rückkehr der Lade bildet sich ein
neues Fach und die Schütze kommt von der linken Seite her abgeschnellt.
Neben den Leistenfäden links findet sich in symmetrischer Anordnung wieder eine Nadel
a mit einem Bügel b, b',
einer zweiten Schraube d an einem analogen Hebel h, welcher auf der durchgehenden Welle f, f aufgekeilt und dadurch mit dem Ausrückhebel e und der Zugstange i an der
rechten Stuhlseite in Verbindung gebracht ist.
In einem bestimmten Momente des rückkehrenden Schützenlaufes, bei der nächsten
Drehung der Hauptwelle, fällt wieder die Rolle k' in den
Ausschnitt γα des Excenters l und die Zugstange i muß
herab, so daß auch von der linken Stuhlseite die Selbstabstellung eintreten wird,
wenn die linke Nadel a mit dem Bügel b, b' wegen Mangel eines Schußfadens aus ihrer
gewöhnlichen Lage nicht abgelenkt werden.
Der Bügel b, b' auf der rechten Seite befindet sich dabei
gleichfalls in der normalen, in Figur 5 punktirten Lage,
bei welcher derselbe der Ausrückung des Stuhles kein
Hinderniß entgegenstellt und somit den Impuls hierzu vollständig dem Schußwächter
links überläßt.
Soweit ist also das regelmäßig sich wiederholende Spiel der Nadelschußwächter leicht
verständlich und vollkommen zu übersehen.
Da aber die Nadel a bei heranrückender Lade nicht in der
durch den regelrecht einlaufenden Schußfaden hervorgebrachten Position verharren
kann, so muß die Nadel, nachdem die Schütze auf der entgegengesetzten Seite
angelangt und der Stuhl nicht abgestellt ist, nach
aufwärts in die durch Figur 2 punktirt
angedeutete Lage gerückt werden, worauf der Ladenschlag, ohne die Nadel mit dem
Rietblatt zu erreichen, erfolgen kann. Bei Rückkehr der Lade muß die Nadel zur
frischen Thätigkeit in die ursprünglich innegehabte Stellung zurückkehren.
Zu diesem Behufe ist das Lager der Nadelspindeln c, c
durch Arme r, r mit einer zweiten über die ganze Breite
des Stuhles sich erstreckenden dünnen Welle q, q und
diese an ihrem rechten Ende durch den Arm o mit der
Zugstange i in Verbindung gebracht, welche auch das Heben und Senken der
Nadeln a, a bewerkstelligt, weil die Form des Excenters
l dem entsprechend gewählt ist.
Die Nadeln steigen nämlich zufolge des Curvenstückes α,
β (Fig. 3) nach Einschießen des Eintrages s mit
der Stange i in die Höhe, während die Lade vorwärts und
rückwärts schwingt; kommt dann aber das Curvenstück γ,
β heran, so fallen die Nadeln in Folge ihres Uebergewichtes herab,
bis deren Spitze wieder unterhalb des in's Unterfach gelangenden Kettentheiles
gekommen ist.
Da nun die Zugstange i bei dem Verbindungsbolzen mit dem
Arm o geschlitzt ist, so kann dieselbe noch tiefer
herabgezogen werden, wenn das Curvenstück γ,
α des Excenters l herankommt, ohne die
Nadelposition zu beeinflussen. Die Zugstange i gewährt
aber, wie oben des Näheren auseinandergesetzt wurde, in dieser tiefsten Stellung die
Möglichkeit, daß der Ausrückhebel e im Falle des
Ausbleibens des Schußfadens den Ausrückbolzen m
vorwärtsschiebt.
Es ist sonach die Wirkung des Schönherr'schen
Nadelschußwächters in allen Perioden der Stuhlbewegung leicht zu übersehen und wohl
begreiflich, daß derselbe äußerst correct und verläßlich wirkt, wie Referent auch
während der Ausstellung Gelegenheit hatte sich zu überzeugen. Die ganze Anordnung
ist selbstverständlich etwas complicirter als die der gewöhnlichen, aber
unvollkommenen Ausrückvorrichtungen, läßt sich jedoch leicht bei jedem bestehenden
Buckskinstuhl u. dgl. anbringen.
56. Schleifmaschine für Bohrer; von W.
Sellers und Comp. in Philadelphia, Amerika. (Figur 6–9.)
Der bedeutende Ruf der Sellers'schen Werkzeugmaschinen hat
sich auch auf der Wiener Weltausstellung bewährt. Die exponirte Räderfräsmaschine,
die Drehbank, die Hobelmaschine u.a.m. zeugten von großer Selbstständigkeit in der
Construction und rühmenswerther Sorgfalt in der Ausführung. Referent hofft noch
Skizzen dieser Maschinen behufs Beschreibung im polytechn. Journal zu erlangen.
Für diesesmal sey auf eine kleine, hübsche Schleifmaschine für Metallbohrer näher
eingegangen, welche sich nicht nur des ungetheilten Beifalles der
Maschinentechniker, sondern auch deren vielfacher Bestellung zu erfreuen hatte.
Heutzutage trachtet man nicht nur für alle häufig nothwendigen, wiederholt zu
verrichtenden Arbeiten in der Werkstätte eigene Specialmaschinen zu construiren,
sondern auch die Zurichtung d. i. das zeitraubende Schleisen und Instandhalten der
Werkzeuge selbst zu vereinfachen durch zweckmäßige Wahl der Stähle oder durch
Zuweisung der abgenutzten Werkzeuge an eigene Arbeiter, endlich aber durch Anschaffung specieller
Schleifmaschinen, auf welchen der Stahl rasch und unabhängig von der
Geschicklichkeit des Arbeiters zugeschärft wird.
Für Metallbohrer empfiehlt sich in dieser Beziehung die Sellers'sche Schleifmaschine ganz besonders.
Wie aus den verschiedenen Ansichten in Figur 6 bis 8 zu entnehmen
ist, besteht das Maschinchen aus einer rotirenden, horizontal verschiebbaren
Schmirgelscheibe a und dem Support zum Festspannen des
zu schleifenden Bohrers B.
Aus dem Schnitt durch das die Schmirgelscheibe a und ihre
Welle b deckende Gehäuse c
(Figur 7)
ist zu ersehen, daß die Welle b mit der Schleifscheibe
verschiebbar ist, aber in jeder Stellung durch die Schnur und Rolle d von der Hauptwelle aus in Umdrehung gesetzt werden
kann. Zur Verschiebung der Schmirgelscheibe a über die
ganze Breite des Werkzeuges dient ein Hebel e, welcher
die Nabe der Schnurrolle umfaßt.
Zur richtigen Einstellung der Schmirgelscheibe a geht
durch den Lagerarm A derselben eine Schraube f, welche im festen Gestelle mit eingedrehtem Hals
eingelassen ist. Die Spiralfeder um die untere Hälfte der Stellschraube f drückt den Arm A stets
nach aufwärts.
Der Antrieb der Hauptwelle erfolgt durch Riemen mit circa
500 Umdrehungen in der Minute.
Den Support C betreffend, so gleiten bei Drehung der halb
links-, halb rechtsgängigen Schraube g die beiden
Spannbacken i und o zusammen
oder auseinander, um den in der Büchse h eingesteckten
Bohrer fest einzuklemmen oder loszulassen. In Figur 7 sind die
Spannbacken in ihrer äußersten Stellung angenommen. Die winkelförmigen Einlegstücke,
welche den Bohrer fassen, sind zum Auswechseln eingerichtet.
Die conische Büchse h hat einen rändrirten Hals mit zwei
diametral gegenüber liegenden Löchern, in welche eine kleine federnde Klinke n einfällt. Aus diesem Grunde kann man den Bohrer nach
Vollendung der einen Schneidfläche genau um 180 Grad herumdrehen zum Abschleifen der
anderen Zuschärfungsfläche. Die Büchse h bildet mit k ein Stück; die Büchse k
ist längs der am Gestelle befestigten Stange m
verstellbar und durch Drehung eines kleinen Griffes in der erforderlichen Stellung
zum Festklemmen eingerichtet. Noch möge auf die zweckmäßige und gefällige
Einrichtung der Schraubenköpfe aufmerksam gemacht werden, deren cylindrischer Theil
x, x durch zwei Systeme rechtwinkelig sich
schneidender, enger Rinnen durchfurcht ist. (Figur 9.)
57. Sellers' Gestelle für
Wechselräder. (Fig. 10 u. 11.)
Ein recht zweckmäßiges Gestelle zur Unterbringung einer großen zusammengehörigen Zahl
von Wechselrädern, z.B. einer Räderfräsmaschine oder dergl., ist in Figur 10 und 11 in Ansicht
und Mittelschnitt dargestellt und leicht zu verstehen.
Nach der Größe der betreffenden Räder ist das Gestelle nicht durch
regelmäßig-horizontale, sondern durch verschieden schief eingesetzte
Querbretchen a in mehrere Abtheilungen geschieden,
welche durch stehende Leisten der Breite nach abgetheilt sind, so daß einzelne
Zellen behufs Aufnahme von je einem Zahnrad entstehen.
Die äußeren Seitenwände des Gestelles dienen zur Aufhängung von Schraubenschlüsseln
u.a.m.
Die eingeschriebenen Maaße bedeuten Millimeter.
58. Die Maschinen für
Streichgarnspinnerei auf der Wiener Weltausstellung.
Anknüpfend an die im vorigen Hefte S. 166 begonnene Uebersicht der Verbesserungen bei
den Karden (sammt Zubehör) betrachten wir heute die von
Martin, Schimmel, Sächsische Maschinenfabrik u.a.
ausgestellten Kardensortimente.
Was die belgische Firma Cölestin Martin
in Verviers betrifft, so stellte diese zunächst ein Sortiment von drei Karden zur
Bearbeitung feiner und mittlerer Wollen aus. Die Reißkrempel zeigt den bekannten und
viel verbreiteten Bolette'schen Speiseapparat, von welchem die Wolle durch ein Vorreißwerk aus zwei
Klettenwalzen an den Tambour nicht direct, sondern durch eine Wenderwalze abgegeben
wird. Statt der Pelztrommel ist ein endloses Pelztuch vorhanden. Auch die
Mittelkarde wickelt das Wollvließ auf ein „doppeltes“ Pelztuch
von 14 Meter Länge auf.
Die Pelztücher erhalten seit Kurzem
ihre Spannung statt mittelst einer stellbaren Führungswalze durch eine freie
Gewichtswalze, ferner eine Geradführung über die Walzen im Gestelle durch eingenähte
Querstäbe, welche knapp zwischen die Gestellwände passen.
Auf der Feinkarde werden durch den Martin'schen Vorspinnapparat 120 gute Fäden bei
1,5 Meter Beschlagbreite abgegeben. Die nähere Einrichtung dieses Apparates ist zu
wiederholten Malen im polytechnischen Journal angezogen worden, darf also als
hinlänglich bekannt vorausgesetzt werden. Der Vließ-Theilapparat hat übrigens
auch in der kurzen Spanne von zwei Jahren eine rasche Verbreitung erlangt, wie kaum
eine andere moderne Spinnereimaschine.
Ein anderer Satz von nur zwei Krempeln
arbeitete für Kunstwolle und Wollabgänge; beide Krempeln waren durch einen schottischen
Bandlege-Apparat in Verbindung gesetzt. Einfach und zweckmäßig ist hierbei
die Anordnung des Balancegewichtes der auf- und niedersteigenden Bandführung
(Brücke), welche das Kardenband in den Wagen des Legeapparates abgibt. Im Uebrigen
können die Eigenthümlichkeiten der Martin'schen Krempeln,
insbesondere die Anwendung sehr dünner Wenderwalzen als bekannt vorausgesetzt
werden.
Besondere Erwähnung verdient die Dronsfield'sche Schleifmaschine für
Kratzwalzen, welche von Martin im Bewegungsmechanismus
wesentlich verbessert wurde.
Bekanntlich haben diese Maschinen zwei
Schmirgelscheiben auf einer horizontalen Achse aufgesteckt, welche nicht
bloß eine rotirende Bewegung, sondern gleichzeitig eine Hin- und Herschiebung
in der Längenrichtung der zu schleifenden Kratzwalze erhält. Beide Bewegungen gehen
von einer Nuthwelle aus; die rotirende durch Schraubengetriebe und die hin-
und hergehende Bewegung in Folge Eingriffes einer auf dieser Welle gleitenden
Schraube ohne Ende in eine im Schleifgehäuse eingelegte Zahnstange. Dieses Gehäuse
bildet die Führung für den Support, in welchem die Schmirgelscheiben mit ihren
Getrieben gelagert sind.
Damit die Enden der Walzen gut geschliffen werden, darf die Umkehr
nicht zu schnell erfolgen. Daher ist die Zahnstange nicht fest, sondern innerhalb
gewisser Grenzen verschiebbar eingelassen. Kommt der Schleifscheibensupport an das
Ende des Weges und wird dadurch die Riemenumstellung, hiermit auch die
entgegengesetzte Drehung der Nuthwelle und der Getriebe für die Schmirgelscheiben
bewerkstelligt, so muß die Zahnstange vorerst, bei dem ununterbrochenen Eingriff der
Schnecke, in die entgegengesetzte Stellung rücken. In der Zwischenzeit steht der
Support mit den umgekehrt rotirenden Schleifscheiben fest, tritt aber nach beendeter
Verschiebung der Zahnstange seine Rückbewegung an. –
Wir gelangen nun zu den Ausstellern des deutschen Reiches,
zunächst zu der Firma Oscar Schimmel u. Comp. in Chemnitz, deren Krempeln (darunter auch eine für
Baumwoll-Abfall) sich durch zweckmäßige Lagerung der Kratzwalzen auszeichnen.
Die Scheibenbüchsen, welche Schimmel zuerst aufbrachte,
verhüten das Wickeln der Wolle um die Walzenachsen.
Bei der Vorkrempel arbeitet die Klettenwalze direct mit dem
Tambour. Behufs regelmäßigen Aufreißens des Pelzes auf der Mittelkarde ist an der
Pelztrommel ein selbstthätiger Aufreiß-Mechanismus
angebracht, welchen man durch Um schlagen eines kleinen Hebels in Thätigkeit setzt.
Geschieht dieß, so klappen zwei auf der Trommel drehbar befestigte Bretchen, welche
mit Eisenstiften besetzt sind, auf und reißen bei ihrem Auseinandergehen den Pelz
regelmäßiger wie dieß mit der Hand geschehen kann, auseinander.
Das Würgelzeug der Vorspinnkrempel besteht aus drei mit Leder
überzogenen Nitschelwalzen.
Für starke Leisten-, Teppich- und Deckengarne aus
langen Wollen oder deren Mischungen hatte diese Firma eine bereits mit Erfolg in die
Praxis eingeführte Spinnkrempel ausgestellt, auf welcher das Feinkardiren und
Fertigspinnen zur Vereinfachung des Spinnprocesses zugleich stattfindet. Es treten
nämlich die 12 oder 14 erzeugten Fäden aus dem Würgelapparat unmittelbar zu den
Flügelspindeln, welche horizontal in einem passenden Antriebsgestelle gelagert sind.
Bezüglich der näheren Disposition verweist Referent auf den Artikel im polytechn.
Journal 1870, Bd. CC S. 443. –
E. Geßner in Aue (Sachsen) hat einen
einfachen, vielversprechenden Speiseapparat für
Vigogne-Krempeln etc. ausgestellt. Der Boden und die vordere Wand des
Aufgebekastens werden durch zwei endlose Lattentücher, ersteres horizontal,
letzteres vertical und etwa 100 Millimeter vom Boden abstehend, gebildet. Vor dem
verticalen Lattentuch steht noch ein schmalstäbiges Gitter, durch dessen Spalten
stumpf sägeartig ausgeschnittene Scheiben eingreifen und bei der Drehung Partien von Wolle erfassen
und durch die Rostspalten durchziehen, worauf ein rascher rotirender Lederflügel die
zugebrachten Wollflocken auf das Speisetuch gegen die Einziehwalzen der Grobkrempel
abstreift.
Beim Betriebe bewegen sich die untere und die vordere Lattenwand
des Aufgebekastens, auch wird die Wolle durch entsprechende Belastung des vorderen
Lattentuches gegen das Gitter genügend angedrückt; endlich kann die Größe der
Auflage mittelst Wechselräder durch größere oder geringere Geschwindigkeit der
Abzugsscheibenwalze verändert werden.
Als hervorragendste deutsche Werkstätte für Spinnereimaschinen
bewährte sich auch auf der Wiener Weltausstellung die Sächsische Maschinenfabrik (vormals Rich. Hartmann) in Chemnitz, welche außer einem Satz Krempeln auch noch ihren
Selfactor mit dreifacher Spindelgeschwindigkeit in verbesserter Anordnung exponirt
hatte.
Die Reißkrempel arbeitet mit dem Vorreißapparat direct an den
Tambour. Die Ablieferung erfolgt mittelst seitlichen Abzuges zu dem an der
Mittelkrempel angebrachten, von dieser Firma seit 1862 acceptirten Apperly'schen Diagonal-Legeapparat.
Besonders bemerkenswerth ist King's
Patent-Selbstauflege-Apparat für
Karden.
Die in einem eisernen Kasten mit Lattentuch-Boden
aufgegebene Wolle wird, durch Stiftentrommel, Abschläger und vierarmigen Flügel
aufgelockert, nach der vor dem Kasten aufgehängten Waage abgegeben. Ist das beliebig
einzustellende Auflegegewicht der Wolle erreicht, so sinkt die gefüllte Waagschale
ein wenig und löst die Bewegung des Zuführmechanismus bis auf Weiteres auf.
Ist endlich das Speisetuch der Karde um die bestimmte Länge
vorgerückt, so kippt die Waagschaale um und entleert den Inhalt auf das Speisetuch.
Bei dem darauffolgenden Rückgang der Waage wird auch die Bewegung der Zuführtrommel
etc. wieder eingeleitet.
Damit nur die von der Waage abgegebene Wolle gleichförmig auf dem
Zuführtuch der Karde ausgebreitet werde, wirkt auf die Wolle ein zackenförmig
ausgeschnittener Drehflügel im Vereine mit einem quer über das Lattentuch sich
erstreckenden schwingenden Abstreifer.
Es scheint mit diesem aus England eingeführten Apparate das
Problem selbstthätig aufzulegen, glücklich gelöst, weßhalb wir den mechanischen
Aufleger der besonderen Aufmerksamkeit und Prüfung der Spinner empfehlen.
Die Mittelkrempel ist, wie oben erwähnt, mit Apperly's Diagonal-Legetisch versehen. Das Vließ wird auf einer
Pelztrommel aufgewickelt.
Die Vorspinnkrempel ist mit gewöhnlichem
Einhacker-Fadenapparat versehen, da das ausgestellte Sortiment eben nur zur
Verarbeitung mittlerer Wollen bestimmt war. Für feinere Gespinnste wird nämlich auch
der Martin'sche Riemchen-Theilapparat
geliefert.
Die Eckbändchen werden aus der Kammwalze durch besondere schmale
Hacker, welche unterhalb des großen Hackers angeordnet sind, ausgekämmt, um, ohne im
Würgelwerk verdichtet zu werden, zu Boden zu fallen. Bemerkenswerth an der
ausgestellten Vorspinnkrempel war noch die constructiv durchgeführte
Excenterbewegung für das Würgelwerk.
Das besprochene Krempelsortiment ist als ein combinirtes System zu
bezeichnen, da es zwischen der 1. und 2. Karde die Vortheile des
Diagonal-Lageapparates zur Geltung bringt, andererseits die Vorspinnkrempel
durch Vorlegen von Pelzen getrennt von den Reißkrempeln erhält. Man kann demnach
Pelze vorräthig erzeugen und nach Bedarf die Reißkrempeln, welche ohnehin öfters
gereinigt werden müssen, unabhängig von der
Vorspinnkrempel ausputzen. Zur Erzielung eines stets gleich starken, beziehungsweise
gleich schweren Pelzes an der Mittelkarde sorgt ein Signalapparat.
Von österreichischen Ausstellern wäre nur die Erste Brünner Maschinenfabrik-Gesellschaft in Brunn mit ihren Karden noch zu erwähnen.
Der Vorreißer ist unmittelbar mit dem Tambour in Berührung. Die Mittelkarde ist mit
Martin's Pelztuch jedoch noch ohne Führungsstäbe
ausgerüstet. Der Würgelappart bei der Vorspinnkrempel besteht aus zwei oberen und
drei unteren Lederwalzen, welche zwei Systeme von Walzen-Frotteurs bilden,
zwischen denen ein kleiner Verzug stattfindet.
Der Antrieb des Kardentambour erfolgt statt direct mit einem
Riemen durch ein Rädervorgelege. Von der Zwischenwelle – an der Karde selbst
befestigt – erhalten unabhängig von einander die Wanderwalzen und der Volant
durch gesonderte Riemen ihre Drehung. (Schluß folgt.)
59. Gußeisernes Schmiedefeuer von Ed.
Rotter, Ingenieur der Kaiser Ferdinands-Nordbahn in Wien. (Figur 12 und
13.)
In dem von der Kaiser Ferdinands-Nordbahn erbauten
Pavillon hinter der Maschinenhalle fand Referent zwei gußeiserne Schmiedefeuer,
welche nach den Plänen des Ingenieur Ed. Rotter in den
Werkstätten der genannten Eisenbahn-Gesellschaft, ihrer einfachen und
zweckmäßigen Einrichtung halber, in ausgedehnte Anwendung gekommen sind.
Figur 12 und
13
stellen im Verticalschnitt und Grundriß ein kleines Schmiedefeuer dar, welches im
fertigen Zustand 14 Zollcentner wiegt und verhältnißmäßig wenig, nur 162 Gulden S.
W. kostet. Dabei sind die einzelnen Theile bequem zum Auseinandernehmen, eventuell
zum Auswechseln eingerichtet und recht schicklich zur Hand des Schmiedes
disponirt.
Das ganze Schmiedefeuer wird durch einen festen, auf sechs angeschraubten Füßen
stehenden Rahmen getragen, kann daher mit größter Leichtigkeit aufgestellt oder
umgesetzt werden, und bedarf keiner Mauerung.
Die Eßplatte ist in dem vorderen Theil des Rahmens eingesetzt und erfolgt die
Windzuführung von unten, central durch eine bequem auswechselbare Düse mit einer
oder zwei Schlitzöffnungen.
Der Kohlen- und Kohkskasten ist rückwärts der Esse rechts, resp. links
eingesetzt, während der Wasserkasten vorn angeschraubt ist.
60. Stephens' Parallelschraubstock zum
Einspannen keilförmiger Arbeitsstücke. (Figur 14.)
Der im polytechn. Journal, Bd. CCVI S. 427
beschriebene Stephens'sche Schraubstock, welcher durch M.
Selig
jun. in Berlin auf die Ausstellung gebracht wurde, hat
in letzter Zeit eine Vervollkommnung erhalten, um das feste Einspannen keilförmiger
Arbeitsstücke gestatten zu können.
Für diesen Fall wird nämlich auf dem Prisma C, dicht
hinter dem beweglichen Schraubstock-Backen A, ein
eigener Bügel mit Hülfe einer Schraube a befestigt,
welcher am oberen Ende in einer entsprechenden Segmentführung einen leicht
verschiebbaren Gleitbacken b trägt.
Beim Einspannen eines Arbeitsstückes zwischen dem schrägen Gleitbacken b und dem festen Schraubstockbacken B verschiebt sich b
entsprechend der Keilform des Werkstückes und gestattet auf diese Art dessen
Festklemmung ohne Zuhülfenahme besonderer Zwischenstücke.
Kommen gewöhnliche prismatische Arbeitsstücke zur Behandlung, so entfernt man den
aufgesetzten Bügel.
Selbstverständlich muß man bei Anwendung dieser Einspannvorrichtung stets für eine
sorgfältige Reinhaltung der ölgeschmierten kreisförmigen Führungsfläche für das
Keilstück b Sorge tragen.
61. Doppel-Dampfmaschine der
Dingler'schen Maschinenfabrik in Zweibrücken. (Figur 15 bis 17.)
In einer der letzten Nummern meiner Ausstellungsnotizen (1. Octoberheft, S. 1), wurde
die Dingler'sche Doppel-Dampfmaschine besprochen
und speciell die Ehrhardt'sche Steuerung derselben
eingehend abgehandelt.
Zur Ergänzung dieser Mittheilung bin ich durch die Gefälligkeit des Hrn. Ingenieur
Ehrhardt in Stand gesetzt, in Figur 15 bis 17 die
Ausstellungsmaschine in den drei verschiedenen Ansichten zu geben. In Verbindung mit
dem früher Gesagten wird die Einrichtung der Maschine in den Abbildungen ohne
Weiteres ersichtlich werden, daher hier nur zur bequemen Orientirung das
Nothwendigste wiederholt werden möge.
Der Hochdruck- und der Niederdruckcylinder der Maschine sind aus einem Stück
gegossen und mittelst zweier Pratzen auf das Fundament geschraubt. Der vordere
Cylinderdeckel sammt der Führung A der beiden Kreuzköpfe
sowie die Lager der Kurbelwelle B bestehen aus einem
Gußstück, welches an einem Ende mit dem Cylinder verschraubt ist und am anderen Ende
unterhalb der Lager auf dem Fundamente aufsitzt.
Die Kurbelwelle B ist zweimal gekröpft, so daß die
Kurbeln unter 180 Grad verstellt sind und durch die Bleuelstangen a resp. b mit dem Kolben des
Hochdruck- beziehentlich Niederdruckcylinders in Verbindung stehen.
Der Antrieb der Luftpumpe C erfolgt mittelst des in einem
der Schwungräder eingesetzten Kurbelzapfens c.
Was die Steuerung betrifft, so geht deren Antrieb von der Kurbelwelle B aus durch die Schraubenräder d auf eine Querwelle e, welche den beiden
Steuerungshähnen D und E
gleichfalls mittelst Schraubengetriebe f resp. g, die continuirliche Drehung ertheilt.
Von der Querwelle e wird durch die Riemenscheiben h die Spindel des Regulators F in Bewegung gesetzt, welcher durch den doppelarmigen Hebel i und Zugstange k die
Regulirung der Expansion, wie a. a. O. auseinandergesetzt wurde, besorgt.