Titel: | Ueber die Mittel zur Erhaltung einer nahezu constanten Temperatur an einem gegebenen Orte, und zur Mäßigung der Temperatur bewohnter Räume in den Sommermonaten; von General Morin, Director des Conservatoriums der Künste und Gewerbe in Paris. |
Fundstelle: | Band 210, Jahrgang 1873, Nr. XLIII., S. 259 |
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XLIII.
Ueber die Mittel zur Erhaltung einer nahezu
constanten Temperatur an einem gegebenen Orte, und zur Mäßigung der Temperatur bewohnter
Räume in den Sommermonaten; von General Morin, Director des Conservatoriums der Künste und Gewerbe in
Paris.
Aus den Comptes rendus, t. LXXVII p. 737; October
1873.
Morin, über die Mittel zur Erhaltung constanter Temperatur in
Wohnungen etc.
Es ist für wissenschaftliche Arbeiten oder für die Conservirung gewisser Substanzen
oder Apparate öfters nützlich, in den Stand gesetzt zu seyn, die Temperatur in einem
gegebenen Local möglichst constant zu erhalten. Andererseits ist zur Sommerszeit in
heißen Ländern und selbst in unseren Klimaten die Steigerung der Temperatur
innerhalb der Wohnungen oder Versammlungsorte ein Uebelstand, dessen Beseitigung
sehr wünschenswerth erscheint. Ich habe mir daher die Aufgabe gestellt, in
vorliegender Abhandlung die zur Lösung dieses Problemes dienenden einfachen und
wenig kostspieligen Mittel näher zu bezeichnen.
Es ist bereits von Tresca in der französischen Section der
Metercommission eine Anordnung vorgeschlagen und im Jahre 1870 im Conservatoire des arts et métiers ausgeführt
worden, mit deren Hülfe man es dahin gebracht hat, in einem geschlossenen Raume die
Temperatur constant auf Null zu erhalten, selbst dann, wenn diejenige der äußeren
Luft 25 Grad betrüge. Man bediente sich hierzu eines auf der Verdunstung von Aether
beruhenden Kälteerzeugungsverfahrens nach Tellier's
System. Aber diese Methode, so befriedigende Resultate sie auch bei den Versuchen
der Metercommission lieferte, erfordert die Anwendung eines Motors zum Betrieb
mehrerer Apparate, und ließe sich ohne erhebliche und permanente Ausgaben, sowie
ohne große Umständlichkeiten nicht in allen Fällen durchführen. Ich habe mich daher
nach einem anderen einfacheren, ökonomischeren und regelmäßiger wirkenden Verfahren
umgesehen, welches nur einer sehr geringen Ueberwachung bedarf, und glaube dasselbe
gefunden zu haben, indem ich von der Beachtung folgender Thatsachen ausging.
Bereits seit mehreren Jahren wird das im Erdgeschoß nach Süden gelegene
Directionszimmer des Conservatoire des arts et
métiers auf einer Temperatur von 20 bis 23 Graden erhalten, während
die der äußeren Luft 25 bis 30 Grad beträgt. Zur Erzielung dieses Resultates hat es
genügt, mit Hülfe dreier im Kamin angebrachter Gasbrenner 500 bis 600 Kubikmeter
Luft per Stunde aus den Kellern herbeizusaugen und in
das Zimmer einzuführen. Mit Hülfe einer noch einfacheren Anordnung wird die
Temperatur im Laboratorium des Hrn. Deville in der École normale auf 23 Grad erhalten, wenn die der
äußeren Luft 32 Grad beträgt. Hier fließt die Kellerluft durch die alleinige Wirkung
der natürlichen Aspiration herbei, welche durch das Oeffnen einiger Fenster des
Glasdaches erzeugt wird.
Ich übergehe die analogen Resultate, welche im Jahre 1870 im Sitzungssaale des
gesetzgebenden Körpers erzielt wurden, wo die aus unterirdischen Gängen
herbeigeleitete frische Luft in der Nähe der Plafondwölbung, 20 Meter oberhalb des
Einganges einströmte. Diese Resultate sind in den Annales du
Conservatoire des arts et métiers veröffentlicht worden. Was man
also auf diese Weise nach Belieben durch die alleinige Wirkung einer Aspiration, sey
es einer natürlichen oder künstlichen erhält, wird sich wohl auch auf dauernde Weise
in einem zweckdienlich eingerichteten Local erreichen lassen. Die Luft der gesund zu machenden Räume dadurch regelmäßig zu erneuern, daß man
denselben mit Hülfe einer mäßigen Aspiration frische Luft von constanter
Temperatur zuführt,
dieses ist das einfache
Princip, auf welchem die von mir vorgeschlagene Lösung des fraglichen Problemes
beruht. Es bleibt mir nur übrig zu zeigen, daß die praktische Ausführung mit keinen
Schwierigkeiten verbunden ist.
Man weiß, daß in einer Tiefe von ungefähr 24 Metern die innere Temperatur des
Erdbodens constant ist.Quetelet, Mémoires de l'Académie de Bruxelles, t. X et XI. In Paris beträgt diese Temperatur in den Kellern des Observatoriums in einer
Tiefe von 28 Metern 11,7 Grad Cels. Diese Tiefe, bei welcher die Temperatur sich
nicht ändert, ist sowohl im Erdreich selbst, als auch in trockenen Kellern bestimmt
worden. Unter solchen Bedingungen wäre man also gewiß, stets Luft von ungefähr 11
Grad schöpfen zu können. Arbeitet man in tiefen Brunnen, deren Wasserspiegel nur 15
bis 16 Meter unter der Erdoberfläche liegt, und diese beziehen, wie es manchmal
vorkommt, ihr Wasser von benachbarten Anhöhen, aus wasserhaltigen Erdschichten, die
selbst in größerer Tiefe liegen, so wird die Temperatur der Luft bei weit geringeren
Tiefen unter der Erdoberfläche constant, und erhält sich selbst in den heißesten
Sommertagen ungefähr auf 11 Grad Celsius. Dieses fand ich in jüngster Zeit zu
verschiedenen Malen, und insbesondere am 24. August 1873, durch die Beobachtungen
bestätigt, deren Resultate in folgender Tabelle niedergelegt sind.
Beobachtungen über die Temperatur der Luft
in einem tiefen Brunnen in verschiedenen Tiefen.
Met.
Met.
Met.
Met.
Met.
Met.
Met.
Meter
Tiefen
3,50
5,50
7,50
9,50
11,5
13,50
15,50
16In den gewöhnlichen Brunnen, insbesondere in Paris, wo das Wasser von
nahe unter der Erdoberfläche gelegenen Wasseransammlungen herrührt,
ist die Lufttemperatur ein wenig veränderlich, im Sommer etwas
niedriger, im Winter etwas höher, als die der äußeren Luft. Würde es
sich nur um solche bewohnte Räume handeln, bei denen es genügte, im
Inneren einen geringen Temperaturunterschied bezüglich der äußeren
Luft zu erlangen, und die Bedingung der Beständigkeit der Temperatur
nicht auferlegt wäre, so könnte man sich begnügen, die frische ruft
aus diesen Brunnen zu beziehen.
BeobachteteTemperatur
beim Niedersteigenbeim Aufsteigen
14,014,0
12,012,0
11,011,2
11,010,8
11,010,8
11,010,8
11,010,8
11 im11 Wasser
Die äußere Temperatur betrug 22 bis 23 Grad. Es folgt aus diesen Versuchen, daß in
tiefen Brunnen die Luft bis zu Tiefen von 7 bis 8 Meter unter der Erdoberfläche die
Temperatur des Wassers annimmt, und daß letzteres nur 11 Grad Cels. erreichen kann, eine Temperatur, wie
sie auch in trockenen Tiefen gefunden worden ist. Aber so verhält es sich selten,
und um den Hauptzweck, welchen wir im Auge haben, zu erreichen, wird man im
Allgemeinen die Schachte, indem man sie bis zu 24 oder 25 Meter abteuft, wasserdicht
ausmauern und ebenso den Boden derselben gegen das Eindringen des Wassers schützen
müssen.
Nach dieser Einleitung wird man leicht begreifen, daß es zur Erfüllung der
Bedingungen des fraglichen Problemes genügen wird, ähnliche Anordnungen wie
diejenigen zu adoptiren, die wir hier nur in allgemeinen Umrissen bezeichnen
wollen.
Dem Hauptsaal, in welchem man eine nahezu constante Temperatur herzustellen wünscht,
würde ein anderer Saal von ungefähr gleichem Rauminhalte oder auch einfach ein
kleines Vorzimmer vorangehen, welches die Stelle einer Luftschleuse verträte, um die
Folgen des Oeffnens der Thüren abzuschwächen. Diese Räume hätten Mauern, Plafonds
und einen ziemlich dicken Fußboden aus Béton. Boden und Mauern wären auf
Gewölbbogen fundirt und in geringem Abstande mit einer isolirenden Hülle von
gleicher Form umgeben, welche mit den Bögen und mit dem Boden des Luftschachtes in
Communication ständen. Die nahe am höchsten Punkte des Plafonds und der Hülle
angebrachten Evacuationsöffnungen würden in directer aber nöthigen Falles ganz
unabhängiger Verbindung mit den Aspirationsröhren stehen, worin eine Anzahl
Gasflammen unter constantem Drucke fortwährend brennen würde. Die Zahl dieser
Flammen würde erfahrungsgemäß nach der Jahreszeit sich richten. Die Luft, welche in
die Locale, in die Gewölbe des Souterrains und in die Umhüllung eingeführt werden
soll, würde aus dem Schacht und zwar aus einer dem Boden desselben nahe gelegenen
Stelle, mittelst eines geeigneten Canales herbeigeleitet. Das Local könnte im
Erdgeschoß hergerichtet werden und sein Licht durch Doppelfenster empfangen, welche
auf der Nordseite angebracht wärm, und deren Zwischenräume mit der isolirenden Hülle
in freier Verbindung ständen. Nach diesen allgemeinen Andeutungen wollen wir zeigen,
welcher Weg einzuschlagen ist, um die richtigen Verhältnisse ausfindig zu
machen.
Man besitzt sehr wenige auf Versuche gegründete Daten, welche sich auf die
Transmission der Wärme durch Körper von einer gewissen Dicke, insbesondere durch die
Wände und Mauern von Gebäuden beziehen. Wenn auch das zur Berechnung dieser
Transmission von Newton aufgestellte GesetzBiot, Traité
de Physique, t. IV p. 628, édition de 1816. von mehreren Physikern unter ziemlich verschiedenen Umständen bestätigt worden ist,
so dürfte es doch etwas gewagt seyn, dasselbe auf die Mauern und Umhüllungen unserer
Wohnungen auszudehnen. Da indessen unsere geschicktesten Ingenieure, welche sich mit
der Heizung beschäftigen, von jenem Gesetz schon längst Gebrauch machen, so wollen
wir versuchen, dasselbe auf die umgekehrte Frage anzuwenden, nämlich auf die der
Abkühlung gewisser Locale durch Luftcirculation. Die Newton'sche Formel, mit deren Hülfe man die Anzahl der Wärmeeinheiten
berechnet, welche eine gegebene Oberfläche per Stunde
durchlassen kann, lautet:
Anzahl der Wärmeeinheiten = KS (T
– T¹). In diesem Ausdrucke bezeichnet T die äußere Temperatur am Locale oder seiner Umhüllung, T¹ die innere Temperatur, S die innere Wärmetransmissionsfläche, K einen
constanten Coefficienten, welcher von der jeweiligen Beschaffenheit der Mauer oder
Wand abhängig ist und mit der Dicke derselben sich ändert. Behufs der Anwendung
nehmen die Praktiker im Allgemeinen folgende Werthe für den Coefficienten K an: für Façademauern von mittlerer Dicke K = 1,20; für Fußböden und Plafonds, K = 0,80.
Bezeichnet man andererseits durch V das in die Localität
einzuführende Luftvolumen von der Temperatur t und der
Dichtigkeit d = 1,29 Kilogrm.; durch T¹ gewünschte innere Temperatur; durch c = 0,237 die specifische Wärme der Luft, so wird die
Anzahl der Wärmeeinheiten, welche das Luftvolumen V mit
sich führen kann, indem es von der Temperatur t auf die
Temperatur T¹ übergeht, ausgedrückt seyn
durch
Vd (T¹ – t) 0,237 = 0,306 V (T¹ – t)
Calorien.
Damit der Uebergang dieser Luft in das abzukühlende Local, welches wir als unbewohnt
annehmen, die Einführung der Wärme durch die Wände ausgleiche, muß
KS (T –
T¹) = 0,306 V (T¹ – t)
seyn, woraus
Textabbildung Bd. 210, S. 263
Aus der näheren Discussion dieses Ausdruckes ergibt sich:
1) daß das Volumen der einzuführenden Luft um so größer ist, je mehr sich die im
Inneren zu behauptende Temperatur derjenigen der eingeführten Luft nähert, und je
ausgedehnter die Abkühlungsflächen sind: das fragliche Volumen würde unendlich groß
ausfallen, wenn man wollte, daß die innere Temperatur T¹ der Temperatur t der eingeführten Luft
gleich sey;
2) daß dagegen dieses Volumen um so geringer ist, je geringer der Ueberschuß der
äußeren Temperatur über die Temperatur im Inneren ist, und je schlechtere
Wärmeleiter die Wände sind;
3) daß unter gleichen übrigen Umständen dieses Luftvolumen dem Werth proportional
seyn wird, welchen man dem Träger (T –
T¹)/(T¹ – t) dieser Temperaturdifferenzen nach Maaßgabe der auf
die jedesmalige Jahreszeit und Anwendung bezüglichen Daten beilegen mag.
Es ist übrigens einleuchtend, daß man mit der Festsetzung des per Stunde einzuführenden Luftvolumens V nach
dem Maximum der äußeren Temperatur T sich richtet, unter
dem Vorbehalte, diese Einführung je nach Bedürfniß mit Hülfe von Registern
einzuschränken. Die Frage wird sich jedesmal einfacher gestalten, wenn es möglich
ist (T – T¹)/(T¹ – t) = 1 zu setzen d.h. sich
mit dem Werthe
T¹ = (T
+ t)/2
zu begnügen. Um wenigstens eine Idee von den Resultaten zu
geben, die zu erlangen man hoffen darf, wollen wir ein Zahlenbeispiel als Anwendung
der obigen Formel auf ein gegebenes Local folgen lassen.
Anwendung. – Nehmen wir an, man wolle das
fragliche Problem für einen 5 Meter breiten und 4 Meter hohen Saal lösen. Derselbe
besitze einen eisernen auf kleinen Ziegelgewölben ruhenden Fußboden, darüber einen
Estrich aus Béton von 0,20 Met. Dicke. Saal und Vorzimmer sollen eine Länge
von 7,5 Met. und die Wandpfeiler eine Dicke von 0,6 Met. haben. Das Totalvolumen
dieser beiden Locale betrage 150 Kubikmeter und ihre innere Abkühlungsoberfläche 175
Quadratmeter. Die Umhüllung oder der Mantel sey 0,5 Met. von der Mauer des Saales
entfernt, besitze gleichfalls einen eisernen Boden, darüber einen
Béton-Estrich. Die Ziegelgewölbe unter dem Saalboden sollen die
Circulation der frischen Luft unter dem Boden gestatten. Das Totalvolumen der Hülle
betrage also 134,76 Kubikmeter und ihre Abkühlungsoberfläche 267,80 Quadratmeter.
Nach diesen Verhältnissen, und immer unter der Annahme (T
– T¹)/(T¹ – t) = 1, wäre das Volumen der zu evacuirenden und behufs
der Abkühlung zuzuführenden Luft:
per
Stunde
per
Secunde
für den inneren Saal
458 Kubikmet.
0,127 Kubikmet.
für die Umhüllung
700
0,195
––––––––––
––––––––––
Zusammen
1158 Kubikmet.
0,322 Kubikmet.
Da die Zuflußgeschwindigkeit in dem Canal für kalte Luft leicht 0,70 Met. in 1
Secunde betragen kann, so sollte die Röhre 0,70 Met. Durchmesser haben; und wenn die
Geschwindigkeit der Einführung in den Schacht auf 0,20 Met. per Secunde reducirt wird, um seine Abkühlung während der niedersteigenden
Circulation sicher zu stellen, so müßte dieser Schacht 1,5 Met. Durchmesser haben.
Diese Verhältnisse sind, wie man sieht, leicht ausführbar.
Bedienen wir uns nun der Formel (T –
T¹)/(T¹ – t) = 1, der die obigen Werthe für die in beiden Räumen
in Circulation zu setzenden Luftvolumina entsprechen, und bezeichnen wir die
Temperaturen, welche man in der Umhüllung und in dem Hauptlocal, die wir einstweilen
im Erdgeschoß annehmen wollen, erlangen könnte, beziehungsweise mit T¹ und T¹₁, so werden wir für T =
25° (ein übertriebener Werth) und t = 11°
finden:
Textabbildung Bd. 210, S. 265
was in den meisten Fällen vollständig genügen würde. Befände
sich das Local im Souterrain, so hätte man höchstens T =
16°, und hieraus würde man abteilen:
T¹ = 13,5° und T¹₁ = 12,25°
Es ist hieraus ersichtlich, daß man mit den summarisch angedeuteten Anordnungen in
der heißen Jahreszeit leicht der Bedingung genügen könnte, das angenommene Local auf
einer gemäßigten und ziemlich constanten Temperatur zu erhalten.
Man kann die Frage aufstellen, ob es nicht vortheilhaft wäre, die Umhüllung, welche
den Mantel bildet, wegzulassen, und ob die Anwendung der obigen Daten zeigen würde,
daß man durch angemessene Vermehrung der Luftcirculation in diesem einzigen Locale
wirklich ungefähr die nämlichen Resultate bezüglich der Temperaturen erhielte.
Allein es ist zu bemerken, daß wir bis jetzt die Formel nur auf den Fall angewendet
haben, wo die äußere Temperatur bedeutend höher ist als die Temperatur der aus circa 24 Metern Tiefe geschöpften Luft: es würde sich
alsdann nur darum handeln, der inneren Erwärmung vorzubeugen.
Wir haben nun oben gesehen, daß das Luftvolumen, welches herbeizuschaffen ist, um die
fragliche Localität auf einer gegebenen Temperatur T¹ zu erhalten, um so geringer ausfiele, je niedriger die Temperatur
T der äußeren Luft selbst wäre; und es läßt sich
leicht nachweisen, daß,
wenn letztere 11 Grad wie die Temperatur t der
einzuführenden Luft, betragen würde, jenes Volumen völlig unbestimmt wäre, was
übrigens schon an und für sich einleuchtet.
Wenn wir nun auf den Fall übergehen, daß die äußere Temperatur niedriger als die
Temperatur t = 11° sey, welche die Luft des
Schachtes erreichen und beibehalten kann, und dabei gewissen physikalischen
Wirkungen Rechnung tragen, die bis jetzt noch nicht zur Sprache gekommen sind, so
werden wir zu Schlußfolgerungen gelangen, welche die Nützlichkeit der äußeren Hülle
in's Licht stellen. Setzen wir also T = t – a,
und bleiben bei der einfachen Annahme, daß (T –
T¹)/(T¹ – t) = 1, so ist
(t – a –
T¹)/(T¹ – t) = 1
woraus
T¹ = t – a/2;
folglich wäre die constante Temperatur, welche die Circulation
eines Luftvolumens V = KS/0,306 von 11 Graden d.h. von
der Temperatur des Schachtes in dem projectirten Locale hervorbringen würde,
niedriger als die Temperatur der Schachtluft.
Was die directen Einwirkungen der Temperatur auf die in diesem Locale aufgestellten
Objecte anbelangt, so würde dieser Umstand im Allgemeinen keine ernstlichen
Nachtheile zur Folge haben. Aber es ist ein anderer physikalischer Umstand, welcher,
wenn dieser Raum als Aufbewahrungsort für kostbare und empfindliche Gegenstände z.B.
Waagen und andere feine Apparate dienen sollte, es nicht zuläßt, daß die Temperatur
daselbst merklich niedriger als die der hinzufließenden Luft werde. Denn diese Luft
würde, indem sie in Berührung mit den Wänden des Locales sich abkühlte, einen Theil
ihrer Feuchtigkeit abgeben, und die condensirte Flüssigkeit sich nicht allein an den
Mauern und dem Fußboden, sondern auch an den Apparaten ansetzen und auf diese
nachtheilig einwirken. Es folgt hieraus, daß die Temperatur der zur Aufnahme von
Präcisionsapparaten bestimmten Locale in jeder Jahreszeit ein wenig höher als
diejenige der einzuführenden Luft d.h. höher als 11° gehalten werden muß,
weil man hoffen darf, durch eine Luftcirculation bei dieser constanten Temperatur
die approximative Gleichförmigkeit der gewünschten Temperatur an diesen Orten sich
zu verschaffen.
Nunmehr erweist sich die äußere Hülle, von welcher die Rede war, sehr nützlich, vorausgesetzt daß
sie mit Hülfe einer Warmwasserheizung stets auf einer zur Vermeidung der
bezeichneten Inconvenienzen geeigneten, wenig veränderlichen Temperatur erhalten
werden kann. Kurz, man sieht, daß die Bedingung, in einem gegebenen Local eine
nahezu unveränderliche Temperatur herzustellen, erfüllt werden kann, ohne daß man
nöthig hat, zu tiefen Kellern seine Zuflucht zu nehmen, die nur mit großem
Kostenaufwand gebaut, gegen Infiltrationen geschützt und nur mit künstlichem Lichte
erhellt werden können. Adoptirt man dagegen die vorgeschlagene Anordnung, so kann
man das fragliche Local, sey es in gleicher Höhe mit dem Erdboden, oder in einem
luftigen, gesunden und durch Tageslicht erhellten Souterrain von geringer Tiefe
etabliren, worin Beobachtungen ganz bequem, selbst bei einem wenig unter der
Frühjahrstemperatur liegenden Wärmegrad gemacht werden könnten.
Es ist übrigens einleuchtend, daß die Anordnungen, welche soeben bezüglich eines auf
nahezu constanter Temperatur zu erhaltenden Dépôts von
Präcisionsapparaten in allgemeinen Ausdrücken angedeutet wurden, noch leichter
anwendbar wären, wenn es sich nur darum handelte, in der heißen Jahreszeit in
Versammlungslocalen, Bureaux oder Privatwohnungen und selbst in Magazinen zur
Aufbewahrung von Nahrungsmitteln eine gemäßigte Temperatur, etwas niedriger als die
der äußeren Luft, herzustellen. In allen derartigen Fällen wäre es, wie gesagt,
nicht nöthig auf tiefe Schachte zurückzukommen, weil schon wenige Meter unter der
Erdoberfläche die Luft immer hinreichend frisch ist.