Titel: | Ueber eine nach oben erweiterte Maschinenesse; von Alfred Purgold. |
Fundstelle: | Band 210, Jahrgang 1873, Nr. XLIV., S. 268 |
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XLIV.
Ueber eine nach oben erweiterte Maschinenesse;
von Alfred
Purgold.
Aus dem berg- und hüttenmännischen Jahrbuch der
Bergakademien zu Leoben, Pribram und Schemnitz, Bd. XXI S.
111.
Purgold, über eine nach oben erweiterte Maschinenesse.
Beim Britanniaschachte Nr. 4 bei Mariaschein (in Böhmen) handelte es sich darum,
möglichst rasch und billig zur Förderung zu gelangen. Die gerade damals von einem
viel erfahrenen amerikanischen Ingenieur mir beiläufig gemachte mündliche Bemerkung,
daß in Amerika mit großer Ersparniß an Zeit- und Geldaufwand anstatt hoher
und verhältnißmäßig enger, namentlich nach oben verengter Maschinenessen deren sehr
niedrige von größerer, nach oben zunehmender Weite mit vollem Erfolge im allgemeinen
Gebrauch seyen, fiel daher auf empfänglichen Boden. Einestheils die Zuverlässigkeit meines
Gewährsmannes, anderntheils die entschiedenen Vortheile, welche sein Vorschlag in
Aussicht stellte und endlich das im Verhältniß dazu geringe Wagniß, das selbst im
Falle technischen Mißlingens mit der Ausführung verbunden erschien, ließen mich über
den Widerspruch mit der bisher befolgten Praxis für Eisenconstructionen hinweggehen
und einen praktischen Versuch unternehmen.
Zum Betrieb der Fördermaschine haben hier zwei cylindrische Dampfkessel von je 4 1/2
Fuß Durchmesser, 34 Fuß Länge und zusammen 590 Quadratfuß Feuerfläche bei 3 1/4
Atmosphären Dampfdruck zu dienen; Treppenroste mit direct durchgehendem Luftcanal,
welchen ich aber in Rücksicht auf die zu erbauende Esse im vorliegenden Falle unten
10 Zoll hoch nahm, anstatt der sonst hier erprobten Höhe von nur 9 Zoll. Die
Kesselzüge münden in einen hinten vorbeiführenden gemeinschaftlichen Canal von 2 Fuß
Breite und 3 Fuß Höhe, welcher söhlig direct in die Esse führt.
Wegen augenblicklichen Mangels an Formziegeln mußte die Esse selbst quadratischen
Querschnitt erhalten. Ich machte sie zunächst 10 Fuß hoch prismatisch, außen 8 Fuß,
innen 2 1/2 Fuß weit, also 2 3/4 Fuß Mauerstärke; dann noch 30 Fuß Höhe aufgesetzt,
innen bis 4 1/2 Fuß erweitert, außen bis 6 1/2 Fuß verjüngt, mithin bei der oberen
Mauerstärke von 1 Fuß mit 3 Zoll Böschung auf je 10 Fuß senkrechte Höhe und im
Ganzen 40 Fuß hoch über dem Boden.
Binnen einer Woche war das Werk gethan. Als es fertig, wurde angeheizt und nachdem
auch das Mauerwerk vollständig ausgetrocknet war, Dampf gemacht. Der Luftzug unter
den Rosten und die Dampfentwickelung zeigten sich sehr lebhaft, vollauf genügend und
sogar über Erwarten den Bedarf deckend, so daß der Versuch mit der neuen
Construction für gänzlich gelungen zu erklären ist und diese auch für künftige Fälle
und größere Dimensionen sich bestens empfiehlt. Die sogar zum officiellen Ausdruck
gelangte Befürchtung einer lästigen Rauchentwickelung hat sich als durchaus
unbegründet erwiesen, im Gegentheil zeigt sich weniger Rauch als bei äquivalenten
Essen der gewöhnlichen Bauart und entfällt auch jegliche Besorgniß um eine
Beeinträchtigung der Curerfolge der Dreiviertel-Wegstunden entfernten Bäder
von Teplitz.
Nach der landesüblichen Schablone wäre hier eine Esse von beiläufig 80 Fuß Höhe, 40
Zoll unterer, 20 Zoll oberer Weite angezeigt gewesen, welche allermindestens den
doppelten Aufwand an Zeit, Arbeit und Material erfordert hätte, so daß sich eine
ganz wesentliche Ersparniß zu Gunsten der neuen Construction ergibt.
Nachdem die beschriebene Esse fertig, ja schon angeheizt war, erhielt ich von
befreundeter Seite die in den Prager technischen Blättern, Heft 4 v. J. 1871,
enthaltene Theorie Zeuner-Ahrens über die
Lufteinströmung in Schornsteine mitgetheilt, welche im Wesentlichen auf die Form des
contrahirten Strahles hinauskommend, zwar zu etwas anderen als den von mir
angewendeten Verhältnissen führt, aber die Richtigkeit des Principes der Erweiterung
nach oben vollständig bestätigt, so daß der praktische Sinn des Amerikaners hier der
Theorie vorausgeeilt ist. Indessen ist der hiesige Versuch zusammen mit vorgenannter
Theorie die Veranlassung zur Erbauung von bis jetzt vier
anderen Essen nach gleichem Princip geworden, zweien in der chemischen Fabrik zu
Aussig, einer in der Cementfabrik zu Gößnitz, einer noch im Bau begriffenen am
Zinnwerk Graupen; möge das gegebene Beispiel auch anderweit erfolgreiche Nachahmung
finden.