Titel: | Ueber die Anwendung der Seife in der Textil-Industrie; von Dr. H. Vohl in Cöln a. Rh. |
Autor: | Hermann Vohl |
Fundstelle: | Band 210, Jahrgang 1873, Nr. LXI., S. 370 |
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LXI.
Ueber die Anwendung der Seife in der
Textil-Industrie; von Dr. H.
Vohl in Cöln a. Rh.
Vohl, über neutrale Seifen und ihre Anwendung in der
Seide-Industrie.
Im Anschluß an meine früheren in diesem Journal, 1872 Bd. CCIV S. 53 mitgetheilten
Untersuchungen der Kali- resp. Schmierseifen im Allgemeinen, habe ich die bei
der Textil-Industrie vorzugsweise in Anwendung kommenden verschiedenen
Seifensorten einer Untersuchung unterworfen und zu ermitteln gesucht, zwischen
welchen Grenzen der Gehalt der verschiedenen Seifen an Alkalien und Fettsäuren
schwanken kann, ohne den gewünschten Effect zu beeinträchtigen und ohne auf die
betreffende Faser einen nachtheiligen Einfluß auszuüben.
Der Verbrauch an Seife bei der Textil-Industrie ist ein sehr großer und kann
derselbe in keiner Weise vollständig surrogirt werden. Alle Versuche, welche man in
dieser Richtung mit caustischen und kohlensauren Alkalien, so wie mit freiem
Ammoniak und dessen Verbindungen anstellte, haben stets zur Seifenanwendung
zurückgeführt.
Bezüglich der Zusammensetzung der anzuwendenden Seife ist im Allgemeinen zu bemerken,
daß dieselbe selbstverständlich von dem zu erzielenden Effect so wie von der Natur
der zu behandelnden Faser abhängig ist.
Für den Fabrikanten ist es demnach von der größten Wichtigkeit die Bestandtheile der
anzuwendenden Seife, so wie das Verhältniß derselben zu kennen. Er muß ferner die
Grenzen kennen zwischen welchen der Gehalt der einzelnen Bestandtheile schwanken
kann, ohne daß die anzuwendende Seife den gewünschten Effect beeinträchtigt oder
einen nachtheiligen Einfluß auf die Gespinnstfaser ausübt.
Bei der Textil-Industrie kommen zum Theil neutrale, zum Theil alkalische
Seifen in Anwendung. Bei letzterer Kategorie kann der Alkaliüberschuß entweder als
freies Alkali oder als dessen kohlensaure Verbindung in derselben enthalten seyn.
Nicht selten kommen auch beide Substanzen zugleich in derselben vor.
Zunächst sind die sogenannten neutralen Seifen und ihre Anwendung einer eingehenden
Untersuchung zu unterwerfen.
I.Neutrale Seifen und ihre
Anwendung bei der Seide-Industrie.
Die bei der Textil-Industrie in Anwendung kommenden neutralen Seifen sind zum
größten Theil Oelseifen und zwar Olivenölnatronseifen. Sie finden vorzugsweise ihre Verwendung bei der
Seide-Industrie, werden im Allgemeinen mit dem Namen „Marseillerseifen“ belegt und dienen zum
Entschälen (Entbasten) resp. zum Degummiren und Kochen der
Seide.
Dieser Entschälungsproceß ist für den Fabrikanten von der größten Wichtigkeit, indem
bei unrichtiger Ausführung resp. bei Anwendung nicht dazu geeigneter Seife die Seide
verdorben wird und dem Fabrikanten ein erheblicher Schaden dadurch erwachsen
kann.
Um die geeignete Qualität der bei diesem Proceß anzuwendenden Seife feststellen zu
können, ist es vor allen Dingen nothwendig die Bestandtheile der rohen Seide und
deren Eigenschaften genau in's Auge zu fassen, so wie die Functionen zu kennen,
welche die Seife bei diesem Proceß übernehmen soll.
Nach Mulder enthalten 100 Gewichtstheile Rohseide
(Bast):
Gelber Bast.
Weißer Bast.
Fibroïn
53,37
54,04
Gelatine
20,66
19,08
Albumins (?)
24,43
25,47
Wachs
1,39
1,11
fette und harzartige Körper
0,10
0,30
Farbstoff
0,05
–
–––––––
–––––––
100,00
100,00
Im Jahre 1863 ist von Cramer eine neue ausführliche
Untersuchung über die Seide veröffentlicht worden (Cramer, Untersuchung der Seide und des thierischen Schleimes.
Inauguraldissertation, Zürich, 1863; Journal für praktische Chemie Bd. XCIII S. 347;
polytechn. Journal Bd. CLXXVI S. 53;
Schweizerische polytechn. Zeitschrift, 1864 S. 130.)
Cramer wies nach, daß das von Mulder angegebene Albumin in der Seide fehlt und die Löslichkeit des
stickstoffhaltigen Körpers in Essigsäure den Irrthum herbeiführte.
Der reine Seidestoff, das Fibroïn, macht 50 bis 60
Proc. der Rohseide aus.
Nach Städeler bedingt ein gewisser Gehalt an Schleimstoff
(Mulder's Albumin) die Elasticität der Seide und man
hat bei der Entschälung derselben insofern darauf zu achten als ein vollständiges
Ausziehen der Seide, bezüglich des Schleimstoffes, dieselbe spröde und brüchig macht.
Im Jahre 1869 untersuchte Mène 16 Sorten roher
gelber Seide und fand hierbei im Durchschnitt folgende Werthe:
Fibroïn
50,0
bis
51,4
Proc.
Gelatine (in Wasser
löslich)
16,0
„
18,5
„
Wachs, fett- und harzartige
Körper (in Aether löslich)
1,9
„
2,5
„
stickstoffhaltige, in Essigsäure
lösliche Substanz (Mulder's Albumin)
16,8
„
19,0
„
Wasser
9,0
„
11,7
„
Asche
1,7
„
3,7
„
Aus diesen Versuchen geht hervor, daß der Fibromgehalt der Seide keinen sehr großen
Schwankungen unterworfen ist, dagegen diejenigen Bestandtheile welche durch die
Entschälung ganz oder theilweise zu entfernen sind, in quantitativer Hinsicht mehr
variiren können und daß schließlich der Aschengehalt ganz bedeutenden Abweichungen
unterworfen ist.
Es ist zu bedauern daß C. Mène nicht angegeben hat,
ob die verschiedenen Seidesorten von einer und derselben Art der Raupe und ob
dieselben von einer oder verschiedenen Ernten herstammen. (Ch. Mène, Comptes rendus t. LXIX p. 828; Jahresbericht über die Fortschritte der Chemie
etc. von Adolph Strecker, 1869 S. 814.)
Bezüglich des Aschengehaltes der Rohseide ist noch zu bemerken, daß auch Guinon über denselben Mittheilungen machte und den
Kalkgehalt der Seide als sehr erheblich und störend bei der Vorbereitung derselben
annimmt. (Guinon, de Lyon, le Technologiste, 1856;
polytechn. Centralblatt, 1856 S. 506; Comptes rendus t.
XLII p. 239; Journal für praktische Chemie Bd. LXIX S.
124; chemisches Centralblatt, 1856 S. 238.)
Im Jahre 1860 machte A. Sobrero wichtige Mittheilungen
bezüglich des nachtheiligen Einflusses welchen ein größerer Gehalt an
Mineralsubstanzen (Kalk, Magnesia, Thonerde, Eisenoxyd) beim Entschälen der Seide
ausübt. (Sobrero
: Mémoire présenté a l'Académie
des sciences de Turin, 12. Februar 1860 und Répertoire de chimie appliquée t. II p. 97; Glénard: De l'influence des bases inorganiques
dans le décreusage des soies; polytechn. Centralblatt, 1857 S.
1598.)
Bezüglich der Art und Weise resp. der Reihenfolge der Ablagerung der die Rohseide
constituirenden Körper, ist zu bemerken daß das Fibroïn den inneren Theil,
gleichsam den Kern des Fadens ausmacht und die anderen Substanzen: Gelatine,
Schleimstoff, Wachs, Fett, harzähnliche Bestandtheile sowie der Farbstoff die äußere
Hülle des Fadens bilden. Letztere Körper haben außer ihren speciellen
Lösungsmitteln: Wasser, Alkohol, Aether und Essigsäure, noch einige
gemeinschaftliche Lösungsmittel, nämlich Kali oder Natron sowie fettsaure
Alkalisalze (Seife).
Das Fibrom ist dagegen unlöslich in neutralen Lösungsmitteln und in Essigsäure;
Alkalien und alkalische Lösungsmittel sowie starke Mineralsäuren, Schwefelsäure,
Salzsäure und Salpetersäure, greifen das Fibrom an und lösen dasselbe theilweise
unter Zersetzung auf.
Sehr verdünnte Lösungen von caustischem Kali oder Natron
lösen zwar das Fibroïon nicht sogleich auf,
nichtsdestoweniger aber muß man sich in der Praxis vor der Anwendung auch der
kleinsten Menge freier Alkalien hüten, weil sie der Seide
den schönen Glanz benehmen, ihre Haltbarkeit beeinträchtigen und sie weich, ja sogar oft völlig
breiartig machen.
Das einzige alkalischreagirende Lösungsmittel für die
Umhüllungsstoffe der Seide, welches das Fibrom nicht angreift, ist eine neutrale
Seifenlauge.
Das Entschälen der Seide.
Wird die Rohseide verwebt, so erhält man einen harten,
steifen und wenig glänzenden Stoff.
Nur für einige Zeuge, z.B. Gaze, Blonden u.s.w. ist dieser Zustand passend, weil hier
eine Geschmeidigkeit und Weichheit ebensowenig wie ein schöner Glanz beansprucht
wird.
Soll jedoch ein zartes, weiches und glänzendes Gewebe erzeugt werden, so muß man die
Faser vorher von ihrem harzigen und gummiartigen Ueberzuge befreien.
Auch muß diejenige Seide welche zum Färben bestimmt ist, dieser Procedur unterworfen
werden, weil diese Hülle ein Verbinden des Fibroms mit dem Farbstoff beeinträchtigt
und letzterer sich nur auf der Oberfläche der Seide ablagert, so daß oft schon lauwarmes Wasser hinreicht um die Farbe von dem
Stoffe zu entfernen.
Diesen Reinigungs- resp. Vorbereitungsproceß bezeichnet man mit „Entschälen oder Entbasten“ der Seide und
er zerfällt in das „Degummiren“ (décreusage) und in das „Kochen“ (cuite). Der Seide sollen durch diesen Proceß mit Hülfe eines passenden
Lösungsmittels die Gelatine, das Wachs, die Fette, der gelbe Farbstoff und ein Theil der stickstoffhaltigen Substanz (Mulder's Albumin) entzogen werden.
Die Seide erleidet dadurch einen Verlust welcher durchschnittlich 25 Proc. beträgt,
der aber auch bei gewissen Sorten und in einigen Jahrgängen bis zu 38 bis 40 Proc.
steigen kann.
Mulder gibt an, daß die Fette, das Wachs, die Gelatine
und der Farbstoff in Summa 22,3 Proc. betragen, und es geht daraus hervor, daß beim Entschälen
hauptsächlich diese Substanzen der Seide entzogen werden und nur ein Theil der
stickstoffhaltigen Substanz in Lösung geht.
Wie schon erwähnt, ist das passendste Lösungsmittel für die Umhüllungssubstanz der
Seide eine siedende neutrale Seifenlösung, und wird zu
diesem Zwecke vorzugsweise Olivenölnatronseife, die sogenannte Marseillerseife, in Anwendung gebracht, obgleich auch eine jede andere neutrale Seife denselben Dienst thut und es auf die Natur
der Fettsäure nicht ankommt, vielmehr ein vollständig neutraler Zustand der Seife, demnach kein Ueberschuß
an Alkali, unbedingt erheischt wird.
So wird außer mit Marseillerseife auch mit neutraler Palmölseife derselbe Effect
erzielt. Letztere verdient außerdem bezüglich des Preises den Vorzug. Auch neutrale
Olëinnatronseife thut denselben Dienst, wenn das Olëin von
Stearinfabriken herrührt, welche mit Kalkverseifung arbeiten.
Bezüglich der Neutralität verschiedener Olivenölseifen ist zu bemerken, daß der
procentische Alkaligehalt der einzelnen Sorten variiren kann, ohne daß der neutrale
Zustand der einzelnen Seifen dadurch alterirt wird.
Dieses Schwanken des Alkaligehaltes verschiedener Olivenölseifen rührt von der
ungleichen Zusammensetzung des verwandten Oeles her. Das Verhältniß der flüssigen
Fette zu den starren ist ganz erheblichen Schwankungen unterworfen, welche durch die
Cultur, den Standort und die climatischen Verhältnisse bedingt sind. Die
italienischen, französischen und spanischen Olivenöle variiren, abgesehen von der
Qualität, nicht unerheblich in dem Gehalt der festen und flüssigen Fettsäuren und es
werden demnach auch die aus denselben bereiteten neutralen Seifen Differenzen im
Alkaligehalt zeigen, ohne daß dadurch die Neutralität der an Alkali reicheren Seife
gestört wird.
Die verschiedenen Sorten der Olivenöle bestehen aus wechselnden Mengen von
Palmitin-, Stearin- und Oelsäure, wenn man nach Heintz die Margarinsäure als ein Gemenge von Palmitin- und
Stearinsäure ansieht.
Da nun die verschiedenen Fettsäuren des Olivenöles auch eine verschiedene
Sättigungscapacität besitzen, so ist es klar, daß Oele verschiedener Zusammensetzung
ungleiche Mengen eines Alkalis sättigen.
So verlangen z.B. 100 Gewichtstheile wasserfreier
Palmitinsäure
12,51
Gewichtstheile
Natron
Oelsäure
11,35
„
„
Stearinsäure
11,27
„
„
zur Sättigung resp. zur Bildung einer neutralen Seife.
Es geht unzweifelhaft daraus hervor, daß die bloße Bestimmung des procentischen
Alkaligehaltes einer Seife keinen Aufschluß bezüglich des neutralen Zustandes
derselben geben kann. Es muß vielmehr das gebundene
Alkali neben dem möglicher Weise vorkommenden kohlensauren oder freien Alkali bestimmt
werden. Eine jede Seife, welche alsdann mehr wie Spuren von
freiem oder kohlensaurem Alkali zeigt, ist zur Benutzung beim Entschälen
oder Kochen der Seide entweder zu verwerfen oder nur mit großer Vorsicht zu
verwenden.
Was die Baumölsorten anbetrifft, welche zur Darstellung der Marseillerseife
Verwendung finden, so ist Nachfolgendes zu bemerken.
Bezüglich der Qualität und Quantität der zu erzielenden Seife steht das sogenannte
Provenceröl obenan. Auch das neapolitanische Oel liefert im Allgemeinen eine vorzügliche Seife. Das sicilianische Olivenöl liefert eine gute, aber grün
gefärbte und das Oel von Aix eine citronengelb gefärbte Seife. Alle diese Oele
liefern wegen ihrem hohen Gehalt an festen Fettsäuren
(Palmitinsäure etc.) eine neutrale Seife von verhältnißmäßig höherem Alkaligehalt
wie die Oele aus Calabrien, Corsica, Sardinien und Tunis, welche einen höheren Gehalt an Oelsäure wie die
erstgenannten besitzen. Die Oele der Levante und die aus Spanien liefern zwar
starkgefärbte aber zur Entschälung der Seide vortrefflich anzuwendende
Fabricate.
Um einen Gehalt an freiem Alkali (caustischem Alkali) in der Seife nachzuweisen und
quantitativ zu bestimmen, hat man mehrere Methoden in Vorschlag gebracht, welche
mehr oder minder dem Zweck entsprechen und dem analog genaue Resultate ergaben.
Da die Fettsäuren selbst in den neutralen Alkalisalzen die alkalische Reaction der
Base nicht aufheben, so werden selbstverständlich die neutralen fettsauren
Alkalisalze eine alkalische Reaction haben und es kann das Bläuen von rothem
Lackmuspapier nicht als Nachweis eines Gehaltes an freiem oder kohlensaurem Alkali
gelten.
W. Stein hat deßhalb eine andere Methode Vorschlag
gebracht um in den gewöhnlichen Seifen freies Alkali nachzuweisen, welche darin
besteht, daß man die frische Schnittfläche der zu untersuchenden Seife mit einer
Auflösung von Quecksilberchlorid bestreicht und aus der Menge des ausgeschiedenen
Quecksilberoxydes den Gehalt an freiem Alkali zu schätzen sucht. Zum Nachweis des
freien Alkalis in den Harzseifen wendet er neutrales salpetersaures
Quecksilberoxydul an. Enthält die fragliche Seife ätzende Alkalien, so scheidet sich
schwarzes Quecksilberoxydul aus. (Zeitschrift für analytische Chemie, von R. Fresenius, V. Jahrg. S. 292.) Diese Methode ist jedoch in
vielen Fällen unzuverlässig und eignet sich ebensowenig zur quantitativen Bestimmung
der freien und kohlensauren Alkalien.
Zur qualitativen und quantitativen Bestimmung des freien Alkalis in einer Seife ist
nur die Aussalzungsmethode zulässig; nur sie gibt zuverlässige und genaue
Resultate.
Zur Bestimmung werden 20 bis 25 Grm. Seife in einem Kolben in destillirtem Wasser
gelöst und der Lösung so lange feingepulvertes chemisch
reines Kochsalz zugesetzt, als noch eine Ausscheidung von Seife erfolgt.
Man trennt nun die Lauge von der ausgeschiedenen Seife und wäscht letztere mit
reinem Salzwasser aus resp. schmelzt sie in reinem Salzwasser einigemal um.
Sämmtliche Flüssigkeiten werden gemischt und im Falle dieses Gemisch auf rothes
Lackmuspapier alkalisch reagirt, welches einen Gehalt an freiem oder kohlensaurem
Alkali anzeigt, mit Kohlensäure behandelt und gekocht und zur Trockne eingedampft
oder auf ein geringes Volumen gebracht, um sie in dem Will-Fresenius'schen Apparat auf den Gehalt an Kohlensäure zu
prüfen. Gleichzeitig prüft man 10 bis 15 Grm. fein geschnittene Seife in dem Will-Fresenius'schen Apparat direct auf Kohlensäure.
Stimmt der Gehalt an Kohlensäure bei beiden Proben überein, so enthielt die Seife
einen Ueberschuß an kohlensaurem Alkali und geben die gefundenen Mengen Kohlensäure
auch die Menge dieser Beimischung an.
Stimmen die bei den beiden Proben gefundenen Kohlensäuremengen nicht überein, liefert
die Seife direct weniger Kohlensäure wie die Salzlauge,
so enthielt die Seife neben kohlensaurem Alkali auch noch freies Alkali, welches
letztere leicht aus der Kohlensäuredifferenz quantitativ zu berechnen ist.
Liefert die Seife direct keine Kohlensäure, und enthielt nur die Salzlauge
Kohlensäure, so war nur freies Alkali in der Seife vorhanden, dessen Menge aus der
entwickelten Kohlensäure leicht zu berechnen ist. Selbstverständlich ist die Seife
frei von diesen Beimischungen, wenn bei beiden Proben
keine Kohlensäure-Entwickelung
stattfindet.
Diese Methode liefert bei einiger Uebung sehr befriedigende Resultate und läßt sich
sowohl bei Natron- wie Kaliseifen anwenden, nur mit dem Unterschiede, daß in
letzterem Falle statt Kochsalz reines Chlorkalium in Anwendung kommt. Kommen Natron
und Kali zusammen in der Seife vor, so kann nur eine ausführliche chemische Analyse
die gewünschte Auskunft geben. Letzteres ist jedoch sehr selten der Fall und kommt
fast niemals bei guten Seideentschälungsseifen vor.
Ich darf hier nicht unerwähnt lassen, daß schon 1853 Calvert einen Versuch gemacht hat, die Seifen, welche zu verschiedenen
technischen Zwecken Verwendung finden, einer Prüfung zu unterwerfen, um zu
ermitteln, welche Zusammensetzung eine Seife zu einem bestimmten Zwecke, z.B. Entschälen der Seide, Waschen der Wolle und Schönen (Aviviren) der Krappfarben, haben muß. Er kam zu dem
allgemeinen Resultate, daß eine Seife welche sich zum Entschälen der Seide eignet,
nachfolgende Zusammensetzung haben müsse:
Fettsäuren
61,9
Natron
8,1
Wasser
30,0
–––––
100,0
(Calvert, aus dem Manchester Guardian vom 12. Februar 1853 in Chemical Gazette 1853 p.
115; polytechn. Journal Bd. CXXVIII S. 213;
Jahresbericht von Liebig und Kopp, 1853 S. 739.)
Demnach soll nach Calvert die wasserfreie Seife in 100
Gewichtstheilen enthalten:
Fettsäuren
88,438
Natron
11,562
–––––––
100,000
oder auf 100 Gewichtstheile Fettsäure müßten 13,074
Gewichtstheile Natron kommen.
Dieser Natrongehalt einer zum Entschälen der Seide zu benutzenden Seife ist von Calvert zu hoch gegriffen, wenn er denselben für
Olivenölseife angenommen hat. Nur in dem einen Falle, daß zur Darstellung Cocosöl angewendet wird, kann der Natrongehalt so hoch
sich steigern. Die Cocossäure verlangt nämlich auf 100 Gewichtstheile 15,12
Gewichtstheile Natron und kommt im Cocosöl mit Oelsäure gemischt vor.
Der durchschnittliche Natrongehalt einer guten Entschälungsseife geht aus der
nachfolgenden Zusammenstellung hervor.
Zusammenstellung der Analysen
verschiedener Olivenöl-Seifen, welche zum Degummiren und Kochen resp. zum
Entschälen der Seide benutzt und mit dem Namen
„Marseiller-Seife“ belegt werden. (Frei von
kohlensauren und freien Alkalien.)
In 100 Gewichtstheilen sind enthalten:
Textabbildung Bd. 210, S. 378
Die gelbe Elberfelder Seife enthält Cocosöl.
Seife aus Marseille; aus Elberfeld
(gelb) (grün); aus Düsseldorf (weiß); nach Bolley; Thenard; D'Arcet; Vohl;
Fettsäuren; Natron (gebunden); Kali (gebunden); schwefelsaures Natron und
Chlornatrium; Wasser; Verlust; Die wasserfreien Seifen werden demnach in 100
Gewichtstheilen enthalten: Es kommen also auf 100 Gewichtstheile Fettsäure
Gute wasserfreie Marseillerseife, welche ohne Nachthell bei der
Seide-Industrie Anwendung findet, enthält durchschnittlich in 100
Gewichtstheilen, Fettsäure 88,469 und Natron (gebunden) 11,531.
Ein größerer Natrongehalt, selbst als kohlensaures Salz: ist nachtheilig wenn nicht
besondere Gründe, z.B. Härte der Seide, Krankheit der Raupe oder mangelhaftes
Futter, sowie großer Kalkgehalt des zum Abhaspeln benutzten Wassers, denselben
bedingen.
Nach den Versuchen von B. Unger gebrauchen 100
Gewichtstheile Cocosöl 13,36 Gewichtstheile Natron zur Verseifung. (Polytechn.
Journal Bd. CXCI S. 400; Jahresbericht von
A. Strecker 1869 S. 1044).
Bezüglich eines Ersatzes für die Seife beim Entschälungsproceß muß noch bemerkt
werden, daß Bolley den Borax empfohlen hat und daß er
besonders für die erste Operation des Entschälens, also beim
„Degummiren“ mit Vortheil anzuwenden ist. Dieser Vorschlag
Bolley's verdient alle Beachtung, weil dadurch eine
große Seifenersparniß erzielt wird und außerdem der Borax leicht wiedergewonnen
werden kann. (Polytechn. Journal Bd. CXXV S.
329; Jahresbericht von Liebig und Kopp, 1852 S. 822.)
Wie schon angegeben, enthält die Rohseide eine nicht unerhebliche Menge
Mineralsubstanzen, welche besonders beim Entschälen störend einwirken. Besonders
sind es Kalk und Magnesia, welche theils in der Seide schon vorhanden waren, theils
auch durch kalkhaltiges Wasser beim Abhaspeln sich auf der Rohseide ablagerten resp.
aufgenommen wurden, welche dem vollständigen Entschälen einen Widerstand entgegen
setzen.
Wie alle Kohlenhydrate, so hat auch die Gelatine der Seide das Vermögen, Kalk und
Magnesia zu lösen und resp. aus dem kalk- und magnesiahaltigen Wasser diese
Körper aufzunehmen. Auch enthält die Umhüllung des Fibroms von Hause aus schon oft
erhebliche Mengen dieser alkalischen Erden. Kommt nun eine derartige Seide mit Seife
in Berührung, so bilden sich sofort unlösliche Kalk- und Magnesiaseifen,
welche sich theils auf der Seide ablagern und die Einwirkung der Seife hemmen,
theils einen Niederschlag in der Seifenlösung hervorrufen und dieselbe milchig
trüben.
Die emulsionsähnliche Beschaffenheit der ausgenutzten Seifenauflösungen beim
Degummiren rührt zum größten Theil von dem Kalk- und Magnesiagehalt der Seide
her.
Eine Seide, bei der eine solche Ablagerung stattgefunden hat, entbehrt eines schönen
Glanzes und wird nach dem Trocknen spröde. Sie muß durch Behandeln mit sehr verdünter Salzsäure oder Schwefelsäure, alsdann Auswaschen in Nasser und
Anwendung eines nachträglichen verdünnten Seifenbades von der Kalk- und
Magnesiaseife befreit werden.
Ueber die Wiedergewinnung der in den ausgenutzten Seifenlaugen enthaltenen Fettsäuren
werde ich später Mittheilungen machen.
(Die Fortsetzung folgt.)