Titel: | Notiz Aber die Wärme-Ausdehnung des Hartgummis (Kammmasse); von F. Kohlrausch. |
Fundstelle: | Band 210, Jahrgang 1873, Nr. LXXII., S. 444 |
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LXXII.
Notiz Aber die Wärme-Ausdehnung des
Hartgummis (Kammmasse); von F. Kohlrausch.Vom Verfasser als Separatabdruck aus Poggendorff's Annalen der Physik und Chemie
Bd. CXLIX S. 577 mitgetheilt.
Kohlrausch, über die Wärme-Ausdehnung des
Hartgummis.
Die zufällige wiederholte Wahrnehmung, daß Hartgummideckel in Gläsern sich klemmten,
ja daß Gläser sich zersprengt vorfanden, ließ mich vermuthen, daß diese Substanz
eine bedeutende Wärme-Ausdehnung besitzt. Die Erwartung wurde durch die
Wirklichkeit noch übertroffen, denn die Ausdehnung ist etwa die dreifache des
Zinkes.
Der Coefficient für 1° fand sich nämlich
0,0000770 gemessen zwischen
16°,7 und 25°,3
0,0000842 „
„
25°,3 „ 35°,4.
Also auch das Wachsthum mit der Temperatur ist sehr bedeutend. Man kann den linearen
Ausdehnungscoefficient bei der Temperatur t hiernach
setzen
= 0,000061 + 0,00000076. t.
Zwei Streifen Zinkblech und Hartgummi mit einander vernietet, krümmen sich bei
mäßiger Erwärmung sehr deutlich im verlangten Sinne. Ein dünnes Elfenbeinstreifchen
von 20 Centimet. Länge an ein dergleichen aus Hartgummi mit Haufenblase angeleimt,
stellt ohne Zeigerwerk ein recht empfindliches Thermometer dar, da das freie Ende
sich für 1° um mehrere Millimeter verschiebt. Man kann endlich die Krümmung
durch ungleiche Ausdehnung am einfachsten mit Hülfe einer bloßen Platte aus
Hartgummi demonstriren, denn vermöge der schlechten Wärmeleitung wirft sich dieselbe
bei rascher einseitiger Erwärmung sehr erheblich.
Die körperliche Ausdehnung des Hartgummis ist nach obigen Zahlen bei 0° gleich
derjenigen des Quecksilbers, in höherer Temperatur noch größer. Möglicherweise
dehnen sich andere Sorten noch stärker aus, so daß man als Curiosum ein
Quecksilberthermometer herstellen könnte, dessen Scala abwärts geht.
Vermuthlich hängt die starke Ausdehnung mit dem Gehalt des Hartgummis an Schwefel
zusammen, für welchen bereits Kopp bei 30° den
Coefficienten 0,000061 gefunden hat. Auf der anderen Seite ist der Contrast gegen
das weiche Kautschuk merkwürdig.
Ich will noch eine Thatsache mittheilen, die sich bei der Beobachtung der Ausdehnung
zeigte. Der etwa centimeterdicke Stab Hartgummi bedurfte nach der Erwärmung immer
sehr geraumer Zeit, bis er eine constante Länge angenommen hatte. Wenngleich die
schlechte Wärmeleitung zum größeren Theil hieran schuld seyn mag, so vermuthe ich,
daß noch eine andere Erscheinung mit im Spiele ist. Analog der elastischen
Formänderung dürfte auch die Wärmeausdehnung nicht momentan stattfinden, sondern
nach der Temperaturänderung sich, allmählich schwächer werdend, fortsetzen. Einige
Beobachtungen A. Matthießen's an Glasstäben (Poggendorff's Annalen Bd. CXXVIII S. 521) scheinen
bereits darauf hinzudeuten; vermuthlich aber tritt an organischen Substanzen, wie
die elastische, so auch diese Wärme-Nachwirkung in höherem Grade auf.