Titel: | Ueber das Desinficiren durch Wärme; von Dr. W. H. Ransom, Arzt am allgemeinen Krankenhause in Nottingham. |
Fundstelle: | Band 210, Jahrgang 1873, Nr. LXXIX., S. 468 |
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LXXIX.
Ueber das Desinficiren durch Wärme; von Dr.
W. H. Ransom, Arzt am
allgemeinen Krankenhause in Nottingham.
Aus dem Pharmacent. Journal and Transactions, vol. XXXIX
p. 206; September 1873.
Ransom, über das Desinficiren durch Wärme.
Da es mein Wunsch ist, diesen Gegenstand nur vom praktischen Standpunkte aus zu
behandeln, so setze ich gleich als zugegeben voraus, daß die Wärme ein so
werthvolles Agens ist, um die Geldausgaben öffentlicher Behörden zur Bestreitung der
Anschaffung der erforderlichen mechanischen Vorrichtungen zu rechtfertigen. Ferner
glaube ich keinem Widerspruche zu begegnen, wenn ich behaupte, daß die Wärme in gewissen Fällen alle
bekannten Desinfectionsmittel an Wirksamkeit übertrifft. Große Verdienste hat sich
in dieser Beziehung bereits der ehemalige Dr. Henry in Manchester erworben; er hat unter Anderem
bewiesen, daß die einstündige Dauer einer Temperatur von 93° C. im Stande
ist, das Scharlachfieber-Gift zu zerstören.
Meine Aufmerksamkeit wurde zuerst vor etwa acht Jahren darauf geleitet, als ich von
einer öffentlichen Behörde angegangen wurde, ihr die beste Form heißer Cabinete zu
Desinfectionszwecken anzugeben, und ich mich außer Stande sah, irgend ein solches,
welches im Gebrauche sey, zu empfehlen. Ich stellte hierauf eine Reihe von Versuchen
an, um jenem Wunsche zu entsprechen; aber leider starb der Ingenieur welcher mir
dabei behülflich war, und die Angelegenheit blieb unerledigt liegen bis zum Jahre
1870, wo ich, veranlaßt durch den Ausbruch des Scharlachfiebers in meiner eigenen
Familie, abermals auf dieses dringende öffentliche Bedürfniß zurückkam.
Die Versuche begann ich nun zu Hause mit einem heißen Cabinet von circa 25 Kubikfuß Rauminhalt, welches ofenartig
construirt war, die Wärme von außen durch Gas empfing, und dessen Oberfläche theils
mit einer Leitung für heiße Luft, theils mit schlecht wärmeleitendem Material
versehen war. Indessen entsprach diese Vorrichtung meinen Erwartungen nicht;
gleichwohl gaben mir die dabei gemachten Beobachtungen brauchbare Winke in Bezug auf
die geeignete Temperatur und die Zeitdauer für die der Wärme auszusetzenden
Materialien. So z.B. ergab sich, daß Kleider und Betten in solch' einem Cabinete
anderthalb Stunden lang einer Temperatur von 120 bis 130° C. ohne erheblichen
Nachtheil ausgesetzt werden können. Da nach obiger Weise eingerichtete Cabinete
häufig im Gebrauche sind, so will ich kurz angeben welche Unvollkommenheiten ich
daran beobachtet habe.
a) das Cabinet kann nicht lange auf einer gleichmäßigen
Wärme erhalten werden, wenn man auch den Gasflammestrom noch so sorgfältig
überwacht; und dasselbe dürfte beim Heizen mit Kohlen der Fall seyn.
b) Die Temperatur variirt sehr erheblich an
verschiedenen Stellen des Cabinetes zu ein und derselben Zeit.
c) Bei der unvollständigen Ventilirung erfolgt das
Trocknen nur mangelhaft, die Hitze dringt daher leicht in das Innere der Betten
etc.
Ich entschloß mich deßhalb, eine neue Vorrichtung zu construiren, welche den
nachstehenden Bedingungen Rechnung tragen sollte.
1) Die Temperatur muß jederzeit und an allen Stellen des Cabinetes sich innerhalb
gewisser bekannter Grenzen halten, und ein Ueberschreiten derselben muß sofort
erkannt werden können. Das Maximum der Temperatur sey der Punkt des Versengens von
Kleider- und Bett-Materialien, und das Minimum liege dem Maximum so
nahe als möglich, jedoch stets 5 bis 7 Grade über 100. Dadurch erlangt man die
Gewißheit, daß in einem solchen Cabinet die Materialien in der That einer genügenden
Hitze ausgesetzt, und doch nicht verdorben werden. Der letztere Punkt ist natürlich
von Wichtigkeit, wenn das Publicum von dem Verfahren Gebrauch machen soll.
2) die Temperatur muß innerhalb der verlangten Grenzen leicht auf einer Zeitdauer
erhalten werden können, welche ausreicht, um sich die Gewißheit zu verschaffen, daß
die Hitze in das Innere schlechter Leiter wie Betten etc. eingedrungen ist.
3) Durch das Cabinet muß ein Strom erhitzter Luft gehen, um durch Trocknung das
Eindringen der Hitze zu begünstigen.
4) Dasselbe muß so billig herzustellen und so einfach zu handhaben seyn, daß auch
weniger Bemittelte Nutzen davon ziehen können und jeder Dienstbote damit umzugehen
im Stande ist.
5) Es muß sich selbst reguliren.
Demgemäß wurde unter meiner Leitung im Winter 1871–72 im allgemeinen
Krankenhause zu Nottingham ein derartiges heißes Cabinet eingerichtet. Die
erforderliche Hitze erzeugt man durch Verbrennen von Gas mit rauchloser Flamme und
Leiten der mit der erhitzten Luft vermischten Verbrennungsproducte vermittelst eines
kurzen horizontalen Schornsteines in ein kubisches Cabinet durch eine Oeffnung in
dessen Fußboden und aus demselben durch eine kleinere Oeffnung in dessen Decke.
Passend angebrachte Thermometer zeigen die Temperatur des eintretenden und
austretenden Stromes und dadurch zugleich die höchste und niedrigste Temperatur des
Cabinetes an. Ein selbstthätiger Quecksilber-Regulator dient dazu, die
Temperatur des eintretenden Stromes auf der erforderlichen Höhe zu halten. Ein
dicker Mantel von Filz und Holz hält die Hitze besser zusammen und trägt zu ihrer
größeren Gleichmäßigkeit bei. Eine Klappe am Ausgange des Cabinetes und eine andere
damit correspondirende am Eingange in den Verbrennungsofen setzt in den Stand, den
durch das Cabinet ziehenden Strom beliebig zu reguliren, und dadurch die Temperatur
des austretenden möglichst zu erhöhen. Nöthigenfalls kann auf die Oeffnung an der
Decke des Cabinetes ein kurzes conisches Rohr gesteckt werden, in welchem drei oder
vier kleine einmündende Fischschwanz-Brenner anzuzünden wären. Diese
Vorrichtung soll dazu
dienen, in dem heißen Luftstrome etwa noch unzerstört gebliebene Reste des
Krankheitsstoffes schließlich zu verbrennen.
Seit anderthalb Jahren ist dieses Cabinet mit wenigen Unterbrechungen im Gebrauche,
und es hat, wie ich wohl behaupten darf, wichtige Dienste geleistet, namentlich
während neuerlichen vorherrschenden Auftretens der Blattern, wo mehrere solcher
Kranken sich in unserem Fieberhause befanden. So oft das Fieberbaus besetzt ist, ist
das heiße Cabinet zu jeder Tages- und Nachtzeit zum Gebrauche in
Bereitschaft. Die dienstthuende Wärterin führt die ihr gegebene Instruction leicht
und befriedigend aus. Obgleich das Cabinet nur einen Rauminhalt von 25 Kubikfuß hat,
und hauptsachlich für die Kleidungsstücke der Kranken benutzt wird, so reichte es
doch auch aus zum Desinficiren von Decken. Kissen und anderen Betttheilen.
Durchschnittlich werden per Stunde 9 Kubikfuß Gas
gebraucht, und die daraus erwachsenden Kosten betragen, 1000 Kubikfuß Gas zu 4
Shillings (à 36 kr.) gerechnet, 6 Shillings per Woche, die Woche zu 7 Tagen und den Tag zu 24
Stunden angenommen.
Sorgfältige Beobachtungen über die Temperatur, über den Verbrauch und den Druck des
Gases zu verschiedenen Stunden ergaben, daß die Hitze wochenlang so gleichmäßig
unterhalten werden kann, daß sie täglich nur um 2 bis 3° C. variirt, und daß
dieß nur von dem größeren Drucke in dem Gaswerke gegen Abend herrührt. Als höchste
Temperatur überhaupt wurde 121° und als niedrigste 111°
wahrgenommen.
Ich darf wohl behaupten, daß durch die angegebene Vorrichtung die oben gestellten
Bedingungen erfüllt werden, ohne deßhalb in Abrede stellen zu wollen, daß sie nicht
noch der Verbesserung fähig sey.
Die wesentlichsten Vortheile dieses Cabinetes sind: seine geringen Kosten, seine
Wirksamkeit, Sauberkeit, stete Gebrauchsbereitschaft, Bedienbarkeit durch einen
bloßen Krankenwärter, und die Leichtigkeit, für längere Zeit, welche erforderlich
ist zum vollständigen Eindringen in schlechte Wärmeleiter, einen stets bekannten
Hitzestrom zu unterhalten.
Ich will aber auch die wenigen Schattenseiten der Vorrichtung nicht unerwähnt lassen;
sie sind: a) die Nothwendigkeit, zuweilen (etwa viermal
im Jahre) den Hitze-Regulator nachsehen und wenn erforderlich repariren zu
lassen; b) die nachtheilige Einwirkung der bei der
Verbrennung des Gases auftretenden sauren Producte auf gewisse empfindliche Farben
der Gewebe. Wie unerheblich indessen der zweite Punkt ist, geht aus folgenden
Wahrnehmungen hervor.
Weiße Wolle, Baumwolle, Leinwand, Seide und Papier können drei Stunden lang ohne
erkennbaren Nachtheil bei 121° erhitzt werden, nur die Wolle zeigt alsdann eine
schwache Farben-Veränderung, besonders wenn sie neu ist. Vielleicht beträgt
diese Veränderung nicht mehr als diejenige, welche neuer weißer Flanell nach dem
Waschen erleidet. Dieselbe findet statt bei gefärbter Wolle, bedruckter Baumwolle
und der meisten gefärbten Seide; aber es gibt eine Art weißer Seide, welche sich
durch Hitze leicht bräunt, und manche gefärbte Seide wird mißfarbig. Dieselbe und
selbst eine etwas niedrigere Temperatur verändert, wenn sie länger – sieben
oder acht Stunden – einwirkt, die Farbe von weißer Wolle, Baumwolle, Papier
und grauer Leinwand, ohne dieselben aber sonst anzugreifen. Eine 3 Stunden dauernde
Hitze von 146° sengt schon stärker weiße Wolle, weniger graue und weiße
Baumwolle, weiße Seide, weißes Papier, graue und weiße Leinwand, ohne übrigens diese
Stoffe wesentlich zu verändern. Wird dieselbe Hitze 5 Stunden lang unterhalten, so
sengt und greift sie an: weiße Wolle, weiße Baumwolle, graue Leinwand, weiße Seide
und Papier, gewisse gefärbte Wollwaaren, gemischte Wolle und Baumwolle, sowie
gemischte Wolle und Seide.
Diese Beobachtungen bestätigen den früher schon gezogenen Schluß, daß 121° der
praktisch beste Hitzegrad ist. Schon Dr. Henry ist in Bezug auf Baumwolle zu diesem Resultat
gelangt.
Es ist bemerkenswerth daß das Versengen eines Gewebes nicht allein von der
angewandten Hitze, sondern auch von der Dauer derselben abhängt, und daß es auch von
der Anwesenheit anderer Gegenstände in dem Cabinet, welche fähig sind Feuchtigkeit
abzugeben, beeinflußt wird. Die höchste Temperatur, welche ich im Allgemeinen für
die beste befunden habe – nämlich 121° – vermindert die
Festigkeit der Fäden von Baumwolle, Seide, Wolle oder Leinen nicht, selbst wenn sie
acht Stunden lang andauert, und ebenso wenig leidet dadurch die Festigkeit der
daraus erzeugten Gewebe. Diese Wahrnehmung bezieht sich jedoch nur auf solche
Gegenstände, welche lange genug bis zur Wiederaufnahme ihrer normalen
hygrometrischen Feuchtigkeit gelegen hatten. 145 bis 150° drei bis fünf
Stunden fortgesetzt, schwächen die Festigkeit des Baumwollfadens, im geringeren
Grade wahrscheinlich auch des Leinens, nicht der Seide und der Wolle. Aber die
Wollengarn-Gewebe werden staubig, und, wie mir vorkommt, nach dem Waschen
schwächer. Weder sie noch die Leinengewebe, z.B. der Bettlaken, leiden erheblich von
dieser Hitze.
Um nun wieder auf die schwierige Frage wegen der Sicherheit des Eindringens der Wärme
in das Innere der Betten etc. zurückzukommen, so muß ich abermals hervorheben, daß
Dr. Henry dieß nur für
eine Frage der Zeit hielt, und im Grunde kann sie auch nur auf dem Wege der Erfahrung gelöst werden. Die
untenstehende Tabelle, welche ich aus meinen Beobachtungen gezogen habe, wird das
darthun. Aber das Eindringen der Wärme hängt nicht bloß von der Zeitdauer, sondern
auch von der Dicke des Bettes, dem Gehalte seiner hygrometrischen Feuchtigkeit, der
Natur seines Materiales, und vielleicht auch von dem Grade des Druckes, wobei die
Temperatur wirkt, ab. Alle diese Bedingungen sind also bei der Benutzung eines
Desinfections-Cabinetes in Betracht zu ziehen.
Textabbildung Bd. 210, S. 472
Vielleicht ein Fehler am Instrument.
Name, Dicke und Zustand der
Substanz; Angewandte Wärme in Celsius'schen Graden; Zeitdauer der Operation;
Resultate; Innere Wärme; Gewichtsverlust; Gesengt oder nicht; Pferdehaarkissen,
5 Zoll dick; normal feucht; 8 Stunden; 2 Operationen; Dasselbe, nahezu trocken;
Weißes Laken, 24 Mal zusammengelegt, 4 1/2 Zoll dick, feucht.; Ein wenig; nicht
schadhaft; Federkissen, 5 Zoll dick feucht; Flockkissen, 5 Zoll dick, feucht; 2
Operationen; Pferdehaarkissen, sehr feucht, 5 1/2 Zoll dick; schadhaft;
bedeutend trockener; Flockkissen, 5 1/2 Zoll dick