Titel: | Ueber die Ursachen des Verderbens des Bieres und über ein neues Brauverfahren, welches ein haltbares Bier liefert; von L. Pasteur. |
Fundstelle: | Band 211, Jahrgang 1874, Nr. XLII., S. 230 |
Download: | XML |
XLII.
Ueber die Ursachen des Verderbens des Bieres und
über ein neues Brauverfahren, welches ein haltbares Bier liefert; von L. Pasteur.Hr. Pasteur hat vor einiger Zeit ein neues
Brauverfahren vorgeschlagen (polytechn. Journal, 1873, Bd. CCVII S. 175),
welches im Wesentlichen darin besteht, daß das Kühlen und
die Gährung der Würze bei Ausschluß der gewöhnlichen Luft vorgenommen
werden. In der vorliegenden Abhandlung, welche er in der Pariser
Akademie vorgetragen hat, erläutert und begründet er nun dieses Verfahren.
Aus den Comptes rendus, t. LXXVII p. 1140; November
1873.
Pasteur, über die Ursachen des Verderbens des Bieres und ein neues
Brauverfahren.
Das Bier verdirbt bekanntlich außerordentlich leicht; bei der Sommerwärme widersteht
es den Ursachen seiner Verderbniß nicht länger als vier bis sechs Wochen. Die Würze,
welche zur Bereitung des Bieres dient, ist noch schwieriger im unverdorbenen
Zustande zu erhalten; bei etwas warmem Wetter und besonders bei Gewitterluft kann
sie im Laufe einiger Stunden verschiedenen nachtheiligen Veränderungen
unterliegen.
Die Eigenschaft der Bierwürze und des Bieres, leicht zu verderben, hat auf die Praxis
der Brauerei einen so großen Einfluß, daß man, ohne sich einem Irrthum auszusetzen,
behaupten könnte, daß alle Verfahrungsarten derselben mit dem Vorhandenseyn dieser
Eigenschaft in Zusammenhang stehen und von der Nothwendigkeit, gegen die
nachtheiligen Folgen derselben anzukämpfen, beherrscht werden. Eine der
kostspieligsten dieser Verfahrungsarten, welche die Erhaltung der Würze und des
Bieres im guten Zustande bis zu einem gewissen Grade sicher zu stellen geeignet
sind, besteht in der Anwendung von Eis oder überhaupt von niedrigen
Temperaturen.
Worin hat nun die Eigenschaft des Bieres, leicht zu verderben, welche in diesem Maaße die
Fabrication desselben beherrscht, ihren Grund, und könnte man, wenn die Ursachen
derselben bekannt wären, sie nicht durch wohlfeilere und einfachere Mittel als die
bisher angewendeten zu bekämpfen hoffen?
Ich habe ein neues Verfahren des Kühlens und der Gährung erfunden, welches diesen
Fortschritt verwirklicht.
Die Hauptresultate meiner Arbeit über das Bier sind folgende:
1) Alle nachtheiligen Veränderungen des fertigen oder noch nicht fertigen Bieres oder
der Bierwürze stehen in Wechselbeziehung zu der Entwickelung und Vermehrung
mikroskopischer Organismen, welche ich deßhalb Krankheitsfermente nenne.
2) Die Keime dieser Fermente werden durch die Luft, die Rohmaterialien und die
benutzten Geräthe herbeigeführt.
3) Allemal, wenn ein Bier keine lebenden Keime, welche die unmittelbare Ursache
seiner Krankheiten sind, enthält, ist dasselbe unveränderlich, d.h. verdirbt nicht,
bei welcher Temperatur es auch bereitet und aufbewahrt werden mag.
4) In Folge der jetzt in der Brauerei angewendeten Verfahrungsarten enthält jede
Bierwürze, jede Hefe und jedes Bier die Keime der Krankheiten, welche diesen
Substanzen eigenthümlich sind.
Wenn man ein beliebiges, im Handel vorkommendes Bier, welches nach den in den
Brauereien Frankreichs, Englands oder Deutschlands üblichen Verfahrungsarten
bereitet ist, in verschlossenen Flaschen einer Temperatur von 15 bis 25° C.
aussetzt, so verdirbt es im Laufe einiger Wochen stets in dem Maaße, daß es zum
Genuß untauglich wird. Wenn ein Bier sich ausnahmsweise aufbewahren läßt, ohne zu
verderben, so ist dieß nur dadurch ermöglicht, daß man bei der Bereitung desselben
eine größere Menge von Hopfen angewendet hat, als gewöhnlich üblich ist.Man thut dieß bei den zur Ausfuhr bestimmten englischen Bieren, welche
außerdem einen größeren Alkoholgehalt haben, als die Biere des
Continents. Gleichzeitig mit der eintretenden Verderbniß des Bieres und im Verhältniß
zum Fortschreiten derselben sieht man verschiedene mikroskopische Organismen
erscheinen und sich vermehren.
Wie sind diese Organismen entstanden?
Ich habe durch meine früheren Arbeiten festgestellt, daß selbst die am meisten zur
Veränderung oder Verderbniß geneigten organischen Flüssigkeiten, wie Blut, Urin,
Traubensaft etc., sich, ohne irgend eine Gährung oder Fäulniß zu erleiden, auf
unbestimmte Zeit aufbewahren lassen, wenn man sie der gewöhnlichen Luft aussetzt,
aber einer Luft, die von
dem Staube, welchen sie unaufhörlich mit sich führt, oder welcher auf der Oberfläche
aller Gegenstände der Natur abgelagert ist, befreit ist. Die Widersprüche der
Heterogenisten gegen diesen Satz, sowohl derjenigen, welche meinen, daß die rohe
Materie sich von selbst organisiren könne, als derjenigen, welche behaupten, daß die
mikroskopischen Organismen durch die eiweißartigen Stoffe der lebenden Oekonomie
erzeugt werden können, sind zu Schanden geworden vor dem einfachen Versuche, welchen
ich oft vor der Akademie angestellt habe, daß man nämlich die organischen
Flüssigkeiten, um welche es sich handelt, in offene Gefäße einschließt, deren
Oeffnung aber, an dem Ende einer gewundenen Röhre befindlich, weit genug von der in
dem Gefäß enthaltenen Flüssigkeit entfernt ist, daß der in der Luft suspendirte
Staub nicht bis zu derselben gelangen kann.
Man denke sich nun eine Reihe solcher Gefäße oder Ballons, in denen sich Bierwürze
befindet, die sich darin seit Wochen, Monaten oder Jahren vollkommen gut erhalten
hat. Man denke sich ferner in jeden dieser Ballons durch eine zweite Oeffnung,
welche derselbe besitzt, und welche sonst verschlossen gehalten wird, einen Tropfen
von dem Absatz eines im Handel vorkommenden Bieres eingebracht, und zwar so, daß die
Tropfen, welche den verschiedenen Ballons zugetheilt werden, von allen möglichen
verschiedenen Biersorten herstammen. Da selbst das klarste Bier immer einige
Hefekügelchen suspendirt enthält, so wird an den folgenden Tagen in allen Ballons
die Alkoholgährung sich einstellen, und die in denselben enthaltene Würze wird sich
in Bier verwandeln. Wenn man nun in einem geheizten Raume, wo eine Sommertemperatur
unterhalten wird, operirt, und die Ballons einige Wochen lang in diesem Raume
stehen, so wird man nachher finden, daß alle diese Biere verdorben sind, und daß sie
außer den Kügelchen von gewöhnlicher Hefe auch die oben erwähnten Krankheitsfermente
in größerer oder geringerer Anzahl enthalten. Die Keime dieser Fermente waren mithin
in allen Biersorten, von denen Tropfen in die Ballons gebracht wurden, zugegen.
Diese Erklärung der Thatsachen wird durch die folgenden Resultate bestätigt.
Wenn man ein Bier bereitet, welches von jedem lebenden Krankheitskeime frei ist, und
die Tropfen, mit denen man Würzeportionen, welche in so eben angegebener Weise im
unverdorbenen Zustande aufbewahrt sind, versetzt, statt von Bieren gewöhnlicher
Bereitung, von diesem Biere nimmt, so erhält man in allen Fällen Biere, die ganz
unverdorben sind und außer den Hefekügelchen durchaus keine lebenden Wesen
enthalten. Dieser Versuch weist vollends die Wechselbeziehung nach, welche zwischen dem
Verderben des Bieres und der Gegenwart gewisser mikroskopischer Organismen
besteht.
Aus meinen Studien über den Wein habe ich den Schluß gezogen, daß derselbe von selbst
nicht verdirbt. Dieser Schluß gilt auch für das Bier. Man muß die Ursachen der
Verderbniß des Bieres außerhalb der eigenen Natur, der Zusammensetzung desselben
suchen. Die einzigen Veränderungen, welche es von selbst erleiden kann, sind solche
von chemischer Ordnung, wie das Schalwerden (évent), wenn man es der Einwirkung des
Sauerstoffes aussetzt, oder Folgen des Altwerdens, hervorgerufen durch Reactionen
zwischen seinen Bestandtheilen, besonders unter einem langsamen und beschränkten
oxydirenden Einfluß. Diese letzteren Veränderungen in der Natur der Flüssigkeit
entsprechen nicht eigentlichen Krankheitszuständen; oft tragen sie sogar zur
Verbesserung derselben bei. Damit das Bier verderbe, damit es sauer (aigre), faulig,
schleimig, umgeschlagen (tournée), milchsauer (lactique)...
werde, müssen sich in seinem Inneren fremdartige Organismen entwickeln, und diese
Organismen erscheinen und vermehren sich nur dann, wenn die Keime derselben
ursprünglich in der flüssigen Masse vorhanden waren. Dieß ist wahr für die höchsten
Temperaturen der Atmosphäre, welchen das Bier ausgesetzt seyn kann, in dem Maaße,
daß ein Bier die Reise um die Erde machen und in den wärmsten Ländern verweilen
könnte, wenn es nicht die Krankheitsfermente, welche uns beschäftigen, in sich
trüge.
Die Natur der Bierwürze gibt zu ganz gleichen Schlüssen Anlaß. Nichts kann besser
beweisen, daß das Verderben derselben wirklich von mikroskopischen Organismen
herrührt, als die oben erwähnte Thatsache, daß sie in Berührung mit der Luft absolut
unveränderlich ist, wenn man vorher durch Kochen derselben die Lebenskraft der
Keime, welche sie enthalten konnte, zerstört hat, und sie dann durch irgend einen
Kunstgriff vor dem Staube, welchen die Luft mit sich führt, schützt.
Die Bierhefe, dieses unumgänglich nothwendige Product jeder guten Fabrication, bietet
uns Thatsachen derselben Ordnung dar; die Dinge stellen sich hier jedoch nicht mit
derselben Einfachheit dar, wie beim Bier und bei der Bierwürze. Diese sind leblose
Substanzen und deßhalb, so lange sie nicht äußeren Ursachen der Verderbniß
ausgesetzt sind, unzerstörbar. Die Hefe dagegen ist ein lebendes Wesen, und die
Sache ist hier um so complicirter, als sehr tüchtige Botaniker, wie früher Turpin und jetzt Hoffmann in
Deutschland und Trécul in Frankreich, aus ihren
Beobachtungen schließen zu müssen geglaubt haben, daß die Bierhefe verschiedene
Schimmelarten, u.a. Penicillium glaucum, hervorbringen
kann.
Daß die Hefe ausnehmend leicht verdirbt, weiß Jeder, welcher mit dieser Substanz
gearbeitet hat. Bei der Sommerwärme und selbst bei niedrigeren Temperaturen nimmt
sie im Laufe einiger Tage eine andere Consistenz an, verbreitet einen fauligen
Geruch und verliert ihre Wirksamkeit als Ferment. Diese Veränderungen sind, wie
bekannt, von der Entwickelung mikroskopischer Organismen, Batterien, Vibrionen,
Milchsäure-Ferment, verschiedener Schimmelarten, begleitet. Woher kommen
diese organisirten Producte? Bringt die Hefe dieselben aus sich selbst durch eine
Modification ihrer Zellen unter Bedingungen neuen Lebens hervor, oder haben diese
Organismen ihren Ursprung vielmehr in dem Staube der Gegenstände, mit denen die Hefe
in Berührung gewesen ist?
Es ist mir gelungen, die Hefe von jedem fremdartigen Keime zu befreien, und seitdem
habe ich mir von den Veränderungen, welche sie in Berührung mit reiner Luft
erleidet, Rechenschaft geben können. Solche Hefe erscheint, was gewiß merkwürdig
ist, inert, wie eine Mineralsubstanz, geht durchaus nicht in Fäulniß über, und man
sieht an ihrer Oberfläche oder in ihrem Inneren weder Schimmel, noch Vibrionen, noch
Batterien, noch Essigsäure- oder Milchsäure-Ferment entstehen; sie
gibt nicht einmal Anlaß zur Entstehung von Mycoderma
vini, welches der Hefe durch seine Structur, seine Form und seine
Entwickelungsweise so nahe steht;Ich habe angegeben, daß das Mycoderma vini sich,
wenn man es in ein zuckerhaltiges gährendes Medium versenkt, in Unterhefe
verwandele, später aber Zweifel an dieser Ansicht ausgesprochen und die
Ursache des Irrthums, welchen ich fürchtete, angegeben. Ich glaube jetzt,
daß die Erklärung der beobachteten Thatsachen, welche ich gegeben habe,
ungenau ist. Die Glieder des Mycoderma vini
schwellen in der That durch das Untertauchen an und verwandeln sich in
Zellen, welche nach Art der Hefezellen wirken, so daß Alkohol und
Kohlensäure entstehen; aber diese Zellen haben in diesem neuen Zustande
nicht die Fähigkeit sich fortzupflanzen. Die anscheinend von selbst
entstandene Hefe, welche man erscheinen und sich vermehren sieht, muß von
Hefekeimen herrühren, welche, durch die Luft herbeigeführt, auf das Mycoderma vini fallen, während es mit großer
Oberfläche der Luft exponirt ist, und sich nach dem Untertauchen desselben
entwickeln. sie behält endlich ihre Eigenschaft, als Ferment zu wirken, obgleich ihr
Protoplasma, genöthigt, eine Zeit lang von seiner eigenen Substanz zu leben, sich
gründlich verändert, wie es immer bei den Zellen geschieht, wo die gewöhnlichen
Assimilationserscheinungen gehemmt sind.
Wenn man die im Vorstehenden dargelegten Principien und die aus denselben sich
ergebenden praktischen Folgerungen erwägt, so ist es leicht zu begreifen, daß man
dahin gelangen kann, ein Bier zu bereiten, das nicht mehr dem Verderben ausgesetzt
ist, welches auch die äußere Temperatur seyn mag.
Ziehen wir zunächst in Betracht, daß das Bier nothwendigerweise zum Kochen gebracht
wird, wenn es noch die Form von gehopftem Malzextract hat; in diesem Zeitpunkt werden
alle Krankheitskeime der Würze zerstört. Verhindern wir also, sobald diese Operation
der Extraction des Hopfens beendigt ist, das Eindringen neuer lebender Keime in die
Würze. Folgendes ist die Einrichtung, bei welcher ich stehen geblieben bin.
(Pasteur beschrieb hier an einer schwarzen Tafel den
Apparat, dessen er sich bedient. Dieser Apparat besteht im Wesentlichen in einer
Kufe von Weißblech, welche mit einem Deckel mit hydraulischem Verschluß versehen ist
und nur durch zwei verticale Röhren A und B mit der äußeren Luft communiciren kann. Diese Röhren,
welche für die Handhabung des Deckels gebrochen sind, deren Theile sich dann aber
leicht wieder zusammenfügen lassen, leisten denselben Dienst, wie die gewundenen
Hälse der Glasballons, welche Pasteur bei seinen
Versuchen über die sogenannten Selbsterzeugungen benutzt.)
Die im sehr heißen Zustande in die Kufe eingeschlossene Würze wird gekühlt, sey es
bloß durch die Berührung der Kufe mit der Luft oder durch Wasser. Man kann die Dauer
des Kühlens abkürzen, indem man eine Kufe anwendet, welche im Inneren mit einem
Schlangenrohr versehen ist, und durch das Schlangenrohr Wasser fließen läßt. Nichts
ist einfacher, als das Wiedereindringen der äußeren Keime während des Kühlens zu
verhindern; man braucht nur durch eine der verticalen Röhren A oder B Kohlensäuregas in die Kufe zu leiten,
während die andere Röhre den Ueberschuß dieses Gases wieder austreten läßt. Diese
Röhren können noch auf andere Weise als Mittel dazu dienen, daß die Würze während
des Kühlens vor den Krankheitskeimen geschützt sey; unser Apparat mit seinen Röhren
oder besser mit einer derselben, welche offen bleibt, während die andere
verschlossen wird, bietet nämlich dieselbe Einrichtung dar, wie die Glasgefäße mit
umgebogenem Halse und von der Flüssigkeit entfernter Mündung, von denen oben die
Rede war. Bei der kochendheiß in die Kufe gebrachten Würze werden die Dinge
denselben Verlauf nehmen, wie bei den Würzeproben in diesen Glasballons; sie wird
sich in Berührung mit der Luft abkühlen können, ohne dem Verderben ausgesetzt zu
seyn. Der Versuch zeigt in der That, daß man, wie groß auch die Gefäße seyn mögen,
die Würze so lange, als man will, mit allen ihren ursprünglichen Eigenschaften
aufbewahren kann.
Man muß die Würze dann mit Hefe stellen, indem man möglichst unter Ausschluß der
gewöhnlichen Luft operirt, was leicht ist, und indem man sich einer völlig reinen
Hefe bedient. Letzteres ist eine unerläßliche Bedingung, welche eine der
hauptsächlichsten Schwierigkeiten meiner Arbeit gewesen ist.
Wo findet man diese reine Hefe? Ich habe erkannt, daß jede Hefe der Brauereien,
selbst die am besten gehaltene, immer unrein ist, weil die Verfahrungsarten selbst,
welche jetzt in Gebrauch sind, dieß bedingen. Die Anwendung solcher Hefe macht aber
nicht nur die Fabrication haltbarer Biere in verschlossenen Gefäßen unmöglich,
sondern es werden sogar, wenn man sie bei dieser Fabricationsweise anwendet, die
Mängel des jetzt gebräuchlichen Verfahrens noch vergrößert.
Es besteht nämlich zwischen der Hefe und den Krankheitsfermenten des Bieres eine
bemerkenswerthe physiologische Verschiedenheit, welche bedingt, daß die gewöhnliche
unreine Hefe, wenn man sie bei der Gährung in verschlossenen Gefäßen anwendet, immer
schlechter wird. Während die Bierhefe in Berührung mit der Luft rascher und leichter
lebt und sich vermehrt, als in Gegenwart von Kohlensäuregas, werden die
Krankheitsfermente im Gegentheil durch die Gegenwart von Sauerstoffgas in ihrem
Leben und in ihrer Fortpflanzung gehemmt; sie sind in dieser Hinsicht jenem
sonderbaren Vibrio ähnlich, von welchem ich früher gezeigt habe, daß er das
Buttersäure-Ferment ist, und welchen der Sauerstoff der Luft der Bewegung und
der Wirksamkeit als Ferment beraubt. Daraus folgt, daß, wenn man unter Ausschluß der
Luft operirt, die Nebengährungen sich mit Leichtigkeit entwickeln, während die
Alkoholgährung gehemmt wird, weil die Bierhefe nicht in der Berührung mit dem
Sauerstoff der Luft immer wieder eine Quelle neuer Wirksamkeit gewinnen kann. Es
sind auch bisher alle Versuche, Bier in verschlossenen Gefäßen, bei Ausschluß der
Luft zu bereiten, gescheitert. Aber alle diese Wirkungen sind die Folge der
Unreinheit der gewöhnlichen Hefe der Brauereien;Dieses Urtheil wird bestätigt durch die Thatsache, daß die nach meinem
Verfahren mit Anwendung von Kohlensäure erhaltenen Biere von merkwürdiger
Güte sind. Die größere Langsamkeit der Gährung, welche dieser Anordnung der
Fabrication eigen ist, trägt ohne Zweifel zu diesem Ergebniß bei. denn wenn diese nicht fremdartige Fermente in sich trüge, so könnten
letztere weder von selbst, noch in Folge einer Umwandlung der Hefe erscheinen.
Bei meinem Verfahren muß also reine Hefe und immer nur diese benutzt werden. Zur
Production und zum Gebrauch einer reinen Hefe können verschiedene Mittel angewendet
werden; ich kann mich hier bei den Mitteln, welche ich angenommen habe, nicht
aufhalten; es sey nur bemerkt, daß man dahin gelangt, reine Hefe zu bekommen, indem
man besonders die Verschiedenheit der Wirkung des Sauerstoffes der Luft auf die Hefe
und auf die Krankheitsfermente benutzt, und daß, wenn man eine kleine Menge reiner
Hefe erlangt hat, man dieselbe mit Hülfe der so eben beschriebenen Apparate rein erhalten und vermehren
kann. Man brauchte eigentlich nur in einen dieser mit reiner Würze gefüllten
Apparate einige Hefezellen, ohne Beimischung fremdartiger Organismen, zu bringen, so
würden dieselben große Mengen immer reiner Hefe liefern. Die reine Hefe wird, da sie
nicht durch Krankheitsfermente behindert wird, sich mit beschränkten Luftmengen
begnügen, ja die Luft selbst ganz entbehren können, obschon zum Nachtheil der
Schnelligkeit ihrer Wirkung, während bei dem gewöhnlichen Verfahren die Gegenwart
von viel Luft nothwendig ist.
Ich stelle also die Würze mit Hefe, aber mit reiner Hefe; die Gährung findet statt,
und sie gibt, obschon sie bei Ausschluß der Luft oder bei Gegenwart beschränkter
Mengen von reiner Luft verläuft, keine fremdartigen Fermente, weil bloß die Species
„Bierhefe“ gesäet worden ist, und das, was man hinsichtlich
der Möglichkeit einer Umwandlung der Hefe in Bakterien, Vibrionen, Mycoderma aceti, gemeine Schimmelarten oder umgekehrt
behauptet hat, irrig ist. Wenn das Bier endlich fertig ist, so kann man es in
gewöhnlicher Manier behandeln, ohne daß jetzt der Zutritt der Luft ernstliche
Nachtheile bedingt, weil das fertige oder fast fertige Bier nicht mehr ein für die
Fortpflanzung der in der Luft enthaltenen Keime seiner eigenen Krankheitsfermente
günstiges nährendes Medium bildet, wenigstens nicht für diejenigen, welche ohne Luft
lebende (anaérobies) sind, d.h. den Sauerstoff
der Luft nicht nöthig haben, um zu leben und sich zu vermehren. Was die übrigen,
nämlich Mycoderma aceti und Mycoderma vini, anbetrifft, so kann man sie durch einfache
Vorsichtsmaßregeln, welche die Praxis übrigens immer befolgt hat, leicht
vermeiden.
Das in der angegebenen Weise bereitete und dem Gebrauche gemäß in frisch gepichte
Fässer gebrachte oder in Flaschen gefüllte Bier hält sich unbestimmte Zeit lang gut,
selbst in einem Raume, dessen Temperatur auf 20 bis 25° C. erhalten wird.
Weit entfernt, mit der Zeit irgend eine Verderbniß zu erleiden, scheint es sich
vielmehr durch eine Wirkung von natürlichem Altwerden, analog derjenigen, welche die
Weine, die sich ohne Verderbniß aufbewahren lassen, darbieten, zu verbessern.Die Principien, welche ich bezüglich der Ursachen der Krankheiten des Bieres
aufgestellt habe, sind so streng richtig, daß die Bierbereitung schon
dadurch, daß man nur einen Theil der Verfahrungsarten, welche sie anrathen,
in Anwendung bringt, verbessert werden kann. Hr. Velten in Marseille und Hr. Kuhn in
Clermont-Ferrand haben ihren Betrieb merklich vervollkommnet, indem
sie so verfuhren, d.h. indem sie nur einen Theil meines Verfahrens
adoptirten, zu einer Zeit, wo dasselbe noch nicht definitiv festgestellt
war. Velten kühlt die Würze in reiner Luft; Kuhn kühlt sie in solcher Weise, daß die Keime
der Verderbniß, welche aus den Kühlschiffen und dem
Gährungsbottich herstammen, sowie diejenigen, welche die Hefe zwischen dem
Zeitpunkt, wo man sie sammelt, und demjenigen, wo man sie benutzt,
allenthalben in der Brauerei zusammenrafft, vermieden werden.
Man begreift nunmehr die Möglichkeit, die Anwendung von Eis oder überhaupt von
niedrigen Temperaturen während und nach der Gährung aufzugeben, weil das neue
Verfahren bei den sogenannten deutschen Bieren bei jeder Temperatur anwendbar ist,
und weil die Biere, welche man erhält, nicht dem Verderben unterliegen. Die
Temperatur der Lagerkeller braucht nicht niedriger als 10 bis 12° C. zu seyn,
und diese Temperatur kann man in den gemäßigten Klimaten selbst im Sommer durch
Keller von durchaus nicht allzu großer Tiefe ohne Anwendung von Eis erlangen.
Dieß ist, kurz dargelegt, das Verfahren der Bierbereitung, welches ich erfunden habe,
und dessen Studium mich während der letzten drei Jahre beschäftigt hat.