Titel: | Die magnet-elektrischen Maschinen auf der Wiener Weltausstellung; von Hippolyte Fontaine. |
Fundstelle: | Band 211, Jahrgang 1874, Nr. L., S. 260 |
Download: | XML |
L.
Die magnet-elektrischen Maschinen auf der
Wiener Weltausstellung; von Hippolyte
Fontaine.
Aus der Revue industrielle, December 1873, S.
655.
Mit einer Abbildung auf Tab. IV.
Fontaine, über die magnet-elektrischen Maschinen auf der
Wiener Weltausstellung.
Die Construction der magnet-elektrischen Maschinen befindet sich noch in ihrer
Kindheit. Obgleich man sich von Apparaten, welche die Triebkraft direct in
Elektricität umwandeln, außerordentliche Vortheile für die Industrie versprechen
darf, so gibt es doch auf der ganzen Erde kaum sechs Fabrikanten industrieller
Maschinen dieser Kategorie.
Auf der Weltausstellung zu Wien, wo alle Zweige der Wissenschaft und Industrie in so
ausgedehntem Maaßstabe vertreten waren, zählte man nur vier Aussteller
magnet-elektrischer Maschinen für industrielle Zwecke: Siemens in London, Siemens und Halske in Berlin, die Gesellschaft „l'Alliance“ in Paris und Gramme ebendaselbst. Wir wollen von den beiden ersteren,
deren Leistungen auf diesem Gebiete allgemein bekannt und nach ihrem wahren Werthe
gewürdigt sind, nicht reden, sondern nur über die Maschine der „Alliance“ und diejenige des Hrn. Gramme einige Details geben.
Die Maschine l'Alliance"Beschrieben im polytechn. Journal, 1863, Bd. CLXVII S. 104. repräsentirt eine ausgezeichnete Lösung des Problemes des elektrischen
Lichtes, und wenn sie nicht so kostspielig wäre und weniger Platz in Anspruch nähme,
so würde sich ihre Anwendung rasch in weiteren Kreisen ausbreiten. Das in Wien
ausgestellte Modell war 1,35 Met. hoch, 1,10 Meter lang und 1,30 Meter breit. Es
umfaßte 64 Spulen, am Umfange von 4 Bronzescheiben, welche an eine und dieselbe
horizontale Achse festgekeilt waren. Die Scheiben rotirten vor den Polen einer Reihe
von Magneten mit einer Geschwindigkeit von 450 Umdrehungen per Minute. Das durch den Apparat erzeugte Licht war 250 Carcelbrennern gleich, die zur Bewegung nöthige Kraft 3
Pferdekräfte, der Preis, ausschließlich der Lampe und des Reflectors, 8000 Frcs. Die
Unterhaltungskosten dieser Maschine sind gering, und ihre Leistungen hinsichtlich
der Constanz des Stromes und der Leichtigkeit der Handhabung sehr zufriedenstellend.
Sie läßt sich jedoch nur zur Erzeugung des elektrischen Lichtes nützlich
verwenden.
Die Gramme'schen Maschinen erzeugen Ströme, ganz analog
denen der Volta'schen Säule, weßhalb sich auch ihre
Anwendung auf alle Arbeiten erstreckt, zu denen die letztere seither verwendet
wurde. Die Galvanoplastik, das elektrische Licht, die Therapeutik, Telegraphie
u.s.w. können durch diesen neuen Elektricitätserzeuger bedeutend gewinnen. Drei
Modelle dieser Maschine waren ausgestellt: eines für Versilberung, eines für
Erzeugung des elektrischen Lichtes und eines für Versuchszwecke im
Laboratorium.Letzteres ist im polytechn. Journal, 1873, Bd. CCIX S. 355 beschrieben und
auf der zugehörigen Taf. V in mehreren Ansichten abgebildet.
Fig. 14
stellt das von dem Hause Christofle zu Paris definitiv adoptirte Modell für Versilberung in
perspectivischer Ansicht dar. Die Höhe dieser Maschine beträgt 1,30 Met., die Breite
0,80 Met.; ihre Basis ist viereckig mit abgerundeten Ecken, ihr Preis 5600 Francs;
die Silberablagerung per Stunde beträgt 0,800 Kil.; zu
ihrem Betrieb ist 1 Pferdekraft erforderlich.
Die Lichterzeugungsmaschine
Beschrieben im polytechn. Journal, 1873, Bd. CCVIII S. 166. bestand aus 6 verticalen Elektromagneten und einer Doppelspule auf einer Welle. Die Hauptdimensionen waren:
Totalhöhe
1,40
Meter
Breite
0,80
„
Länge der Welle nebst Rolle
0,96
„
Totalgewicht
960
Kilogrm.
Sie lieferte einen elektrischen Strom, welcher einen 10 Met. langen und 0,001 Met.
dicken Kupferdraht in's Glühen brachte. Die Intensität des erzeugten Lichtes
entsprach ungefähr 900 Carcelbrennern. Ihr Preis belief
sich auf 10,000 Francs. Gleich beim Beginn der Ausstellung wurde diese Maschine von
der Pester Universität angekauft.Während der Wiener Ausstellung wurden in London Versuche mit elektrischem
Lichte angestellt, welche der Gramme'schen
Maschine den ersten Rang unter allen Apparaten zur Erzeugung elektrischen
Lichtes anweisen. Den Strom lieferte eine aus den Werkstätten des Erfinders
zu Paris hervorgegangene kräftige Maschine. Ein von Whieldon und Cooke construirter, auf
dem Westminsterthurm aufgestellter Beleuchtungsapparat warf seine Strahlen
nach allen Richtungen. Noch niemals war eine ähnliche Lichtintensität in
einem einzigen Strahlenbündel vereinigt worden. In einer Entfernung von
ungefähr 2 Kilometern wurde das Gaslicht des Wegham'schen Apparates, welches mit dem Lichte der Gramme'schen Maschine probeweise concurrirte, von
dem elektrischen Lichte vollständig in Schatten gestellt.
Die Gramme'schen Maschinen haben in Wien zu einem
eigenthümlichen Versuch Anlaß gegeben, welcher eines Tages sehr wichtige Anwendung
finden kann. Die Hauptmaschine wurde nämlich durch eine Gaskraftmaschine nach Lenoir's System in Gang gesetzt, und die entwickelte
Elektricität in eine zweite Gramme'sche Maschine von
kleineren Dimensionen geleitet. Letztere wirkte nun als wahrer elektrischer Motor,
und setzte eine kleine Centrifugalpumpe von Neut und Dumout in Thätigkeit. Da die Experimentatoren keinen
Appart zur Messung der verbrauchten Kräfte bei der Hand hatten, so war es nicht
möglich, den aus einer derartigen Einrichtung etwa resultirenden Nutzeffect zu
bestimmen. Indessen haben diese ersten Versuche die Möglichkeit bewiesen, eine Kraft
auf große Entfernung hin und zwar vortheilhafter, als durch anderweitige
Transmissionsapparate, fortzupflanzen. Der Hauptvortheil der Transmission einer Kraft durch Elektricität läge in der Einfachheit der
Aufstellung und in der Möglichkeit, senkrechte den Transmissionsriemen oder
Drahtseilen unzugängliche Strecken zu bewältigen. Bei einem solchen System würde die
Entfernung zwischen dem Orte der Triebkraft und dem Orte der zu bewegenden Maschine,
keine Unterhaltungskosten verursachen; man hätte weder den Bruch eines Seiles,
welcher bei der großen Geschwindigkeit des letzteren ernstliche Gefahren darbieten
kann, noch das Entweichen comprimirter Luft oder Wassers aus Leitungsröhren zu
befürchten. Die Kosten zweier Gramme'scher Maschinen und
zweier Kupferseile erscheinen zwar auf den ersten Blick ziemlich bedeutend; aber die
Leichtigkeit der Anordnung und insbesondere die kaum in Betracht kommenden
Unterhaltungskosten dürften in manchen Fällen dem neuen System den Vorzug
verschaffen.