Titel: | Ueber einige neue Fabrications-Processe von Gas für Beleuchtungszwecke; von T. Wills. |
Fundstelle: | Band 211, Jahrgang 1874, Nr. LXXIV., S. 356 |
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LXXIV.
Ueber einige neue Fabrications-Processe
von Gas für Beleuchtungszwecke; von T.
Wills.
Aus dem Journal of Science and Arts durch den American Chemist, December 1873, S.
215.
Wills, über einige neue Fabricationsprocesse von Gas für
Beleuchtungszwecke.
Während der letzten zwei Jahre haben sich mehrere Ursachen vereinigt, um zur
Ermittelung neuer Gasfabrications-Methoden aufzufordern. Von diesen Ursachen
will ich nur folgende namhaft machen: erstens, die (obwohl vielleicht größtentheils
grundlose, aber demungeachtet häufig ausgesprochene) Furcht, daß unser Vorrath an
Kohle allmählich abnimmt, und in nicht sehr langer Zeit so vermindert seyn wird, daß
ihr Preis eine abschreckende Höhe erreicht. Zweitens hat das Bestreben des
Kohlen-Marktes, den Preis der Kohle ohne Noth hinaufzutreiben, auch Unruhe
hervorgerufen; und drittens befinden sich, theils in Folge dessen und theils, wie
ebenfalls nicht verschwiegen werden soll, in Betracht eines weit verbreiteten
Verdachtes wegen schlechter Verwaltung, Gascompagnien jüngster Zeit in einer äußerst
schwierigen Lage (einer Lage, die rasch durchschaut und sehr bald von ihren
Angestellten vortheilhaft ausgebeutet ist), und ohne viel Aussicht auf Besserung des
Zustandes in der Zukunft. Ferner haben der große Wohlstand des Landes und die freie Circulation des
Geldes verbunden mit einer verhältnißmäßig kleinen Zahl von sicheren und
gewinnbringenden Kapitalanlagen, eine Menge von Plänen in's Leben gerufen, welche
ohne deren Hülfe schwerlich je aufgetaucht wären. Noch eine andere Ursache gehört
hierher, welche, obwohl vielleicht nur von wenigen beachtet, dennoch allmählich an
Wichtigkeit zunimmt, nämlich der Glaube daß das dermalige Verfahren der Gasbereitung
verschwenderisch und unwissenschaftlich, und höchstens nur eine ärmliche Methode zur
Erzielung des gewünschten Resultates sey. Ich brauche in dieser Beziehung nur zu
erinnern an die sehr geringe Ausbeute an Kohlenstoff und Wasserstoff, welche von
diesen beiden in der Kohle befindlichen Elementen in das daraus bereitete Gas
übergehen; ferner an die große Anzahl der dabei erhaltenen Nebenproducte –
Nebenproducte, welche, wie ich ausdrücklich hervorheben muß, obwohl selbst werthvoll
und von Tag zu Tag werthvoller werdend, nur deßhalb erzeugt werden und zur Verfügung
stehen, weil es bis jetzt unmöglich ist ihre Entstehung zu verhüten, und die daher
eine ganz secundäre Stellung einnehmen würden; endlich an die factischen
Unvollkommenheiten der zur Reinigung, Aufbewahrung und Vertheilung des
Hauptproductes dienenden Apparate.
Die gegenwärtige Abhandlung zieht zwei oder drei der wichtigsten dieser neuen
Processe in Betracht. Sie stellt sich zur Aufgabe, dieselben vermittelst der Leuchte
wissenschaftlicher Thatsachen zu prüfen, und über die commerciellen Vorzüge oder
Schattenseiten des einen oder anderen Projectes sehr wenig zu sagen, obgleich nicht
übersehen werden kann, daß das eine das andere an Wichtigkeit weit übertrifft. Um
jedoch selbst in dieser Beziehung nicht lückenhaft zu erscheinen, halte ich für
nöthig, einen kurzen Ueberblick über die chemischen und physikalischen Gesetze zu
geben, welche in die Fabrication des Leuchtgases eingreifen, und die bis jetzt dazu
benutzten Apparate kurz zu beschreiben.
Der organische Ursprung der Kohle ist gegenwärtig eine unbestrittene Thatsache, und
wir erkennen in dem schwarzen kohligen Minerale die abgestorbenen und theilweise
zersetzten Reste einer üppigen tropischen Vegetation, welche an Ausdehnung und
Schnelligkeit des Wachsthums die dermalige der Tropen so sehr überragte, als diese
diejenige der gemäßigten Zonen. Dieß festgehalten, müssen wir, um zu einer richtigen
Kenntniß der Natur und Konstitution der Kohle zu gelangen, auf die Stämme, Gewebe
und Beblätterung der kraut- und baumartigen Pflanzen, deren Wachsthum und
Mächtigkeit uns unsere Kohlen-Maaßstäbe geliefert hat, zurückgehen.
Die Anzahl von Elementen, welche eine solche Vegetation constituiren, ist äußerst
beschränkt – sie beläuft sich wesentlich nur auf vier – aber ihre
Anordnung ist so complexer Art, daß man dermalen unmöglich erkennen kann, in welcher
Weise sie mit einander verbunden sind. Diese verwickelte Anordnung ist den
organischen Verbindungen eigenthümlich, und man nimmt an, sie sey das Product der
sogenannten Lebenskraft.
Die Holzfaser z.B., d.h. derjenige Theil der Gewächse, welcher ihnen Form und Halt
verleiht, enthält bekanntlich die Elemente Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff,
und wir wissen auch, wie viel von jedem darin ist, aber nicht, wie sie in der Faser
miteinander verbunden sind. Wenn nun ein complexer organischer Körper der
Selbstzersetzung verfällt, mit anderen Worten oxydirt wird, so zeigt er das
Bestreben sich in einfachere Verbindungen aufzulösen; und wenn die Zersetzung
vollständig wird, so vereinigt sich sowohl der Kohlenstoff als auch der Wasserstoff
mit Sauerstoff zu den möglichst stabilen Verbindungen Kohlensäure und Wasser. Wenn
die Gährung oder Zersetzung bei einer gewissen Zwischen-Station unterbrochen
wird, so sind bis dahin allerdings weniger zusammengesetzte Verbindungen als die
ursprüngliche Holzfaser entstanden, aber dieselben unterscheiden sich noch mehr oder
weniger von den Endproducten. Die Zersetzung dieser Holzfaser ist bis zu einem
beträchtlichen Grade in Kohle vorgeschritten, indem ein Theil des Kohlenstoffes und
eine große Portion des Wasserstoffes in der Form von Sumpfgas entwichen sind, und
eine weitere Quantität Kohlenstoff mit Sauerstoff Kohlensäure erzeugt hat, während
eine dritte Menge Kohlenstoff zur Ausscheidung im elementaren Zustande gediehen ist.
Wir sind im Stande, diesen Vorgang durch mehrere Stufen zu verfolgen, welche noch
deutlicher aus der folgenden Tabelle erkannt werden können, worin der Gehalt an
Kohlenstoff in den verschiedenen Verbindungen auf 100 festgesetzt wurde.
Kohlenstoff
Wasserstoff
Sauerstoff
Holz
100
12,18
83,07
Torf
100
9,85
55,67
Lignit
100
8,37
42,42
Bituminöse Kohle
100
6,12
21,23
Anthracit
100
2,84
1,74
Hier vermögen wir nicht nur durch die chemische Analyse die Veränderungen zu
constatiren, welche diese Substanzen erlitten haben, sondern es bestätigen auch die
physikalische Beschaffenheit und die Structur jene Unterschiede. So erkennt man am
Torfe das Gefüge der Holzfaser schon auf den ersten Blick; am Lignit und der
bituminösen Kohle ist diese Wahrnehmung nicht so offenbar, aber doch immer noch
unverkennbar, während an dem Anthracit oder der Schwarzkohle kaum eine Spur davon
sich zeigt. Diese langsame Zersetzung oder Gährung kann als eine langsame
Verbrennung, d. i. als eine Vereinigung der Holzfaser oder der Kohle mit Sauerstoff
angesehen werden.
Wenn, anstatt langsamer Gährung oder Umwandlung des Holzes in Kohle, dieses rasch
verbrannt wird, so erhält man praktisch dasselbe Resultat, denn auch in solchem
Falle suchen die Elemente des Holzes sich in ein einfacheres Verhältniß zu einander
zu setzen, die Veränderungen gehen nur weit rascher von Statten, aber das
Endresultat ist dasselbe, nämlich die Erzeugung von Wasser und Kohlensäure.
Intermediäre Stufen treten übrigens auch hier ein; verbrennliche Gase entstehen in
Menge, dazu gesellen sich Theer und ölige Materien, bestehend aus Kohlenstoff und
Wasserstoff, und nur in Folge der weiteren Verbrennung dieser letzteren wird die
vollständige Zersetzung erzielt. Was hier vom Holze gilt, das gilt auch von der
Kohle selbst, wenn wir dieselbe als Ausgangspunkt betrachten, indessen nur von
solcher Kohle, welche noch eine bedeutende Menge Wasserstoff und Sauerstoff
enthält.
In jedem Falle schreitet, je größer die Hitze, um so rascher die Zersetzung vorwärts
oder, mit anderen Worten, um so lebhafter erfolgt die Verbrennung. Ferner, je
complicirter die Structur einer Substanz, um so rascher zerfällt sie durch den
Einfluß der Hitze, vorausgesetzt daß ihre Bestandtheile in einer Anzahl einfacherer
Zustände bestehen können, was bei Kohlenstoffverbindungen und organischen Materien
unveränderlich der Fall ist. In den obigen Beispielen ist angenommen, daß das Holz
oder die Kohle an der Luft erhitzt wird, aber wenn man von der erhitzten Substanz
den Zutritt der Luft abhält, so kann man ihre Zersetzung vor dem letzten Stadium zum
Stillstande bringen, da nur soviel Sauerstoff zugegen ist, als sie selbst enthält,
und dieser in keinem Falle ausreicht, den Kohlenstoff und Wasserstoff vollständig zu
verbrennen. Werden die Substanzen unter solchen Umständen erhitzt, so tritt eine
Anzahl Verbindungen von Kohlenstoff und Wasserstoff auf, welche einfacher als das
ursprüngliche Holz oder die Kohle, aber immer noch von sehr complexer Constitution
sind.
Dieser Uebergang complexer Verbindungen zu einfacheren unter dem Einfluß der Hitze
und bei Abschluß der Luft heißt trockene Destillation, und wird dieser Proceß stets
bei der directen Darstellung von Leuchtgas aus Kohlen in Anwendung gebracht. Man
sieht also, daß die Möglichkeit, solches Gas zu erhalten, in erster Reihe von zwei
Bedingungen abhängt:
1) von der großen complexen Beschaffenheit organischer, insbesondere vegetabilischer
Körper, und mithin auch der Kohle;
2) von der Fähigkeit, welche die Elemente dieser Körper besitzen, beim Erhitzen unter
Luftabschluß eine Anzahl einfachere Verbindungen (unter denen auch gasige) zu
bilden.
Obgleich es keinem Zweifel unterliegt, daß sich bei der trockenen Destillation, wegen
Mangels des nöthigen Sauerstoffes, nicht aller Kohlenstoff und Wasserstoff zu
Kohlensäure und Wasser verbrennen läßt, so kann man in dieser Hemmung der Oxydation
selbst noch weiter zu gehen, und den Kohlenstoff nebst dem Wasserstoff in ihren
elementaren Zustand zurückführen, wenn man die Hitze möglichst erhöht; und es
verdient hier hervorgehoben zu werden, daß der Grund, warum nach der Erfahrung der
Gas-Ingenieure höhere Temperatur mehr Ausbeute an Gas, aber dieses von
geringerer Leuchtkraft liefert, in dem Bestreben des Kohlenstoffes und Wasserstoffes
liegt, unter dem Einflusse der Hitze stufenweise immer einfachere Verbindungen zu
bilden, und zuletzt elementar, jener im festen, dieser im gasigen Zustande,
aufzutreten.
Nachstehende Tabelle, in welcher die Quantität des Wasserstoffes auf 100 festgesetzt
ist, erläutert das soeben Gesagte.
Temperatur
Wasserstoff
Kohlenstoff
Namen der Gase
Dunkle Rothgluth
100
614
Hauptsächlich ölbildendes
Gas (C²H⁴)
Rothgluth
100
580
Helle Rothgluth
100
472
Oelbildendes Gas (C²H⁴
vermischt mit Sumpfgas
(CH⁴).
Weißgluth
100
325
Sumpfgas (CH⁴)
Anhaltende Weißgluth
100
7
Fast reines
Wasserstoffgas, ausgeschiedener
Kohlenstoff
Die Zahl der während der trockenen Destillation der Kohle auftretenden bekannten
Producte ist sehr groß, und es ist sehr wahrscheinlich daß mehrere bis jetzt der
Wahrnehmung entgangen sind. Die weiter unten folgende Tabelle enthält die
hauptsächlichsten, nach der äußeren Beschaffenheit, wie sie sich bei gewöhnlicher
Temperatur zeigen, gruppirt. Es scheint kaum nöthig hervorzuheben, daß sie sämmtlich
wirkliche Producte sind, keine Educte, daß sie mithin in der Kohle nicht
präexistiren.
Gasige.
Wasserstoff
Butylen
Sumpfgas
Kohlenoxyd
Acetylen
Kohlensäure
Oelbildendes Gas
Stickstoff
Propylen
Ammoniak.
Flüssige.
Wasser
Cymol
Benzol
Anilin
Toluol
Picolin
Cumol
Schwefelkohlenstoff.
Feste.
Paraffin
Pyren
Naphthalin
Chrysen.
Paranaphthalin.
Diese Substanzen sind natürlich in den rohen Destillationsproducten untereinander
gemischt. Vom praktischen Standpunkte aus betrachtet liefert die trockene
Destillation nur vier Producte: 1) Kohks, der in der Retorte verbliebene Rückstand.
2) eine helle wässerige Flüssigkeit, welche einen Theil der löslicheren gasigen
Materien enthält 3) Eine pech- oder theerartige Materie, bestehend aus
flüssigen und festen Producten, von denen jene die Oele und Naphta enthalten. 4)
Gasige Materien, welche mehr oder weniger von den Dämpfen der flüchtigeren Körper
aufgelöst enthalten.
Je reicher die Kohlenwasserstoffe an Kohlenstoff und demgemäß ärmer an Wasserstoff
werden, um so mehr haben sie das Bestreben, einen dichteren Aggregatzustand
anzunehmen, sie werden flüssig und endlich fest. So z.B. ist das ölbildende Gas =
C²H⁴, das (flüssige) Benzol = C⁶H⁶, das (feste)
Naphtalin = C¹⁰H⁸.
Es wird passend seyn, daß wir die physikalische Beschaffenheit einiger dieser
Materien etwas genauer in's Auge fassen, weil davon der Erfolg oder Mißerfolg
mehrerer neuer Projecte abhängt.
Die festen, flüssigen und gasigen Zustände der Materie sind von einander nicht durch
eine scharfe Eintheilungslinie unterschieden, sondern sie gehen allmählich
ineinander über; dieß offenbart sich sofort bei den festen und flüssigen Materien,
denn unter ihnen gibt es einige, welche streng genommen weder das Eine noch das
Andere sind, und passender die Bezeichnung klebrig verdienen. Nicht so augenfällig,
aber doch immer noch wahrnehmbar ist ein Zustand, welcher den Uebergang von dem
flüssigen zum gasigen bildet, nämlich der dampfförmige gewisser Flüssigkeiten,
welcher je nach dem Siedepunkte der letzteren wechselt.
Als Merkmal eines vollkommenen Gases bezeichnet man das Verharren im
elastisch-flüssigen Zustande und die Fähigkeit, unter einem constanten Drucke
sich mit der Zunahme der Wärme gleichförmig auszudehnen; aber es ist wahrscheinlich,
daß diese theoretische Definition sich niemals ganz genau praktisch bewährt, denn,
obgleich man noch immer von einigen vollkommenen, jenem Gesetze ganz entsprechenden
Gasen spricht, so geht
doch aus Analogien und Beobachtungen hervor, daß dasselbe einer Modification bedarf.
Der Ausdruck „Dampf“ war lange Zeit hindurch die Bezeichnung
für eine gewisse Classe gasiger Materien, nämlich solcher, welche fähig sind, auch
die liquide Form anzunehmen; aber in Folge der Beobachtungen mehrerer Gelehrten,
z.B. Faraday's, ist diese Unterscheidung jetzt nur noch
eine Frage der Anwendung der rechten Mittel, und muß daher jener Ausdruck in einem
viel weiteren Sinne genommen werden, d.h. alle Gase einschließen, denn daß dieselben
nichts weiter als die Dämpfe von sehr niedrige Kochpunkte besitzenden Flüssigkeiten
sind, scheint so viel als erwiesen. Alle Flüssigkeiten entbinden bei jeder
Temperatur an ihrer Oberfläche eine gewisse Menge Dampf, das Quantum desselben
wechselt aber je nach der Verschiedenheit der Materie und der Temperatur. Befindet
sich die Flüssigkeit in einem verschlossenen Gefäße so erleidet der Dampf einen
gewissen Druck von den Wänden und dieser variirt ebenfalls mit der Temperatur, indem
er bei höherer stärker und bei niedriger schwächer ist. Diesen Druck nennt man die
Tension des Dampfes der betreffenden Substanz, und er läßt sich auf folgende Art
anschaulich machen. Wenn in das Vacuum des oberen Theiles der Röhre eines Barometers
ein wenig Wasser gelangt, so wird die Quecksilbersäule sofort bis zu einem gewissen
Grade herabgedrückt, welcher Druck von dem aus dem Wasser bei der beobachteten
Temperatur entwickelten Dampfe herrührt, und die Größe dieses Druckes repräsentirt
die Tension des Wasserdampfes. Bedient man sich zu demselben Versuche, statt des
Wassers, des Weingeistes, so bemerkt man einen weit stärkeren Druck, daher ist die
Tension des Weingeistdampfes größer als die des Wasserdampfes, und so liefert jede
andere Flüssigkeit ein anderes Resultat.
Nehmen wir nun den Fall, wo das Quantum von Flüssigkeit, welches in die
Barometerleere gelangt ist, nicht ausreicht, um durch seinen Dampf den vorhandenen
Raum ganz auszufüllen, so verschwindet sämmtliche Flüssigkeit, und der Druck rührt
her von der Gegenwart einer gewissen Quantität wahren Gases, welches dadurch
entstanden ist, daß ein Dampf in diesem – sogenannten ungesättigten –
Zustande allen denjenigen Gesetzen folgt, welchen die mehr permanenten Gase
unterworfen sind. Man findet z.B., daß sein Volum je nach dem Drucke wechselt, und
daß dieser Wechsel – Vermehrung und Abnahme des Volums – regelmäßig
mit dem Steigen und Fallen der Temperatur Schritt hält. Läßt man aber von der
Flüssigkeit mehr in den leeren Raum hinaufsteigen, als erforderlich ist, um ihn mit
Dampf zu erfüllen, so bleibt von derselben eine gewisse Menge auf dem Quecksilber
stehen, und der darüber befindliche Dampf heißt alsdann ein gesättigter, was so viel sagen will, als, in
dem vorhandenen Raum ist so viel Dampf, wie derselbe bei einer gewissen Temperatur
fassen kann, enthalten. Wenn daher hierauf die Temperatur steigt, so geht ein neues
Quantum der Flüssigkeit in den gasigen Zustand über; wenn sie fällt, so kehrt ein
Theil des erzeugten Gases wieder zur Flüssigkeit zurück, und beide Phänomene greifen
auch Platz, wenn der Druck schwächer oder stärker wird. Man erkennt hieraus, daß der
von jeglicher Flüssigkeit ausgehende Dampf für jede besondere Temperatur und jeden
besonderen Druck eine feste, unveränderliche Maximum-Tension besitzt.
Eine andere hieraus zu ziehende Folgerung ist die, daß man, angenommen der Dampf sey
nicht gesättigt, entweder durch Erhöhung des Druckes oder durch Erniedrigung der
Temperatur jenen Punkt der Maximum-Tension oder Sättigung eventuell
erreichen, und daß dann durch weiteren Druck und weitere
Temperatur-Erniedrigung eine Verdichtung des Dampfes zur Flüssigkeit
eintreten wird. In der That ist es auch durch eines dieser Mittel oder durch
vereinigte Anwendung beider gelungen, die meisten Gase in die liquide Form zu
bringen.
Bisher habe ich in obigen Auseinandersetzungen angenommen, daß die verschiedenen
Flüssigkeiten in ein Vacuum, die sogenannte Barometer-Leere gelangt seyen;
die gleichen Resultate erhält man aber auch, wenn dieses Vacuum schon mit irgend
einem Gase angefüllt war, denn die Quantität Dampf, welche von einer Flüssigkeit
entbunden wird, ist ganz unabhängig von dem Medium in welches derselbe
ausströmt.
Die Wichtigkeit einiger dieser Thatsachen für die Fabrication von Leuchtgas erkennt
man, wenn man erwägt, daß das Kohlengas nicht nur gewisse permanente Gase, sondern
auch eine große Menge Dämpfe flüchtiger Kohlenwasserstoffe enthält, welche in nicht
geringem Grade die Leuchtkraft befördern; und hierauf werde ich wieder zurückkommen,
wenn ich specieller von carburirter Luft oder von carburirtem Gase handle.
Einige Worte bezüglich der wenigen über die Leuchtkraft der Flamme gasiger
Kohlenwasserstoffe gemachten Beobachtungen dürften hier am Platze seyn.
Man nimmt noch allgemein an, daß die Leuchtkraft einer Flamme abhängt von der
Gegenwart stark erhitzter fester Theilchen (obgleich mehrere gewichtige Einwürfe
dagegen geltend gemacht werden können). Bei der Verbrennung sämmtlicher
Kohlenwasserstoffe bestehen diese festen Theilchen aus Kohle.
Die Flamme also leuchtet mehr oder weniger je nach der größeren oder kleineren Anzahl
Kohlentheilchen, und je nach der höheren oder niedrigeren Temperatur, welcher
dieselben ausgesetzt sind. Je dichter der Kohlenwasserstoff, eine um so größere Anzahl
Kohlentheilchen befinden sich in einem gegebenen Raume; und wenn sein Dampf
verbrannt wird, so setzt sich eine verhältnißmäßig größere Anzahl in dem Inneren der
Flamme ab. Diese zwei Punkte festgehalten, ist es offenbar vortheilhaft, zum Zweck
der Verbrennung solche Verbindungen von Kohlenstoff und Wasserstoff zu erzielen,
welche am meisten Kohlenstoff und am wenigsten Wasserstoff enthalten, vorausgesetzt
daß die Hitze der Flamme hinreichend groß ist, um die Kohlentheilchen zum Weißglühen
zu bringen. Die letztere Bedingung ist ebenso wichtig als die erstere, denn
möglicherweise kann ein Gas, welches eine beträchtliche Menge eines dichteren
Kohlenwasserstoffes enthält, wegen verhältnißmäßig niedrigerer Temperatur seiner
Flamme weniger Leuchtkraft besitzen, als ein solches mit geringerer Quantität des
gleichen Kohlenwasserstoffes, aber höherer Temperatur seiner Flamme. Daraus würde
folgen, daß der Gasproducent dahin streben sollte, ein Gas zu erzielen, welches so
viel als möglich der leuchtenderen Verbindungen enthielte; allein ein Blick auf die
unten folgende Tabelle, welche die Analysen des von verschiedenen Compagnien
gelieferten Gases enthält, zeigt, daß ein derartiger Versuch keinen Erfolg
verspricht, denn der größte Theil des Gases besteht aus Wasserstoff, dessen Flamme
gar nicht leuchtet, und aus Sumpfgas, welches unter den Kohlenwasserstoffen am
wenigsten leuchtet, da es die kleinste Menge Kohlenstoff und die größte Menge
Wasserstoff enthält.
Zusammensetzung des Kohlengases mehrerer
Compagnien.
Great Central
Imperial
Privilegirte
Oelbildendes
GasSumpfgasWasserstoffKohlenoxydKohlensäureStickstoffSauerstoff
3,56 35,28 51,24 7,40 0,28 1,80 0,44
3,67 40,66 41,15 8,02 0,29 5,01 1,20
3,53 35,26 51,80 8,95 – 0,38 0,08
100,00
100,00
100,00
Dieses Ergebniß ist noch ungünstiger, als es anfangs scheint, denn obige Columne,
welche die Quantität leuchtender Kohlenwasserstoffe enthält, schließt nicht allein
diejenigen ein, welche wirkliche Gase, sondern auch die Dämpfe von Flüssigkeiten,
die von jenen absorbirt worden sind. Es kann demnach keine Frage seyn, daß in der
Fabrication des Kohlengasses ein großer Fortschritt gemacht würde, wenn man es dahin
brächte, entweder gleich bei der (ersten) Destillation der Kohle oder nach derselben
den Gehalt des Gases
an Acetylen (C²H²) oder ölbildendem Gas (C²H⁴) zu
vermehren, denn letzteres enthält im gleichen Raume doppelt so viel, und ersteres
noch mehr Kohlenstoff als das Sumpfgas. Der Werth dieser Vermehrung darf nicht
allein nach der in einem gegebenen Raume enthaltenen größeren Menge Kohlenstoff
geschätzt werden, denn die kleine Quantität einer jeden der genannten Verbindungen,
welche sich in einem nicht leuchtenden Gase verbreitet, beträgt immer noch mehr als
eine ähnliche Quantität von in der weniger condensirten Verbindung befindlichem
Kohlenstoff. Eine Stütze dafür liefert das Sumpfgas. Wenn dieses, eine nur schwache
Leuchtkraft besitzende Gas zersetzt wird, sey es durch Fortleiten in einer erhitzten
Röhre, oder durch den elektrischen Funken, so scheidet sich sein Kohlenstoff aus,
und der in Freiheit gesetzte Wasserstoff nimmt nun den doppelten Raum des
ursprünglichen Gases ein. Die Flamme dieses nahezu reinen Wasserstoffes besitzt
größere Leuchtkraft als die des Sumpfgases, obgleich es seinen Licht erzeugenden
Bestandtheil fast völlig verloren hat, denn es enthält nunmehr eine äußerst geringe
Menge von während der Zersetzung neu gebildetem Acetylen. Das Licht einer
Kohlenflamme wird ohne Zweifel in ähnlicher Weise vermehrt, weil während der
Präcipitation im Inneren der Flamme der festen Kohlenwasserstoffe – d.h.
während der Zersetzung der Flamme der gasigen Materien unter dem Einflusse der hohen
Temperatur – kleine Mengen von weit höher condensirten Substanzen erzeugt
werden, Substanzen welche wahrscheinlich im festen Zustande existiren würden, wenn
man sie bei gewöhnlicher Temperatur ausschiede. Dazu kommt noch, daß das Kohlengas,
obgleich, praktisch betrachtet, ein bei allen Temperaturen gasiger Körper, als
Vehikel eine gewisse Quantität Dämpfe von Benzol, Toluol, Naphtalin etc. suspendirt
hält und mit sich führt, welche im Theer vorkommen; und darin liegt der praktische
Erfolg dessen, was ich oben specielle Carburirung gasiger Materien als Mittel zur
Erzielung leuchtenden Gases genannt habe. In der That sind es diese Wahrnehmungen,
welche zur Verbesserung der Leuchtkraft der Flamme Anlaß gegeben haben.
Da es drei Methoden der Gasfabrication gibt, welche unter Modification der
bestehenden Apparate operiren, so will ich wenigstens von derjenigen, die
gegenwärtig meist ausschließlich in Anwendung ist, eine allgemeine Skizze geben.
Die zu destillirende Kohle wird in Quantitäten von je 500 Pfund einer verhältnißmäßig
hohen Hitze – helle Kirschrothgluth – in langen cylindrischen irdenen
oder eisernen Gefäßen, sogenannten Retorten, ausgesetzt, deren Form etwas variirt,
indem einige auf dem Querschnitt die eines D, andere eine
zirkelrunde und wieder andere eine elliptische Grundfläche haben; sie sind 10 Fuß
lang, zwanzig und vierzehn Zoll weit. Gewöhnlich befinden sich mehrere solcher
Retorten in einem Ofen und werden durch ein Feuer
geheizt. In den größten Werken bedient man sich Doppelretorten, welche von beiden
Enden aus beschickt werden, wie wenn es zwei einzelne wären. An der Mündung oder den
Mündungen befindet sich eine Flantsche, auf welche eine Metallplatte – der
Deckel – gut paßt, deren Schluß aber nöthigenfalls mittelst Lutum noch
vervollständigt wird. Durch diese Mündungen wird die Kohle eingetragen und nach der
Operation die Kohks herausgeschafft. Gleich nachdem die Kohle in die erhitzte
Retorte gebracht ist, beginnt der Proceß und Gas entweicht. Die Zersetzung der Kohle
erfolgt natürlich zuerst in derjenigen Schicht welche der Retortenwand am nächsten
liegt, ist mithin hier vollständiger als in der inneren Schicht, welche indessen
ebenfalls der Zersetzung unterliegt, und Gase und Dämpfe höherer Kohlenwasserstoffe
ausgibt. Kommen diese in Berührung mit der heißen äußeren Schicht, so spalten sie
sich in einfachere Materien. Aus den Retorten tritt das Gas in senkrechte, etwa 5
Zoll im Durchmesser haltende Röhren, welche nahe bei den Retorten-Mündungen
stehen; diese Röhren, welche an ihrem oberen Ende spitz zulaufen, sind über dem Ofen
zweimal rechtwinkelig gebogen und münden in eine weitere Röhre, welche horizontal
über die Mitte der Retorten hinläuft. Diese letztere Röhre, welche den Namen der
„hydraulische Canal“ (hydraulic
main) führt, ist stets mit Theer und Oel halb gefüllt, und die Enden der
gebogenen Röhren tauchen 2 bis 3 Zoll tief in diesem Theere unter, um alle
Communication zwischen den Retorten und dem daraus entwichenen Gase abzuschneiden.
Der hydraulische Canal liegt horizontal, damit der überschüssige Theer an seinen
Enden ablaufen kann, und ist seiner ganzen Länge nach einer mäßigen Hitze
ausgesetzt, damit der Theer in gehörig flüssigem Zustande verharren kann. Ein
wesentlicher Punkt besteht darin, daß das Gas einem Abkühlungs-Processe
unterworfen wird, um die condensirbareren Materien, welche mit ausgetrieben sind,
absetzen zu lassen; wegen der großen Beweglichkeit der gasigen Materie und ihrer
hohen latenten Wärme ist diese Operation mit einiger Schwierigkeit verbunden, und
erfordert die Anwendung einer großen kühlenden Oberfläche. Man erreicht diesen Zweck
entweder einfach durch Leiten des Gases durch lange eiserne Röhren oder durch hohle
eiserne Säulen, in welchen ein Schlangenrohr circulirt. Für jeden Kubikfuß per Minute durchstreichenden Gases sind ungefähr 10
Quadratfuß kühlende Oberfläche erforderlich. Wenn man bei der Entwickelung des Gases
in den Retorten, zum Treiben desselben durch die verschiedenen Apparate, einen gewissen Druck
anwendet, so erleidet man durch Leckwerden einen beträchtlichen Verlust. Ferner hat
man die Erfahrung gemacht, daß das unter Druck erzeugte Gas schlechter leuchtet, da
unter diesen Umständen eine beträchtlichere Menge Kohle ausgeschieden wird. Daher
pflegt man sich eines sogenannten Exhaustors zu bedienen, der gewöhnlich in einem
rotirenden Wedel besteht, und wie eine simple Luftpumpe wirkt. Dadurch hat man die
Regulirung des Druckes ganz in seiner Gewalt, und dieser soll in der Retorte nicht
mehr als 1/2 Zoll Wassersäule betragen.
Nachdem das Gas den Condensator verlassen hat, wird es verschiedenen
Reinigungsprocessen unterworfen; aber da diese den in Rede stehenden Gegenstand
nicht näher berühren, so will ich nur kurz bemerken, daß es zuerst gewaschen wird,
indem man es durch einen mit Kohks gefüllten Thurm leitet, in welchem Wasser
herabtröpfelt, um den Rest von Theer und Ammoniak zurückzuhalten. Alsdann passirt es
einen Behälter voll Kalkmilch, welche in beständiger Bewegung erhalten wird, um die
Kohlensäure und den Schwefelwasserstoff absorbiren zu lassen, und zuletzt eine Reihe
von mit trockenem Kalk und Eisenoxyd angefüllten Trögen, um einen etwa noch
vorhandenen Rückhalt von Schwefelwasserstoff oder Schwefelkohlenstoff zu beseitigen.
Von da gelangt es in den Gasometer, aus welchem es in die zu den Verbrauchsstellen
führenden Röhren strömt.
In einem früheren Theile dieser Abhandlung wurde bemerkt, daß, wenn Kohle bei hoher
Temperatur destillirt wird, eine sehr reichliche Ausbeute an Gas erhalten werden
kann, diese Vermehrung aber mir einer beträchtlichen Verminderung der Leuchtkraft
desselben verbunden ist. Die Ursache davon habe ich dort auch angegeben. In der That
läßt sich die Destillation der Kohle bei so niedriger Temperatur ausführen, daß die
Quantität des dabei erhaltenen Gases praktisch gesprochen, gleich Null ist, indem
ziemlich sämmtliche Producte im festen oder flüssigen Zustande auftreten (eine verlängerte Behandlung gasiger Kohlenwasserstoffe bei
niedriger oder selbst mäßig hoher Hitze ist von ganz ähnlichen Resultaten begleitet,
nämlich von der Bildung complexerer Verbindungen), oder umgekehrt können auch durch
sehr hoch getriebene Hitze alle Kohlenwasserstoffe in ihre Elemente zerfallen. Es
hat sich zweckmäßig gezeigt, in den Gaswerken eine Art Mittelweg einzuschlagen,
wobei außer einer mäßigen Ausbeute an Gas noch eine nicht unbedeutende Quantität
Theer und Oel erzielt wird. Die beiden letzteren Producte steigen in directem Grade
mit der Abnahme der Temperatur, und eine Folge davon ist eine Abnahme des Gases, wie aus der
folgenden Tabelle hervorgeht.
Tabelle über die Ausbeute an Gas und Theer
bei verschiedenen Temperaturen.
Destillations-Temperatur
Ausbeute von Gas
Ausbeute an Theer
Sehr dunkle Rothgluth
7500
150 Pfund
1300 bis 1400° F. (704 bis 760° C.)
8300
120 „
Helle Rothgluth
9500
70 „
Es sind drei Erwägungen, welche den Gasfabrikanten hinsichtlich der Temperatur, bei
welcher er die Kohle destilliren soll, leiten, und welche ihn mitunter zwingen, die
Hitze höher zu treiben, als es sonst räthlich seyn würde: erstens die Zeit, welche
zur Erzeugung einer gewissen Menge Gas erforderlich ist – niedrigere
Temperatur verlangt eine mehr oder weniger lange Zeit der Behandlung ein und
derselben Quantität Kohle –, aber gewöhnlich pressirt es mit der Fabrication
zu sehr, um von einer solchen Prolongation der Zeit Gebrauch machen zu können;
zweitens die Menge des für die Oefen erforderlichen Brennstoffes (Kohks), welche
natürlich für einen längeren Zeitraum mehr beträgt; und drittens die Qualität der
erzeugten Kohks, da der Bedarf an diesen und ihr Werth so groß ist, daß sie das
wichtigste Nebenproduct der Gasfabrication bilden, woraus weiter folgt, daß ein
wichtiger ökonomischer Punkt dieser Industrie darin besteht, Kohks in reichlicher
Menge und von guter Beschaffenheit zu erzeugen.
(Der Schluß folgt im nächsten Heft.)