Titel: | Theorie und Praxis der Schnellessigfabrication; von Paul Pfund, Chemiker. |
Autor: | Paul Pfund |
Fundstelle: | Band 211, Jahrgang 1874, Nr. LXXV., S. 367 |
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LXXV.
Theorie und Praxis der Schnellessigfabrication;
von Paul Pfund,
Chemiker.
(Fortsetzung und Schluß von Seite 300 des
vorhergehenden Heftes).
Pfund, über Theorie und Praxis der
Schnellessigfabrication.
B. Inanspruchnahme der Leistungsfähigkeit eines Essigbilders.
Wie bereits in dem schon öfters angezogenen Capitel „Ueber die Rolle des
Ansäuerungsessigs“, bewiesen wurde, findet nach jedem Aufguß im Füllmateriale eines
Bilders eine mehr oder weniger vollständige Bewegung des
„Ansäuerungsessigs“ nach unten statt, so zwar, daß man in
der am Siebboden gleichzeitig abtropfenden Flüssigkeit nichts anderes, als den aus
der tiefsten Füllungszone durch den Essig der nächst höheren Schichten verdrängten
„Ansäuerungsessig“ zu erblicken hat.
Bei tadelloser Construction und sorgfältiger Beschickung eines Generators wird der
Ablauf durchaus keine Theile des so eben Aufgegebenen enthalten, sondern das
Oxydationsproduct früherer Aufgüsse vorstellen, welche auf ihrem langsamen Weg durch
die Füllung, von Ansäuerungsessig umgeben, mit Solchem gemischt, selbst ihrem gesammten Alkoholgehalte nach in Essig
verwandelt wurden.
Fällt der Zeitpunkt, wo der letzte Antheil an Alkohol verschwunden ist, mit dem
Augenblick zusammen, in welchem die Flüssigkeit das Füllmaterial verläßt, so hat man
dem Apparate genau soviel Arbeit zuertheilt, als demselben bei Constanz der soeben behandelten Factoren zur Säuerung wirklich zukommt,
d.h. man hat den Apparat genau auf seine Leistungsfähigkeit in
Anspruch genommen.
Die Consequenzen eines solchen Verhältnisses im Bilder seyen durch folgenden nicht
genug zu beherzigenden Grundsatz ausgedrückt:
Ein Essigbilder arbeitet nur dann mit dem größten Vortheil,
wenn er auf seine ganze Leistungsfähigkeit, aber auch nur auf diese in Anspruch
genommen wird.
Dieß ist nicht etwa nur der Fall, weil so das Anlagecapital am vollständigsten zur
Verwerthung kommt, sondern weil andernfalls directe Verluste an Material
unausbleiblich sind, ja bei starker Abweichung geradezu der Ruin des
Ansäuerungsessigs herbeigeführt werden kann.
Da sich nun die Wirksamkeit eines Essigbilders mit jenen Verhältnissen verändert, die
mit Recht „die Factoren der
Leistungsfähigkeit“ genannt werden konnten, so wird man von
einen: Apparat nur dann gleichgünstige Resultate erhalten, d.h. – derselbe
wird nur dann das Maximum des übergebenen Alkohols als Essigsäure wieder abliefern,
– wenn man entweder diese Factoren möglichst
constant zu erhalten sucht, oder bei eintretender Veränderung der letzteren
die Inanspruchnahme an die Leistung des Bilders entsprechend modificirt.
Ist die von einem Bilder beanspruchte Leistung während längerer
Zeit und bedeutend verschieden von der effectiven Leistungsfähigkeit desselben bei den gegebenen
Factoren, so treten jene gefürchteten Unfälle ein, an denen so viele
Essigfabrikanten jahraus jahrein laboriren. Verfasser will dieselben hier einer
ausführlicheren Betrachtung unterziehen, zugleich auch die Mittel angeben, derartige
Bilder (oder vielmehr
den Ansäuerungsessig derselben – denn hierauf kommt es ja immer wieder an),
wieder herzustellen.
I. Die Leistungsfähigkeit eines Bilders
wird zu wenig in Anspruch genommen.
Beschickt man einen in reger Thätigkeit befindlichen Bilder zu schwach oder gar
nicht, läßt man ihm zu wenig Alkohol zur Oxydation zukommen, so daß dieser schon
längst vollständig gesäuert ist, ehe die Flüssigkeit das Füllmaterial verläßt, so
findet bald ein heftiger Angriff auf den Ansäuerungsessig selbst statt. Ein längeres
Aussetzen mit den Aufgüssen, oder die plötzliche Verwendung bedeutend schwächeren
Essigguts, ist um so gefährlicher, je lebhafter der Bilder zuvor in Thätigkeit
stand, je höher vor Allem seine innere Temperatur gestiegen war, und wird ganz gefahrlos, wenn letztere in Folge niederer Localwärme
successive so weit in das Fallen kommt, daß schließlich die Oxydation ganz von
selbst gleich 0 ist, wobei natürlich vorausgesetzt wird, daß man entsprechend der
Temperaturabnahme mit dem Spirituszusatz herunterging. Verfasser kennt einen
Essigfabrikanten, der seine Bilder regelmäßig während der Monate October und
November auf diese Manier zum Stillstand brachte, ohne fühlbare Verluste an
Ansäuerungsessig zu haben, wobei allerdings bemerkt werden muß, daß seine Apparate
sehr klein waren.
Bei einem in kräftiger Arbeit befindlichen Bilder hingegen, findet durchaus kein
Stillstand der chemischen Action im Inneren des Füllungsmateriales statt: Sobald der Weingeist aus dem Bilder
vollständig verschwunden ist, findet eine weiter gehende Oxydation des fertigen
Essigs, eine Umwandlung desselben in Kohlensäure
und Wasser statt, und zwar geschieht dieß zunächst in den tiefsten
Schichten des Apparates.
Die Kohlensäure entströmt dann, vermöge ihres hohen specifischen Gewichtes, oft in
solchen Massen den Zuglöchern des Bilders, daß eine brennende Kerze auf mehrere Fuß
Entfernung verlöscht und der Zug natürlich ein umgekehrter zu seyn scheint. Die
Temperatur hält sich dabei auf einer bedeutenden Höhe, Beweis genug, daß diese
Consumtion des Essigs außerordentlich schnell verläuft, wofür man allerdings so wie
so in der rapid fallenden Essigstärke den traurigsten aber sichersten Beleg in den
Händen hat.
Ein solcher Zustand muß dem Fabrikanten ein sehr bedenkliches
Zeichen seyn, dem vollständigen Ruin seiner Füllung schleunigst entgegen zu
arbeiten.
Zu diesem Zwecke muß man entweder dem Bilder ein sehr starkes Quantum von Alkohol zur Verarbeitung übergeben,
oder man muß zur Beschickung eine schwierig und langsam oxydirbare Mischung
anwenden, dabei aber stets auch die anderen Factoren derartig umzuändern suchen, daß
sie dem augenblicklichen Mißstande entgegenwirken.
Verfasser sah sich Essigfabrikanten dadurch helfen, daß sie verhältnißmäßig große
Massen unvermischten oder doch nur schwach verdünnten Alkohols aufgossen, der
natürlich großentheils durch Verdampfung verloren ging.
Mindestens ebenso zuverlässig und gewiß weit rationeller, kann man die gefährdeten
Bilder auf dem zweiten Weg restauriren: Man verstopft alle Zuglöcher des Bilders, um
zunächst dem Nachdringen der Luft von oben, und damit einem weiteren Angriff des
Essigs eine Grenze zu setzen. Hierauf macht man einen voluminösen Aufguß von starkem
Essig, den man mit 3–4 Proc. Spiritus versetzt und läßt etwa 2 Stunden mit
geschlossenen Löchern stehen; nach dieser Zeit lüftet man dieselben, doch nur auf
etwa 1/2 Stunde, d.h. nur auf solange, bis man annehmen zu dürfen glaubt, daß der
obere Theil des Bilders etwa eben soweit mit Luft gefüllt ist, als die aufgegossene
Flüssigkeit eindrang, während der untere Theil des Bilders stagnirende Kohlensäure
enthält. Diese Manipulation wird solange wiederholt, bis ein Ausströmen von
Kohlensäure beim Lüften der Zuglöcher nicht mehr stattfindet, sondern an Stelle des
Blasens das normale Einsaugen der Luft wiederum getreten ist. Während des obigen
Experimentes sorgt man im Local für möglichst gute Ventilation und niedere
Temperatur der Luft, um so den Proceß thunlichst zu beschleunigen. Sobald wieder ein
regelmäßiger Wechsel der Luft im Inneren des Apparates eingetreten ist, beschickt
man die Bilder bei bleibend geöffneten Zuglöchern wie gewöhnlich, wobei es aber
vortheilhaft ist, dem Gut etwa 25 Proc. fertigen Essigs zuzusetzen und an Stelle der
„Rückgüsse“ anderwärts beschafften kräftigen Essig zu
benutzen, bis der Ablauf selbst wieder die normale Stärke erreicht hat.
Die Leistungsfähigkeit eines Bilders wird
überschritten.
Ist unter günstigen Verhältnissen ein Generator gerade im Stande, die ihm aufgegebene
Mischung vollständig zu säuern, so wird dieß nicht mehr der Fall seyn, wenn einer
oder mehrere der besprochenen Factoren in ein der Säuerung ungünstigeres Verhältniß
treten.
Als Nächstliegende Folge tritt ein starker Gehalt des Ablaufes an unverändertem
Alkohol ein. Während derselbe bei regulärem Betrieb nur in Spuren, 1/4 bis 1/2 Proc.
vorhanden ist und auch vorhanden seyn soll, steigt derselbe nun bis auf 1, 2, 3 ja 6 Proc.,
während gleichzeitig die Temperatur im Inneren eine immer niederere wird, sich der
Localwärme immer mehr nähert. Außerdem aber bleibt die Oxydation theilweise auf
halbem Wege stehen, indem sich reichliche Mengen Aldehyd
bilden, das größtentheils zwar mit der Luft entweicht, doch auch im ablaufenden
Essig noch nachzuweisen ist. Diese Aldehydentwickelung tritt jedoch vorzugsweise nur
im Anfang des Rückganges im Bilder auf, scheint aber mit dem weiteren Fortschreiten
der schwächer werdenden Oxydation wieder aufzuhören. Es ist leicht ersichtlich, daß
entgegengesetzt dem vorigen Falle, hier die Schwächung
des Essigs zunächst in den oberen Schichten, der Füllung
eintritt, daher ein Auftreten von Spiritus und Aldehyd im Ablauf, den Beweis
liefert, daß der gesammte Inhalt des Bilders bereits ein spirituöser geworden ist, und nicht etwa nur besagt, daß eine
unvollkommene Oxydation des gerade Aufgegossenen
stattgefunden hat.
Zur Wiederherstellung des Bilders können folgende Maaßregeln dienen: Man verringert
zunächst den Zusatz an Alkohol zum Essiggut, indem man etwa, falls man
zehnprocentige Mischung verwendete, diese auf 7–8 Proc. reducirt, ja es ist
vortheilhaft bisweilen ganz mit den Aufgüssen auszusetzen, und den Bilder auch
während des Tages einige Stunden ruhen zu lassen. Den Ablauf setzt man, solange er
stark alkoholhaltig ist, bei Seite, um ihn später etwa zur Beimischung zum Essiggut
zu verwenden, und benutzt zum „Rückguß“ wie vorhin, lieber
starken anderweits beschafften Essig, dem man vortheilhaft, ebenso wie der Mischung,
eine Temperatur von 18°, höchstens 20° R. gibt. Gleichzeitig fucht man
die Temperatur des Locales möglichst aus 16 bis 18° R. – bei größeren Bildern, – auf 18–22°
– bei kleineren Bildern – zu erhalten, ohne
dabei eine genügende Ventilation zu verabsäumen.
Bei sehr heruntergekommenen Bildern kann man übrigens bei dieser Gelegenheit einen
sehr geringen Posten eines sogenannten „Fermentes“ zusetzen, und als solches Honig, Syrup,
Malzabsud, Malzextract, Bier u.s.w. verwenden. Dieß geschieht, indem man eine
entsprechende kleine Menge in Essig vertheilt, und von dieser verdünnten Lösung zu
mehreren Aufgüssen beifügt. Es ist nämlich nicht zu läugnen, daß ein solcher Zusatz
bei zu schwach arbeitenden Bildern, die Temperatur im Inneren zu erhöhen, die
Oxydation zu beleben vermag; aber auch nur bei diesem einen
Nothfalle, sonst nie, kann der Verfasser eine solche Beifügung statthaft
finden: Ein Bilder von richtiger Construction wird bei
sachgemäßer Leitung des Betriebes stets ein Fabricat liefern, das weder an
Quantität noch an Qualität
durch ein „Ferment“
gebessert werden kann. Im Gegentheil findet jedenfalls
eine Verschlechterung des Ablaufes, ja sogar eine Gefährdung des Bilders statt (siehe: „Stichhaltigkeit des
Begriffes „Essiggährung“
), wenn man in einen gut arbeitenden Apparat derartige fremde Zusätze bringt,
um größere Ausbeute zu erzielen.
Während obiger Aufbesserungsarbeit ist übrigens eine fortwährende Beobachtung des in
den Bilder eingelassenen Thermometers ganz unerläßlich: Sobald ein regelmäßiges
Steigen desselben bemerkbar ist – selbst wenn auch die Normaltemperatur noch
lange nicht erreicht wurde – stellt man die erwähnten Maaßregeln, als
Erwärmung des Aufgusses, Zusatz von „Ferment“ sofort ein: Das
Steigen der Temperatur darf weiterhin nur eine Folge der wieder belebten chemischen
Action seyn.
Wenn in einer Essigfabrik die so eben angeführten Unfälle nicht eintreten, so ist
dieß durchaus noch kein Beweis, daß die Bilder allezeit gut und vortheilhaft
gearbeitet haben. Auch ohne daß geradezu die gesammte Arbeitsfähigkeit einer Füllung
gefährdet wurde – und nur dann eigentlich spricht man ja von einem Unfall
– können Verluste nach den oben behandelten Richtungen zu stattgefunden
haben. In der That legen die meisten Essigfabrikanten, deren Essigfabrik nun einmal
nicht derartig beschaffen ist, daß sie sich die Factoren für die Leistungsfähigkeit
annähernd constant erhalten können, viel zu wenig, oder gar keinen Werth darauf, die
Leistung, welche sie von ihren Bildern verlangen, abhängig zu machen von den
gleichzeitig gegebenen äußeren Verhältnissen.
Sie trauen beispielsweise ihren Apparaten zu, im Winter bei einer Localwärme von
vielleicht 9 bis 12° R. dasselbe Quantum eines gleichzusammengesetzten
Essiggutes vollständig zu oxydiren, wie im Sommer bei einer äußeren Temperatur von
22 bis 25° R., ohne zu bedenken, daß ihre Bilder nur während eines bestimmten Zeitraumes, nur während ganz bestimmter
Verhältnisse mit einem Minimum an Verlusten arbeiten konnten, nach beiden
Seiten hin aber, eine Zunahme an verlorenem Alkohol stattfinden muß.
Im Winter wird der Essig bedeutende Mengen unveränderten Alkohols enthalten, im
Sommer wird der Bilder selbst mehrere Grade an Essigsäure wieder zu nichte machen,
und je weniger der Fabrikant der einen Calamität ausgesetzt ist, desto mehr hat er
die andere zu befürchten.
Die größte Gefahr liegt aber darin, daß ein Essigfabrikant leicht den verkehrten Weg
zur Restaurirung seiner Bilder einschlägt, wenn ihn, als Folge schlechter
Construction oder mangelhafter Leitung eine plötzliche Schwächung seines Fabricates
überrascht, indem er beispielsweise – und gerade dieß kommt häufig vor – bei einem zu
stark beschickten Bilder, die verschwundenen Säureprocente durch Alkohol zu
erzwingen gedenkt. Daß dadurch das Gegentheil von Verstärkung erreicht wird, ist
nach Obigem selbstverständlich.
Es ist daher von der durchgreifendsten Wichtigkeit, bei einer Abnahme der Essigstärke
zunächst die factische Ursache derselben zu ermitteln, und können dabei folgende
Angaben als sicherer Anhalt dienen:
Eine Consumtion von Essigsäure findet statt: Bei einer
sehr hohen Temperatur im Inneren des Bilders; bei einem in Anbetracht der Differenz
zwischen Bilder- und Localwärme auffällig geringem, ganz verschwindendem oder
gar entgegengesetztem Zug im Bilder; bei gänzlicher Abwesenheit von Alkohol im
Ablauf; bei stark auftretendem geistigem Geruch im Local.
Eine unvollkommene Oxydation ist die Ursache des
Rückganges:
Bei einer verhältnißmäßig niederen Temperatur im Inneren des Bilders; bei einem
bedeutenden Gehalt des Essigs an Alkohol, bei Anwesenheit von Aldehyd im Ablauf und
in der aus dem Bilder entweichenden Luft, welche dann scharf obstartig riecht.
Es würde den Verfasser zu weit führen, an dieser Stelle die verschiedenen
Untersuchungsmethoden des Essigs auf seinen Gehalt an Säure,
Weingeist und Aldehyd einer eingehenderen
Behandlung zu unterwerfen.
Es sey daher nur erwähnt, daß die Untersuchung auf Säure nach der Otto'schen Methode (mit Hülfe
von Normalammoniak) eine auch für den Laien leicht ausführbare ist, und für die
Praxis genügend genaue Resultate ergibt. Zur quantitativen Prüfung des Essigs auf
Alkohol, gibt Geißler's Vaporimeter zwar nicht absolut genaue, doch relativ gut verwerthbare
Resultate.
Anhang.
Der Verfasser glaubt im Interesse mancher Leser zu handeln, wenn er zum Schluß seiner
Betrachtungen, die rein praktische Einrichtung einer Essigfabrik, welche nach obigen
Principien vom Verfasser eingerichtet wurde und noch unter seiner Leitung steht, in
gedrängten Zügen vorführt.
Die betreffende Essigfabrik bildet einen wichtigen Bestandtheil der chemischen Fabrik
der Firma „Elb und Pfund“ in Blasewitz bei Dresden; ihr Product dient
ausschließlich zur Darstellung reinen essigsauren Bleioxydes.
Der auf 50 Bildern mittlerer Größe (1 Meter Weite und 2 Meter Füllungshöhe) erzeugte
Essig beträgt seiner Menge nach ca. 2200 Liter pro Tag, bei einem Gehalt an Essigsäurehydrat von 6,7
bis 7 Proc. Bei Einrichtung der Fabrik verfolgte der Verf. vor Allem die Tendenz,
den Betrieb der Essigbilder von der Intelligenz der Arbeiter möglichst unabhängig zu
machen, und dabei gleichzeitig an Arbeitskräften überhaupt thunlichst zu sparen. Wie
weit dieß gelungen, erhellt daraus, daß der Zutritt zu den Essigstuben den Arbeitern
vollständig versagt werden konnte, und nur einer der Besitzer selbst, oder eine
Vertrauensperson des Tages ein- oder zweimal, auf wenige Minuten, die
Essiglocale zu inspiciren braucht, um des zuverlässigsten Ganges im Betriebe
vollkommen sicher zu seyn. Alle Arbeiten, welche auf die Essigfabrik Bezug haben,
werden außerhalb der Loyalitäten der letzteren von zwei Leuten in täglich etwa 4
Stunden vorgenommen, ohne daß von diesen Arbeitern, welche während des größten
Theiles des Tages in anderen Räumen der Fabrik beschäftigt sind, nur im Geringsten
eine Kenntniß der Essigfabrication erfordert würde.
Um dieß zu erreichen, muß 1) das Aufgießen der Flüssigkeit, 2) die Vertheilung
derselben auf die Oberfläche der Füllung, 3) das Ablaufen des fertigen Essigs in ein
Reservoir vollständig automatisch geschehen, und wird dieß folgendermaßen
bewerkstelligt:
Die Bilder selbst befinden sich in einer geräumigen, doch wohlabgeschlossenen
Parterrelocalität, während die Bottiche, welche die zur Speisung dienenden
Flüssigkeiten (Essiggut und fertigen Essig zum „Rückguß“ )
enthalten, über der Essigstube, in der ersten Etage des Gebäudes aufgestellt sind.
Die Reservoire welche den fertigen Essig aufnehmen, stehen in einem dicht neben und
unter der Essiglocalität befindlichen Kellerraum.
Die Beförderung der zum Speisen dienenden Essig-, Wasser- und
Spiritusmengen aus dem Keller, beziehentlich dem Parterre in die erste Etage,
geschah früher in Kübeln mit Hülfe einer Winde, geschieht zur Zeit mittelst einer
aus Gutta-percha und Glas construirten Pumpe, durch die so eben erwähnten
beiden Arbeiter; jetzt sind die Besitzer beschäftigt,
Einrichtungen zu treffen, welche dazu dienen, diese Arbeit durch Dampfkraft
verrichten zu lassen, da ihnen überflüssiger Dampf zur Verfügung steht.
Zur Leitung des gesammten Essigbetriebes dient dann eine
Person, – und zwar ein Böttcher, welcher so wie so der Fabrik ständig
angehört, und außerdem für Instandhaltung der Bilderreifen zu sorgen, und
Versandtfässer für Bleizucker zu verfertigen hat.
Eine größere Ersparniß an Arbeitskräften ist wohl kaum noch denkbar, und schon die
jetzige von um so bedeutenderen Vortheil, als damit eine größere Zuverlässigkeit
verbunden ist, als bei Handbetrieb je stattfinden kann. Findet der Fabrikant bei
einer Inspection der Fabrik die automatischen Vorrichtungen in gutem Stande, so hat
er den Beweis in der Hand, daß seine Bilder regelmäßig durch dieselben beschickt
wurden, einen unendlich mal sicheren Beweis, als er ihn in den Betheuerungen der
Arbeiter, und in der gleichzeitigen Stärke seines Essigs haben kann, wo sich
vorgekommene Unregelmäßigkeiten ja meist erst zeigen, wenn schon eine bedeutende
Schädigung des Bilderinhaltes stattgefunden hat.
Das automatische Aufgießen geschieht durch das sogenannte
Heberfäßchen. Dieses ist ein kleines bottichförmiges
Gefäß von etwa 6 bis 10 Liter Inhalt, in dessen Inneren sich ein Glasheber befindet,
dessen längerer Schenkel durch den Boden des Fäßchens geht, während der kürzere nahe
dem Boden im Inneren ausmündet. Aus der, von der ersten Etage herabkommenden
Hauptleitung, mündet nun ein Seitenröhrchen in diesen kleinen Apparat, in welchen
das Essiggut und zwar in genau regulirbarer Menge einfließt.
Das Fäßchen wird sich in einer genau zu bestimmenden Zeit soweit anfüllen, bis die
Biegung des Hebers und der Flüssigkeitsspiegel in einer Ebene liegen, worauf eine
Ansaugung des Hebers und eine Entleerung des gesammten Fäßchens in die darunter
befindliche Vertheilungsvorrichtung stattfindet. Man kann das Einströmen der
Flüssigkeit beliebig so reguliren, daß ein solcher Aufguß alle halben, alle ganzen,
alle zwei Stunden stattfindet.
Die Vertheilungsvorrichtung ist ein sogenanntes
„Spritzrad“ und derart
construirt, daß die aufgegossene Flüssigkeit aus vielen feinen, – an zwei bis
an den Rand des Bilders gehenden Armen befindlichen – Oeffnungen auf die
Füllung ausgespritzt wird, während sich diese Arme durch Wirkung des
„hydraulischen Rückstoßes“ selbstthätig in schnelle
Umdrehungen versetzen. Die Flüssigkeit wird dadurch als ein feiner Regen über alle
Theile der Füllung gleichmäßig ausgegossen.
Der Ablauf der Bilder ist ein constanter, kein periodischer, wie dieß in den meisten Essigfabriken noch
der Fall ist. Es hat natürlich durchaus keine Schwierigkeiten, die Abläufe aller
Apparate, oder die Ausflüsse der Bilder, die in den Systemen die nämlichen
Functionen einnehmen, in Hauptrohren zu vereinigen, und sie so den tiefer stehenden
Reservoiren zuzuführen.
Wie oben schon bei Gelegenheit erwähnt, geschieht die Heizung
und Ventilation sehr vollkommen mit Hülfe eines Calorifère. Der letztere steht im
Kellerraum, in unmittelbarer Nähe einer breiten schiefen Ebene, welche den Keller
mit dem Bodenniveau verbindet. Aus dieser vollkommen luftigen schiefen Ebene saugt
der Calorifère die Luft in frischem kühlem Zustande auf, und befördert sie
durch viele in dem Boden befindliche Oeffnungen in den Raum der Essiggeneratoren
selbst. Die höhere Temperatur in letzterem, oder da diese im Hochsommer nicht
vorhanden seyn darf, die Verbindung der oberen Ventilationscanäle mit dem
Fabrikschornstein, bewirken auch ohne Heizung des
Calorifère, ein kräftiges Einströmen von frischer Luft.
Die Art der Beschickung kann
bei dieser Einrichtung beliebig modificirt werden: Man kann jeden Bilder für sich,
man kann dieselben in Systemen arbeiten lassen, – man kann beliebig lange
– natürlich nur bis zur Grenze des Vortheilhaften – Essiggut auflaufen
lassen, um dann entsprechende „Rückgüsse“ zu machen. Nie wird
man wie bei dem Handbetrieb mit jedem Aufguß wechseln.
Verfasser gießt ohne jeden Nachtheil 6 Stunden lang Essiggut, und hierauf 10 bis 12
Stunden lang „Rückguß,“ der allerdings nicht das gerade
Abgelaufene enthält, auf die Bilder auf. Doch ist es in letzterer Beziehung leicht,
auch die eigentliche Bedeutung des „Rückgusses“ aufrecht zu
erhalten, was zur Beruhigung allzu ängstlicher Gemüther bemerkt seyn mag. Zur
schnellen Umschaltung der Leitung, sowie zur Fixirung des Quantums von Essig oder
Essiggut, welches auf einmal aus den Bottichen in die Bilder übergeführt werden
soll, dient eine Vorrichtung an den Bottichen selbst, welche dieß durch einen
einzigen Handgriff ermöglicht, deren Beschreibung indeß hier zu weit führen
würde.
Der Verfasser erbietet sich nochmals, soweit seine Zeit reicht, schriftlichen
Anfragen, Theorie oder Praxis betreffend, bereitwilligste Antwort zu ertheilen,
indem er nochmals damit die Bitte verbindet, sein Bestreben die
„Essigbereitungsanstalten“ des Namens
„Fabrik“ immer würdiger zu machen, freundlichst zu
unterstützen.
Zum Schluß sey noch bemerkt, daß die Firma „Elb
und Pfund“ bereit ist, die vollständige
Einrichtung derartiger Essigfabriken jeden Umfanges unter Garantie des Erfolges zu
übernehmen, was indeß mit obigem Privat-Anerbieten in keinerlei Beziehung
steht.
Blasewitz, bei Dresden, im Februar 1874.