Titel: | Die Colorie der Wolle und Baumwolle, ihre Droguen und Maschinen auf der Wiener Weltausstellung 1873; von Dr. A. Kielmeyer. |
Autor: | A. Kielmeyer |
Fundstelle: | Band 211, Jahrgang 1874, Nr. LXXVII., S. 378 |
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LXXVII.
Die Colorie der Wolle und Baumwolle, ihre Droguen
und Maschinen auf der Wiener Weltausstellung 1873; von Dr. A. Kielmeyer.
(Fortsetzung und Schluß von Seite 319 des
vorhergehenden Heftes.)
Kielmeyer, über die Colorie der Wolle und Baumwolle, ihre Droguen
und Maschinen auf der Wiener Weltausstellung.
VI.
Fast scheint es als wolle diese jüngste Errungenschaft der Chemie sich auf
Deutschland localisiren, wo sie ihren Ursprung genommen und wo sie durch eine Reihe
von wesentlichen, Schlag auf Schlag in fast fieberhafter Folge einander
succedirenden Verbesserungen in kürzester Zeit zu einer großartigen Industrie sich
entwickelt hat. Sie ist in der deutschen Abtheilung durch vier große Etablissements
repräsentirt, durch Gessert, Meister, Lucius und Brüning, die Mannheimer Fabrik und die Brönner'sche Firma. In ebenso splendider als instructiver
Weise führen sie vom rohen Anthracen ausgehend durch alle Stadien die verschiedenen
Anthracen- und Anthrachinon-Präparate vor bis zur zehn- und
fünfzehnprocentigen Alizarinpaste und bis zu den feinen seideglänzenden Nadeln des im Laboratorium
sublimirten künstlichen Alizarins, und wenn eine einzige von ihnen, die Fabrik von
Meister, Lucius und Brüning, ihre Production für das Jahr 1873 auf 730000 Kilogrm.
10procentige Paste, äquivalent mit 8 Millionen Kilogrm. Krapp, taxirt, so läßt sich
daraus ein Schluß auf die Gesammtproduction der 4 Fabriken ziehen. England, obgleich
es bis jetzt vermöge seiner kolossalen Gasanlagen im Privilegien Besitz des
Rohmateriales wie für die Anilinfarben, so für die Alizarinfabrication sich
befindet, überläßt nicht nur in der Anilinfarbenproduction, sondern auch in diesem
neuen Industriezweig Deutschland den unbestrittenen Vorrang; es hat nicht
ausgestellt, wie in der That seine Alizarinfabrication noch unbedeutend ist und nur
geringe Aufnahme gefunden hat. Oesterreich hat merkwürdiger Weise noch keine
Anilinfarbenfabrik, und hat auch bis jetzt noch keine Anstrengungen gemacht, die
Alizarinindustrie einzuführen. Um so angenehmer hat das durch seine Anilinfarben
altberühmte Schweizer Haus Geigy durch eine complete
Ausstellung von künstlichem Alizarin und den zugehörigen Präparaten überrascht, mit
welchen es bis dahin noch nicht auf dem Markt erschienen war. In Frankreich ist das
Alizarin zweimal vertreten, namentlich durch Thomas
Frères neben dessen bestrenommirten
Krapppräparaten; es hat damit dieses Haus seine anfängliche, natürliche Propaganda
gegen das künstliche Alizarin factisch aufgegeben. Ob wohl die starre
Patentgesetzgebung Frankreichs die Ausbreitung dieser Industrie in Frankreich ebenso
hemmen wird, wie seiner Zeit die der Anilinfarbenindustrie?
In der belgischen Abtheilung findet sich eine complete Aufstellung vom rohen bis zum
vollständig gereinigten Anthracen, als Repräsentanz eines neuen, selbstständigen,
durch das Alizarinroth hervorgerufenen Industriezweiges, der fabrikmäßigen
Darstellung von reinem Anthracen, der Vorbedingung eines reinen
Alizarinproductes.
Das Anthracen ist seit seiner Entdeckung durch Dumas und
Laurent (1832) Gegenstand vieler Untersuchungen
gewesen; mit dem Jahr 1857 wurden sie von Fritsche und
von Anderson mit erneuter Energie und mit reichen
Erfolgen wieder aufgenommen, aber wie das Oxydationsproduct der Chinasäure, das
Chinon par excellence, sammt seinen
Substitutionsproducten und Derivaten zunächst nur für die rein theoretische Chemie
verwerthet wurde, so wurden auch die Anthracenstudien nicht mit dem Bewußtseyn
geführt, daß man mit einem so schätzbaren, reiche Zinsen versprechenden Material
operire, als Strecker die richtige Formel für das
Alizarin aufstellte, und diese Formel, kurz vor seinem Tode, ihre Bestätigung fand
durch Gräbe-Liebermann's epochemachende Reduction des Alizarins
mittelst metallischem Zink zu Anthracen. Während man bisher, auf Grund des
Auftretens der Phtalsäure bei der Behandlung des Alizarins mit Salpetersäure, das
Alizarin vom Naphtalin ableiten zu müssen glaubte, war nunmehr dessen Abstammung vom
Anthracen direct erwiesen und war damit ein weiteres Product der
Steinkohlentheerdestillation der Großindustrie zugetheilt. Es dürfte angezeigt seyn,
die hauptsächlichen Producte dieser Destillation und ihre Relationen zur Colorie
vorzuführen.
Die Condensationsflüssigkeit, welche bei der Steinkohlengasbereitung in den
abgekühlten Vorlagen sich sammelt, besteht einerseits aus dem Theerwasser,
andererseits aus dem dickflüssigen öligen Theer. Der Gehalt des ersteren an
Ammoniakverbindungen, kohlensaurem Ammoniak und Schwefelammonium, wird seit einer
Reihe von Jahren in immer größerem Maaßstab zur Darstellung von Salmiakgeist und von
krystallisirtem Salmiak benutzt. Der sublimirte Salmiak ist in Folge hiervon
gänzlich aus den Druckereien verschwunden. Der aus dem Theerwasser gewonnene
Salmiakgeist wird, nachdem es gelungen ist, denselben frei von Schwefelwasserstoff
zu erhalten, trotz seines stark brenzligen Geruches zur Fixation der Bleisalze auf
Baumwolle verwendet, ein Consum, der freilich unbedeutend ist im Vergleich zu den
Quantitäten, welche die Orseillefabrication von diesem wässerigen Ammoniak
beansprucht.
Unter den Bestandtheilen des Theeres selbst haben bis in die neueste Zeit das Benzol
und das Toluol, als die zusammengehörigen Ausgangspunkte für die Darstellung von
Anilin und Toluidin, und damit des Rosanilins und der Rosanilinderivate, die größte
technische Bedeutung gewonnen. Sie gehen bei der fractionirten Destillation des
Theeres, als niedrig siedende Kohlenwasserstoffe zuerst über, während in der Blase
sich der sogenannte Asphalt bildet. Dieser gibt bei weiterer Fortsetzung der
Destillation, bei circa 210° C., die schweren
Steinkohlentheeröle ab, und geht in weiches oder hartes Pech über, je nach der Höhe
der angewandten Temperatur, nach welcher sich auch die Menge der übergegangenen
dunkelgefärbten Oele richtet. Gleichzeitig ist ein Theil der leichter flüchtigen,
flüssigen Kohlenwasserstoffe mit übergegangen als Rest vom ersten Theil der
fractionirten Destillation; sie halten die Carbolsäure, das Naphtalin und das
Anthracen in Lösung. – Die erstere hat die älteste Theerfarbe geliefert, die
Pikrinsäure (1788), welche hauptsächlich in der Woll- und Seidefärberei
Verwendung findet, aber nie mit Erfolg für den Druck von Wolle und Baumwolle
eingeführt werden konnte. Eine andere Phenylfarbe wird in großen Mengen nach dem Kolbe-Schmitt'schen Verfahren durch Erhitzen von 1
1/2 Theilen Phenol mit 1
Theil Oxalsäure und 2 Theilen Schwefelsäure dargestellt, und findet als Corallin für Woll- und Baumwolldruck, vornehmlich
aber in den Wollfärbereien reichen Absatz. Auf der Ausstellung ist das Corallin
vorzugsweise durch die Fabriken von Würtz in Leipzig und
von Guinon fils in Lyon vertreten, welche diesen
schönen rothen Farbstoff als Forceartikel behandeln. – Das Naphtalin hat in
dem Martins'schen Dinitronaphtol einen gelben Farbstoff geliefert; feuriger als die
Pikrinsäure, findet er ebenfalls nur in der Woll- und Seidenfärberei
Anwendung, besonders zum Nüanciren von Roth. Als gänzlich aufgegeben sind zu
betrachten die Versuche, das Naphtylamin, welches ein Derivat des Naphtalins ist,
wie das Anilinöl ein solches des Benzols, im Baumwolldruck zu verwenden zur
Erzeugung eines ächten Violetts auf dem Stoff, analog der Anilinschwarzbildung.
Ebenso führten die Versuche in ähnlicher Weise mit Naphtylaminsalzen ein ächtes
Braun auf der Baumwolle sich entwickeln zu lassen, zu keinen im Großen ausführbaren
Resultaten. Ob Clavel's Naphtalinroth, seiner Zeit auch
Magdalaroth genannt, in der Druckereibranche im Großen eine Verwendung gefunden, war
mir bis jetzt nicht möglich zu ermitteln.
Um den werthvollsten Bestandtheil der Steinkohlentheeröle, das Anthracen von
Carbolsäure und Naphtalin zu trennen, wird wieder mit ihnen die fractionirte
Destillation vorgenommen und das Destillat solange gesondert aufgefangen, bis nach
Gessert dasselbe beim Erkalten zu einer breiigen,
gelbgrüngefärbten Masse, dem sogenannten grünen Schmierfett, gesteht. Dieses Product
enthält endlich circa 20 Proc. Anthracen, während die
Angaben für den Anthracengehalt des Theeres selbst von 1/10 bis 1 Proc. variiren.
Neide Ziffern erklären vollkommen die anfänglichen Besorgnisse, das benöthigte
Quantum des Rohmateriales möchte bei fortschreitender Entwickelung der
Alizarinfabrication nicht zu beschaffen seyn. Sie haben sich zwar für jetzt und die
nächste Zeit als unbegründet erwiesen, doch dürfte es für die Druckfabriken gerathen
seyn, ihre günstige Position der freien Wahl zwischen Krappextract und
Anthracenroth, zwischen Natur- und Kunstproduct, nicht allzueilig durch
totale Vernachlässigung des ersteren aufzugeben. Es gehört bei progressiver Zunahme
der Alizarinfabrication eine wenigstens vorübergehende Stockung des
Anthracenmarktes, wie sie schon in verschiedenen Branchen der Farbenchemie erlebt
worden ist, nicht zu den Unmöglichkeiten, eine solche Krisis könnte aber von der
Speculation um so schonungsloser ausgebeutet werden, je mehr einmal im Süden
Frankreichs und Italiens der Krappbau den Baumwollpflanzungen und Weinbergen Platz
gemacht haben wird.
Aus dem Schmierfett sind nun die flüssigen Bestandtheile zu entfernen durch Filtriren, Ausschleudern
auf der Centrifugalmaschine und warmes Auspressen; man erhält so das rohe Anthracen
als trockenes olivenfarbiges Pulver mit einem Reingehalt bis zu 60 Proc. Anthracen.
Dieses Rohproduct enthält immer noch schweres Oel und Naphtalin; durch Behandeln mit
niedrig siedenden Kohlenwasserstoffen werden dieselben ausgezogen, und nach
wiederholtem Ausschleudern und Pressen die Masse geschmolzen, um den letzten Rest
des zur Reinigung verwendeten Kohlenwasserstoffes zu entfernen. Damit ist man bei
dem reinen Anthracen des Handels angekommen, welches von grünlich weißer Farbe, mit
paraffinartigem Aussehen, bei einem Reingehalt von 95 Proc. einen Schmelzpunkt von
205–208° C. zeigt. – Um vollständig reines Anthracen zu
erhalten, muß dieses Product sublimirt werden, dabei setzt sich das Anthracen in
weißen Blättchen ab und hat dann den Schmelzpunkt bei 213° C., den Siedpunkt
bei 360° C.
Das ursprüngliche Verfahren aus dem reinen Anthracen (C⁴H¹⁰)
künstliches Alizarin herzustellen, nach welchem die Erfinder selbst in der
Mannheimer Fabrik ihr Patent exploitirten, bestand darin, zunächst das Anthracen
durch Oxydation mit zweifach-chromsaurem Kali und einer Säure (Schwefelsäure,
Eisessig) oder mittelst Salpetersäure in Anthrachinon
(C¹⁴H⁸O²) überzuführen. Das Anthrachinon wurde dann
durch Erhitzen mit Brom in Bibromanthrachinon
(C¹⁴H⁶Br²O²)
verwandelt, diesem endlich durch längeres Erhitzen mit concentrirtem Natronhydrat
auf 180 bis 260° C. alles Brom entzogen. Aus der alkalischen,
dunkelviolettgefärbten Lösung des damit entstandenen Bioxyanthrachinons
(C¹⁴H⁸O⁴) d.h. des Alizarins wird das Alizarin mittelst
einer Säure als gelber Niederschlag ausgefällt. – Dieses letzte Stadium, die
Ueberführung eines Substitutionsproductes des Anthrachinons in Alizarin durch
Einwirkung von Alkalien, ist in den späteren Abänderungen des Patentes allein
constant geblieben. Bald haben die Erfinder selbst die Anwendung des theuren Bromes
umgangen, indem sie das nach einer ihrer Methoden erhaltene Anthrachinon nicht in
Bibromanthrachinon, sondern in Anthrachinonbisulfosäure
(C¹⁴H⁶{SO³H}²O²) durch
Einwirkung von Schwefelsäure bei 260° überführten; zuletzt wurde auch noch
der Passus der directen Herstellung des Anthrachinons eliminirt und damit das ganze
Verfahren noch weiter reducirt. Darnach wird jetzt zuerst das Anthracen mit
Schwefelsäure erwärmt und Anthracenbisulfosäure gebildet, innerhalb dieser sauren
Verbindung durch Kochen mit Braunstein das Anthracen in Anthrachinon,
beziehungsweise in Anthrachinonbisulfosäure verwandelt, und schließlich aus dieser
Verbindung wieder durch Einwirkung von Alkalien das Alizarin in der oben angegebenen
Weise gewonnen.
VII.
Die Gruppe III der Industrieausstellung enthält eine weitere Novität der
Farbenchemie, das Methylviolett und das Methylgrün, welche, wenn auch nicht von der
epochemachenden Bedeutung des künstlichen Alizarins, doch als wichtiger Fortschritt
der Anilinfarbenfabrication zu verzeichnen sind. Die Neuerung besteht aber nicht
etwa in dem erstmaligen Auftreten des Methylradicales in den genannten Farbstoffen,
sondern die bisher gebräuchlichen Jodvioletts und Jodgrün waren nicht weniger
methylirte Rosanilinfarbstoffe, aber die Ausführung der Substitution hatte einen
anderen Weg eingeschlagen, insofern immer das Anilinroth als Ausgangspunkt zur
Darstellung der beiden Farben genommen wurde.
Perkin's Mauveinviolett hatte den violetten phenylirten
Rosanilinfarbstoffen nach Girard und de Laire's Methode, diese wieder Hofmann's Aethylrosanilinvioletten Platz gemacht, als im Jahr 1866
gleichzeitig mit Poirrier's methylirtem Anilinviolett die
übrigen wasserlöslichen Jodvioletts in Aufnahme kamen und von den Druckereien als
ein wesentlicher Fortschritt begrüßt wurden. Nicht bloß waren die wasserlöslichen
Anilinvioletts von Haus aus feuriger und feiner, die Entbehrlichkeit des Weingeistes
zur Lösung für die Druckfarben führte noch andere erhebliche Vortheile mit sich. Es
war nunmehr ermöglicht, solidere und druckfähigere Albuminvioletts zu bereiten, als
mit weingeistigem Violett. Ferner enthält leicht der Weingeist des Handels wenn auch
geringe Mengen an Fuselöl und Aldehyd, und auch wenn man ganz reinen Weingeist zur
Verfügung hat, so ist während des Trocknens, des Verhängens und des Dämpfens der
bedruckten Waare vielfach zu einer Aldehydbildung Gelegenheit gegeben, wenn, wie es
bei vielfarbigen Mustern oft vorkommt, neben dem weingeistigen Anilinviolett
gleichzeitig Nachbarfarben mitgedruckt sind, welche chlorsaures Kali oder andere
Oxydationsmittel enthalten. Daß sowohl Fuselöl als Aldehyd, sogar in geringen
Quantitäten auftretend, eine schädliche Wirkung auf das Feuer der Anilinfarben
haben, ist durch directe Versuche nachgewiesen (polytechn. Journal, 1868, Bd.
CLXXXVIII S. 58). Auch die Darstellungsweise des Aldehydgrüns weist auf diese
Thatsache hin. Besonders verliert das Fuchsin unter der Einwirkung einer derartig
mit Aldehyd inficirten Atmosphäre, indem es den unerwünschten Stich in's Bläuliche
annimmt, und man konnte nach Einführung der wasserlöslichen Anilinfarben, bei
möglichster Vermeidung des Weingeistes auch in den Nachbarfarben, leicht die
Beobachtung machen, daß die Fuchsintöne weit reiner und feuriger ausfielen als
früher, eine Erfahrung, die man allerdings nur beim Arbeiten im Großen, nicht durch
Versuche im Kleinen erwerben konnte.
Bei der bisherigen Fabrication der wasserlöslichen Violette aus Anilinroth, unter dem
Namen Jodviolett gangbar, bildete sich gleichzeitig Violett und Grün. Ein Theil
Fuchsin (essigsaures Rosanilin), zwei Theile Jodmethyl, zwei Theile Methylalkohol
wurden unter hohem Druck zusammen erhitzt; die Verhältnisse variirten, je nachdem
die Darstellung des Violetts oder des Grüns die Aufgabe war. Hierbei entsteht
einerseits jodwasserstoffsaures Trimethylrosanilin, unlöslich in Wasser, besonders
in kochsalzhaltigem; ihm wird mit Natronlauge das Jod entzogen, dann das
Trimethylrosanilin durch Behandeln mit Salzsäure in das wasserlösliche Violett
übergeführt. Andererseits bildet sich das in Wasser lösliche
Tetramethylrosanilinjodid, welches gereinigt für sich oder als Paste in Verbindung
mit Jodzink oder in Form einer Pikrinsäureverbindung in die Färberei und Druckerei
als Jodgrün aufgenommen worden ist. Das Jodgrün hat die Eigenschaft, in der Hitze
sich leicht in Jodmethyl und Trimethylrosanilin, die Basis für das Jodviolett, zu
zersetzen, und diese Eigenschaft ist die Ursache, daß das Jodgrün in der
Wolldruckerei, wo es ohne Mordant und in saurer Lösung aufgedruckt wurde, einen
schweren Stand gegenüber dem Aldehydgrün hatte. Die bedruckte Wollwaare erhielt
besonders gern an den äußeren Kanten, welche von dem Dampf und der von den
Seitenwänden des Dampfkastens ausgestrahlten Wärme direct getroffen werden konnten,
violette Flecken im grünen Grund; dagegen hat das Jodgrün in der Wollfärberei
vollkommen das Aldehydgrün verdrängt, hier kann eben die Temperatur des Färbebades
tief unter 120° C., der Zersetzungstemperatur des Jodgrüns, gewählt
werden.
Nach obigem Verfahren wird also, um Violett und Grün darzustellen, das Rosanilin
methylirt, die Neuerung aber besteht darin, nach Poirrier's Vorgang, das wasserlösliche Violett direct durch Oxydation von
Methylanilin (bezw. Methyltoluidin) mittelst Kupferchlorid ohne Anwendung von
Arsensäure, von Jod oder Jodmethyl zu gewinnen. Das benöthigte Methylanilin wird
nach Bardy's Methode erhalten durch Erhitzen von
chlorwasserstoffsaurem Anilin mit Methylalkohol unter starkem Druck; hierbei bildet
sich gleichzeitig Methylanilin und Dimethylanilin; ersteres liefert die röthlichen,
letzteres die bläulichen Nüancen des neuen wasserlöslichen Methylvioletts. Wird
dieses Violett unter Druck mit Jodäthyl oder Jodmethyl erhitzt, so entsteht analog
dem alten Jodgrün das sogenannte Methylgrün, mehr oder weniger gelbstichig, je
nachdem das erste oder zweite Jodid in Anwendung gekommen ist. Schließlich wird in
neuester Zeit auch für die Grünfabrication das Jod gänzlich umgangen, indem man
statt der Jodverbindung des Methyls die Salpetersäureverbindung auf das Methylviolett einwirken
läßt. Durch die so modificirte Darstellung des wasserlöslichen Anilinvioletts und
des wasserlöslichen Methylgrüns werden zwei Zwecke erreicht: für's Erste wird das
theure Jod entbehrlich, für's Zweite wird die Fuchsinproduction bedeutend
reducirt.
In dem Maaße, als die Anilinfarbenindustrie Deutschlands mit jedem Jahr in fast
geometrischer Progression zugenommen hat, steigerten sich mit Recht auch die
sanitätspolizeilichen Bedenken gegen die dermalige Fuchsinfabrication, insofern das
meiste Fuchsin nach dem bis jetzt ausgiebigsten Arsensäureverfahren hergestellt
wird. Beim Erhitzen von Anilinöl mit Arsensäure geht einerseits mit Wasser vermischt
eine geringe Menge Anilinöl über, das sich der Einwirkung der Arsensäure entzogen
hat, das sogenannte Echappé-Oel, zumeist in den Druckereien für den
Anilinschwarzdruck verwendet. Andererseits enthält die Fuchsinschmelze das Rosanilin
in Form von arsenigsaurem Salz, welches aus der Schmelze extrahirt und in das
salzsaure oder essigsaure Salz, das Fuchsin des Handels, umgewandelt wird. Bei
dieser Procedur bilden sich zwei Rückstände der Fuchsinfabrication; der eine kam
früher unter dem mysteriösen Namen Naphtalinlack, später als Marronteig in den
Handel; heutzutag findet er in gereinigter Form als Grenat, in der Hauptsache ein
durch harzige Bestandtheile stark verunreinigtes Fuchsin, für ein billiges
Wollebraun Verwendung anstatt der jährlich theurer werdenden Orseille. Der andere
Rückstand besteht in einem Gemenge von arsenigsaurem und arsensaurem Kalk, je nach
dem Extractionsverfahren entweder direct erhalten oder durch Ausfällung einer
Mutterlauge, welche Arsensäure und arsenige Säure an Natron gebunden enthält. Die
englischen Fuchsinfabriken haben die Nähe des Meeres für sich, um sich dieser beiden
gefährlichen Kalksalze in leichter Weise zu entledigen; den deutschen Fabriken
verursacht ihre Entfernung viel Widerwärtigkeiten und Unkosten, und ist es so weit
gekommen, daß einzelne Fabriken ihre Fuchsinfabrication gänzlich einstellen
mußten.
Eine Zeit lang glaubte man vielfach, das Safranin werde
das Fuchsin ersetzen; aber das Safraninrosa ist doch zu gelbstichig, um für alle
Fälle dem warmen Fuchsinrosa substituirt werden zu können, in den dunkleren Tönen
ist es geradezu unbrauchbar, so rein und feurig es in den hellen ausfällt; sein
Preis ist noch viel zu hoch, um dem Fuchsin Concurrenz machen zu können, und da es
schließlich durch Erhitzen von salpetrigsaurem Anilin mit Arsensäure erhalten wird,
so kann es den Zweck, die Arsenrückstände zu vermeiden, nicht erfüllen. Die
deutschen Fuchsinfabrikanten werden also mit der Zeit sich entschließen müssen, das
Arsensäureverfahren
ganz zu verlassen und zu einer der früher schon im Großen angewandten Methoden der
Fuchsinbereitung zurückzugreifen, wie unter anderen zur Oxydation des Anilinöles
mittelst Zinnchlorid oder mit Quecksilbersalzen oder mit Hofmann's Vierfachchlorkohlenstoff. Im Jahre 1860 hat Lauth durch Erhitzen von Anilinöl mit Nitrobenzol und
Zinnchlorür Anilinroth erhalten, und im Jahre 1866 hat Coupier ein neues Verfahren sich patentiren lassen, nach welchem er das
Roth durch Behandlung von Anilinöl mit Nitrobenzol, Salzsäure und Eisen darstellt.
Die Fabrik von Meister, Lucius und Brüning hat nun auf der dießjährigen Ausstellung ein im Großen, nach dem
modificirten Coupier'schen Verfahren fabricirtes Fuchsin
vorgelegt. Ihr gebührt also jedenfalls das große Verdienst, in der für die deutsche
Fabrication brennend gewordenen Anilinrothfrage die Initiative ergriffen und mit
raschem Entschluß das hergebrachte, für gemeinschädlich erklärte Verfahren über Bord
geworfen zu haben.
VIII.
Wie in der gesammten Theerfarbenindustrie, so präponderirt Deutschland auch in der
Ultramarinfabrication; es ist durch nicht weniger als 14 große Firmen dieser
Branche, zum Theil in pompöser Weise, vertreten. Ebenso glänzt es durch Sigle's Chromgrünfabrication, welche lange Zeit den
ganzen Consum des Inlandes und Auslandes deckte; erst in neuerer Zeit hat die Fabrik
von Pabst und Lambrecht in
Nürnberg ihrem Permanentgrün in den Druckereien Eingang zu verschaffen gewußt. Im
engen Zusammenhang mit dem Ultramarin und dem Chromgrün stehen die Fixationsmittel
dieser beiden Körperfarben, das Eialbumin und das Blutalbumin. In beiden Fabricaten
excellirt auf der Ausstellung, wie auf dem Markt, Oesterreich vor allen anderen
Ländern. Nicht bloß weist es die meisten Aussteller auf, sondern es besitzt auch in
der Hofmeier'schen Firma eine Fabrik, welche das
Blutalbumin als Forceartikel über die ganze Welt versendet, ohne im Auslande eine
nennenswerthe Concurrenz zu finden. Die einzig wirksame Koncurrenz hätte ihr in
Fray-Bentos entstehen müssen, wenn es gelungen wäre, die Albuminfabrication
mit der Bereitung des Fleischextractes zu verbinden, aber die Idee ist wohl zumeist
an den dortigen climatischen Verhältnissen gescheitert. Die meisten Producenten
stellen nur einerlei Blutalbumin her, dagegen liefert Hofmeier zwei Sorten, ein sogenanntes Patentalbumin und ein verdickendes
Blutalbumin.
Namentlich das letztere ist mit Vortheil für den Chromgründruck zu verwenden wegen
seiner großen Ausgiebigkeit. Diese, im Zusammenhang mit dem festen zähen
Zusammenhalt der Lösung, erlaubt es, mit dem Vert
Guignet eine elastische Farbe zusammenzusetzen,
welche das große Quantum der mineralischen Körperfarbe in Suspension zu erhalten
vermag, so daß das Einsetzen in die Gravüre möglichst vermieden wird. Freilich
gehört dazu wesentlich eine feine Mahlung der verdickten Farbe vor dem Druck. Zu
diesem Behufe wurde früher das Chromgrün zusammt der Albuminlösung in einem
kupfernen, halbkugelförmigen Gefäß mit Kanonenkugeln von irgend welchem Kaliber Tage
lang gerüttelt und geschüttelt, oder man brachte die Farbe sammt denselben Kugeln
für einen Tag in eine schiefgestellte Indigoreibmaschine. Beides war eine Spielerei
ohne merkbaren Effect, viel mehr Wirkung in viel kürzerer Zeit hat die gewöhnliche
trichterförmige Farbreibmaschine, wie sie in den Oelfarbenfabriken neben der
Sandsteinmühle verwendet wird, und wie sie in der Ausstellung von einer größeren
Anzahl Fabriken ausgestellt ist.
Die Firma Hofmeier hat außerdem die meisten
Stärkepräparate, welche in den Druckereien Verwendung finden, vorgeführt an der
Spitze der ungemein reich vertretenen Stärkefabriken Oesterreich-Ungarns.
Wenn auch Deutschland mehrere renommirte Namen dieser Fabrication aufzuweisen hat,
wie Sattler in Schweinfurt, Guilleaume in Cöln, neben einer Anzahl anderer nicht unbedeutender
Producenten, so ist doch diese Industrie in Oesterreich so naturwüchsig, daß sie
dort immer ihren Hauptsitz behalten wird. – Die verschiedenen Stärkepräparate
sind zu wiederholten Malen Gegenstand der chemischen Untersuchung gewesen, zuletzt
hat R. Forster (polytechn. Journal Bd. CXC S. 133) dieses Thema behandelt unter
specieller Berücksichtigung der Ansprüche, welche die Druckerei an die Dextrine und
Gummisurrogate stellt. Die Untersuchung beschäftigte sich vornehmlich mit deren
Zuckergehalt und stimmen die Resultate vollkommen mit den Erfahrungen der Praxis
überein, insofern solche Dextrinsorten, in welchen die größte Menge Traubenzucker
gefunden wurde, also zumeist die auf nassem Weg dargestellten Dextrine, für solche
Druckfarben am wenigsten zu gebrauchen sind, welche wie Cachou, Anilinschwarz,
Eisenchamois, einen förmlichen Oxydationsproceß auf der Baumwolle durchzumachen
haben, so daß jede desoxydirend wirkende Substanz die Entwickelung der Farbe zu
hemmen im Stande ist. Die meisten chemischen Untersuchungen behandeln vorzugsweise
diese Frage bei Beurtheilung der künstlichen und natürlichen Verdickungsmittel;
nicht minder wichtig für die Praxis ist deren Verhalten in der Kälte und Wärme gegen
weingeistige, gegen alkalische und saure Flüssigkeiten, namentlich auch gegen die
Gerbsäuren der Farbholzextracte, gegen Lösungen von Thonerde- –
Kupfer- – Zinn- und Chromoxydsalzen; doch würde eine eingehende
Erörterung dieses Kapitels hier zu weit führen. Besonders maßgebend sind überdieß
die rein physikalischen Eigenschaften der Verdickungsmittel für ihre Verwendung in
den Druckereien, ihre Färbung, die Art und Weise ihrer Lösung, die Form welche ihre
Lösungen beim Trocknen auf der Baumwolle annehmen.
Schon die Farbe eines Verdickungsmittels entscheidet, ob dasselbe für die Appretur
oder für die Farbküche verwendbar ist. Dunkelgebrannte Weizenstärke, sowie
Kartoffelstärke sind höchstens für den Appret der Dunkelböden ohne Weiß zu
gebrauchen. Weniger gefärbte, zum Theil ganz ungefärbte Lösungen geben die
verschiedenen Sorten Kunstgummi, welche auf nassem Weg durch Einwirkung von
Schwefelsäure, Salzsäure, in neuerer Zeit auch Salpetersäure und Diastase auf
Stärkmehl erhalten werden; sie alteriren als Appreturmasse, wenn sie möglichst
neutral sind, die Farben wenig und geben der Waare einen angenehmen, milden, doch
kräftigen Griff. Die ganz ungefärbten, in Wasser vollkommen löslichen Dextrinsorten
beeinträchtigen die Lebhaftigkeit der Farben des bedruckten Gewebes sogar weniger
als Stärkeappret, welcher sich wie eine weiße Decke zwischen die Farbe und das Auge
legt, während der Dextrinappret sich in das Innere des Fadens zieht, so dem Auge den
ungeschwächten Effect der gefärbten Stellen überläßt und dem Stoff noch eine Art
Lüstre verleiht. Da gleichzeitig die Gewebe unter sonst gleichen Bedingungen von
einem gelösten Dextrinappret weniger Volumina consumiren, als von dicker
Stärkepaste, so stellt sich auch die Calculation für ersteren weniger ungünstig, als
die Ausgiebigkeit des Dextrins und das Verhältniß der Dextrinpreise zu denen von
Kartoffel- und Weizenstärke vermuthen lassen sollte.
Anders gestalten sich die Verhältnisse, wenn man das Dextrin als Verdickungsmittel
für Farben in Betracht zieht. Da man, um eine annähernd gleiche Stärke der
Verdickung zu erzielen, vom Dextrin 25 bis 30 Proc. mehr gebraucht, als sogar vom
natürlichen Gummi, so fällt hier die Calculation bei den heutigen Getreide-
und Gummipreisen mittelfeiner Sorten zu Ungunsten des Dextrins aus. Ferner hat
dasselbe in seinen vollkommensten Sorten mit dem natürlichen Gummi die Eigenschaft
gemein, daß seine Lösung zugleich mit dem Mordant durch die Poren des Baumwollfadens
eindringt und in demselben die Ablagerung des Mordants als zusammenhängende,
compacte Masse verhindert. Auch wenn man bei Dextrinfarben, einer alten, vollkommen
richtigen Erfahrung folgend, den Mordant entsprechend stärker wählt, so macht sich
die gestörte Ablagerung des Mordants doch dem Auge bemerkbar durch einen weniger vollen
Effect der resultirenden Farben: hingegen dringen Stärke- und Traganthpasten,
beide nur Aufquellungen nicht Lösungen, zwar durch die Maschen des Gewebes, aber
nicht in das Innere des Fadens selbst ein, der Faden saugt den reinen Mordant in
sich auf, dessen Ablagerung durch kein Medium gestört, zur Basis für ungeschwächte,
satte Farbeneffecte dient. – Endlich haben die Dextrinverdickungen, exclusive
der dunkelgebrannten Stärke, nie den elastischen Zusammenhalt, die vortheilhafte
Zügigkeit einer natürlichen Gummilösung und können darum nie den exacten Druck der
letzteren liefern, welche, in diesem Punkt nur von der Lösung des Blutalbumins
übertroffen, den Vertiefungen und Erhöhungen des Gewebes leicht sich anschmiegend,
der Capillarität des Fadens energisch widerstehend, die Gravüre der Walze in
scharfen, ununterbrochenen Zügen wiedergibt und damit das Vorbild des gezeichneten
Musters, das Endziel einer die Details sorgfältig pflegenden Druckerei, am ehesten
erreichen läßt.
Unter den zahlreichen österreichischen Firmen für Verdickungsmittel verdient noch
besonders erwähnt zu werden die von J. Novak in Prag,
weil diese Fabrik außerdem, mit den vielseitigen Bedürfnissen der Woll- und
Baumwolldruckereien offenbar sehr vertraut, denselben auf der Ausstellung in
umfassender Weise Rechnung getragen hat. Man findet hier die Extracte von Blauholz,
Rothholz, Quercitron, eine Fabrication rein französischen Ursprungs, welche jedoch
allmählich in allen Ländern Aufnahme zu finden scheint, neuerdings auch im Norden
Deutschlands. Dann ist zu bemerken ein sehr feuriger Kreuzbeerlack, neuerdings bei
etlichen Dampfartikeln als Albuminfarbe in Verwendung. Derselbe ist auch von Oesinger in Prag, sowie von dem durch sein vorzügliches
Krappextract bekannten Pariser Haus Meisonnier
ausgestellt. Ferner enthält Novak's Auslage die
verschiedenen Zinnsalzfällungen von Fustelholz-, Cubaholz-,
Cochenilleabsud, im Handel bekannt unter dem Namen Orangeteig, Gelbteig und
Ponceauteig, hauptsächlich für den Wolldruck beliebt, endlich, wieder in Concurrenz
mit Meisonnier, das Quercitrin, von welchem gute
Bezugsquellen im Handel nicht allzu reichlich sind, wie es auch noch nicht in allen
Fabriken die verdiente Beachtung findet. Die Färbekraft des Novak'schen Quercitrins verhält sich zu der des Quercitrons wie 3 : 1, und
färbt dasselbe das Weiß nicht so stark ein, als andere Quercitrine des Handels und
namentlich viel weniger als das in der Uenifärberei viel verwendete neuere
Quercitronpräparat, das Flavin.
Das Quercitrin wird bekanntlich aus gemahlenem Quercitronholz dargestellt, wie
Garancine aus Krapp, durch Einwirkung von Schwefelsäure, wodurch vor Allem der gelbe
Farbstoff von dem Gerbstoff des Quercitronholzes befreit wird. Bei der modernen
Garancinefärberei mit erklecklichem Zusatz von Rothholz und Sumach, sammelt sich
natürlich im Färbebad eine große Menge von Gerbstoff, welcher sich zunächst auf die
Mordants wirft. Der importante Einfluß des Gerbstoffes läßt sich besonders gut in
der Blauholzfärberei studiren; hier werden große Mengen von purem Holz, meist mit
verhältnißmäßig wenig Leim verwendet; vermehrt man die Menge des Leimes, d.h.
vermindert man die des gelösten Gerbstoffes, so beobachtet man, wie das resultirende
Schwarz immer mehr in's Blaue spielt, das Roth tritt in dem Maaße zurück, als die
Reaction der Gerbsäure auf den Farbstoff des Blauholzes verschwächt worden ist. In
der Garancinefärberei äußert sich der Einfluß des Gerbstoffes nicht weniger
deutlich. Derselbe, in bestimmter Menge z.B. für Muster mit starken Partieen
Aechtschwarz sogar nothwendig, wirkt jedoch im Ueberschuß hemmend und besonders für
Roth verunreinigend auf die Entwickelung der Nuancen, um so mehr, je höher die
Temperatur des Färbebades genommen und je weniger seine Reaction durch Dareingabe
von Leim paralysirt worden ist. So wird ein Rothboden, welcher heute mit Vorliebe
gelbstichig verlangt wird, durch viel Quercitron statt lebhaft gelbroth, trüb
braunroth sich ausfärben, es wird sogar von einem gewissen Punkt ein weiteres
Zugeben von Quercitronholz vollkommen wirkungslos seyn, während Quercitrin in
beliebiger Menge zugesetzt, die Nuance beliebig in's Gelbe treibt, dem Roth einen
reinen warmen Ton verleiht und caeteris paribus
gegenüber der Quercitronfärberei eine Oekonomie an Garancine ermöglicht. Enthält ein
Muster gleichzeitig violette Partien, so ist ein einigermaßen brauchbares Violett
wieder nur bei Quercitrin, nicht bei Quercitronzusatz zu erreichen, so daß schon
diese einzige Rücksicht zu allgemeinerer Einführung der Quercitrinfärberei
ausfordert.
Solche Fabriken, welche ganz speciell den Bedürfnissen der Druckereien sich widmen,
sogar druckfertige Farben liefern, finden sich in ausgedehnterem Maaßstab in
England, sind aber auf der Ausstellung nicht vertreten. Aus Frankreich haben Meisonnier, Dubosc in Havre, Cloëz in St. Denis ihre rühmlichst bekannten Farbholzextracte zu
20° und zu 30° Baumé ausgestellt. In der deutschen Abtheilung
ist diese Richtung der technischen Chemie vertreten durch Schuchardt in Görlitz, namentlich durch dessen Wolframsäurepräparate für
den Anilinschwarzdruck, durch Van Bärle's
Wasserglasfabrication, wichtig für die Aussiedebäder der Druckereien, durch Pommier's Orseillefabrication und Otto Bredt's bis jetzt unübertroffenen Indigocarmin. –
Es ist damit die Reihe der chemischen Producte, welche in den Druckereien Verwendung
finden, keineswegs
abgeschlossen, es wären noch eine Menge organischer und unorganischer Säuren und
Salze aufzuführen, Bleizucker, Zinnsalz mit und ohne Zinkvitriol oder schwefelsaure
Magnesia, Kali- oder heutzutage richtiger Ammoniakalaun und dessen Ersatz,
die schwefelsaure Thonerde, Chromkali, chlorsaures Kali und Blutlaugensalz,
hauptsächlich englischen Fabricates, dann Frankreichs und Italiens Seifenfabrication
in Zusammenhang mit dem in den Druckereien so beliebt gewordenen Glycerin, ferner
Essigsäure, Weinsäure, Oxalsäure etc., sie alle haben ihre Vertretung auf der
Ausstellung, aber sie bieten zum Theil keine Novitäten, theils gestatten sie dem
vorübergehenden Auge nicht in der Weise ein fertiges Urtheil, wie Farbendroguen und
damit gefärbte Stoffe, wenn auch die Praxis etliche äußerliche Kriterien an die Hand
gibt, welche besonders im Anschluß an die Preisliste ein oberflächliches Urtheil
erlauben; hauptsächlich aber gehören sie in das Departement der allgemeinen Chemie
und mögen dort ihren Referenten finden.
IX.
Wie der chemische Theil der Colorie in den beiden letzten Decennien in fast
revolutionärer Weise fortgeschritten ist, so mußte auch der mechanische Theil
einigermaßen gleichen Schritt damit zu halten versuchen. Die Verbesserungen und
Bereicherungen an Maschinen wurden zum Theil hervorgerufen durch die erhöhten
Ansprüche der Abnehmer an exacte und gleichzeitig rasche Ausführung der Druckwaare,
hauptsächlich aber durch das Bestreben, die Arbeitszeit, den Kohlenverbrauch, die
Arbeiterzahl und die räumliche Ausdehnung der Druckfabriken zu beschränken. So hat
sich die Mehrzahl der Fabriken veranlaßt gesehen, oder ist im Begriff, in ihrer
Bleiche mit den hölzernen Kochbottichen vom Niederdrucksystem auf das
Hochdrucksystem mit eisernen Kochkesseln überzugehen. Welches System bisher
angewandt wurde, immer erforderte es ein längeres Kochen in der Kalk- und in
der Sodalauge von 12 bis zu 24 Stunden, wodurch die leidige Nachtarbeit bedingt war;
mit den neueren gußeisernen Hochdruckkochkesseln nach dem Barlow- , Pendelbury- , oder nach
dem aus beiden combinirten, oder nach dem sogenannten Mülhauser System werden
dieselben Operationen bei einem Druck von 2 bis 4 Atmosphären ebenso wirksam und
ebenso gleichmäßig ausgeführt in der kurzen Zeit von 4 bis 6 Stunden. – In
dieselbe Kategorie der Verbesserungen gehört der kupferne Hochdruckkessel zum Kochen
der Appreturmasse, welcher Ende der 50iger Jahre von Simon in St. Dié erfunden, jetzt eine allgemeinere Aufnahme in den
Druckfabriken zu finden scheint. Binnen 20 Minuten ist in diesem Apparat eine Stärke
fertig gekocht, welche
sonst mehrere Stunden erforderte; so hat man jeder Zeit frisch gekochten Appret zur
Verfügung, erspart sich viele Unannehmlichkeiten und Störungen im Betrieb, und
erhält überdieß eine Waare von besonders mildem, angenehmem Griff. – Die
polternden, hüpfenden und springenden Aufdockstühle, welche sich vom Vater auf den
Sohn und den Enkel vererbt haben, ersetzen sich allmählich durch elegante, ruhig
laufende Maschinen, die Waare wird von ihnen stramm und gleichmäßig aufgerollt und
dadurch einer Reihe mehr oder weniger bedeutender Unfälle im späteren Stadium der
Fabrication vorgebeugt. – An die Stelle der Dampfpfeifen und der hölzernen
Dampfkästen mit ihrem mangelhaften Verschluß treten die großen gußeisernen
Dampfkästen mit hermetischem Verschluß, horizontaler Einfahrt der Dampfwaare, mit
Abzugsröhren für die Säuredämpfe und für das condensirte Wasser; ein Manometer zeigt
den effectiven Druck im Inneren des Kastens an, so daß der Colorist unabhängig vom
variablen Druck im Dampferzeuger, nicht mehr genöthigt mit einem imaginären Druck zu
arbeiten, im Stande ist, die so wichtige Operation des Dämpfens mit der nöthigen
Sicherheit, verbunden mit der Möglichkeit richtiger Beobachtungen, auszuführen.
– Die Einsprengmaschine, welche bisher das Wasser in schweren, ungleichen
Tropfen den Stücken von unten zugeworfen, besprengt jetzt dieselben von oben mit
einem feinen, gleichmäßig durchschlagenden Regen. – Die schwerfälligen, in
ihrem Betrieb kostspieligen Waschräder sind meist durch die Robinson'sche Waschmaschine (1857) oder vielmehr durch deren wesentlich
verbesserte Modification, durch das Heffter'sche
Spritzclapot entbehrlich geworden. Wo Mangel an fließendem Wasser ist, oder wo das
Flußwasser bei Regengüssen häufig zum Waschen unbrauchbar wird, ist diese Maschine
mit ihrem schiefen hölzernen Wassertrog, von ihren durchlöcherten Wasserröhren mit
Pumpwasser gespeist, wohl auch mit einem Batteux versehen, für einen
ununterbrochenen raschen Betrieb der Fabrication fast unentbehrlich. – Die
antiken Formen der hölzernen Farbkufen verschwinden vor den eisernen, mit
rationeller Dampfzuleitung versehenen und nach zweckmäßiger Bauart construirten
neueren Farbkufen, zum Theil findet man sie auch schon für die Continüfärberei
eingerichtet. – Seit Schlumbergers erster Idee der
Spannrahmen (1836) wurde eine Reihe Constructionen für das Ausspannen der gestärkten
Waare beim Trocknen versucht und für feine Gewebe auch
eingeführt. In neuerer Zeit, da die Ansprüche an die äußere Ausstattung auch der
gewöhnlichen Indiennes immer höhere werden, fängt man an auch für diese die
Spannrahmen bei der Appretur anzuwenden. Die Stücke bleiben fadengerade, die Muster
werden nicht verzogen, die Appreturmasse hat genügend Zeit das Gewebe zu durchdringen und
auszufüllen und die Farben bleiben klarer, als wenn sie dem directen Einfluß heißer
Metallflächen ausgesetzt sind: freilich kommt die Appretur mit Spannrahmen durch
vermehrten Kohlenverbrauch, durch vermehrtes Arbeitspersonal und durch ihre großen
räumlichen Erfordernisse, bei dem einen wie bei dem anderen der bis jetzt
empfohlenen Systeme, beträchtlich theurer zu stehen, als die bisherige Trocknung auf
den Trockentrommeln.
Doch sind auffallender Weise alle diese größeren und kleineren Fragen auf der Wiener
Ausstellung gänzlich unberührt geblieben; die Maschinerie der Druckfabriken ist
womöglich noch lückenhafter vertreten, als diese selbst; die etlichen Maschinen
dieser Kategorie verschwinden fast neben den unzähligen Eisenbahnwaggons und neben
der Menge von Spinnerei- und Webereimaschinen, so daß sie kaum im Stand sind,
ein richtiges Bild von dem gegenwärtigen Stand dieser Specialität des Maschinenbaues
zu geben.
Am reichsten sind die Hydroextracteure vertreten, da sie auch sonst in der Technik
eine ausgedehntere Verwendung finden. Viele unter ihnen zeigen die wesentliche
Verbesserung, daß die bewegenden Theile nicht am oberen, sondern am unteren Theil,
zur Seite des Kessels angebracht sind; die Maschine wird dadurch viel handlicher und
die so häufige Verunreinigung der Gewebe durch Oelflecken ist von dieser Seite
wenigstens unmöglich gemacht. Ein im Inneren verzinnter Hydroextracteur von Buffaud fréres in Lyon ist wohl mehr für das
Ausschleudern von Salzen in chemischen Fabriken berechnet. Die Mannheimer
Maschinenfabrik hat eine Centrifugaltrockenmaschine ganz neuer Art ausgestellt,
sofern der Kessel nicht an einer eisernen Spindel läuft, sondern er bewegt sich
vollkommen frei, anfänglich etwas balancirend, in kurzer Zeit mit größter
Geschwindigkeit, ohne alles Geräusch und mit fast augenblicklicher Arretirung. Ein
Hydroextracteur von besonders großen Dimensionen findet sich in der Exposition der
für die Druckereien seit langen Zeiten hochwichtigen Firma Tulpin fréres in Rouen. Der Kessel hat zur
Seitenwandung nicht ein durchlöchertes Kupferblech, dieselbe besteht vielmehr aus
einem Gitter von sehr starkem Kupferdraht. Da die Maschine für ganz schwere Tücher
bestimmt ist, deren sie 4 Stücke à 40 Meter faßt,
so hat diese Abänderung den Zweck den Ausfluß des Wassers zu erleichtern.
Tulpin hat ferner einen mechanischen Breithalter von der
bekannten Construction mit den beweglichen Streichklingen ausgestellt; aber während
dieselben sonst durch das feste Andrücken des zu trocknenden Gewebes an den Apparat
in Bewegung gesetzt werden, erhalten sie hier, um zuverlässiger arbeiten zu können, eine eigene
selbstständige Bewegung. Weiter folgt eine doppeltwirkende Schermaschine mit 2
Cylindermessern, wie sie in neuerer Zeit meist angeschafft werden, statt mit einem
Cylindermesser, um die Operation des Scherens zu vervollständigen und ein
zweimaliges Scheren zu vermeiden. Seine Gassengmaschine ist mit 8 Flammen
ausgerüstet, die höchste bis jetzt in Anwendung gebrachte Zahl. Die erste von Hall in Nottingham (1817) patentirte Gassengmaschine
hatte nur 1 Gasrohr und hat erst in neuerer Zeit die alten langsamen und unsicheren
Cylindersengen abgelöst, bis jetzt meist mit der Anordnung von 2, 3, höchstens 4
durchlöcherten Gasröhren. Endlich führt uns Tulpin eine
der nach ihm benannten Appretur- und Trockenmaschinen vor. Einen ähnlichen
Trockenapparat für gestärkte Waare, aber in verticaler Aufstellung, so daß 6
Kupfercylinder in 2 Colonnen senkrecht über einander laufen, finden wir auch in der
Zittauer Maschinenfabrik, neben einem Calander von 2 Papierwalzen und 1
Eisenwalze.
Die Zahl der Appreturmaschinen ist noch vermehrt durch einen horizontalen Apparat von
Huber in Prag, à
15 Kupfer- und 3 Holzcylinder. Die Stücke gehen von der Stärkmaschine zuerst
auf die Holzcylinder, um hier unter dem Einfluß der von den heißen Metallcylindern
geheizten Luft soweit abzutrocknen, daß sie auf dem ersten Metallcylinder angekommen
keinen Appret hängen lassen, was man sonst wohl durch Umwickeln des ersten und
zweiten Cylinders mit Baumwolltuch zu erreichen sucht. Die Stücke gehen ferner
einspurig ohne Leitwälzchen abwechselungsweise mit ihrer rechten und mit ihrer
linken Seite über die heißen Kupfertrommeln, gerade nicht zum besonderen Vortheil
für die Klarheit der Farben, aber andererseits hilft der Mangel an Leitwälzchen
einigermaßen gegen das Verziehen der Waare. Die große Anzahl der Trommeln gestattet
ein so rasches Tempo, daß in 12 Arbeitsstunden leicht 200 Stück gestärkte Waare à 50 Met. auf diesem Apparat getrocknet werden
können. Von Huber ist noch ein großer Tambour aufgestellt
in Verbindung mit Stärkmaschine und mit auf der Trockentrommel selbst befindlicher
und auf ihr beweglicher Spannvorrichtung. Beide Apparate haben sich seit Jahren in
der früher Porges'schen und Przibram'schen Fabrik gut bewährt, wie auch seine kupfernen Farbkochkessel
mit mechanischem Rührapparat, nebst Vorrichtung zum Kaltrühren und Umgießen der
gekochten Farben.
Ducommun hat außer einer Klotzmaschine und einem
mechanischen Breithalter einen Breitmacher oder Streckmaschine in der bekannten
Construction mit den beiden eisernen, senkrecht zu ihrer Achse cannelirten Walzen
aufgestellt. Die Erhöhungen der einen greifen in die Vertiefungen der anderen; beide sind nach der
schon von Laing (1856) angegebenen Idee in starken
Kautschuk eingehüllt zur Schonung des zwischen ihnen durchgehenden und durch ihre
Höhlungen durchgezwängten Gewebes. Die Maschine muß jedenfalls mit äußerster
Vorsicht gehandhabt werden, daß die Pression eine gewisse Grenze nicht
überschreitet, sonst rechtfertigt sie die mancherlei Klagen, daß sie den Stoff in
Streifen zerschneide. Einer größerern Beliebtheit erfreut sich sowohl für feine
Gewebe, wie Mousseline, Jaconna's, als auch für gewöhnliche Cattune die von Boßhard in Näfels bei Glarus vorgeführte Streckmaschine.
Derselben liegt die Idee der alten Schindler'schen
Maschine zu Grund, welche aber bedeutend verbessert und modificirt bis zu ihrer
jetzigen vervollkommneten Construction heute schon in einer Anzahl Fabriken mit
Erfolg eingeführt ist.
Eine ganz neue Idee hat Sumner in William Birch's
Patent Machine Tender gebracht. Nach der Zeichnung und
der beigefügten englischen Beschreibung ist sie nicht eine Streckmaschine, sondern
ein Breithalter für feuchte Waare, welcher vor der Trockenmaschine placirt, die
Falten entfernt und die Waare in ihrer natürlichen Breite den Trockencylindern
zuführt. Die Stücke gehen von oben zwischen Leitwälzchen und Traversen so durch, daß
sie auf ihrem Weg an zwei horizontal, aber divergirend rotirende Ketten angedrückt
werden, welche, jede fast bis in die Mitte der Stücke reichend, die in die Länge
gespannte Waare mit ihren einander entgegengesetzten Bewegungen packen und von der
Mitte gegen die Leisten wellenförmig entfalten. Die Maschine ist in mehreren
schottischen Häusern eingeführt und von denselben gut empfohlen. – Sumner hat ferner eine Nähmaschine, sowohl für trockene
als für nasse Waare brauchbar, sowie einen Pantograph ausgestellt, letzteren von Lokhardt, Leak u. Comp. in
Manchester. Derselbe hat 4 Diamantenreihen, überträgt demnach mit einem Zug 4
Figuren auf einer Linie in der Richtung des Umfanges der Kupferwalze, und hat
überdieß etliche Verbesserungen angebracht, welche die Arbeit des Pantographen der
Molettengravüre näher bringen und damit allgemeiner anwendbar machen sollen, unter
anderen eine Vorkehrung, um mit dem Pantographen auch dünne, feine Verticallinien in
exacter Weise herstellen zu können. Endlich findet sich in Sumner's Abtheilung, als einziges Rouleau der Ausstellung, eine
zwölffärbige Druckmaschine, für die Hälfte der Walzen mit Kautschukpression, für die
andere Hälfte mit Hebelpression versehen. Wie mit Recht alle neu construirten
Druckmaschinen ihre eigenen Dampfmaschinen erhalten, so ist auch diese mit einer
solchen doppeltwirkenden in der Stärke von zwölf Pferden ausgerüstet.
Besonders interessante Novitäten hat die Gebauer'sche
Fabrik in Charlottenburg gebracht, jetzt Actienfabrik für Appretur und Herstellung
von Appreturmaschinen, unter allen Umständen eine glückliche Zusammenfügung zweier
sich ergänzenden, sonst aber getrennt lebenden Fabricationen, glücklich für die
Erzeugung fruchtbarer, lebensfähiger Ideen im Gebiete der einen wie der anderen. Gebauer führt uns einmal seine Doublirmaschine vor,
wichtig für Bleich- und Appreturanstalten, denen sie eine höchst mühselige
Arbeit auf ein Minimum reducirt und erleichtert, dann seinen Universalableger für
die im Strang laufende Waare des Bleichhauses. Die Maschine eignet sich zur
Verwendung über Lagerplätzen und über Kochkesseln; ob die Waare im Kreis oder im
Viereck, in langen oder kurzen Abschnitten zu legen ist, sie führt die Arbeit mit
größter Regelmäßigkeit und Schnelligkeit aus. Endlich hat Gebauer noch einen seiner Meß- und Legapparate aufgestellt, welchen
er wie seine übrigen Maschinen mit größter Zuvorkommenheit dem Besucher in Gang
setzt. Schon vor einer Reihe von Jahren hat man von England aus versucht, eine
derartige Maschine in die Fabrication einzuführen, aber die Originalmaschine eignete
sich kaum für das Messen der rohen Waare, für fertige und vollends glänzend
appretirte Waare war sie ganz unbrauchbar, die Stücke glitschten auf den glatten
Theilen und der schiefen Fläche des Apparates, so daß er seinen Dienst versagen
mußte. Vor kurzer Zeit erst ist es gelungen, durch eine Reihe von Verbesserungen,
insbesondere durch Anwendung eines gerippten Kautschukstreifens an der Stelle wo die
Waare gefaßt und umgebogen wird, die Maschine in brauchbarem Zustand an die
Druckereien und Appreturen zu liefern. Ein Arbeiter ist mit derselben im Stand von
jeder appretirten Waare, nicht nur Aunage- , sondern auch Tüchelwaare von
beliebiger Breite und Legart, täglich 300 Stück à
50 Met. zu messen und zu legen, ein Quantum, welches sonst eine Menge Hände
erforderte, und eine Leistungsfähigkeit, welche der neuen Maschine einen
durchschlagenden Erfolg für die Zukunft sichert.
Ich schließe hiermit den Bericht, welchen ich im Auftrag der verehrlichen Redaction
dieses Journals für die Branche der Colorie abgefaßt habe, indem sie gedachte damit
einem Theil der Besucher und der Nichtbesucher der letzten Ausstellung, welche
vielleicht für eine größere Reihe von Jahren die Serie der internationalen
Expositionen auf europäischem Boden abschließen dürfte, ein willkommenes Blatt der
Erinnerung an dieses große Fest der Industrie in die Hand zu geben. Jede allgemeine
Weltausstellung bezeichnet einen zurückgelegten Lebensabschnitt für alle Theile der
Industrie, sie erzeugt neue Anschauungen, neue Plane, vor allem aber veranlaßt sie
beim Antritt der neuen Olympiade, Jedem in seiner Sphäre, die Ergebnisse der
verflossenen an sich vorübergehen zu lassen.
Glarus, im December 1873.