Titel: | Die Dampfmaschinen-Steuerungen auf der Wiener Weltausstellung 1873; von Ingenieur Müller-Melchiors. |
Fundstelle: | Band 212, Jahrgang 1874, Nr. I., S. 1 |
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I.
Die Dampfmaschinen-Steuerungen auf der
Wiener Weltausstellung 1873; von Ingenieur Müller-Melchiors.
Mit Abbildungen auf Tab.
I.
Müller-Melchiors, über die Dampfmaschinen-Steuerungen
auf der Wiener Weltausstellung 1873.
In dem umfassenden Bilde, welches die Wiener Weltausstellung von allen Gebieten der
menschlichen Thätigkeit entrollte, waren speciell auch die Dampfmaschinen, dieser
wichtigste Factor des modernen Industrielebens, so vollständig vertreten, daß ein
erschöpfender Bericht über dieselben eine äußerst schwierige und umfangreiche
Aufgabe darstellt, deren Lösung wir wohl erst nach Ablauf einer längeren Zeit
erwarten dürfen. Es wird daher gerechtfertigt und nicht ohne einen gewissen Nutzen
erscheinen, gerade das hauptsächlichste Detail der Dampfmaschinen – die Steuerung – einer gesonderten Darstellung und
Behandlung zu unterziehen um so mehr, als gegenwärtig fast das ausschließliche
Bestreben der meisten Constructeure auf deren Vervollkommnung gerichtet ist.
Während auf den früheren großen Weltausstellungen neben vielen ausgezeichneten
Ausstellungsobjecten bewährter Construction auch mancherlei neuartige und theilweise
absonderliche Projecte zur besseren Ausnützung und Uebertragung der Dampfkraft
erschienen waren, die sich aber durchgehends keinen Eingang in die Praxis zu
schaffen verstanden, sind bei der jetzt abgeschlossenen Ausstellung derartige
Neuerungen fast gänzlich ausgeblieben. Abgesehen von zwei kleineren Motoren, welche
wohl nur für minimale Kraftabgaben verwendbar sein dürften, und zwei locomobilen
Maschinen waren selbst Maschinen mit rotirendem Kraftrecipienten nicht vertreten;
keines der vielen in den Zeitschriften der letzten Jahre aufgetauchten neuen
Expansionssysteme, Aether- und Kohlensäure-Maschinen u.s.f. hat sich
gezeigt, und alle bemerkenswerthen Maschinen ließen durchgehends die Tendenz
erkennen: einer rationellen, gleichmäßigen Fortbildung der vorhandenen und bewährten Maschinensysteme. Viel mag dazu auch die immer
fortschreitende Verbreitung der wissenschaftlichen Anschauungen der mechanischen
Wärmetheorie beigetragen haben, welche unzweifelhaft nachweist, daß die
Wirkungsweise unserer jetzigen Expansionsdampfmaschinen theoretisch nahezu
vollkommen ist und das Schwergewicht aller rationellen Verbesserungen in der constructiven Ausführung gesucht werden muß.
In wieweit dies bei den wichtigsten Details der Kraftübertragung versucht und
erreicht worden ist, gehört nicht in das Bereich dieser Abhandlung; dagegen ist die
richtige Kraftentwickelung des im Cylinder arbeitenden
Dampfes in erster Linie von der Steuerung abhängig und
von diesem Gesichtspunkte aus hier näher zu betrachten.
Die Bedingungen, welche man in dieser Beziehung an eine vollkommene Steuerung stellen
müßte, sind folgende:
1) Momentane und directe Eröffnung des Dampfcylinders für den
eintretenden Kesseldampf, mit einem für alle Füllungsgrade gleichbleibenden
Voreilen.
2) Momentane Unterbrechung des Dampfeintrittes für jede
Kolbenstellung in selbstthätig regulirbarer Weise.
3) Dampfausströmung mit entsprechendem Voreilen und mäßiger
Compression constant für alle Füllungsgrade.
4) In der Ausführung der Details absolute Sicherheit des
dampfdichten Abschlusses und der regelmäßigen Functionirung der Steuerung; ferner
mäßiger Kraftverbrauch und geringe Abnützung.
Die Steuerung, welche allen diesen Bedingungen gleichmäßig, für längere Dauer des
Betriebes und unter allen Umständen entsprechen würde, ist noch nicht gefunden
worden und muß fast als ein nie zu erreichendes Ideal betrachtet werden, so
mannigfach und gelungen auch die Bestrebungen sind, sich demselben mehr und mehr
anzunähern.
Denn wie vollendet auch die älteren und neueren Ventilsteuerungen und die modernen Corlißsteuerungen die ersten drei der oben aufgestellten Bedingungen erfüllen
können, – in der constructiven Einfachheit und Verläßlichkeit stehen sie noch immer weit hinter den einfachen und
Doppelschieber-Steuerungen zurück derart, daß sie für schnellgehende
Maschinen geradezu unanwendbar genannt werden müssen. Bemerkenswerthe
Vereinfachungen und Verbesserungen des Mechanismus sind allerdings auf der
Ausstellung erschienen und sollen an betreffender Stelle eingehend besprochen
werden.
Dagegen sei hier schon bemerkt, daß speciell für schnellgehende Dampfmaschinen zwei
äußerst gelungene Steuerungen mit continuirlich rotirenden Hähnen ausgestellt waren,
welche – wenn sie sich dauerhaft dampfdicht erweisen sollten – in constructiver Hinsicht vollkommen genannt werden müssen,
obwohl sie in der Schärfe der Dampfvertheilung etwas
hinter der Corlißsteuerung zurückstehen.
Was aber gerade den dampfdichten Abschluß, die Einfachheit und leichte Herstellung
aller Bestandtheile betrifft, so werden die Steuerungen mit Excenter und ebenen
Schiebern, trotz ihrer sonstigen Mängel, stets unübertroffen und in allgemeiner
Anwendung bleiben, wie denn auch auf der Wiener Weltausstellung die überwiegende
Mehrzahl aller ausgestellten Maschinen mit Doppelschieber-Steuerung versehen
war.
Wenn somit keine der bestehenden Steuerungen allen an sie zu stellenden Anforderungen
genügen kann, so erhellt zunächst daraus, daß deren Anwendung in der Praxis durch ganz andere Rücksichten, als die oben
aufgezählten, bedingt wird. Je nach dem speciellen Zwecke und den Verhältnissen,
unter denen eine Maschine zu arbeiten hat, wird man sofort auf einige Vortheile der
Steuerung Verzicht leisten, andere dagegen nothwendig bedingen und dadurch in der
Wahl der Steuerung geleitet werden.
Ferner aber ist dargethan, daß sowohl die Schiebersteuerungen als die Steuerungen nach dem Corlißsysteme, mit Ventilen und endlich mit rotirenden Hähnen, daß diese vier Hauptclassen aller
bestehenden Steuerungssysteme neben einander
existenzberechtigt und entwicklungsfähig sind – eine Ansicht, die ihre
schönste Bestätigung in den auf der Weltausstellung exponirten Maschinen fand.
Dieses ausführlicher nachzuweisen und durch die Darstellung der neueren
Steuerungsmechanismen zugleich ein Bild der jetzigen Entwickelung dieses Theiles des
Dampfmaschinenbaues zu geben, ist der Zweck der nachfolgenden Notizen.
I. Steuerungen mit einem
Schieber.
Unter der Zahl von circa 100 ausgestellten stationären
Dampfmaschinen – Walzwerks- und Fördermaschinen mit inbegriffen
– waren nur einige 20 mit einfachem Schieber versehen, darunter 3
Fördermaschinen mit Gooch'scher oder Stephenson'scher Coulisse, ebenso eine Walzwerksmaschine
mit der letzteren und eine kleine Woolf'sche
Dampfmaschine mit gemeinsamem Vertheilungsschieber nach bekanntem Systeme.
Unter den halbstationären Maschinen war gleichfalls die Steuerung mit einfachem
Schieber in Minorität und nur bei den 43 ausgestellten Locomotiven war die einfache
Coulissensteuerung mit einer einzigen Ausnahme die allgemeine.
Diese, wie es scheint, auffallende Vernachlässigung eines bewährten und in der Praxis
überwiegend vertretenen Systemes ist jedoch leicht erklärlich. Zunächst ist die
Steuerung mit einem Schieber – außer wo es auf
größtmögliche Einfachheit ankommt und die Frage des rationellen Dampfverbrauches wie
im allgemeinen bei den Reversirmaschinen und Locomotiven zurücktritt – viel
vortheilhafter und mit geringen Mehrkosten durch Doppelschieber-Steuerungen
zu ersetzen; ferner aber ist gerade für ein Ausstellungsobject die einfache,
anspruchslose Schiebersteuerung wenig verlockend. Es sind somit auch nur wenig
interessante Novitäten anzuführen.
Zwei bemerkenswerthe Anwendungen des einfachen Schiebers für Reversirmaschinen mit
fixem Excenter und ohne Zuhülfenahme einer Coulisse seien zunächst erwähnt.
Die große Fördermaschine der Fürst Salm'schen
Maschinenfabrik in Blansko (Mähren) hatte zum Zwecke der Umsteuerung zwischen
Schieber und Dampfcylinder ein Zwischenstück eingeschaltet, welches mittelst eines
Hebels von Hand zu verstellen war und dadurch in äußerst einfacher Weise Vor-
oder Rückwärtsgang der Maschine einleitete. Ueber diese specielle Construction
konnte zwar keine nähere Aufklärung erhalten werden; es ist aber dieses Princip
schon lange bekannt und in AnwendungVerf. hat unter anderen diese Anordnung bei den Kohksauspreßmaschinen und
kleinen Dampfwinden der Maschinenfabrik Humboldt
in Deutz auf verschiedenen rheinischen und westphälischen Werken
gefunden. derart, daß das betreffende Zwischenstück ein paar directe und ein paar
gekreuzte Canäle enthält, welche abwechselnd mit den Oeffnungen des eigentlichen
Schiebergesichtes in Communication gebracht werden können. Diese Construction
bedingt jedoch, wie alle Reversirsteuerungen mit einem
festen Excenter, daß der Voreilungswinkel desselben gleich Null wird, wodurch auch
die Ueberdeckungen und die Möglichkeit eines linearen Voreilens, der Expansion und
Compression entfallen.
Derselbe Umstand findet auch bei der zweiten zu besprechenden Umsteuerung einer
kleinen von Danek (jetzt
Maschinenbau-Actiengesellschaft) in Prag ausgestellten Dampfwinde statt, kann
aber bei den kleinen Dimensionen dieser Maschine weniger nachtheiligen Einfluß
ausüben. Der betreffende Schieber ist in Figur 1 im Querschnitt und
in Figur 2 und
3 in den
Längsschnitten a resp. b
dargestellt. Durch Drehung der Schieberstange c, welche
in einem Schlitz des cylindrischen Schieberkörpers d
eingelegt ist und denselben mittelst Bundringen umfaßt und an der hin- und
hergehenden Bewegung des Excenters theilzunehmen nöthigt, kann entweder die
Schnittebene a oder b mit
der Cylinderachse x
in eine Ebene gebracht
werden. Im ersteren Falle, wenn a mit x zusammenfällt, kommt der in Fig. 2 dargestellte
gewöhnliche Muschelschieber zur Wirkung und steuert die Maschine nach vorwärts, wenn
eben das Excenter um 90 Grad vor der Kurbel aufgekeilt ist.
Zum Zwecke der Umsteuerung braucht man nur den Schieberkörper nach links zu drehen,
bis die Schnittebene b mit der Achse x zusammenfällt, was leicht während des Ganges geschehen
kann. Es kommt dadurch der zweite im Schieberkörper d
angebrachte, in Fig.
3 dargestellte E-Schieber zur
Thätigkeit, welcher sofort die Bedingungen des Dampfeintrittes und Austrittes
umkehrt und die Maschine reversirt. Eine fixe oder gar variable Expansion ist dabei
selbstverständlich nicht möglich.
Eine andere Reversir-Vorrichtung mit einem
Excenter, welche selbstverständlich auch die oben angeführten Nachtheile besitzt,
war bei der kleinen Werkstätten-Locomotive der Harzer
Werke zu Rüdeland und Zorge angewendet. Hier spielt der als Canalschieber angeordnete
Dampfschieber gleichzeitig auf vier Oeffnungen des Schiebergesichtes, welche der
Reihe nach zur Dampfeinströmung, vor den Kolben, zur Dampfausströmung sowie hinter
den Kolben führen. Indem nun durch die Verstellung des Reversirhebels die Functionen
des Dampfeintritts- und Austrittscanales mit einander vertauscht werden,
findet in einfacher Weise die Reversirung statt – eine schon seit langem
bekannte Einrichtung, welche hier wohl nicht näher erörtert zu werden braucht.
Als Modificationen des einfachen Schiebers sind noch zu erwähnen
Kolbenschiebersteuerungen bekannter Einrichtung an einer 20pferdigen Dampfmaschine
der Norwalk Iron Works in Amerika und an mehreren
Locomobilen, sowie endlich die verschiedenen Anschlagsteuerungen direct wirkender
Dampfpumpen von den Firmen: Gebr. Decker und Comp., Tangye Brothers,
Hayward und Tyler u.a., welche übrigens nicht
direct hierher gehören und außerdem nur bereits bekanntes darboten.
Gleichfalls schon seit einiger Zeit bekanntVergleiche Dingler's polytechn. Journal 1872, Bd.
CCIII S. 81, 332 und Bd. CCXI S. 329., aber auf der Ausstellung in neuer Gestalt aufgetreten, ist der oscillirende
Motor von Ingenieur A. Schmid in Zürich. Derselbe war
ursprünglich als hydraulischer Motor construirt, wozu er sich auch speciell eignet,
ist aber auf der Ausstellung von der Maschinen- und Röhrenfabrik Johannes Haag in Augsburg auch als Dampfmotor, und von dem
Erfinder A. Schmid als Dampfpumpe ausgestellt worden.
Nach letzterer Anordnung ist die Skizze in Figur 4 entworfen, welche
den Schnitt durch den Dampfcylinder und Steuermechanismus anzeigt, während der gegenüber liegende
Pumpencylinder, welcher ganz dieselbe Anordnung der Steuerung, nur größere
Canalquerschnitte besitzt, weggelassen ist. Die Abbildung stellt den Dampfkolben auf
dem todten Punkte dar, wobei die untere Fläche des Dampfcylinders, welche zugleich
die Dampfvertheilung bewirkt, den Dampfeintrittscanal a
und die Dampfaustrittscanäle b, b des Schiebergesichtes
zudeckt.
Bei der im Sinne des Pfeiles erfolgenden Bewegung der Kurbel schwingt der Cylinder
und damit zugleich die untere Gleitfläche desselben um ihren Drehungspunkt c, der rechte Dampfcanal des Cylinders communicirt mit
a, der linke mit b, und
die erforderliche Bewegung des Kolbens ist eingeleitet. Der Cylinder schwingt nach
links aus und kommt für den zweiten todten Punkt wieder in seine Mittelstellung
zurück, worauf die Schwingung nach rechts und damit der Rückgang des Kolbens
stattfindet. Lineares Voreilen, Vorausströmung, Expansion und Compression sind somit
auch hier principiell ausgeschlossen, wie es bei einem hydraulischen Motor eben
absolut erforderlich ist und bei den kleinen Dimensionen der Dampfmotoren von 1/4
bis 1 Pferdekraft auch leicht hingenommen werden kann.
Es ist aus der Zeichnung ersichtlich, daß bei dieser Construction der Cylinder durch
den Dampfdruck nach aufwärts gepreßt und von seiner Gleitfläche entfernt wird; es
müssen somit die Zapfen c mit entsprechender Kraft
niedergedrückt werden, damit dieser Tendenz entgegen gewirkt wird und noch ein
genügender Druck nach abwärts resultirt, um einen dampfdichten Abschluß der
Gleitflächen zu gewähren. Dies geschieht mittelst der am Maschinengestelle
befestigten Schrauben d, mit denen die um die Bolzen e des Maschinengestelles drehbaren Lagerstücke der
Cylinderzapfen c nach abwärts gepreßt werden können. Es
wird dadurch eine möglichste Herabminderung der Steuerungswiderstände, zugleich mit
vollkommen dampfdichtem Abschluß erzielt und die Maschine kann mit 200 und mehr
Touren anstandslos arbeiten.
Eine Dampfmaschine nach demselben Systeme wurde in Verbindung mit einem stehenden
Kessel als transportabler Dampfmotor von Joh. Haag in
Augsburg ausgestellt. Um dabei auch die Expansion zu ermöglichen, ist unterhalb des
festen Schiebergesichtes ein Expansionsschieber angebracht, welcher von der
Kurbelwelle aus in Thätigkeit gesetzt wird.
Es wird dadurch ohne besonderen Nutzen der ganze Vorzug dieses Systemes, nämlich
äußerste Einfachheit, preisgegeben.
Entlastungsschieber waren unseres Wissens bei
ausgeführten Dampfmaschinen gar nicht vertreten, und es ist nur ein von Dawes
und Holt in Leeds ausgestelltes Modell ihres vor drei JahrenVergleiche Dingler's polytechn. Journal 1870, Bd.
CXCV S. 215 u. 293. patentirten Entlastungsschiebers zu besprechen. Aus den Skizzen Figur 5 und
6, welche
denselben im Querschnitte und in der Draufsicht darstellen, ist ersichtlich, wie die
Verbindung des eigentlichen Schiebers mit dem Entlastungsringe, der auf eine
Gleitfläche des Schieberdeckels angepreßt wird, mittelst einer federnden Stahlplatte
bewerkstelligt ist. Eine Oeffnung des Schieberkastendeckels stellt die Verbindung
des von dem Entlastungsringe abgedichteten Raumes mit der äußeren Atmosphäre
her.
Indem bei fortwährendem Gebrauch die Federkraft der Stahlplatte abnehmen muß, wird
damit auch der Betrag der von dem Entlastungsringe aus zu übertragenden Entlastung
verringert; der dampfdichte Abschluß bleibt aber dabei, sicherer wie bei den meisten
anderen Entlastungsschiebern, stets gewahrt.
Im Allgemeinen ist jedoch zu bemerken, daß die Anwendung der stets mehr oder weniger
complicirten und unverläßlichen Entlastungsvorrichtungen bei Schiebern, welche doch
gerade in ihrer Einfachheit den Hauptvorzug besitzen, kaum rationell erscheinen
kann, was auch durch deren geringe Verbreitung genügend bestätigt wird.
Nachdem hiermit die Schiebersteuerungen mit fester Verbindung des Schiebers mit der
Kurbelwelle erledigt sind, bleiben mm noch die variablen Expansionssteuerungen mit
einem Schieber zu behandeln.
Das einfachste Mittel einer veränderlichen Expansion besteht bekanntermaaßen in der
Anwendung eines Excenters, dessen Hub und Voreilungswinkel verstellbar sind. Bei
einer von Robey und Comp. in
Lincoln (England) ausgestellten liegenden Dampfmaschine sowie bei einer Locomobile
von Ruston, Proctor und Comp.
in Lincoln war zu diesem Zwecke das Excenter in dem excentrischen Schlitze einer auf
der Kurbelwelle aufgekeilten Scheibe mittelst Klemmschraube in verschiedenen
Stellungen zu befestigen. Die Verstellung ist dabei selbstverständlich nur während
des Stillstandes möglich; dagegen ward bei einer von Robey und Comp. ausgestellten Locomobile und
bei der liegenden Maschine von E. R. und F. Turner in
Ipswich (England) die erforderliche Verstellung des Excenters selbstthätig durch den
Regulator besorgt.
Bei letzterer geschah dies durch den bekannten Regulator von Hartnell und GuthrieBeschrieben in Dingler's polytechn. Journal 1873,
Bd. CCVII S. 447., beider ersten Locomobile durch Richardson's
Patent-Regulator.Beschrieben im Engineering, December 1869, S.
387. Es war leider nicht möglich, diese Maschinen im Gang zu sehen, um die
gerühmte Empfindlichkeit der Regulatoren, welche beim Anblick der Construction einigermaaßen fraglich
erscheint, constatiren zu können.
Das verbreitetste und sicherste Mittel endlich einer variablen Expansion mit einem
Schieber, welches zugleich auch die Reversirung der Maschine gestattet, sind die
Coulissensteuerungen, welche demgemäß auch auf der Ausstellung in großer Anzahl
vertreten waren, darunter mehrere große Walzwerks- und Fördermaschinen, bei
denen die Umstellung der Coulisse, resp. des Gleitstückes durch Dampfkraft
bewerkstelligt wurde. Die wenigen der ausgestellten Schiffsdampfmaschinen hatten
gleichfalls ähnlichen Steuerungsmechanismus.
Es waren durchgehends die bekannten Systeme von Stephenson,
Gooch, Allan, Heusinger, letztere bei den belgischen Locomotiven unter dem
Namen „System Walschaert“, endlich
auch eine Fink'sche Coulissensteuerung mit einem Excenter, welche im ganzen nichts Neues darboten.
Bemerkenswerth war nur die Anwendung der Fink'schen
Coulisse bei der liegenden Woolf'schen Maschine von W. J.
Galloway and Sons in
Manchester, welche die Steuerung des Hochdruckcylinders in selbstthätig regulirbarer
Weise besorgte. Zu diesem Zwecke war der Gleitklotz der Coulisse an dem einen Ende
eines doppelarmigen Hebels befestigt, dessen anderes Ende direct an der
Regulatorhülse angriff und zugleich ein Balancegewicht trug. Für die höchste Lage
des Regulators war das Gleitstück in der tiefsten Stellung und damit die Füllung auf
ein Minimum reducirt, und die verschiedenen Expansionsgrade variirten während des
Ganges dieser prächtig ausgeführten Maschine mit großer Leichtigkeit. (Fortsetzung
folgt.)