Titel: | Ueber Versuche an Werkzeugmaschinen zur Ermittelung der Leistung und des Arbeitsverbrauches; von Prof. Dr. Hartig in Dresden. |
Fundstelle: | Band 212, Jahrgang 1874, Nr. XXV., S. 188 |
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XXV.
Ueber Versuche an Werkzeugmaschinen zur
Ermittelung der Leistung und des Arbeitsverbrauches; von Prof. Dr. Hartig in Dresden.Vortrag gehalten in der 81. Hauptversammlung des „Sächsischen
Ingenieur- und Architecten-Vereins; aus den Protokollen
derselben mit gefälliger Genehmigung des Hrn. Verfassers. Die Red.
Hartig, über Versuche an Werkzeugmaschinen.
Für die Projectirung, Anlegung und Vergrößerung von Werkstätten, in denen Maschinen
zur Bearbeitung der Hölzer und Metalle zur Anwendung kommen, ist es dem Constructeur
zu wissen nöthig, welcher mittlere und welcher höchste Arbeitswerth für jede
einzelne Werkzeugmaschine anzusetzen ist, damit er Betriebsmaschine und
Transmissionen in zutreffender Stärke anordnen kann. Es ist nun zwar nicht
ausgeschlossen, den Arbeitsverbrauch jeder Holz- oder
Metallbearbeitungsmaschine auf dem Wege der Rechnung festzustellen, wie solches z.B.
durch Kankelwitz für die Gattersägen geschehen ist; aber
leider führt dieser Weg nur mit großer Mühe und auch mit ziemlicher Unsicherheit zum
Ziele; denn es gilt hierbei, sämmtliche Hauptdimensionen, Geschwindigkeiten und
Gewichte der bewegten Theile einzuführen und durch Formeln, welche schon für die
einfacheren Maschinen eine abschreckende Länge annehmen, mit gewissen – die
Zapfenreibung, Zahnräderreibung, Riemensteifigkeit, Schnittfestigkeit des Materiales
etc. betreffenden – Coëfficienten zu verknüpfen. Dieser Weg ist so
mühsam, daß ihn selbst der gewissenhafteste Constructeur, wenn er ihn gelegentlich
einmal betreten hat, wieder verläßt, weil er findet, daß er durch denselben in ein
labyrinthisches Gewirre von gegebenen und vorauszusetzenden, sicheren und
zweifelhaften Größenbestimmungen, überhaupt viel zu sehr ins Detail der
vielgestaltigen Arbeitsmaschinen geführt wird; um nicht den Ueberblick über das
Ganze hierbei zu verlieren, hat er es daher bisher vorgezogen, den Arbeitsverbrauch
der verschiedenen zu einer Anlage gehörigen Werkzeugmaschinen gut oder übel
abzuschätzen, seinem praktischen Gefühle und den etwaigen Erfahrungen folgend,
welche bei früher ausgeführten Anlagen gesammelt werden konnten. So ist es möglich
geworden, daß, wie mir unser bedeutendster sächsischer Fabrikant für
Werkzeugmaschinen gestand, die Betriebsmaschine für eine und dieselbe Werkstatt von
dem einen Constructeur zu 60, von dem andern zu 120 Pferdestärken veranschlagt
werden konnte. Bei der großen Mannigfaltigkeit der Werkzeugmaschinen nach Anordnung und Größe kann
der hiernach bestehenden Unkenntniß kaum anders abgeholfen werden, als durch
Anstellung specieller Versuche mit einem zwischen die Transmission und jede einzelne
Arbeitsmaschine einzuschaltenden Dynamometer; solche Versuche liefern mit einem weit
geringeren Aufwand von Rechnungsarbeit, ohne jegliche zweifelhafte Annahmen und
Voraussetzungen, daher mit erwünschter Sicherheit den Arbeitsverbrauch der in
Benützung befindlichen Maschinen unter den factisch bestehenden Eigenthümlichkeiten
ihres Ganges und ihrer Wirkungsweise. Der von Arbeiten aller Art geplagte praktische
Maschinen-Ingenieur findet nun freilich zur systematischen Durchführung
derartiger Versuche auch nur selten die erforderliche Zeit, daher denn wohl den
technischen Bildungsanstalten, welche einmal die Verpflichtung haben, den angehenden
Constructeur mit allem zum Entwurf technischer Anlagen nothwendigen Wissen
auszustatten, die Aufgabe zufällt, die Durchführung von Versuchen der bezeichneten
Art in die Hand zu nehmen.
Die Direction des k. sächsischen Polytechnikums, welche dem Gegenstand schon früher
ihre besondere Aufmerksamkeit zuwendete, beauftragte im Jahre 1869 den Verfasser mit
der Durchführung einer Versuchsreihe, welche die Ermittelung des Arbeitsverbrauches
und der Leistung der Holz- und Metallbearbeitungsmaschinen zum Ziele haben
sollte und erwirkte bei dem königl. Ministerium des Innern die Gewährung der hierzu
erforderlichen Geldmittel. Diese Versuchsreihe, deren Durchführung in den beiden
größten Chemnitzer Maschinenfabriken (Sächsische Maschinenfabrik, vorm. Richard
Hartmann – und Chemnitzer Werkzeug-Maschinenfabrik, vorm. Johann
Zimmermann) erfolgte, ist im Jahre 1872 zu einem vorläufigen Abschluß gekommen und
es wurden ihre Ergebnisse vor Kurzem in dem 3. Heft der „Mittheilungen der
königl. sächsischen polytechnischen Schule“ (B. G. Teubner, 1873, Leipzig) veröffentlicht.Wir haben auf dieses Werk bereits i. v. H. unter den „Anzeigen der
Redaction“
besonders hingewiesen. Die Red.
Durch ein überaus dankenswerthes, bereitwilliges Entgegenkommen der Directionen der
erwähnten Etablissements ist es gelungen, die gegenwärtig courantesten
Werkzeugmaschinen (einschließlich selbst der Krahne und Ventilatoren) je in
mehreren, den verschiedenen Modellgrößen entsprechenden Exemplaren der Untersuchung
auf Arbeitsverbrauch und Leistung zu unterziehen; im Ganzen ist solches mit 69
Maschinen geschehen und zwar mit 4 Scheeren und Durchschnitten, 5 Maschinensägen, 11
Hobelmaschinen für Metalle, 2 Holzhobelmaschinen, 5 Metallbohrmaschinen, 2
Holzbohrmaschinen, 3 Metallfräsmaschinen, 12 Holzfräsmaschinen, 3 Schleifsteinen und
Schleifmaschinen, 7 Drehbänken für Metalle, 2 Holzdrehbänken, 5
Specialwerkzeugmaschinen, 3 Krahnen und 6 Ventilatoren.
Es verbietet sich durch den Umfang der gewonnenen Resultate von selbst, hier in das
Detail derselben einzugehen. Jedoch beabsichtige ich, einiges über den allgemeinen
Charakter derselben und über die für ganze Gruppen der untersuchten Maschinen
giltigen Durchschnittsergebnisse hier vorzuführen.
Mein Absehen war in erster Linie darauf gerichtet, zuverlässige Werthe für den
Arbeitsverbrauch gut eingelaufener Werkzeugmaschinen im Leergang zu finden, welcher bei manchen Maschinengattungen einen recht
ansehnlichen Theil des totalen Arbeitsverbrauches ausmacht und bezüglich dessen
eigentlich die größte Unsicherheit herrscht. Hierzu war in der Regel die
Durchführung mehrerer Versuche erforderlich, weil – wie bekannt – die
meisten Werkzeugmaschinen mancherlei Wechsel nach Geschwindigkeit, Hubhöhe etc. des
Werkzeuges zulassen, und es konnte in den meisten Fällen aus den Ergebnissen dieser
Versuche eine empirische Formel construirt werden, welche den Einfluß aller
wesentlich einwirkenden Momente zum Ausdrucke brachte. Zuweilen war es möglich, für
ganze Gruppen von Maschinen Formeln dieser Art aufzustellen.
So fand sich z.B., daß für gewöhnliche (einfache) Scheeren
und Durchschnitte die Leergangsarbeit zutreffend durch
die Formel:
(1) N₀ = 0,1 + nδ²/10⁶ Pferdestärken
dargestellt werden kann, worin
δ die Maximaldicke des abzuscheerenden oder zu
brechenden Bleches in Millimeter,
n die Zahl der Schnitte pro
Stunde bedeutet.
Danach würde z.B. bei
δ
=
10
20
30
40
Millim. Blechdicke im Maximum,
n
=
600
550
500
450
Schnitten pro Stunde,
N₀
=
0,16
0,32
0,55
0,82
Pferdestärken
als Betrag der Leergangsarbeit anzusetzen sein.
Für Kreissägen wird man ebenso sich in Zukunft der Formel
bedienen können:
(2) N₀ = (U . D)/(8 .
10³) Pferdestärken,
worin
U
die minutliche Umdrehungszahl der Säge,
D
den Sägenblattdurchmesser in Millimeter
bedeutet. Diese Formel ergibt z.B. für
U = 850, D = 800 Millimeter,
N₀ = 0,95 Pferdestärken.
Für die verschiedenen Arten der Hobelmaschinen ist die
Herleitung einer solchen Formel wegen der großen Zahl beeinflußender Momente noch
nicht möglich gewesen. Man muß daher in jedem einzelnen Falle sich aus dem
Versuchsbericht diejenige Maschine aussuchen, welche der gerade vorliegenden am
nächsten kommt. So fand sich z.B. bei der Nuthstoßmaschine MA der „Chemnitzer
Werkzeugmaschinenfabrik“ (größter Stößelhub 200 Millim.,
Stößelgewicht 42,5 Kilogrm.) die Leergangsarbeit:
(3) N₀ = 0,045 + (n .
h)/10 Pferdestärken,
worin
n die Zahl der Stößelhübe pro Minute,
h die Hubhöhe des Stößels in Millimeter
bedeutet, daher für den größten Stößelhub h = 200 Millim. sich bei
n
=
19,2
48,3
106
Stößelhüben pro Minute,
N₀
=
0,082
0,141
0,256
Pferdestärken
berechnet.
Bei den Bohrmaschinen genügt es, die minutliche
Umdrehungszahl der Vorgelegswelle u₁ und
diejenige der Bohrspindel u₂ zu kennen, um für
jede der hauptsächlichsten Gattungen aus einer der folgenden Formeln den
Arbeitsverbrauch (in Pferdestärken) des Leerganges angenähert zu finden:
Für Bohrmaschinen ohne Zahnräderantrieb,
(4) N₀ = 0,0006 . u₁ + 0,0005 . u₂.
Für Bohrmaschinen mit Räderbetrieb der Bohrspindel
(5) N₀ = 0,0006 . u₁ + 0,001 . u₂.
Für Radialbohrmaschinen ohne Rädervorgelege
(6) N₀ = 0,0006 . u₁ + 0,004 . u₂.
Für Radialbohrmaschinen mit Rädervorgelege
(7) N₀ = 0,04 + 0,0006 . u₁ + 0,004 . u₂.
Ist z.B. bei einer Maschine der letzten Art u₁ =
120, u₂ =130, so folgt N₀ = 0,632 Pferdestärken.
Bei den Fräsmaschinen für Metalle erreicht die
Betriebsarbeit für den Leergang wegen der geringen Umdrehungszahl des Werkzeuges in
keinem Falle einen hohen Werth; dieselbe bewegt sich zwischen 0,1 und 0,5
Pferdestärken und ist in zu starkem Maße von der speciellen Anordnung der Maschine abhängig,
als daß sich aus der kleinen Zahl von Versuchsreihen allgemein giltige Regeln hätten
ableiten lassen.
Anders bei den Fräsmaschinen für Holz; hier ist wegen der
großen erforderlichen Schnittgeschwindigkeit auch die Tourenzahl der Messerwalzen
sehr groß und es tritt hier unter allen die Leergangsarbeit bestimmenden Umständen
die minutliche Umdrehungszahl der sämmtlichen schnell rotirenden Achsen von der
Vorgelegswelle bis zu den Messerwalzen in erste Linie, daher es hier gerechtfertigt
schien, aus den sämmtlichen gewonnenen Daten eine Näherungsformel zu berechnen,
welche nur den Zusammenhang zwischen der Leergangsarbeit N₀ und der Summe der minutlichen Tourenzahlen aller vorbezeichneten
Achsen ausdrückt. Bezeichnet man diese Summe mit Σ (u), so kann man durchschnittlich
setzen:
(8) N₀ = Σ (u)/2000 Pferdestärken.
Hat z.B. eine Holzfräsmaschine 4 Messerwalzen und beträgt die Tourenzahl pro Minute
der
Vorgelegswelle
200
einer
Zwischenwelle
800
einer
Messerwalze 2000, zusammen 4 × 2000
=
8000
––––––––
daher die Summe aller minutlichen Tourenzahlen Σ (u)
=
9000,
so berechnet sich die Leergangsarbeit bei gewöhnlicher
Schmierung zu:
N₀ = 9000/2000 = 4,50
Pferdestärken.
Für große (grobkörnige) Schleifsteine ergab sich die
Leergangsarbeit:
(9) N₀ = 0,0264 . D . V
Pferdestärken,
für kleine (feinkörnige), einschließlich Vorgelegswelle:
(10) N₀ = 0,16 + 0,056 . D .
V Pferdestärken,
worin:
D den Steindurchmesser in Meter,
V die Umfangsgeschwindigkeit des Steines in Meter
bezeichnet, daher z.B. für einen Stein der ersten Art bei D = 2 Meter und V = 15 Meter
pro Secunde N₀
=0,792 Pferdestärken, für einen solchen der zweiten Art bei D
= 1 Meter, V = 5 Meter pro Secunde, N₀ = 0,38 Pferdestärken sich ergibt.
Die Leergangsarbeit der Drehbänke ist nach einer der
folgenden Formeln zu berechnen, in denen u₂ die
minutliche Umdrehungszahl der Spindel bezeichnet:
Zahl der Radübersetzungen
Leergangsarbeit in Pferdestärken bei
zwischen Antriebswelle und
leichter
schwerer
Spindel:
Ausführung:
(11)
0
0,05 + 0,0005 . u₂
0,25 + 0,0041 . u₂
(12)
2
0,05 + 0,0012 . u₂
0,25 + 0,053 . u₂
(13)
3 oder 4
0,05 + 0,05 . u₂
0,25 + 0,18 . u₂
Für eine Supportdrehbank ohne Rädervorgelege wird daher bei N₀ = 150 Umdrehungen der Spindel pro
Minute die Leergangsarbeit zwischen N₀ = 0,125
und N₀ = 0,865 Pferdestärken zu suchen sein, für
eine Planscheibenbank mit 3-fachem Rädervorgelege und bei u₂ = 10 Umdrehungen zwischen N₀ = 0,55 und N₀ = 2,05 Pferdestärken.
(Schluß folgt.)