Titel: | Lippmann's kleiner Motor. |
Fundstelle: | Band 212, Jahrgang 1874, Nr. LI., S. 300 |
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LI.
Lippmann's kleiner
Motor.
Aus der Revue
industrielle, April 1874, S. 85.
Lippmann's kleiner Motor.
Bringt man auf den Boden einer Unterschale oder eines Glases ein Quecksilberkügelchen
von einigen Centimeter (richtiger wohl Millimeter A. d. Ref.) Durchmesser, gießt
darüber etwas mit Schwefelsäure angesäuertes, durch doppelt-chromsaures Kali
schwach gefärbtes Wasser und berührt das Kügelchen seitwärts mit einer Nadelspitze,
so sieht man das Quecksilber sich zusammenziehen, dann wieder seine ursprüngliche
Lage annehmen, das Eisen berühren, sich abermals zusammenziehen u.s.f. Hat das
Kügelchen einige Dicke, so machen seine seltsamen Verdrehungen auf den
Uneingeweihten einen überraschenden Eindruck. Das Phänomen erklärt sich indessen
durch die Thatsache, daß unter dem Einflusse des doppelt-chromsauren Kalis
und des Eisens das Quecksilber sich hintereinander oxydirt und desoxydirt, wodurch
seine capillare Beständigkeit modificirt und seine Abplattung und Aufschwellung
hervorgerufen wird. Behufs der Oxydation und Desoxydation kann man sich eines
elektrischen Stromes bedienen; man sieht alsdann den Tropfen sich zusammziehen oder
abplatten, je nachdem er mit dem negativen (desoxydirenden) oder mit dem positiven
(oxydirenden) Pol einer Volta'schen Säule in Verbindung
gesetzt wird.
Um nun diese alternirende Bewegung des Quecksilberkügelchens nutzbar zu verwenden,
hat Lippmann folgenden originellen Motor combinirt. Er
stellt in einen Glastrog zwei mit Quecksilber gefüllte Gefäße, in deren jedes ein
aus einem Glasröhrenbündel gebildeter Kolben taucht. Der Trog selbst wird mit
angesäuertem Wasser gefüllt. Beide Quecksilbermassen stehen mit dem Polen einer
Säule in Verbindung. Während also die eine Quecksilbermasse aufschwillt, sinkt die
andere in ihre ursprüngliche Form zurück; einer der beiden Glaskolben steigt also in
die Höhe, während der andere sich senkt. Diese Wechselbewegung der Kolben braucht
schließlich nur mit Hilfe gewöhnlicher mechanischen Vorkehrungen in eine
continuirliche Kreisbewegung umgewandelt zu werden. In diesem Sinne hat Hr. Lippmann einen kleinen elekto-capillaren Motor von
einigen Hundertel-Kilogrammmeter zu Stande gebracht. Das Schwungrädchen des
kleinen Apparates macht circa 100 Umdrehungen pro Minute. Das Maschinchen arbeitet unter dem Einflusse
eines äußerst schwachen elektrischen Stromes und bildet ein höchst empfindliches
Elektrometer, so daß es dazu dienen kann, die Existenz elektrischer Kräfte
anzuzeigen, welche mit gewöhnlichen Apparaten nicht nachweisbar sind. Man könnte
dieses System möglicher Weise zur Empfangnahme transatlantischer Depeschen
verwenden, deren Transmission bekanntlich mittels sehr schwacher elektrischer Ströme
erfolgt.