Titel: | Die chemische Grossindustrie auf der Wiener Weltausstellung 1873; van Professor Dr. A. Bauer. |
Fundstelle: | Band 212, Jahrgang 1874, Nr. LXXVIII., S. 410 |
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LXXVIII.
Die chemische Grossindustrie auf der Wiener
Weltausstellung 1873; van Professor Dr. A. Bauer.Druck und Verlag der k. k. Hof- und Staatsdruckerei, Wien 1871. (40 S. in
gr. 8. Preis 45 Neukreuzer.)
Mit einer Abbildung.
Bauer, über die chemische Großindustrie auf der Wiener
Weltausstellung 1873.
Unter den bis jetzt erschienenen Heften des officiellen Ausstellungsberichtes,
herausgegeben durch die General-Direction der Weltausstellung 1873, nimmt der
von Professor Dr. A. Bauer
verfaßte und die chemische Groß-Industrie behandelnde eine hervorragende
Stellung ein. Derselbe zerfällt in zwei Theile, wovon der erste mehr die
allgemeinen, wissenschaftlichen Grundlagen, auf welchen die Fortschritte der
chemischen Industrie basiren sowie die historische Entwickelung derselben seit der
letzten Pariser Ausstellung enthält; während der zweite Theil die einzelnen
Ausstellungs-Objecte und ausstellenden Firmen eingehend bespricht.
Wir beschränken uns hier darauf, aus dem umfassenden Berichte nur das wichtigere und
weniger bekannte zu bringen, allen Fachleuten und Freunden der chemischen Industrie
es überlassend, den Bericht selbst eingehend zu studiren.
Nach einer kurzen Einleitung, in welcher die Fortschritte auf dem Gebiete der
chemischen Großindustrie vorausgeschickt werden, geht der Bericht auf die
„Quellen des Schwefels“
über.
Es heißt hier in Betreff des Raffinirens desselben:
„Das Raffiniren des Schwefels wird noch immer vorzugsweise in Belgien und
Frankreich ausgeführt. Das Product der Schwefelhütten Siliciens und Neapels wird
in Broten von 28 bis 30 Kilogramm Gewicht als Rohschwefel verführt und enthält 4
bis 10, ja in den unteren Theilen zuweilen 25 Procent fremder Stoffe, worunter
Bitumen, Kalkstein, bisweilen Cölestin, Sand etc.
In Belgien wird die Schwefelraffinerie seit 1854 betrieben und wurde damals wohl
durch J. de Wyndt unter Mitwirkung des L. Reis in Merxem les Anders begründet. Im Jahre 1859
entstand daselbst eine zweite Raffinerie und endlich errichtete die Firma Koch und Reis im Jahre
1868 eine große Raffinerie in Dam (Antwerpen), welche gegenwärtig die
bedeutendste ist und durch eine sehr schöne Exposition in der Ausstellung
vertreten war. Die Wichtigkeit dieser Industrie für Belgien wird aus der
folgenden Tabelle ersichtlich, welche die Ein- und Ausfuhr des zur
Raffinerie kommenden Schwefels in den Jahren 1867 bis 1871 angibt:
Importation
Exportation
Jahr
Gesammtmenge
In Verarbeitunggenommen
AusgeführteWaare
In Belgienraffinirt
Auslandtransit
Kilogramm
1867
2,540,501
2,540,277
1,210,717
1,210,483
234
1868
4,179,679
4,179,531
1,610,972
1,610,824
148
1869
5,838,259
5,838,259
3,046,952
3,046,952
–
1870
5,239,999
5,225,916
3,260,106
3,246,023
14,083
1871
8,405,120
8,403,546
5,284,150
5,282,576
1,574
Die Einfuhr erfolgte fast ausschließlich aus Italien (Sicilien) und zum sehr
geringen Theile aus England und Amerika. Die Ausfuhr erfolgt nach Frankreich,
Deutschland, den Niederlanden, England und Amerika.
Der Raffinir-Apparat von Dujardin ist
derjenige, welcher gegenwärtig meistens benützt wird. Es erfolgt in demselben,
wie allgemein bekannt ist, die Destillation aus einer linsenförmigen Retorte,
welche man jedesmal mit 600 bis 700 Kilogramm von im Vorwärmer geschmolzenen
Schwefels chargirt. Die Destillation einer Partie dauert vier Stunden und nach
jeder Destillation wird die Retorte gereinigt. Die Condensationskammern haben
500 bis 600 Kubikmeter Inhalt und, wenn man auf Stangenschwefel hinarbeitet,
macht man täglich sechs, wenn auf Blumen, täglich eine Operation.
Zum Gießen in Formen wendet man einen von L. Reis
construirten Apparat an, bei welchem die einzelnen Formen an den Reifen eines
horizontalen und drehbaren Rades befestigt sind und dadurch leicht und rasch
durch Drehung unter den aus den Kammern ausfließenden Schwefel gebracht werden
können. Ersparniß an Zeit und Arbeitskraft sind die mit diesem Apparate
verbundenen Vortheile.“
Uebergehend auf die Gewinnung des Schwefels aus Pyriten werden die Verhältnisse der
Schwefel-Gewinnung der Firma Joh. David Starck in
Altsattel in Böhmen besprochen, welche zugleich historisches Interesse weckt, da wir
hier eine Fabrikation vor uns haben, die mit zu den ältesten chemischen Processen
gehört und an das Treiben der Alchemisten erinnert. In dem Berichte finden wir
folgende Angaben:
„Die Erzeugung des Schwefels durch Destillation der Pyrite hat gegenwärtig
ihre Bedeutung verloren, war jedoch auf der Ausstellung durch die Firma J. D.
Starck in sehr vollkommener Weise zur Anschauung
gebracht.
Auf den Werken dieser Firma wird die Destillation der Kiese namentlich in
Littmitz und Altsattel betrieben, um die zur Eisenvitriol-Erzeugung
nöthigen Kiesabbrände zu erhalten. Folgende Tabelle zeigt die Entwickelung der
Fabrikation in den Jahren 1833 bis 1872.
Jahre
Es wurdeSchwefelkiesgefördert:
HierausSchwefelerzeugt:
Schwefelblumenerzeugt:
Eisenvitriolgewonnen:
Centner
1833 bis 1842
650,960
56,829,13
1,777,75
201,112,54
1843 „ 1852
674,771
70,450,93
4,533,09
245,353,41
1853 „ 1862
621,565
66,624,67
4,833,78
315,160,00
1863 „ 1872
532,889
48,821,76
649,30
261,177,00
Das Rohmateriale zur Gewinnung des Schwefels in Altsattel ist ein mit Thon
vorkommender sogenannter Wasserkies, welcher einer einfachen Aufbereitung durch
Abschlämmen unterworfen wird. Die Destillation erfolgt aus Röhren, die aus Thon
von Kulm und Neugrün mit starkem Zusatz von grobkörnigem Quarz angefertigt
werden. Dieselben sind 1 Meter lang, 12 Centimeter hoch und 14 Centimeter breit,
rückwärts ganz offen und verengen sich nach vorne zu einer Spitze von 2
Centimeter im Durchmesser. Die Darstellung dieser Röhren erfolgt durch Pressen
mittels einer Maschine und es werden dieselben mit Kochsalz glasirt.“
Hier sei auch die Methode dieser Schwefel-Gewinnung und besonders die Art und
Weise des Verschlusses der Retorten erwähnt, wie solche durch die genannte Firma
geübt werden, da man hierüber abweichende und ungenaue Angaben vorfindet.
Textabbildung Bd. 212, S. 412
„Bei der Anwendung zur Schwefelgewinnung kommen je 21 dieser Retorten
in drei obereinander befindlichen Reihen in einen Ofen. Als Vorlage dient
für jede Retorte ein, halb mit Wasser gefülltes Blechkistchen, welches an
dem verjüngten Ende der Retorte angesetzt ist. Der Pyrit wird beim offenen
Ende eingetragen, ein schief geneigtes Blechstück vorgeschoben und die
dadurch gebildete rinnenförmige Oeffnung mit Sand oder Kiesabbrand
ausgefüllt und somit verschlossen, wie der beigegebene Holzschnitt
zeigt.
Diese Methode der Schwefelgewinnung wird übrigens außer in Oesterreich auch noch
in einigen anderen Ländern betrieben so namentlich in Schweden, wo ein
continuirlicher Ofen benützt wird, welcher den Vortheil hat, daß man die Hälfte
des Schwefels der Pyrite gewinnt, während man bei der Destillation in Thonröhren
nur ein Drittel erhält. Die Einrichtung dieses Ofens ist der eines
continuirlichen Kalkofens ähnlich, welcher am oberen Theile mit einem als
Condensationsraum functionirenden und aus Holz angefertigten Schlote versehen
ist. Soll die Arbeit beginnen, so bringt man etwas Brennstoff in den Ofen und
füllt ihn mit Pyriten. Nachdem das Feuer angemacht ist, geht die Verbrennung auf
Kosten eines Theiles des Schwefels der Pyrite fort, während die Hälfte dieses
Schwefels sich verflüchtigt und im Schlot condensirt wird. Durch eine seitlich
oben angebrachte Oeffnung können nun neue Pyrite eingetragen und durch eine
untere Oeffnung die Abbrände entfernt, mithin das Brennen continuirlich
fortgesetzt werden.“
Ueber die Methoden der Wiedergewinnung des Schwefels aus den Sodarückständen finden
wir folgende Bemerkung:
„In den letzten Jahren hat man die chemischen Vorgänge bei der
Regenerirung des Schwefels, welche zuerst von Schaffner näher studirt wurden, neuerdings zum Gegenstande
theoretischer Arbeiten gemacht und es ist namentlich eine ausgezeichnete,
diesbezügliche Abhandlung von Professor C. Stahlschmidt
Dingler's polytechn. Journal 1872, Bd. CCV S.
229. erschienen. Diese Arbeit, welche mehrfache für die Praxis wichtige
Andeutungen enthält, beschäftigt sich auch mit den Ursachen der Bildung von Gyps
bei dem Processe der Regenerirung. Diese Bildung veranlaßt selbstverständlich
Schwefelverluste und wird von Schaffner ganz auf
Rechnung des Schwefelsäure-Gehaltes der angewendeten Salzsäure gesetzt.
Stahlschmidt (und L. Mond) dagegen nimmt an, daß sich nach Schaffner's Methode nicht unbedeutende Mengen von trithionsaurem Kalk
bilden, welcher sich dann beim Erhitzen in schwefelsauren Kalk, schweflige Säure
und Schwefel zersetzt.
Schaffner theilt diese Ansicht nicht, und es muß in
der That abgewartet werden, ob der directe Nachweis erheblicher Mengen von
Trithionsäure in der Lauge gelingt und selbst wenn dies der Fall ist, so muß
erwogen werden, daß nach Schaffner's Methode die
schweflige Säure der vorhergehenden Operation in die kalte Lauge tritt und erst,
nachdem die Masse der vorhergehenden Operation völlig mit Salzsäure zersetzt
ist, wird die von der Flüssigkeit absorbirte schweflige Säure durch Dampf ausgetrieben; es sind
also jedenfalls die vorhandenen Bedingungen der Zersetzung der Trithionsäure
nicht günstig, überdies theilt uns Hr. Schaffner mit,
daß, wenn man im Kleinen mit reiner Salzsäure arbeitet, keine Spur Gyps gebildet
werde.“
Der Schluß des Kapitels über die „Quellen des Schwefels“ bildet
die Betrachtung über die Verwerthung der Röst-Rückstände bei der
Schwefelsäure-Fabrikation. Es heißt dort:
„Eine Aufgabe, welche die Industrie im hohen Grade beschäftigt, ist die
der Verwerthung der Röst-Rückstände oder Abbrände. Verwendet man Pyrite,
so sind die Rückstände ihres zwar geringen, oft aber doch 5 bis 6 Proc.
betragenden Schwefelgehaltes wegen, nicht leicht zur Verhüttung auf Roheisen
geeignet. Die Versuche von Richter
Dingler's polytechn. Journal 1871, Bd. CXCIX
S. 292. haben aber allerdings gezeigt, daß man durch Beimengen solcher Abbrände
zu reinen Erzen und unter Anwendung einer sehr basischen Schlacke den
Schwefelgehalt erfolgreich bekämpfen kann, allein das Eisen fällt dann leicht
stark siliciumhaltig, da alle Umstände, durch welche der Schwefel entfernt wird,
die Aufnahme des Siliciums zur Folge haben. Daß jedoch ein Verhütten dieser
Abbrände möglich ist, hat die Ausstellung bewiesen, da sowohl die Firma St. Gobain, Chauny und Cirey
als auch die Aussiger Fabrik dieselbe durchführen.
Uebrigens bleibt noch immer die Gewinnung des Kupfers aus den kupferhaltigen
Kiesen die wichtigste Methode der Nutzbarmachung. Zuweilen verarbeitet man diese
Rückstände auch auf andere accessorische Bestandtheile, wie Silber oder Zink,
zuweilen auf Eisenmennig.“
(Schluß folgt.)