Titel: | Ueber das Dextrin; von A. Bondonneau. |
Fundstelle: | Band 212, Jahrgang 1874, Nr. XCIV., S. 489 |
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XCIV.
Ueber das Dextrin; von A. Bondonneau.
Nach dem Bulletin de la
Société chimique de Paris, t. XXI. p.
50 und 149, Januar und Februar 1874.
Bondonneau, über das Dextrin.
In einer Arbeit über das Dextrin nimmt Mulder die Existenz
von drei Isomeren desselben an, deren jede einem verschiedenen Fabrikationsverfahren
entspricht: der Röstung des Stärkemehls, der Einwirkung der Diastase und der
Einwirkung verdünnter Säuren. Diese drei Dextrine besitzen zwei gemeinschaftliche
Eigenschaften: 1) alkalische Kupferlösungen zu reduciren, 3) durch ätzende Alkalien
eine braune Farbe anzunehmen. Ich bemerke hierzu gleich, daß diese Eigenschaften
auch von der Glykose getheilt werden.
Indem Mulder die Reducirbarkeit der Kupfersalze als einen
allgemeinen Charakter der Dextrine aufstellt, gibt er nicht an, ob dieses Verhalten
einer bestimmten Reaction entspricht, und ob demgemäß und für ein und dieselbe
Quantität Dextrin die absorbirte Sauerstoffmenge constant ist. Wenn der holländische
Chemiker diese Reaction genauer studirt hätte, so würde er sofort erkannt haben, daß
die von ihm erhaltenen Producte stets durch Glykose verunreinigt waren, und daß die
Reduction der Kupfersalze der letzteren Substanz und nicht dem Dextrin zuzuschreiben
ist, denn dieses wirkt im reinen Zustande gar nicht reducirend; alkalische
Kupferlösung ist daher überhaupt kein Reagens auf Dextrin.
Wenn man in der Industrie den Verlauf der Zuckerbildung mittels Kupferlösung
verfolgt, so findet man, daß die Menge der reducirenden Materie regelmäßig bis zu
einem ziemlich festen Punkte steigt, und daß das Product alsdann 85 Proc. Glykose
und 15 Proc. Dextrin enthält. Wenn man aber einen solchen Sirup neuerdings der
Einwirkung der Säuren in der Wärme (bei 100°) unterwirft, so zeigt sich, daß
die Quantität des reducirten Kupfersalzes proportional der angewendeten Zeit und
Säure zunimmt. Bei diesen neuen Verhältnissen gelangt man an eine Grenze, welche
nicht überschritten werden kann und der gänzlichen Umwandlung des Stärkemehls in
Glykose entspricht. Es ist klar, daß in einem so angestellten Versuche, wenn, wie
ich voraussetze, die Glykose allein das Kupfersalz reducirt, es möglich ist, in
jedem Momente der Operation die relativen Quantitäten von Glykose und Dextrin zu
bestimmen.
Um die gestellte Aufgabe zu lösen, suchte ich mir reines Dextrin durch Fällen mit
Weingeist zu verschaffen; nach fünf solchen Behandlungen lieferte der (trocken
angenommene) Sirup 90,20 Proc. Dextrin und 9,80 Proc. Glykose.
Wenn man ein solches Präparat für reines Dextrin ansieht, so müßte dies allerdings
die von Mulder angegebenen Eigenschaften besitzen. Aber
wenn man, anstatt gewöhnlicher Kupfer-Natronlösung, welche in starkem
Weingeist unlösliche Salze enthält, zur Reduction anzuwenden, dieser Flüssigkeit
Kupferchlorid und Aetznatron in etwas größeren Mengen zufügt, als zu der weiter
unten erwähnten Zerstörung (der Glykose) erforderlich ist, so bleibt ein Körper
übrig, welcher nicht mehr auf das Kupferoxyd wirkt; und wenn nach dem Erkalten,
Ansäuren mit Salzsäure und Fällen mit Weingeist, die Substanz die Kupferlösung noch
reducirt, so muß man annehmen, daß das Dextrin in der That reducirend auf das
Kupferoxyd wirkt, aber successiv. Der oxydirbare Theil des Sirups wird mithin nicht
auf einmal zerstört; der andere Theil ist vollständig unwirksam, und, um Spuren von
Niederschlag zu erhalten, muß man die Flüssigkeit über eine Viertelstunde lang
kochen lassen.
Das praktischste Verfahren zur Darstellung des von Glykose ganz freien Dextrins
besteht darin, letzteres durch Kupferoxyd zu zerstören, indem man dazu eine Substanz
anwendet, welche möglichst wenig Glykose enthält.
Darstellung des reinen Dextrins. Dazu bediente ich mich
eines künstlichen, durch Röstung erhaltenen Präparates, worin sich noch 2,4 Proc.
Glykose befanden. Es wurde in so viel Wasser gelöst, daß die Lösung 2 bis 3°
Baumé zeigte. Sie war sehr trübe in Folge einer kleinen Menge suspendirter
Stärke und ließ sich nicht eher klar filtriren, bis ich sie vorher mit einer Portion
feingepulvertem Beinschwarz versetzt hatte, wodurch sie auch zugleich entfärbt
wurde. Zur Zerstörung der Glykose setzte ich Kupferchlorid, dann bis zur
Wiederauflösung des Niederschlages Aetznatron hinzu, erhitzte zum Kochen und
unterhielt dasselbe eine halbe Stunde lang. Nach dem Erkalten wurde klar abgegossen
(sollte sich das entstandene Kupferoxydul nicht gut absetzen, so fügt man ein wenig
Beinschwarzpulver hinzu und filtrirt), die blaue Flüssigkeit möglichst weit
eingeengt (wobei sie kein Kupferoxydul mehr fallen lassen darf), nach dem Erkalten
vorsichtig (um Erwärmung zu vermeiden) mit Salzsäure angesäuert und mit Weingeist
gefällt.
Das Einhalten einer niedrigen Temperatur beim Sättigen ist erforderlich zur
Vermeidung der Bildung von Glykose, und das Ansäuren deshalb, damit durch den
Weingeist nicht auch Kupferoxyd niedergeschlagen werde. Sind diese beiden
Bedingungen erfüllt, so besteht der Niederschlag nur aus Dextrin. Das Widerauflösen
und Fällen mit Weingeist wurde mehrmal wiederholt, bis das Dextrin beim Verbrennen
keine Asche mehr hinterließ, die Lösung nöthigenfalls auch noch mit Beinschwarz
entfärbt, verdunstet und der Rückstand bei höchstens 70° getrocknet.
Ein so hergestelltes Dextrin ist weiß, in kaltem Wasser vollkommen löslich, wird
durch Jod dunkelroth gefärbt, und enthält höchstens 0,2 Proc. Glykose, die sich aber
erst während des Trocknens gebildet haben, denn vorher findet sich darin keine Spur
davon.
Die nachfolgende Tabelle enthält die chemischen Reactionen dieses Dextrins im
Vergleiche zu dem dazu verwendeten Rohmaterial sowie zu dem mittels verdünnter
Säuren bei 100° erzeugten und zu dem daraus auf gleiche Weise wie oben rein
dargestellten Dextrin. Man ersieht aus dieser Tabelle, daß die Dextrine sich nur je
nach ihrem Glykose-Gehalte von einander unterscheiden, und daß die
gereinigten sich ganz gleich verhalten. Die Reaction des Baritwassers verdient eine
besondere Erwähnung, denn der Niederschlag von Dextrinbarit entsteht nicht, wenn das
Dextrin viel Glykose enthält, und eine Lösung dieser Zuckerart löst denselben sofort
wieder auf.
Textabbildung Bd. 212, S. 491
Jodtinctur; Kupferlösung;
Aetznatron; Ammoniakalisches Natrium-Silber-Nitrat; Concentrirte
Goldsolution; Baritwasser; Ammoniakalisches Bleiacetat; Reines Dextrin vor dem
Trocknen; Reines Dextrin nach d. Trocknen; Rohes durch Rösten erhalt. Dextrin;
Daraus gewonnenes reines Dextr.; Mit sämmtl. Präparaten tiefrothe Färbung,
welche bei 40° verschwand u. in d. Kälte wieder eintrat; Kein
Niederschl.; Proc. Glykose; Keine Färbung; Gelbliche Färbung; Braune Färbung;
Schwarze Färbung; Schwacher Niederschl.; Reichlicher Niederschl.; Keine
Reaction; Niederschl.; Keine Reaction
Man kann mithin den Schluß ziehen, daß das durch Säuren und das durch Rösten
entstandene Dextrin gemäß ihren chemischen Reactionen ein und dieselbe Substanz sind,
und daß die von Mulder erhaltenen Präparate als Gemenge
von Dextrin und Glykose in wechselnden Quantitäten betrachtet werden müssen.
Im Verlauf der Untersuchung ergab sich dann, daß alle im Handel vorkommenden
Stärkemehle von Schwefelsäure, Milchsäure oder Buttersäure sauer sind, und daß die
Säure entweder vom Fabrikanten zugesetzt wird, um seine Waare zu bleichen oder daß
sie Gährungsproduct ist.
Ich vermuthete, daß die Gegenwart dieser kleinen Menge Säure nicht nur im Stande sei,
die Umwandlung der Stärke in Dextrin zu bewirken, wie Payen nachgewiesen hat, sondern auch die Quantität der etwa entstehenden
Glykose zu vermehren. Ich brachte daher 10 Grm. eines sorgfältig entsäuerten
Stärkemehles in eine zum Trocknen organischer Substanzen dienende Röhre und ließ
während der Dauer des Versuches einen durch Schwefelsäure getrockneten Luftstrom
darüber streichen jedoch mit der Vorsicht, daß derselbe vor der Berührung mit dem
Stärkemehle erst durch mehrere mit Bimsstein gefüllte Röhren zu gehen hatte, um das
Mitreißen von Säuren bis dahin zu verhüten. Die das Stärkemehl enthaltende Röhre lag
in einem Paraffinbade, dessen Temperatur je nach Bedürfniß regulirt wurde.
Das Paraffinbad wurde erhitzt zwischen
50
und
60°
4
Stunden lang,
80
„
110°
6
„ „
140
„
145°
4
„ „
145
„
200°
0,2
„ „
auf
200°
1,4
„ „
Wie ich vermuthe, war nach den ersten 14 Stunden das Stärkemehl nur wasserfrei
geworden, und erst von da an begann die isomerische Umwandlung.
Das erhaltene Product war gelb, vollständig löslich in kaltem Wasser und nahm durch
Jod eine violette Farbe an. Zur Bestimmung der Glykose darin wendete ich auf 1 Grm.
zuvor in kaltem Wasser gelöste Substanz 1/2 Kub. Centim. normale Kupferlösung an. Da
die Flüssigkeit nach der Reduction noch blau war, so konnte höchstens 0,25 Proc.
Glykose zugegen sein. Mit Natronlauge gekocht, trat schwachgelbe Färbung ein.
Da Stärkemehl, welches man bei 140° mit Wasser behandelt hatte, Glykose gab,
so war es wahrscheinlich, daß die bloße Gegenwart einer feuchten Atmosphäre von
jener hohen Temperatur die Menge der Glykose vermehren würde. Angestellte Versuche
bestätigten diese Annahme.
Ich erhitzte nämlich, wie in der vorigen Versuchsreihe, das Stärkemehl im trockenen
Luftstrome bis auf 200° und ließ hierauf feuchte Luft darüber streichen,
während die Temperatur 200° blieb. Das diesmal erhaltene Dextrin war wiederum
gelb, löslich in kaltem Wasser und wurde durch Jod roth-violett, enthielt
aber 1 Proc. Glykose, mithin viermal mehr als oben, und
mit Natronlauge entstand auch eine dunklere gelbe Färbung.
Noch blieb festzustellen, ob die Gegenwart einer sehr kleinen Menge Säure auf der
Bildung der Glykose von Einfluß sei. Ich experimentirte daher in zwei Versuchsreihen
bei denselben Temperaturen wie früher, und zwar in der ersten mit vollkommen
trockener Luft, in der zweiten bis zu 200° mit trockener und von da bis zum
Schlusse mit feuchter Luft. Das ganz trocken behandelte Stärkemehl enthielt 0,00035
Aequivalent Säure. Die Resultate waren:
Erste Reihe: Trockne
Luft.
Zweite Reihe: Feuchte
Luft.
Dunkelgelbes Dextrin.
Dunkelgelbes Dextrin.
Röthung durch Jod.
Röthung durch Jod.
1,70 Proc. Glykose.
2,30 Proc. Glykose.
Bräuung durch Natronlauge.
Ferner verdient hervorgehoben zu werden, daß – wie auch schon Mulder gefunden hat – eine sehr geringe Quantität
Säure die Bildung des Dextrins sehr begünstigt, denn in derselben Zeit und in
denselben Temperaturen liefert neutrales Stärkemehl ein Product, welches noch eine
Spur löslichen Stärkemehles enthielt, während man in einem mit saurem Stärkemehl
erhaltenen nichts mehr davon findet. Es ergaben sich also folgende Schlüsse:
1) Das Dextrin verwandelt sich bei hoher Temperatur in einem indifferenten, mit
Feuchtigkeit gesättigten Gase in Glykose.
2) Die Quantität der entstandenen Glykose ist um so größer, je saurer das angewendete
Stärkemehl; auch erfolgt in diesem Falle die isomerische Umwandlung rascher.
W.