Titel: | Das sogenannte Ammoniakverfahren der Sodafabrikation; von Dr. K. List. |
Fundstelle: | Band 212, Jahrgang 1874, Nr. XCVI., S. 507 |
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XCVI.
Das sogenannte Ammoniakverfahren der
Sodafabrikation; von Dr. K. List.Vom Hrn. Verfasser gefälligst eingesendeter Separatabdruck aus der Zeitschrift
des Vereines deutscher Ingenieure, 1874 Bd. 18 S. 93.
Mit Abbildungen auf Tab.
VII.
List, über das Ammoniaksodaverfahren.
Es liegt in der Eigenthümlichkeit der chemischen Industrie begründet, daß auf ihrem
Gebiete manche der wichtigsten Erfindungen sehr lange Zeit gebraucht haben, um sich
aus einem im Laboratorium gelungenen Versuche zu einem lebensfähigen
Fabrikationszweige zu entwickeln. Das schlagendste Beispiel hierfür liefert wohl die
Geschichte der Schwefelsäure. Schon im Jahre 1736 ist in England das in Frankreich
von Lefevre und Lemerie
angegebene Princip der heutigen Fabrikationsmethode ausgeführt worden, aber erst das
Jahr 1810 darf man als den Zeitpunkt ansetzen, von welchem die allgemeine Einführung
der englischen Fabrikationsmethode der Schwefelsäure datirt; denn erst nachdem in
diesem Jahre Holker in Rouen das System der
continuirlichen Verbrennung in Anwendung gebracht hatte, hat sie sich von dort aus
über alle Länder verbreitet.
Eine so langsame, sich über mehr als 70 Jahre hinschleppende Entwickelung würde nun
freilich in unserem rasch lebenden Zeitalter, wo die Industrie jeder Errungenschaft
der Wissenschaft geradezu auflauert, wohl nicht möglich sein. Und doch erleben wir
heute, daß eine Erfindung, die schon vor 35 Jahren patentirt worden ist, erst jetzt
in der chemischen Großindustrie mehrfach eingeführt wird und bestimmt zu sein
scheint, einen ihrer wichtigsten Zweige umzugestalten, wenn nicht auf ihrem ganzen
Gebiete eine durchgreifende Umwälzung zu verursachen. Auf das sogenannte
Ammoniakverfahren der Sodafabrikation – d.h. die Methode, kohlensaures Natron
mittels der Zersetzung von Kochsalz durch zweifach kohlensaures Ammoniak
darzustellen – ist 1838 von Hemming und Dyar in England ein Patent genommen; 1854 ist es zweimal
patentirt, in Frankreich an Türck, und an Th. Schlösing in Paris für Großbritannien und Frankreich.
Letzterer richtete 1855 in Gemeinschaft mit E. Rolland
eine Fabrik zu Puteaux bei Paris ein, welche aber 1858 schon wieder einging, weil
die Salzsteuer keine hinreichend vortheilhafte Production zuließ. Vor weiteren
Versuchen im Großen mögen auch wohl die Resultate abgeschreckt haben, welche Heeren 1858 bei der Untersuchung der Reactionen erhielt, welche dem
Verfahren zu Grunde liegen. Der Theorie nach müßte ein einfacher Umtausch zwischen
je einem Molecül Chlornatrium und einem Molecül zweifach kohlensaurem Ammoniak
stattfinden, indem sich Salmiak und zweifach kohlensaures Natron (Bicarbonat)
bilden, welches letztere sich dann seiner Schwerlöslichkeit wegen aus der
Flüssigkeit ausscheidet; Heeren fand aber bei seinen
Versuchen, daß weniger als die Hälfte des Kochsalzes zersetzt wurde, wenn er nicht
einen Ueberschuß von Ammoniak anwendete, dessen Wiederverwerthung zu schwierig sei,
um nicht leicht beträchtliche Verluste zu verursachen, und seine
Rentabilitätsberechnungen ergaben, daß die Darstellung von einfach kohlensaurem Natron nach dem Ammoniakverfahren keinen Gewinn
abwerfen könne, während freilich sich die Rechnung für das Bicarbonat günstiger
herausstellte. Dessenungeachtet war auf der Pariser Ausstellung 1867 von Ernst Solvay in Couillet nach dem Ammoniakverfahren erzeugte
Soda ausgestellt und, während in der Zwischenzeit über weitere Erfolge dieser
Methoden Schweigen herrschte, hat man jetzt auf der Wiener Ausstellung gehört, daß
sie in mehreren Fabriken seit längerer Zeit schon in regelmäßigem Betriebe ist; daß
sie in Couillet täglich 250 bis 500 Ctr. Soda, im Jahre 80,000 Ctr. liefert; in
Aachen bei M. Honigmann und auch in Kasan schon seit
mehreren Jahren ausgeführt wird. Wenn wir ferner erfahren, daß sie auch schon in
England, z.B. in Liverpool und Preston, festen Fuß gefaßt hat, so müssen wir es für
vollkommen berechtigt halten, daß die internationale Jury in Wien sowohl Schlösing und Rolland wie
Ernst Solvay mit der nur Wenigen zuerkannten höchsten
Auszeichnung (Ehrendiplom) geehrt hat. Um aber ihr Verdienst recht zu würdigen und
zu begreifen, weshalb von gewichtigen Stimmen der Sodafabrikation eine
UmwälzungA. W. Hofmann im amtlichen deutschen
Ausstellungs-Kataloge, S. 98 und R. Wagner
in Dingler's polytechn. Journal, 1873 Bd. CCIX S.
282. durch das Ammoniakverfahren prophezeit ist, müssen wir erörtern, welche
Vorzüge sie vor der bis jetzt allgemein angewendeten Methode von Leblanc besitzt.
Man hat der letzteren vielfach nachgerühmt, daß sie noch heute in derselben Weise
ausgeführt werde, wie Leblanc sie hinstellte, ohne daß
man wesentliche Verbesserungen habe auffinden können. Immerhin ist es doch aber eine
sehr zweifelhafte Ehre, als unverbesserlich zu gelten, und die zahlreichen Versuche,
ein anderes Verfahren zu finden, bezeugen, daß man Mängel an dem allgemein üblichen
erkannt hat. Die Bemühungen zielten hierbei vorzüglich darauf hin, die Verwandlung
des Chlornatriums in
kohlensaures Salz auf directerem Wege zu erreichen, als es bei dem Leblanc'schen Verfahren geschieht. Dieses erfordert ja
zuerst die Bereitung von Schwefelsäure aus Schwefel oder Kiesen, dann folgt eine
ganz in sich abgeschlossene Fabrikation, die Zersetzung des Kochsalzes durch die
Schwefelsäure in Sulfat und Salzsäure, woran sich wieder als besonderer
Fabrikationszweig die Umwandlung des Sulfates in rohe Soda und endlich die
Auslaugung der letzteren und das Eindampfen der Lauge resp. das Krystallisirenlassen
der Soda anreihen. Keines der hierbei entstehenden Nebenproducte kehrt wieder in den
Bereich dieser Fabrikation zurück, und die Massen von Abfallstoffen häuften sich
in's Unendliche an. Erst seit Einführung der Regeneration des Schwefels hat man
begonnen, in der Sodafabrikation einen Kreislauf einzuführen, wie er das Kennzeichen
einer wahrhaft rationellen Fabrikationsmethode ist, und wie in dessen möglichst
vollkommener Durchführung neben einer directen Umwandlung des Chlornatriums in
kohlensaures Salz gerade der Vorzug des Ammoniakverfahrens besteht.
Eine concentrirte Lösung von Chlornatrium, meistens erhalten durch Auslaugen von
Steinsalz, wird mit Ammoniakgas und Kohlensäure gesättigt, wobei sich unter Bildung
von Salmiak kohlensaures Natron als doppeltkohlensaures Salz (Bicarbonat)
ausscheidet, wie solches am einfachsten die folgende Gleichung ausdrückt: NaCl + NH₄O, 2CO₂ = NH₄Cl +
NaO, 2CO₂ oder NaCl +
NH₄HCO₃ =NH₄Cl + NaHCO₃. Das Bicarbonat wird abfiltrirt,
die Flüssigkeit eingedampft und mit Kalk oder Magnesia versetzt, um das zu neuen
Mengen von kohlensaurem Ammoniak nöthige Ammoniakgas zu liefern; aus dem Bicarbonat
wird durch Erhitzen die Hälfte der Kohlensäure ausgetrieben und tritt ebenfalls in
den Kreislauf wieder ein. Wenn bei der Ammoniakentwickelung Magnesia verwendet wird,
so läßt sich das hierbei entstandene Chlormagnesium durch Erhitzen mit Wasserdampf
in Salzsäure und Magnesia verwandeln, welche nun ebenfalls bei der
Ammoniakentwickelung einen Kreislauf möglich macht. Als Nebenproducte bleiben dann
nur die Salzsäure, in welcher der Chlorgehalt des angewendeten Kochsalzes sich
wiederfindet, und, falls die Kohlensäure durch Glühen von Kalkstein gewonnen wird,
gebrannter Kalk übrig, welche beide leicht eine vortheilhafte Verwendung finden. Auf
solche Weise wird also das einmal entwickelte Ammoniakgas benützt, um unbegrenzte
Mengen von Kochsalz zu zersetzen, und nur durch die in der Praxis unvermeidlichen
Verluste wird eine Recrutirung durch geringe Mengen von Salmiak nothwendig gemacht.
Dieses ergibt sich auf klare Weise aus den Angaben, welche M. Honigmann über die zum Betriebe nöthigen Materialien gemacht hat. Er gibt für die Erzeugung
von täglich 100 Ctr. Soda einen Verbrauch von nur 5 Ctr. Salmiak an, während doch,
wenn das Ammoniak nur einmal wirkte, zur Production von
100 Ctr. Soda auch 100 Ctr. Salmiak erforderlich wären.
Da von der praktischen Ausführung dieses in mehrfacher Hinsicht so interessanten
Processes weiter keine näheren Angaben bekannt geworden sind, so habe ich im
folgenden zunächst das Wesentlichste von dem zusammengestellt, was in Solvay's englischen Patenten darüber mitgetheilt ist.
E. Solvay hat sich zweimal ein Patent für sein Verfahren
geben lassen. In der Specification vom J. 1863 sind sämmtliche dabei verwendete
Apparate beschrieben; 1872 ist nur eine verbesserte Einrichtung des zur Absorption
der Kohlensäure dienenden Apparates und der zur Entwässerung resp. Umwandlung des
Bicarbonates in Soda dienenden Vorrichtungen patentirt und beschrieben.
Die Umwandlung des Kochsalzes in Bicarbonat geschieht in drei zusammenhängenden
Apparaten, von denen der erste zur Bereitung der concentrirten Salzlösung, der
zweite zum Sättigen dieser Lösung mit Ammoniak und der dritte zur Zersetzung der
ammoniakalischen Flüssigkeit durch Kohlensäure dient.
Die Bereitung der Salzlösung geschieht in einem niedrigen Reservoir aus Eisen, Stein
oder Holz, welches durch senkrechte Scheidewände in sechs oder mehr Abtheilungen
getheilt ist, von denen jede mit der benachbarten so communicirt, daß das in die
erste eingelassene Wasser in Schlangenwindungen bis in die letzte gelangt. Dieses
Reservoir wird mit Salz gefüllt und Wasser durch eine Oeffnung eintreten gelassen,
welche sich dicht über dem Boden in einer der Ecken befindet, und in welche ein Rohr
einmündet, das von dem Boden eines daneben stehenden, mit Wasser gefüllten Kastens
kommt. Dieser ist ebenfalls durch eine Scheidewand in zwei Abtheilungen getheilt; in
die erste – dem Auslaugebassin zugewendete – fließt aus einem mit Hahn
versehenen Rohre beständig Wasser; da nun die Scheidewand nicht höher ist als die
Scheidewände im Auslaugebassin, so wird die Flüssigkeit in beiden stets in gleicher
Höhe erhalten. Das über die Scheidewand im Wasserkasten überfließende Wasser fließt
aus der zweiten Abtheilung durch ein Rohr wieder ab. Auf dem Wege durch die
verschiedenen Abtheilungen des Auslaugebassins verwandelt sich das Wasser in eine
gesättigte Salzsoole. Da eine solche etwas zu stark ist, so läßt man in die letzte
Abtheilung einen constanten Wasserstrahl einfließen, der sie von 25 Grad des
Aräometers auf 23 bis 24 Grad bringt. Die letzte Abtheilung ist geräumiger als die übrigen und
enthält eine Filtrirvorrichtung, welche die Unreinigkeiten der Salzsoole zurückhält,
wenn sie in den Apparat übergeht, in welchem sie mit Ammoniak gesättigt wird. Dieser
ist ein mehr hohes als weites (cylindrisches?) Gefäß aus verzinntem Eisenblech oder
aus Blei mit einer Bekleidung von Holz; es steht tiefer als das Auflösungsbassin und
communicirt mit dessen letzter Abtheilung mittels eines Rohres, welches von dem
Boden des einen zu dem Boden des anderen führt. Hierdurch ist bewirkt, daß die
Niveaus der Flüssigkeiten in beiden sich nach dem Gesetze der communicirenden Röhren
richten müssen. Das zweite Gefäß hat einen durchlöcherten Boden, unterhalb dessen
das Ammoniakgas einströmt, welches nun durch die Löcher in viele einzelne Blasen
zertheilt, leicht von der Salzsoole absorbirt wird. Hierbei nimmt die Flüssigkeit
bedeutend an Volumen zu, während ihre Dichtigkeit von 23 bis 24 Aräometergraden bis
auf 13 bis 16 Grade abnimmt; da nun nach dem Gesetz der communicirenden Gefäße in
demselben Verhältniß das Niveau steigt, so bietet dieses Verhalten ein einfaches
Mittel, um den Gang so zu reguliren, daß auch aus dem zweiten Apparate nur eine mit
Ammoniak hinreichend gesättigte Flüssigkeit austreten kann. Es ist hierbei nur
erforderlich, ein seitliches Ausflußrohr in der Höhe anzubringen, bis zu welcher die
Flüssigkeit steigt, wenn ihre Dichtigkeit bis zu 16 Grad abgenommen hat. Diese
Anwendung der verschiedenen Dichtigkeiten zur Selbstregulirung nimmt Solvay ausdrücklich als seine Erfindung in Anspruch.
Da bei der Absorption des Ammoniakgases eine bedeutende Erwärmung eintritt, so geht
die gesättigte Lösung zunächst in ein Kühlgefäß, um durch kaltes Wasser, welches
durch ein Schlangenrohr fließt, abgekühlt zu werden, dann aber in den
„Absorber“, in welchem die Zersetzung durch Kohlensäuregas
stattfindet, welches letztere auf beliebige Weise, durch Brennen von Kalk oder durch
Zersetzen kohlensaurer Salze durch Salzsäure erzeugt werden kann.
Dieser Absorber war nach Solvay's erstem Patent ein aus
drei übereinander befindlichen Abtheilungen bestehender Kasten aus inwendig
verzinntem Eisen. In diesen waren horizontale Platten lose eingelegt, welche mit so
viel Löchern durchbohrt waren, daß die Summe ihrer Querschnitte nicht ganz den
Querschnitt des Rohres erreicht, durch welches das Kohlensäuregas eintrat. Die drei
Abtheilungen waren durch seitliche verticale Rohre so in Verbindung gesetzt, daß die
ammoniakalische Soole zuerst in die mittlere Abtheilung eintrat, sich über die
horizontalen Platten ergoß und, wenn diese Abtheilung ganz gefüllt war, in die obere
stieg und aus dieser schließlich in die untere gelangte. Während sie sich auf diesem weiten Wege
langsam fortbewegte, kam ihr von unten die Kohlensäure mit leichtem Druck entgegen,
wurde durch die Löcher in unzählige Blasen zertheilt und unter solchen Umständen
leicht absorbirt. Solvay hat sich später von der
Unvollkommenheit dieses Apparates überzeugen müssen, und wendet statt seiner
gegenwärtig einen Cylinder a von 10 bis 16 Meter Höhe
und geringer Weite an, der in Figur 20 und 21 dargestellt
ist. In diesem Cylinder liegt eine Anzahl fein durchlöcherter Platten b, b . . . „von der Gestalt eines
Kugelsegmentes“ und ebenfalls eine Anzahl von Platten c, c . . . mit einem oder nur wenigen Löchern, welche
nur eben dem Gase und der gesättigten Lösung den Durchgang gestatten, ohne daß sich
die frisch eintretende Flüssigkeit mit der am Boden befindlichen, nahezu gesättigten
vermischen kann. Am Rande der durchlöcherten Platten werden zweckmäßig Zähne z ausgeschnitten, damit die Flüssigkeit und das Gas
durch die Lücken passiren können, wenn sich die Löcher zum Theil verstopft haben.
Dieser Absorber wird immer mit Flüssigkeit beinahe angefüllt erhalten, während
Kohlensäure mittels einer Compressionspumpe unten durch das Rohr d hineingetrieben wird. Hierdurch wird das Gas nicht nur
in sehr innige Berührung mit einer sich ihm entgegen bewegenden Flüssigkeitssäule
gebracht, sondern verrichtet auch, indem es expandirt, eine bedeutende mechanische
Arbeit und nimmt hierbei eine so große Menge von Wärme in Anspruch, daß eine
Erhitzung der Flüssigkeit verhindert wird, wie sie sonst durch die Absorption der
Kohlensäure durch das Ammoniak hervorgebracht würde und welche nach Solvay's Erfahrung nur schwer auf andere Weise vermieden
werden kann. Die Flüssigkeit tritt in ungefähr halber Höhe des Cylinders durch ein
Rohr e ein, in welches sie aus einem Troge f einfließt, so daß ihr Niveau immer in gleicher Höhe,
etwa 3 Meter unter dem oberen Ende des Cylinders erhalten wird. Der Trog ist
geschlossen und steht mit dem oberen Ende des Cylinders durch ein Rohr in
Verbindung, welches in beiden gleichen Druck erhält (in der Zeichnung nicht
angegeben). Derselbe Trog kann mehrere Absorber speisen. Auf diese Weise wird nur in
der oberen Hälfte die Flüssigkeit erneuert; sie sinkt nur sehr langsam nieder und
ist, da sie bald mit Kohlensäure gesättigt ist, geeignet, alles Ammoniakgas
aufzunehmen, welches das Gas aus dem unteren Theile des Absorbers mit fortreißen
könnte. Die Absorber müssen so hoch sein, daß wenigstens die Hälfte der unten
eintretenden Kohlensäure absorbirt, und zugleich alles in der Flüssigkeit enthaltene
Ammoniak in Bicarbonat übergeführt wird. Eine Höhe von 11 bis 16 Meter, wobei das
Gas mit einem Druck von 1 1/2 bis 2 Atmosphären eingetrieben werden muß, gibt die
besten Resultate. Zweckmäßig ist, das Gas nicht als continuirlichen Strom eintreten zu lassen, weil
die unregelmäßige Bewegung verhindert, daß sich das ausgeschiedene Bicarbonat an
irgend einer Stelle absetzt. Dennoch werden sich die kleinen Löcher der Platten von
Zeit zu Zeit durch eine harte Kruste verstopfen; alsdann wird der Absorber entleert,
mit Wasser gefüllt. Dampf eingeleitet und, wenn die Krusten vollständig gelöst sind,
die Lösung herausgelassen und der Absorber mit der Flüssigkeit aus einem anderen
Absorber gefüllt und mit dieser weiter gearbeitet.
Die mit Kohlensäure gesättigte Flüssigkeit läßt man am besten portionenweise alle 30
Minuten auslaufen; das darin suspendirte Bicarbonat wird am zweckmäßigsten auf einem
Vacuumfilter gesammelt und mit einer sehr geringen Menge kalten Wassers gewaschen.
Zugleich kann es hier schon den zum Verkauf erforderlichen Grad von Trockenheit
erhalten, indem Luft oder ein anderes Gas von etwa 50° C. hindurch geleitet
wird. Auch in einfach kohlensaures Natron kann es in den Vacuumfiltern verwandelt
werden dadurch, daß überhitzter Dampf oder die Gase aus den Kalköfen hindurch
geleitet werden; doch ist sowohl für das Trocknen als für die Umwandlung in Soda der
folgende Apparat vorzuziehen.
In einem verticalen Cylinder g (Fig. 22 und 23) befinden
sich in passender Entfernung übereinander eine Anzahl runder Platten h mit Oeffnungen am Umfange und in der Mitte. Eine
verticale Welle i geht durch den Deckel und Boden des
Cylinders und trägt Arme k, k . . . mit Schabmessern l, l . . ., welche die auf den Platten liegende Masse
abwechselnd nach der Peripherie der einen und nach der Mitte der folgenden Platte
fortschieben, so daß sie allmälig von der obersten Platte bis auf den Boden des
Cylinders gelangt. Die Platten selbst sind hohl und werden durch Einlassen von Dampf
oder heißen Gasen von irgend welcher Abstammung aus dem Rohre m, m erhitzt. Das Bicarbonat wird mittels eines Apparates n oberhalb des Cylinders aufgegeben, welcher dem Rumpfe
einer Mahlmühle ähnlich ist und dessen Arme o sich
langsam bewegen; er wird immer angefüllt erhalten, damit hier die Kohlensäure nicht
entweicht. Die getrocknete Masse kommt am Boden des Cylinders bei p in feingemahlenem Zustande zum Verpacken fertig
heraus. Die beim Trocknen ausgetriebenen Gase treten durch ein Rohr r im Deckel heraus.
Wenn man nicht hohle Platten anwenden will, kann auch das heiße Gas direct durch den
Cylinder geleitet werden.
Ein anderer für die Bereitung von Soda anwendbarer Trockenapparat besteht aus einem
eisernen Kessel s (Fig. 24), der mit einem
Deckel verschlossen
ist, durch welchen in einer Stopfbüchse eine verticale Welle v geht. Letztere trägt unten Arme mit Schabemessern w, durch welche das eingefüllte Bicarbonat umgerührt wird, während der
Kessel durch ein darunter befindliches Feuer bis auf die erforderliche Temperatur
erhitzt wird.
Das in einem dieser beiden Apparate ausgetriebene Gas wird durch eine Luftpumpe in
einen Waschapparat gebracht, worin alles darin enthaltene Ammoniak zurückgehalten
wird; wenn Soda erzeugt wurde, so wird die ausgetriebene Kohlensäure wieder den
Absorbern zugeführt.
Es bleibt nun nur noch die Darstellung der Wiedergewinnung des Ammoniaks aus dem in
den Absorbern entstandenen Salmiak übrig. Da das Kochsalz in den Absorbern nach Solvay vollständig zersetzt wird, so ist die von dem
Bicarbonat abgelaufene Flüssigkeit im Wesentlichen nur eine Lösung von Salmiak,
welche etwas freie Kohlensäure enthält (und soviel doppelt kohlensaures Natron, als
unter den Umständen löslich ist. Ls.); sie braucht also zur Ammoniakentwickelung nur
durch Kalk zersetzt zu werden. Für diesen Zweck hat Solvay in seinem ersten Patente einen eigenthümlichen Apparat beschrieben,
der aus einem langen eisernen Cylinder ähnlich einem Dampfkessel besteht, dessen
eines Ende von kochendem Wasser erhitzt wird; in der Mitte wird fein zermahlener
Kalk durch eine mechanische Vorrichtung eingestreut und entwickelt aus dem Salmiak
Ammoniakgas, welches dann an dem anderen Ende durch das letzteres umgebende kalte
Wasser abgekühlt und von einem großen Theil des Wasserdampfes befreit wird, um
endlich aus einem Rohre zu entweichen, welches in den Apparat führt, worin es von
der Salzsoole absorbirt wird. In dem neuen Patente von 1872 findet sich nur die
Angabe, daß Solvay zur Wiedergewinnung des Ammoniaks aus
der von dem Bicarbonate getrennten Flüssigkeit sich „der gewöhnlichen
bekannten Methoden“ bedient, aber an Orten, wo Salzsäure einen hohen
Preis hat, hierzu Magnesia oder basisches Chlormagnesium benützt. Die nach der
Ammoniakentwickelung zurückbleibende Lösung von Chlormagnesium wird zur Trockne
eingedampft und der Rückstand in Wasserdampf erhitzt, bis keine Salzsäure mehr
entweicht; letztere wird condensirt oder direct zur Chlorbereitung verwendet.
Hierbei bleibt Magnesia zurück, welche von Neuem ausgewaschen wird und dann zur
Zersetzung der Salmiaklösung dient u.s.w. Hierbei wird auch das der Zersetzung etwa
entgangene Kochsalz wieder nutzbar gemacht.
In solcher Weise hat Solvay bei seinem Verfahren den
Vorzug einer directen Umwandlung des Chlornatriums in kohlensaures Natron mit den
Vortheilen eines fortwährenden Kreislaufes der angewendeten Materialien vereinigt und sowohl
die Einwirkung der Gase und Flüssigkeiten aufeinander durch Entgegenbewegung und
Vermehrung des Druckes benützt, wie auch eine Selbstregulirung des richtigen Niveaus
der Flüssigkeiten zu erreichen gewußt.
Dem in Vorhergehendem über das Solvay'sche Verfahren
Mitgetheilten können wir nur noch Weniges über die Ausführung des Ammoniakverfahrens
in Deutschland hinzufügen. Die Erfolge, welche dasselbe bei uns gehabt hat, hüllen
sich in tiefes Geheimniß, und die Schweigsamkeit derer, welche darüber berichten
könnten, ist in diesem Falle nur zu berechtigt, da sie in unseren
Patentverhältnissen begründet ist. Allgemein bekannt geworden sind nur die Angaben,
welche von M. Honigmann in Aachen, der gegenwärtig in
Verbindung mit M. Gerstenhöfer die Einführung des
Ammoniakverfahrens zu seinem Berufe gemacht hat, über die bei seiner Einrichtung
nöthigen Mengen der Rohmaterialien gemacht sind.Ueber die Einrichtung selbst haben wir nur erfahren können, daß zur
Absorption der Kohlensäure nicht hohe Flüssigkeitssäulen wie in Solvay's Absorbern angewendet werden. In einer Annonce der Kölnischen, Straßburger u.a. Zeitungen hat Honigmann angegeben, daß die Anlagekosten einer Fabrik,
welche täglich 100 Ctr. calcinirter Soda von 90 Procent liefert, 30. 000 Thlr.
betragen und daß zu 100 Ctr. Soda 200 Ctr. Steinsalz, 200 Ctr. Kohle, 150 Ctr.
Kalkstein, 10 Ctr. Schwefelsäure von 50° Baumé und 5 Ctr. Salmiak
erforderlich sind. Hierbei mußte auffallen, daß die Menge des Steinsalzes etwa
doppelt so groß angegeben ist, als nöthig wäre, wenn es vollständig in kohlensaures
Salz umgewandelt würde, wie solches Solvay angibt, denn
der Theorie nach sind ja zur Darstellung von 106 Theilen reinem kohlensauren Natron
117 Theile Chlornatrium erforderlich. Wir werden hierdurch an das erinnert, was wir
eingangs über die Untersuchungen von Heeren mitgetheilt
haben. Es hätte aus diesem Umstande geschlossen werden können, daß das Verfahren Honigmann's von dem Solvay'schen wesentlich abwiche; Hr. M. Honigmann
hat mir aber in einer gütigen Mittheilung über diesen Punkt als Grund angegeben, daß
mit dem Natronbicarbonat zugleich doppelt kohlensaures Ammoniak niederfalle. Wenn
eine gesättigte Kochsalzlösung mit der äquivalenten Menge kohlensauren Ammoniaks
oder auch Ammoniak versetzt und Kohlensäure hindurch geleitet werde, bestehe die
sich ausscheidende feste Masse aus
Natriumbicarbonat
94 Proc.
Ammoniumbicarbonat
6 „
und die Flüssigkeit enthalte ungefähr
Ammoniumbicarbonat
4 Proc.
Chlorammonium
20 „
Chlornatrium
12 „
Es werde um so mehr Ammoniumbicarbonat ausgefällt, je weniger Kochsalz vorhanden ist.
Wenn etwas mehr als 1 Aequivalent genommen werde, so sei das Bicarbonat nach dem
Trocknen fast frei von Ammoniak. Für praktisch zweckmäßig erklärt er die 1/2 fache
Menge Kochsalz. Die in der erwähnten Annonce angegebenen Zahlen seien jedoch nicht
als für die Calculation maßgebend anzusehen, sondern bedeutend zu hoch gegriffen,
weil Honigmann
„die Garantie der Einhaltung derselben mit den gelieferten Apparaten und
sofort nach Inbetriebnahme übernehme“. Die Zahlen, welche als den
bisherigen Erfahrungen entsprechend angegeben sind, stellen wir in Folgendem (unter
III) mit den Angaben der Annonce in der Kölnischen Zeitung und Straßburger Zeitung
(I) und den in einer im Kladderadatsch veröffentlichten (II) zusammen. Es werden
verlangt für die Production von 100 Ctr. Soda:
I.
II.
III.
bei 90 Proc.
bei 95 Proc.
bei 98 Proc.
Na₃CO₂
Na₃CO₂
Na₃CO₂
Steinsalz
200
190
175
Steinkohle
200
156
150
Kalkstein
150
140
130
Schwefelsäure von 50° Baumé
10
8
6
Salmiak
5
4
3
Die für den Salmiakverbrauch berechnete Menge soll dazu dienen, den unvermeidlichen
Verlust an Ammoniak zu decken. Die Schwefelsäure wird verwendet, um den
Ammoniakgehalt der Feuerungsgase zurückzuhalten, welche mit der Ammoniaklösung in
Berührung gewesen sind.
Aus obigen Zahlenreihen geht unzweifelhaft hervor, daß das angewendete Verfahren sich
noch in einer Entwickelungsperiode befindet. Hierauf deuten auch die Vorgänge auf
dem Etablissement der Gesellschaft „Chemische Industrie“ zu
Schalke bei Gelsenkirchen hin, auf welche die Erklärung Honigmann's in der Kölnischen Zeitung vom 12. Februar 1872 aufmerksam
gemacht hat, die aber von zu privater Natur ist, um hier mehr als erwähnt werden zu
dürfen. Jedenfalls sind aber jene Zahlen wohl geeignet, das Interesse der
Sodafabrikanten für das Ammoniakverfahren rege zu erhalten; berechnen sie doch nach
der Columne III, mit Berücksichtigung der Verzinsung des Anlagecapitals und Kosten
für Instandhaltung und Arbeitslohn, die Productionskosten für den Centner Soda zu
nur 3 Thaler, gegenüber dem gegenwärtigen Verkaufspreise der calcinirten Soda von 4 bis 6
Thaler! Da aus diesem Grunde die Einrichtung nach Honigmann an mehreren Orten theils in Betrieb gesetzt ist, theils in
Vorbereitung sich befindet, so ist zu erwarten, daß sich bald ein bestimmteres
Urtheil über dieselbe herausbilden wird. Es sei hier nur noch bemerkt, daß sie schon
seit längerer Zeit zu Nagy-Bocsko in der Marmoroz mit gutem Erfolge in
Betrieb sein soll, wie mir von unparteiischer Seite versichert ist.
Die enthusiastische Begrüßung, welche die Erfolge des Ammoniakverfahrens aus Anlaß
der Wiener Ausstellung fanden, hat übrigens in den industriellen Kreisen keinen
vollen Widerhall gefunden. Der Stimmung der Sodafabrikanten Englands hat G. Lunge Ausdruck in einer Rede gegeben, welche er als
Präsident der chemischen Gesellschaft von Newcastle on Tyne beim Jahresanfang
gehalten hat, indem er äußerte, daß die internationale Jury in Wien wohl
„zu sanguinisch“ glaube, daß das Ammoniakverfahren
wahrscheinlich die Methode Leblanc's verdrängen werde. Da
ebendort ausgesprochen ist, daß jetzt erst eine einzige Firma den Sodaproceß in
Betrieb habe oder wenigstens vorbereite, so muß es dieselbe sein, von der wir
erfahren haben, daß dort die Einübung der Arbeiter auf die ungewohnte systematische
Behandlung der Flüssigkeiten, sowie die Arbeit mit den Compressionspumpen die
größten Schwierigkeiten verursacht haben. Auch unter den deutschen Sodafabrikanten
scheint die Ansicht vorzuherrschen, daß für das Ammoniakverfahren nur da die
Aussichten günstig sind, wo die Verhältnisse der Ausführung der Leblanc'schen Methode Schwierigkeiten bereiten, und
dagegen für das Ammoniakverfahren besonders günstige Umstände vorliegen. Zu
letzteren gehört vor Allem das Vorhandensein einer besonders billigen gesättigten
Salzsoole, also namentlich einer gesättigten natürlichen Soolquelle. Eine solche hat
in Northwich die Veranlassung zu der Errichtung einer Fabrik nach Solvay's Patent gegeben. In Deutschland würden aus diesem
Grunde sich hierzu vor Allem die Soolen aus den Soolwerken des Salzkammerguts und
Berchtesgaden's empfehlen, sowie auch die weniger bekannte Soolquelle bei Göttingen.
Auch an Kalkstein ist an diesen Localitäten kein Mangel.
Schließlich muß noch hervorgehoben werden, daß eine größere Verbreitung des
Ammoniakprocesses eine Steigerung im Preise des Salmiaks zur natürlichen Folge haben
würde, für welche keineswegs eine größere Production von Salmiak das Gegengewicht
bilden würde, da ja schon jetzt durch die Fabrikation von Düngmitteln und die
Verwendung des Salmiakgeistes in den Eismaschinen die Quellen für
Ammoniakverbindungen in
größeren: Maße als zu früheren Zeiten in Anspruch genommen werden.
Jedenfalls wird die fernere Geschichte des Ammoniakverfahrens der Sodafabrikation ein
allgemeines Interesse behalten, indem sie uns den Kampf einer der Theorie nach
vortrefflichen Methode mit den Schwierigkeiten der praktischen Ausführung
vorführt.