Titel: | Supportstahl von F. A. Klingenfeld, Professor an der kgl. polytechn. Schule in München. |
Autor: | F. A. Klingenfeld |
Fundstelle: | Band 213, Jahrgang 1874, Nr. II., S. 4 |
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II.
Supportstahl von F. A. Klingenfeld, Professor an der kgl. polytechn.
Schule in München.
Mit Abbildungen.
Klingenfeld's Supportstahl.
Es ist mir, wie ich glaube, gelungen einen Support-Stahl sowohl zum Drehen als
zum Hobel geeignet zu construiren, welcher vor den gegenwärtig gebräuchlichen
Stählen verschiedene Vortheile besitzt. Dieser Stahl ist durch nachstehende
Holzschnitte im Aufriß (zum Theil durchschnitten) und im Grundriß – und zwar
beispielsweise als Drehstahl für das Werkstück K
dargestellt. Man wird aus der Skizze sofort erkennen, daß das eigentliche Werkzeug
– der Meißel B – einen runden Körper mit einer vollen kreisrunden Schneide
S repräsentirt, welcher mit seinem schlank conischen
Stiele mn in dem passend ausgebohrten Ende des
Halters A steckt.Stähle mit kreisrunder Schneide finden wir schon bei dem sogen.
Nagelkopf-Stahl, bei welchem das Werkzeug mit dem Stiel ein Stück
bildet. Ferner hat J. M. Napier im J. 1868 Stähle
mit Kreisschneide patentirt, welche während der Arbeit eine drehende
Bewegung verrichten, so daß die ganze Schneidkante nach und nach
selbstthätig zur Wirkung gelangt. In Folge ihrer complicirten Auflagerung,
scheinen die Napier'schen Stahlformen wenig
Anklang gefunden zu haben. (Vergl. Deutsche Industrie-Zeitung, 1869
S. 3.) Die Vortheile dieses Stahles sind nun folgende:
Textabbildung Bd. 213, S. 5
1) Es braucht der Halter A nie
erneut, sondern nur der Meißel B nach vollkommener
Abnützung ausgewechselt
2) Meißel B braucht seltener
geschliffen zu werden wie gewöhnliche Stähle, indem man durch successive Drehung
von seiner langen Schneidkante Nutzen zieht.
3) Der Meißel hat an allen schneidenden Stellen denselben
Schneid- und denselben Anstellungswinkel, und schneidet daher an allen
Stellen mit gleicher Schärfe.Es kann beiläufig bemerkt werden, daß der Schneid- und
Anstellungswinkel meines Stahles nach den vom Marine-Ingenieur
Jössel im polytechn. Centralblatt, 1865
S. 353 angegebenen Normen gewählt wurden.
4) Man kann, ohne den Halter A im
Support zu verstellen, mit dem Meißel plan, conisch und cylindrisch drehen; er
würde sich daher ganz besonders zum Abdrehen von Achsenschenkeln eignen.
5) Aus demselben Grunde eignet sich dieses Werkzeug auch ganz
besonders für Copir-Drehbänke für Metall oder Holz.
6) Es ist leicht eine einfache Schleifvorrichtung für den Meißel
herzustellen, auf der man denselben mit fast mathematischer Genauigkeit anschärfen
kann, ohne dabei von einer besonderen Geschicklichkeit des Arbeiters abzuhängen.
7) Benützt man den Stahl zum Hobeln, so kann man ihn (so lange er
nicht merklich stumpf geworden ist) auch für ganz genaue
Arbeiten zum Hin- und Zurückhobeln (durch halbe Drehung nach jedem
Schnitte) verwenden, da seine Schneide eine vollkommene Kreislinie bildet.
Um mich zu überzeugen, wie das beschriebene Werkzeug arbeitet, habe ich in der
Werkstätte der polytechnischen Schule dahier ein Exemplar desselben mit einem
Schneide-Durchmesser von 9 Millim. anfertigen und einige Zeit damit drehen
und hobeln lassen, wobei sich der Meißel vollkommen bewährte. Außerdem habe ich es
mehreren ausgezeichneten Fachmännern gezeigt, welche sich sehr vortheilhaft über den
Stahl aussprachen. Ich glaube daher mit meiner Erfindung an die Oeffentlichkeit
treten und sie den Maschinenfabriken und mechanischen Werkstätten zur Einführung
empfehlen zu dürfen.Indem ich dies, ohne vorher ein Patent zu erheben, veröffentliche, will ich
den Versuch machen, ob man nicht ohne
Patentschutz einen pecuniären Nutzen aus einer Erfindung
ziehen kann. Ich mache nämlich diese Veröffentlichung unter der
Voraussetzung, daß jede Maschinenfabrik, welche meine Stahlform einführt und
einen Vortheil davon zieht, mir freiwillig
ein ihrem Nutzen entsprechendes, ihr angemessen scheinendes Honorar zukommen
lassen werde. Ich vertraue auf die Ehrenhaftigkeit der Maschinenfabriken,
daß sie meiner Voraussetzung nachkommen werden
Der neue Stahl würde sich am besten einführen, wenn eine Werkzeugfabrik auf dessen
Herstellung in Größen sich einrichten würde. Sollte eine Fabrik dieses Unternehmen
wagen wollen, so bin ich recht gerne bereit, über die beste Einrichtung zu dieser
Fabrikation Auskunft zu ertheilen.
Nachdem ich mir durch Veröffentlichung meiner Erfindung die Priorität derselben
gewahrt habe, werde ich mit meinem Stahle Versuche in größerem Maßstabe veranlassen
und die Ergebnisse derselben gelegentlich bekannt machen.
München, den 15. Juni 1874.