Titel: | Ueber die Absorption des Gypses durch die Knochenkohle; von E. Friedr. Anthon in Prag. |
Autor: | Ernst Friedrich Anthon [GND] |
Fundstelle: | Band 213, Jahrgang 1874, Nr. XLII., S. 159 |
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XLII.
Ueber die Absorption des Gypses durch die
Knochenkohle; von E. Friedr.
Anthon in Prag.
Anthon, über die Absorption des Gypses durch die
Knochenkohle.
Im Verlaufe einer Reihe von Versuchen, welche ich über das „Entgypsen des
Wassers und wässeriger Lösungen“ angestellt, prüfte ich auch das
Verhalten der Knochenkohle nach der Richtung, um zu entscheiden, ob dabei der Gyps
vollständig und zwar als solcher von der Knochenkohle absorbirt werden könne, ohne
daß dabei fremde Stoffe in Lösung gehen.
Gewöhnlich wird angenommen, daß der Gyps allerdings von der Knochenkohle absorbirt
resp. beseitigt werde, und ist geradezu „das
Vergypsen des Spodiums“ ein technischer
Ausdruck geworden. Daß diese Annahme im Allgemeinen wohl begründet ist, beweist
nicht nur die vergleichende Analyse einer Knochenkohle vor und nach ihrem. Gebrauch
sondern auch der Umstand, daß man sich genöthigt sah, in den Zuckerfabriken nach
Mitteln zu suchen, um die Knochenkohle bei ihrer Wiederbelebung auch zu entgypsen.
Ob aber diese Wirkung auf einer wirklichen und vollständigen Absorption und
lediglich auf dieser beruhe (verstehe man darunter nun ein förmliches, durch Waschen
mit reinem Wasser nicht mehr aufhebbares Binden und Festhalten, oder eine bloße durch Adhäsion bedingte
und durch Waschen mit reinem Wasser wieder aufhebbare Verdichtung auf der Fläche und
in den Poren der Knochenkohle), war bis jetzt nicht entschieden. Ehe ich die
wesentlichsten zur Aufhellung dieser Frage angestellten Versuche mittheile, sei
hervorgehoben, daß frische Knochenkohle beim Auswaschen mit destillirtem Wasser
unter anderen stets an dieses auch ein schwefelsaures Salz abgab, welches aber kein
Gyps sein konnte, da neben der Schwefelsäure keine Kalkerde (oder doch nur Spuren
davon) im Filtrat vorhanden war und sich die Basis dieses Salzes als Ammoniak zu
erkennen gab Außer diesem schwefelsauren Ammoniak und anderen schon früher in der
frischen Knochenkohle nachgewiesenen Salzen (Kochsalz, kohlensaures und
phosphorsaures Natron) mußte aber noch ein anderes Salz vorhanden sein, dessen Säure
mit Barit eine in Wasser unlösliche, in Salzsäure dagegen lösliche Verbindung
eingeht, deren Natur ich jedoch noch nicht zu ermitteln vermochte, welche aber weder
Kohlensäure noch Phosphorsäure war.
Um das Auswaschen der frischen Knochenkohle derart zu vollenden, daß jede Reaction
auf Schwefelsäure und auf die andere nicht näher bestimmte Säure, von welcher noch
deutlich nachweisbare Mengen ins Filtrat mit übergehen, wenn schon alle Reaction auf
Schwefelsäure aufgehört hat, sind selbst bei sorgfältigster Arbeit große Mengen
destillirten Wassers nöthig (das 30–35fache vom Gewicht der Knochenkohle),
ohne daß die Auswaschung nun eine ganz vollständige ist,
denn das Filtrat reagirt auch weit über die bemerkten Reactionen hinaus noch immer.
Am schnellsten wird der Knochenkohle das schwefelsaure Salz, schwieriger das
fragliche, nicht näher bestimmte Salz und am schwersten das Ammoniak entzogen. Durch
einige Vorversuche überzeugte ich mich, daß frische Knochenkohle, welche
ausschließlich oder erst nach ihrer Ansäuerung mit reiner Salzsäure mit destillirtem
Wasser ausgewaschen worden, so wenig bei gewöhnlicher Temperatur als bei 100°
C. im Stande ist, in einer selbst stark verdünnten Gypslösung (1 Gyps in 4400
Wasser) die Reaction auf
Schwefelsäure ganz aufzuheben, auch wenn fein pulverisirte Knochenkohle dem Gyps
gegenüber in großem Ueberschuß (1200 gegen 1) zur Wirkung gelangt und beide lange
Zeit (24 Stunden) mit einander in Berührung bleiben.
Ueber 200 Gewichtstheile fein pulverisirte Knochenkohle (Sieb Nr. 80), welche bis zum
Aufhören jeder Reaction durch Chlorbarium ausgesüßt worden war, filtrirte ich sehr
langsam so lange von einer concentrirten Gypslösung, bis 760 Gew. Th. Filtrat
abgelaufen waren. Dieses Filtrat gab mit Chlorbarium einen Niederschlag von 1,21 Th.
schwefelsauren Barit, während eine gleiche Menge der angewendeten (aber mit
Knochenkohle nicht in Berührung gebrachten) Gypslösung 2,40 Th. schwefelsauren Barit
gab. Schon glaubte ich, dieses Resultat so auslegen zu dürfen, daß bei diesem
Versuch die Hälfte des Gypses aus seiner Lösung absorbirt worden sei, als ich zu
meiner Ueberraschung bemerkte, daß im Filtrat neben der Schwefelsäure nur Spuren von
Kalkerde vorhanden und somit auch fast aller Gyps aus der filtrirten Lösung
verschwunden war. Die an die Stelle der Kalkerde getretene Basis gab sich als
Ammoniak zu erkennen.
Nach diesem Resultate war es also klar, daß hier eine Zersetzung des Gypses stattgefunden haben mußte, und von einer einfachen
Absorbtion desselben durch die Knochenkohle keine Rede sein konnte. Um über dieses
unerwartete Verhalten weiteren Aufschluß zu erhalten, wurde folgender Versuch
durchgeführt.
500 Gran1 Gramm = 13,714 Gran. fein pulverisirte frische Knochenkohle (Sieb Nr. 80), über welche behufs des
Aussüßens 5 Tage lang ohne Unterbrechung langsam destillirtes Wasser filtrirt worden
war, ohne daß ich dadurch aber jene Grenze erreicht hatte, wo alle alkalische
Reaction des Filtrates verschwunden, setzte ich nun der Wirkung von concentrirter Gypslösung aus, indem ich diese ganz
langsam über die eine verhältnißmäßig hohe Säule bildende Knochenkohle niedergehen
ließ.
Das erste Filtrat (60 Kubikcentimeter) reagirte stark auf Schwefelsäure; dagegen sehr
schwach auf Kalkerde. Die Reaction auf Schwefelsäure verstärkte sich allmälig; auch
die Kalkerde nahm nach und nach zu, so daß, nachdem binnen 9 Tagen 500 K. C.
Gypslösung durchfiltrirt waren, das Filtrat sich als ganz unveränderte concentrirte
Gypslösung zu erkennen gab.
Alle Filtrate reagirten – obgleich allmälig abnehmend – alkalisch, und
stand die Abnahme dieser Reaction im Verhältniß zur Zunahme der Menge der in's Filtrat
übergehenden Kalkerde; ich glaube mich daher nicht zu täuschen, wenn ich annehme,
daß dabei die Erschöpfung der Knochenkohle mit dem gänzlichen Aufhören der
alkalischen Reaction zusammenfällt.
Um ein Bild, sowohl über die anfängliche, als über die spätere Wirkung der
Knochenkohle zu erhalten, wurden die Filtrate getrennt gesammelt und geprüft.
Das erste Filtrat von 200 Kub. Cent. enthielt
Schwefelsäure
1,16
Gr.
Kalkerde
0,02
„
Das zweite (resp. letzte) Filtrat dagegen in 300 Kub. Cent.
Schwefelsäure
3,08
Gr.
Kalkerde
1,34
„
In beiden Filtraten – ganz besonders aber im ersten – war also die
Schwefelsäure dem Kalke gegenüber im großen Ueberschuß vorhanden, so daß
vorzugsweise in Folge der anfänglichen Wirkung der
Knochenkohle ein großer Theil des Gypses nicht als solcher absorbirt sein konnte,
sondern zersetzt sein mußte. Im Filtrat von 500 Kub. Cent., welches somit
Schwefelsäure
4,24
Gr. und
Kalkerde
1,36
„
enthielt, waren vor der Filtration enthalten im Ganzen an
Gyps
16,30
Gr.
die im Filtrate nachgewiesene Schwefelsäure repräs. aber
nur
9,11
„
–––––––––
und waren somit verschwunden an Gyps
7,19
Gr.
welche als von der Knochenkohle unverändert absorbirt
angesehen werden müssen.
Weiter entspricht die im Gesammtfiltrat
nachgewiesene Schwefelsäuremenge
an Gyps
9,11 Gr.
die darin vorhandene Kalkerde aber nur
4,18 „
–––––––
und waren somit zersetzt an Gyps
4,93 Gr.
Danach waren von den, in der durchfiltrirten Gypslösung enthalten gewesenen 16,30 Gr.
krystallisirten Gyps
wirklich absorbirt
7,19
Gr.
chemisch zersetzt
4,93
„
unzersetzt durchfiltrirt
4,18
„
und ist sonach die Wirkung der Knochenkohle auf den Gyps eine
doppelte, indem sie theils auf wirklicher Absorbtion, theils auf chemischer
Zersetzung beruht. Die für zersetzt angeführte Zahl von
4,93 gilt jedoch nur für lange ausgesüßte Knochenkohle; für nicht ausgewaschene
Knochenkohle ist sie
jedenfalls zu gering, weil beim Aussüßen natürlich viel von dem diese Zersetzung
bedingenden Ammoniak entführt wird. Die Absorbtion des Gypses ist eine derartige,
daß durch sehr langes Waschen mit destillirtem Wasser der Gypsgehalt gänzlich (oder
doch nahezu vollständig) wieder ausgewaschen werden kann; denn als über die mit Gyps
gesättigte Knochenkohle hinlänglich lange destillirtes Wasser filtrirt war, fanden
sich von den absorbirten 7, 19 Gr. nur noch 0,18 Gr. in der Knochenkohle vor.
Die Knochenkohle ist demnach nicht geeignet, den Gyps aus seiner wässerigen Lösung
vollständig und zwar derart zu beseitigen, daß an seine Stelle keine anderen
verunreinigenden Stoffe treten.