Titel: | Ueber die Rolle, welche die Salze bei der Einwirkung der Trinkwässer auf das Blei spielen; von Fordos. |
Fundstelle: | Band 213, Jahrgang 1874, Nr. XLIII., S. 164 |
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XLIII.
Ueber die Rolle, welche die Salze bei der
Einwirkung der Trinkwässer auf das Blei spielen; von Fordos.
Aus den Comptes rendus, 1874, t. LXXVIII p.
1108.
Fordos, über die Salzeinwirkung der Trinkwässer auf das
Blei.
Alle bei der Einwirkung der Wässer auf das Blei vorkommenden Erscheinungen finden
leicht ihre Erklärung, wenn man als ersten Act die Bildung von Bleioxyd bei
Gegenwart lufthaltigen Wassers annimmt, mag dieses Wasser nun destillirtes oder
irgend ein trinkbares Wasser sein. Die Verschiedenheit der beobachteten
Erscheinungen und der erhaltenen Resultate hängt von der Zusammensetzung des Wassers
ab.
Im destillirten Wasser vertheilt sich das entstandene Bleioxyd-Hydrat als eine
weiße Wolke, bis es mit der Kohlensäure der Luft in Berührung kommt, worauf es dann
als Carbonat sich niederschlägt. Dies sind durch die Chemiker fest gestellte
Thatsachen.
In den Trinkwässern, welche doppelt-kohlensauren Kalk enthalten, verbindet
sich das Bleioxyd, wie ich schon früher angegeben habe, mit einem Theile der
Kohlensäure des Bicarbonats, wodurch kohlensaures Bleioxyd und (einfach-)
kohlensaurer Kalk entstehen, welche beide niederfallen. Da das kohlensaure Bleioxyd
ein unlösliches Salz ist, so kann das Wasser davon nur eine äußerst geringe Spur
aufgelöst behalten. Es ist die Gegenwart des doppelt-kohlensauren Kalkes,
woraus ich auf die fast absolute Abwesenheit gelösten Bleies in den in Bleiröhren
circulirenden Trinkwässern – wenigstens unter den Bedingungen des täglichen
Gebrauchs des
Wassers, wobei es also nicht in den Röhren stehen bleibt, schließe.
Die kohlensaure Magnesia spielt, wie ich gefunden habe, dieselbe schützende Rolle wie
der doppelt-kohlensaure Kalk, und in dem Producte der Einwirkung des Wassers
auf das gekörnte Metall findet sich neben Blei- und Kalkcarbonat auch ein
wenig Magnesia-Carbonat.
Aber welches ist die Rolle der übrigen, natürlich oder zufällig in den Trinkwässern
vorkommenden Salze – nämlich der Sulfate, Chloride, Nitrate? Um diese Frage
zu beantworten, habe ich die Reaction dieser Salze, zu 1 Grm. in 100 Grm.
destillirten Wassers gelöst, auf gekörntes Blei untersucht.
1) Lösung von schwefelsaurem Natron.
Bei Gegenwart von Luft bemerkt man bald eine Einwirkung. Es bildet sich ein weißer,
aus kohlensaurem und schwefelsaurem Bleioxyd bestehender Niederschlag, letzteres
Salz in variabler und sehr geringer Menge enthaltend. Das Wasser reagirt nun
alkalisch und wird durch Schwefelwasserstoff schwach verdunkelt, ist mithin nicht
bleifrei. Wie ist dies zugegangen? Das Bleioxyd hat dem Natronsulfate Säure entzogen
und Alkali frei gemacht; letzteres wird durch die Kohlensäure der Luft zu Carbonat,
welches sich gleich mit dem Bleisulfat umsetzt, wodurch Bleicarbonat und
Natronsulfat regenerirt werden, so daß man annehmen kann, daß, wenn Kohlensäure
genügend vorhanden ist, nur kohlensaures Bleioxyd erhalten wird. Die Anwesenheit des
Bleies in der alkalischen Flüssigkeit ist leicht zu erklären; erstens ist das
Bleisulfat nicht ganz unlöslich, und zweitens kann das Bleioxyd mit dem Natron eine
lösliche Verbindung bilden.
2) Lösung von Chlornatrium. Man erhielt
ein analoges und ebenso erklärliches Resultat. Die alkalisch gewordene Flüssigkeit
enthält ein wenig Blei in Lösung, und einen aus Bleicarbonat und Chlorblei
bestehenden, ohne Zweifel der Formel PbCl + PbO, CO₂ gemäß zusammengesetzten
Niederschlag.
3) Lösung von salpetersaurem Kali.
Dasselbe Resultat und dieselbe Theorie. Das Wasser wird alkalisch und enthält ein
wenig Blei gelöst. Der Niederschlag enthält kohlensaures Bleioxyd und basisches
Bleinitrat – wahrscheinlich fünfbasisches; denn es fand sich darin nur sehr
wenig Salpetersäure.
4) Lösung von salpetersaurem Ammoniak.
Diese Lösung zeigt das Eigenthümliche, daß sie nach erfolgter Einwirkung trübe
bleibt. Der Niederschlag bildet sich nicht leicht, und wenn man ihn sammeln will, so
läuft die Flüssigkeit selbst nach wiederholtem Zurückgießen trübe ab. Die
Flüssigkeit reagirt von freiem Ammoniak alkalisch und wird durch Schwefelwasserstoff
schwach gebräunt. Der Niederschlag besteht fast lediglich aus Bleicarbonat, und
enthält nur äußerst wenig Bleisubnitrat.
5) Gesättigte Gypslösung. Sie wirkt auf
gekörntes Blei etwas langsamer, nimmt übrigens ebenfalls eine alkalische Reaction an
und färbt sich schwach durch Schwefelwasserstoff.Setzt man der Gypslösung ein wenig Kochsalz zu, so erhält man eine alkalische
Flüssigkeit, welche durch Schwefelwasserstoff stärker gefärbt wird. Das
Kochsalz erleichtert ohne Zweifel die Löslichkeit des Bleisulfates, und
werden dadurch frühere Beobachtungen von Mialhe
bestätigt. Der Niederschlag enthält schwefelsaures Bleioxyd,
kohlensaures Bleioxyd und kohlensauren Kalk.
Wendet man die vorstehenden Thatsachen auf die Bleileitungen an, so sieht man leicht
ein, daß das Wasser, welches in bleiernen Behältern oder Röhren lange verweilt hat,
ungesund werden kann und zwar sowohl durch gelöstes als auch durch als Salze
suspendirtes Metall. Daß dem wirklich so ist, zeigt folgender Versuch. Im November
schloß ich einen der Hähne in der Apotheke des Charité-Spitals. Als
ich denselben im Januar wieder öffnete, floß das Wasser trübe aus und in der Ruhe
lagerte sich daraus bleihaltiger kohlensaurer Kalk ab. Blei fand sich nur äußerst
wenig aufgelöst. Der Hahn wurde nun wieder geschlossen und am 1. April neuerdings
geöffnet; das Wasser lief auch jetzt trübe, enthielt eine merkliche Menge
kohlensaures Bleioxyd suspendirt und sehr wenig Blei gelöst. Am 7. April dasselbe
Ergebniß.
Man sollte mithin alles Wasser, welches durch Bleiröhren läuft, vor dem Gebrauche
filtriren, und solches, welches darin lange gestanden hat, als Genußmittel
zurückweisen.
W.