Titel: | Schwefelsäure-Concentration nach Faure und Kessler; von Friedrich Bode in Harkorten bei Haspe (Westphalen). |
Autor: | Friedrich Bode |
Fundstelle: | Band 213, Jahrgang 1874, Nr. LVIII., S. 204 |
Download: | XML |
LVIII.
Schwefelsäure-Concentration nach Faure und Kessler; von Friedrich Bode in Harkorten bei
Haspe (Westphalen).
Mit einer Abbildung auf Tab. III.
Bode, über Faure und Kessler's
Schwefelsäure-Concentration.
Als ich kürzlich in diesem Journal (erstes Januarheft 1874 S. 26) über den
Schalenapparat von Faure und Keßler (Clermont-Ferrand in Frankreich) zur Erzeugung concentrirter
Schwefelsäure berichtete, sprach ich die Ansicht aus, daß von allen den Vorschlägen
und Versuchen, welche in letzter Zeit in Bezug auf Vereinfachung und billigere
Herstellung des Apparates zur Erzeugung der 66° Schwefelsäure gemacht worden
sind, mir derjenige der genannten Herren weitaus der beste zu sein scheine. Es hat
sich diese Meinung inzwischen vollkommen bestätigt. Ueber die bereits mehrfach
ausgeführten und im Gange befindlichen Apparate hört man die günstigsten Urtheile
und wenn ich daher aus dem Umstande, daß die HHrn. Faure
und Keßler eine neue Broschüre über ihr Verfahren
veröffentlicht haben, Veranlassung nehme, die Verbesserungen und Erweiterungen zu
besprechen, welche an dem Verfahren theils vorgenommen sind, theils beabsichtigt
werden, so hoffe ich damit manchem Leser dieses Journals einen Dienst zu
erweisen.
Der verbesserte Apparat, welchen die Erfinder „Schalenapparat mit
beweglicher Kammer zur Concentration von Schwefelsäure auf 60 und 66
Grad“ nennen, ist zunächst auf der beigegebenen Zeichnung in Fig. 38 in der
Ansicht dargestellt. Man erkennt sofort, daß die große bleierne Kammer, welche
früher über der oder den Platinschalen errichtet war, weggefallen ist und einer
einfachen bleiernen Glocke a Platz gemacht hat, die
gehoben werden kann, wenn man zu der Schale b gelangen
will. Die Glocke, mehrfach mit eisernen Ringen armirt, taucht unten in eine Rinne
c aus Bleiblech, in welcher sich die während des
Ganges niedergeschlagene schwache Destillatsäure ansammelt, so daß das Austreten von
Dämpfen aus der Glocke durch einen hydraulischen Verschluß verhindert ist.
Es ist diese Anordnung einer Glocke von Blei über der Platinschale nicht zu
verwechseln mit einer Einrichtung, welche im Jahresbericht von R. Wagner (XI 1865 S. 227) beschrieben worden ist. Dieser
Einrichtung, welche in England patentirt war oder noch ist, von der man jedoch nicht
gehört und gelesen hat, daß sie weitere Anwendung gefunden, lag ohne Zweifel wie
auch bei dem Apparate von Faure und
Keßler wohl zunächst nur das Bestreben zu Grunde, das
Platingewicht eines Platinkessels für eine gewisse Leistung an concentrirter Säure
zu reduciren. Dies war an dem Apparate geschehen, indem man den Kesselhelm sowie den
Arm, welcher die sauren Dämpfe zur Luftschlange führt, aus Blei herstellte. Der
Kessel selbst war wesentlich der alte geblieben, nur hatte er oben einen umgebogenen
Rand erhalten, der in einen Wasserverschluß von Blei tauchte. Ebenso war auch der
Abschluß zwischen dem Bleihelm und dem Kessel durch denselben hydraulischen
Verschluß erzielt. Der Helm wurde extra durch Wasser gekühlt. Das ganze Arrangement,
welches man als einen Vorläufer des Schalenapparates betrachten kann und mit diesem
in der Anwendung des Wasserschlusses auch bereits übereinstimmt, bewährte sich wohl
aus dem Grunde weniger, weil man mit der form und Größe des Bleihelms sich nicht
genug von der Idee eines Platinkessels mit Platinhelm und Platinarm losmachen
konnte. Außerdem mag hier sogleich noch bemerkt sein, daß das Platingefäß sich nach
Faure und Keßler in eine
ganz flache Schale verwandelt hat, in welcher die Säure kaum 10 Centimeter hoch
steht, wogegen bei dem erwähnten Apparat der Kessel die übliche Tiefe beibehalten
hatte.
Die Bleiglocke a, welche über jeder Platinschale angebracht wird, ist doppelt und zwischen den Wandungen
circulirt Kühlwasser. Die condensirte schwache Säure läuft aus der Rinne c in den Probirapparat d ab,
während die nicht condensirten Wasserdämpfe in der Decke der Glocke abgehen. In der
Zeichnung scheint die Abführung dieser Wasserdämpfe durch das Rohr e in die Bleikammer angenommen zu sein. Dasselbe sitzt
wiederum mit Wasserverschluß in einer Rinne auf dem Deckel der Glocke und wird
– wenn man diesen Modus, Wasserdämpfe in die Bleikammer zu führen, adoptiren
will – mit der Bleikammer passend wiederum durch einen hydraulischen
Verschluß an einem besonders angelötheten Rohrstutzen verbunden, was in der
Abbildung nicht angegeben ist. Mehrere Schrauben f, f
dienen zur genauen Einstellung der Rinne c in das
horizontale Niveau.
Die heiße Säure gelangt durch das Rohr g von Platin in
den Kühler h. Dieser Kühler ist nach einer eigenen
Construction von Faure und Keßler so angeordnet daß alle seine Theile leicht auseinander genommen
werden können. Er kühlt, bei 1 Meter Durchmesser und etwa eben so viel Höhe, in 24
Stunden 100 Ballons Schwefelsäure, jeden zu 115 Kilogrm. Die Säure trifft mit dem
Blei nur bei einer Temperatur unter 100° C. zusammen.
Für Apparate von geringerer Production, von 60 bis 80 Centner täglich, wendet man
zweckmäßig nur eine Schale an. Für höhere Production jedoch ist es besser, deren zwei
oder mehrere zu nehmen. Dabei läßt man die warme 60grädige Säure in die eine Schale
treten, welche etwas höher angelegt ist und in die andere überlaufen. Der Betrieb
wurde früher geregelt nach den Angaben eines Luftthermometers und des Aräometers für
die Destillatsäure. Das Luftthermometer ist an dem neuen Apparate nicht mehr
angewendet, da die Angaben über die Grade der schwachen Säure genügen.
Ueber die Vortheile dieses Schalenapparates ist in dem früheren Aufsatze bereits
berichtet, und braucht daher hier nur das Neue nachgetragen zu werden.
1) Wenn man zwei Schalen anwendet, so zeigt die Destillatsäure von
der ersten Schale nur 8 bis 10° B.; von der zweiten Schale 25°; das
Destillat ist im Mittel von 17 bis 18°, während man bei den Platinkesseln ein
Destillat von 25 bis 30° hat. (Ich kann hier hinzufügen, daß man vielfach bei
forcirtem Betriebe der Kessel auf 36 bis 40° mit der Stärke des Destillates
kommt.)
Die Menge dieses Destillates von 17 bis 18° ist etwa 1/5
der producirten Säure oder 28 Proc. ihres Gewichts an 66° Säure, und vermag
man neben anderen Ursachen hieraus zu entnehmen, in wiefern die Leistung der Schalen
im Verhältniß zu Kesseln so bedeutend ausfällt.
2) Die Ersparniß an Brennmaterial wird für den Apparat, welcher in
Mülheim am Rhein im Gange ist, auf die Hälfte gegen den früheren Platinkessel
angegeben; in Clermont-Ferrand bedarf man nach den neuesten Verbesserungen
nur 16 bis 18 Kilogramm schlechter Kohle auf 100 Kilogrm. Säure, die von 48 auf 66
(Handels-) Grade gebracht ist (= 65 1/2 Grad B.).
Faure und Keßler erwähnen in
ihrer Broschüre auch das in meinem ersten Berichte ausgesprochene Bedenken
hinsichtlich der totalen Beseitigung jeder Brennstoffausgabe für die Eindampfung auf
66° B. Hierbei findet nämlich, wie ich schon früher andeutete, die erlaubte
Fiction statt, daß man unter Entsendung der Wasserdämpfe und eines Theils der
Destillatsäure in die Bleikammer dem Bleikammerbetriebe die unter den Platinschalen
verbrauchten Kohlen zur Last schreibt. Mit dem von mir ausgesprochenen Bedenken
– ich hatte gezeigt, daß man aus 100 Theilen Kammersäure, wenn sie von 50 auf
66° gebracht wird, nicht genug Wasserdämpfe erhält, um wieder 100 Theile
Kammersäure von 50° B. darzustellen – hat es nun zwar seine
Richtigkeit, indessen führen die HHrn. Faure und Keßler an, daß man hier zwei Kohlenersparungen
unterscheiden müssen: nämlich erstens die Ersparniß für Erzeugung von Wasserdampf;
zweitens diejenige, welche man dadurch erzielt, daß man das schwache Destillat nicht
besonders wieder mit zu verstärken braucht. In diesem Sinne kann man allerdings die
Auffassung über gänzliche Beseitigung des Kohlenbedarfs gelten lassen.
3) Ein fernerer Vortheil der Schalenapparate besteht darin, daß
man Vergrößerungen der Anlage leichter vornehmen kann, als bei Platinkesseln. Auch
wird durch solche Vergrößerung die Lohnausgabe bei den ersteren weniger hoch
ausfallen als bei den letzteren.
4) Die etwa nöthigen Reparaturen lassen sich leicht ausführen und
die Schale kann meist sogleich an ihrem Platze im Ofen bleiben. Zerstörungen, wie
sie bei Platinkesseln
durch Eindrücken durch den Luftdruck zuweilen vorkommen, können bei den Schalen
nicht stattfinden.
5) Die Absätze, wie sie in Kesseln vorkommen, finden in den
Schalen nicht statt, oder lassen sich doch sehr leicht entfernen.
6) Mit den Schalenapparaten kann man bedeutend größere Leistungen
erzielen als in den Kesseln. Es gehen bereits Apparate mit einer Leistung von 300
Centner 66° Säure in 24 Stunden und die Erfinder machen sich anheischig,
Apparate bis zu 600 Ctr. Säure per Tag anzulegen.
Wie schon der Name sagt, welchen die Erfinder ihrem Apparate beigelegt haben, soll
derselbe nicht blos zur Erzeugung von 66grädiger, sondern auch
von 60grädiger Schwefelsäure dienen. Hierbei würde man auf 100 Kilogrm.
Säure von 60° B. 7 Kilogrm. Kohle brauchen, statt 20 bis 25 Proc. gegen
andere Apparate. Läßt man die erzielten Wasserdämpfe in die Bleikammer gehen, so
entfallen von jenen? Kilogrm. Kohle wiederum 4 1/2 bis 5 Kilogrm. auf Ersparniß
durch Wasserdampf, und man hätte somit bei der Concentration auf 60° B. nur 2
bis 2 1/2 Kilogramm Kohle auf 100 Kilogrm. Säure nöthig.
Bei Abgabe des durch diese Eindampfung vertriebenen Wassers an die Bleikammern würde
man – die tägliche Erzeugung der letzteren an 60grädiger Säure in form von
50° Säure und die tägliche Leistung des Schalenapparates an 60° Säure
vorausgesetzt – etwa den dritten Theil des gesammten Bedarfes an Wasserdampf
am Anfange der ersten Kammer haben. Ein solcher Betrag erscheint mir zweckmäßiger
als der doppelte, welchen man erhält, wenn man die Dämpfe von der Concentration auf
60° B. und 66° B. zusammen an die Kammern gibt. Ich weiß wohl, daß man versucht hat (ob in
Chauny oder in Maubeuge ist mir nicht bekannt), den Bleikammern den ganzen Bedarf an
Wasserdampf gleich am Anfange auf einmal zuzuführen und man sagt auch, daß diese
Versuche bewiesen haben, daß die Dampfzuführung lediglich am Anfange recht wohl
zulässig sei. Dennoch kann ich, so lange ich mich nicht selbst vom Gegentheil
überzeugt habe, es nicht für vortheilhaft und zweckmäßig halten, wenn man die ganze Dampfmenge nur im vorderen Theile der Bleikammer
zutreten läßt. Gegen den dritten Theil (wegen unvermeidlicher Verluste durch
Kondensation wird es noch weniger sein), wie dies die Concentration auf 60°
B. in einer Platinschale voraussetzt, würde ich nichts einzuwenden haben.
Faure und Keßler machen selbst
den Einwand, daß man Schwefelsäure auf Kiesöfen und in Glover-Thürmen auf 60° B. ohne jeden Kohlenaufwand
eindampfen könne. Sie führen aber gegen die Eindampfung auf den Kiesöfen an, daß die
Säure mit Staub mehr verunreinigt wird und daß man über die Stärke der Säure nicht
genau genug verfügen
könne, so daß eine Nachconcentration erforderlich sei. Dies ist jedoch nach meiner
Erfahrung keineswegs nöthig; ich habe vielmehr stets gefunden, daß die über
Schwefelkies abgedampfte Säure sehr regelmäßig in den Graden fällt, wie dies auch
nicht anders zu erwarten ist, wenn die Wärmeerzeugung oder das Besetzen der Oefen
mit frischem Schwefelkies regelmäßig stattfindet. Die Regelmäßigkeit im Aufgeben von
Schwefelkies in den Kiesöfen dürfte auch in der Regel größer sein, als die
Regelmäßigkeit im Aufgeben von Kohlen auf einen Rost.
Gegen Glover'sche Thürme machen Faure und Keßler geltend, daß sie theurer sind
als Schalenapparate, daß sie vielen Zufällen unterworfen sind zur Anwendung
flüssiger Salpetersäure nöthigen, die Säure sehr unrein machen und Verluste an
Stickstoffverbindungen verursachen.
Hinsichtlich der Anschaffung von Schalenapparaten werden folgende Vortheile gegenüber
den Platinkesseln berechnet (in allerdings etwas scharfer Weise).
Ein Platinkessel, welcher 50,000 Franken kostet, läßt sich durch einen Schalenapparat
von derselben Leistung für 25,000 Fr. (einschließlich des Honorars) ersetzen. Wird
die Dauer eines solchen Kessels zu 15 Jahren genommen, so wird man von den so
ersparten 25,000 Fr. eine Rente erzielen,
welche zu 6 Proc. capitalisirt, entspricht
25000
Fr.
Abnützung, 5 Kilo Platin à
800 Fr.
4000
„
Entwerthung des Platins, 20 Proc.
5000
„
–––––––––––
Zusammen
44000
Fr.
der vorgenannte Schalenapparat würde täglich etwa 900 Kilogrm.
Kohlen gegen einen Platinkessel von gleicher Leistungsfähigkeit ersparen. Diese 900
Kilogrm. zu 22,50 Fr. berechnet (1000 Kilo zu 25 Fr.), so würde dies bei etwa 300
Arbeitstagen im Jahr rund 6500 Fr. Ersparniß ausmachen, welche für 15 Jahre mit den
Zinsen zu 6 Proc. addirt 151,000 Fr. Ersparniß abgeben.
Daß sich hiernach auch wesentliche Vortheile bei dem Umtausche eines Platinkessels
gegen eine Schale berechnen, liegt auf der Hand und es ist überflüssig, die
Berechnungen der Faure- und Keßler'schen Broschüre in dieser Beziehung zu recapituliren.
In der kurzen Zeit des Bekanntwerdens der neuen Methode hat dieselbe bereits in
Frankreich, Belgien, Deutschland, Oesterreich, Rußland und England Eingang
gefunden.