Titel: | Der Kupferrubin und die verwandten Gattungen von Glas; von Paul Ebell. |
Fundstelle: | Band 213, Jahrgang 1874, Nr. LX., S. 212 |
Download: | XML |
LX.
Der Kupferrubin und die verwandten Gattungen von
Glas; von Paul
Ebell.
Aus dem chemisch-technischen Laboratorium
des Collegium Carolium zu
Braunschweig.
(Fortsetzung von Seite 145 des vorhergehenden Heftes.)
Ebell, über den Kupferrubin und die verwandten Gattungen von
Glas.
4) Hämatinon.
Hämatinon ist derjenige Zustand des mit Kupfer roth gefärbten Glases, bei welchem die
Ausscheidungen massenhaft auftreten, den Fluß vollkommen opak machen, nach Art der
Emaile für den Eindruck durch das unbewaffnete Auge bestimmend werden und zugleich
so beschaffen sind, daß das Ganze in hochrother Farbe, im gelungensten Fall von der
Farbe des Zinnobersiegellackes, erscheint. Es ist schon oben angeführt worden, daß
selbst bei Schmelzungen mit weniger als 1 Proc. Kupferoxyd mit- unter solche
zinnoberrothe Partien an vereinzelten Stellen auftreten. Nie v. Pettenkofer in seiner ausgezeichneten Untersuchung über
die antiken Hämatinone gelehrt hat, erhält man dieselben sicher durch Schmelzen von
bleihaltigem Glase mit ungefähr 9 Proc. Kupferoxyd und Eisenhammerschlag zu einem
möglichst gleichförmigen leberfarbigen Fluß, den man nach dem Erstarren mehrere
Stunden lang einer der beginnenden Erweichung entsprechenden Glühhitze aussetzt.
Erst während dieses Nachglühensentwickelt sich die hochrothe Farbe und opake
Beschaffenheit. Die Anwendung von Eisenhammerschlag als Reductionsmittel ist keine
Bedingung aber in so ferne bequemer als Zinn, weil das Eisen ein weit
leichtflüssigeres, leichter herzustellendes Glas liefert. Ebenso ist der Zusatz von
gebrannter Magnesia höchstens ein Forderungsmittel. Folgendes sind die Ergebnisse
der eingehenden mikroskopischen Untersuchung eines von v. Pettenkofer selbstIm Besitze des Hrn. Prof. Knapp, welcher sie der
Güte des Darstellers verdankt. dargestellten ausgezeichneten feurigen zinnoberrothen Hämatinon.
Das Stück, ungefähr 12 bis 15 Kubikcentimeter groß, ist für das bloße Auge ganz
homogen, ohne Adern, Wolken u. dergl., dicht und geschlossen opak. Der Bruch ist
muschelig, nicht matt, von müßigem Glanz. Auch sehr flache Splitter sind opak und
Hochroth wie das Ganze, nur an den äußersten Kanten etwas durchscheinend. Das Pulver ist bedeutend
blässer, mehr fleischfarben und ohne alles Feuer. Schon bei mäßiger Vergrößerung im
durchfallenden Lichte lösen sich dünne flache Splitter in eine anscheinend farblose
Grundmasse und zahllose sehr gleichvertheilte, schwarze nicht allzufeine Punkte auf.
Bei stärkster Vergrößerung (800fach) und derselben Beleuchtung treten die Punkte in
sehr dünnen günstig gestalteten Splittern stark auseinander, liegen durch ziemlich
weite Zwischenräume der farblosen Grundmasse getrennt, sind zählbar und besitzen
eine bestimmte, deutlich erkennbare eckige Figur, weitaus herrschend die eines
Quadrates, selten anscheinend und undeutlich die eines Polygons (Sechs- oder
Achteck?) Die Figuren erscheinen auf den ersten Blick meist wie in der Mitte
durchlöchert, nämlich mit einem hellen Fleck (Reflex), der aber bei scharfer
Einstellung verschwindet, so daß die ganze Fläche schwarz erscheint. Alle diese
Figuren sind von auffallend gleichen oder doch sehr wenig verschiedenen Dimensionen.
Von Nadeln, Spiesen etc. nirgends eine Spur. Es ist einleuchtend, daß die dunklen
Punkte oder vielmehr Flächen von der Ausscheidung eines undurchsichtigen
krystallisirten Körpers herrühren, dessen Krystallform von der Art sein muß, daß sie
in allen Lagen in derselben oder in sehr ähnlichen Projectionen erscheint, wohl des
tesseralen Systems. Der helle Reflex in der Mitte bei nicht ganz scharfer
Einstellung spricht gegen den einfachen, aber mehr für den Pyramidenwürfel; an
genauere Bestimmung ist bei der Kleinheit des Objectes nicht zu denken. Im
auffallenden Lampenlicht unter dem Mikroskop gleichen die Splitter ausgezeichnet
einem Hochroth glühenden Körper, die rothe Farbe über das Gelb vorherrschend; schon
bei 80facher, besser bei 150facher Vergrößerung, scheidet sich das Rothgelbe als
getrennte, nicht sehr feine Punkte in einer dunklen Grundmasse; eine Minderzahl der
Punkte erscheint als gelbe glänzende Flimmer, die Mehrzahl als matte rothe Körner
– eins und das andere offenbar je nach der zum Reflectiren des Lichtes mehr
oder weniger günstigen Lage der Flächen. Die form ist bei dieser Beleuchtung von
oben, eben der Reflexe wegen, nur höchst undeutlich zu erkennen, aber die Reflexe
haben stets die form einer Pfeilspitze oder eines Circumflexes (∧). Die
Ausscheidungen im Hämatinon sind also deutliche Krystalle eines undurchsichtigen,
hellrothen, glänzenden Körpers, ganz ebenso wie die Ausscheidungen in dem leberigen
Rubinglas der oben beschriebenen Flüsse nur massenhafter, gehäufter, größer, statt
Punkte schon entwickelte Krystallgestalten.
Der Gesammteindruck des Hämatinon auf das unbewaffnete Auge rührt vorwiegend von den
beschriebenen Ausscheidungen, aber doch nicht ausschließlich davon her; selbstverständlich spricht die
Grundmasse mit. In dem v. Pettenkofer herrührenden
mikroskopisch analysirten Hämatinon ließ die Grundmasse bei der Vergrößerung keine
deutliche Farbe erkennen, aber farblos ist sie deswegen nicht; denn eine Farbe muß
schon sehr tief sein, wenn sie in Splittern als mikroskopisches Object sichtbar sein
soll. Bei dem hochrothen Hämatinon haben sich die Dinge auf ein nicht so leicht
festzuhaltendes Gleichgewicht abgeglichen: es ist kein unreducirtes Kupferoxyd, aber
auch kein Eisenoxydul mehr vorhanden, oder so wenig von beiden, daß sie keine
merkliche Färbung in Grün bedingen. Man sieht die ausgeschiedenen rothen Körner
durch ein von Eisenoxyd rothgelb gefärbtes Glas. Es ist keine das Roth störende,
sondern eine es noch hebende Mischfarbe entstanden. Ist die Grundmasse grün, so wird
unter gleichen Umständen der Hämatinon mehr oder weniger in's Braune gehen, wozu in
der That große Neigung vorhanden. Selbstverständlich hängt der Gesammteindruck auch
von der Menge der Ausscheidung in der Grundmasse ab. Je dichter und gedrängter diese
in der Grundmasse liegen, um so überwiegender wird von den rothen Körperchen
reflectirtes Licht in's Auge gelangen, um so mehr wird die Wirkung der Farbe der
Grundmasse in den Hintergrund treten oder verschwinden. Nicht blos Ausscheidung,
sondern auch möglichst reiche und dichte Ausscheidung gehört zum Begriff des
Hämatinon. Unter der Muffel längere Zeit gelinde glühend erhaltener rother
Ueberfangrubin verwandelt sich in ein braunes, opakes Glas, von Hämatinon nur in der
Farbe verschieden. Das braune Glas enthält rothgelbe, getrennt liegende Punkte ganz
wie der Hämatinon, aber verhältnißmäßig dünngesäet in einer stark grün gefärbten
Grundmasse. Betrachtet man dasselbe Glas statt auf der breiten Fläche auf der Kante,
so erscheint der Ueberfang nicht mehr als braune Fläche, sondern als hochrothe opake
Linie. In der einen Lage sind die Ausscheidungen bei der Dünne des Ueberfanges nicht
zahlreich genug, um das Grün auszustechen, in der anderen Lage, hochkant gesehen,
bietet die Projection dem Auge eine hundertfache Menge der ausgeschiedenen Körner;
das Roth schlägt durch. Ganz ähnlich gab eine Schmelzung von BleiglasWeiter unten bei 5) Aventurin näher angegeben. mit 4 Proc. Kupferoxyd und Zinn, besonders langsam abgekühlt, einen
Hämatinon für das bloße Auge schon sehr fühlbar in's Braun gehend, unter starker
Vergrößerung von dem hochrothen Pettenkofer'schen nicht
zu unterscheiden: Dieselben Ausscheidungen in dunklen Quadraten von gleicher Größe,
hellroth im
auffallenden Licht, nur viel dünner gesäet und in einer bei 80maliger Vergrößerung
noch deutlich grün gefärbten Grundmasse.
Ein für die Natur des Hämatinon sehr maßgebender und entscheidender Punkt ist die
form der Krystallausscheidungen. Sie ist von der Art, wie schon erörtert, daß keine
Dimension wesentlich die andere überwiegt und von vielen kleinen Flächen begrenzt.
Wie das mikroskopische Bild lehrt, kommen im Verhältniß nur wenige Flächen normal,
d.h. so gegen das Auge zu liegen, daß sie das auffallende Licht als Spiegel voll
zurückwerfen. Diese Flächen werden als helle gegen das übrige stark abstechende
Flimmer von gelber kaum in's Rothe gehender Farbe gesehen. Die überwiegende Mehrzahl
der Flächen sendet wegen ihrer nicht normalen Lage kein directes sondern nur
confuses Licht nach dem Auge und gibt daher den Körnern das Ansehen von mattem Roth.
Jenes Gelb mischt sich im Auge mit dem Roth und bewirkt Hebung des Tons. Eine
Ausscheidung von anderer form, z.B. von Blättern, würde zuverlässig etwas anderes
als Hämatinon bilden. Davon liegt der thatsächliche Beweis vor. Wenn man v. Pettenkofer's hochrothen Hämatinon vor dem Gebläse als
Ueberfang behandelt oder in ein Glasrohr einschmilzt und zu einem Faden auszieht, so
verschwinden alle Ausscheidungen; Ueberfang oder Faden bilden eine durchsichtige
Masse. In diesem Zustand äußerst geneigt zum Anlaufen, nimmt dieser Ueberfang nach
Umständen zweierlei form an: als Rubinroth und als Lehmgelb. Nur bei sehr
vorsichtiger Annäherung zur Flamme gelingt es den Rubinzustand – welcher
übrigens ganz der gewöhnliche ist – festzuhalten, denn die große Menge des
dem Hämatinon einverleibten färbenden Stoffes drängt zu reicheren Ausscheidungen.
Bei einigermaßen kräftiger Einwirkung der Flamme gerinnt die harzbraune zu einer
opaken lehmgelben Masse von stumpfer unreiner Farbe. Unter stärkerer Vergrößerung
(etwa 100fach) löst sich die gelbe Masse als Milchstraße in eine dichte Wolke von
leuchtenden Flimmern auf. Diese Ausscheidung ist dieselbe, welche bei den Flüssen zu
Rubinglas sporadisch vorkommend erwähnt wurde. Dort trat die Ausscheidung in grüner
Grundmasse zeisiggelb, hier tritt sie in brauner Grundmasse lehmgelb auf. Sie ist
die dichteste, welche überhaupt vorkommt in den mit Kupfer gefärbten Gläsern, gelb
ohne Einmischung von Roth, allseitig hochglänzend, ohne Einmischung von matten
Theilchen und gehört in Farbe und Ansehen, aber auch nach der Entstehungsursache
nicht der Kategorie des Hämatinon sondern der des Aventurin an.
Der Hämatinon ist stets eine Ausscheidung aus dem bereits starren, in den ersten
Anfängen des Erweichens begriffenen und dauernd erhaltenen Glas. Dieser Zustand des Glases
gestattet bereits eine gewisse Beweglichkeit der Molecüle aber in engen Grenzen, er
läßt die Bildung von Krystallen aber keine Ausbildung von größeren Individuen zu.
Die Krystalle fallen bei der Reichlichkeit des zur Abscheidung drängenden Stoffes
überschwänglich reichlich, sehr mikroskopisch und von einer form aus, welche den
Eindruck des matten im bloßen Auge wesentlich begünstigt. Verschieden in Farbe, form
und Zustandekommen sind die ebenfalls krystallinischen Ausscheidungen, welche das
Wesen des Aventurin ausmachen.
5) Aventurin.
Wie der Hämatinon, so entsteht auch der Aventurin durch Ausscheidungen aus dem Glase,
aber die Ausscheidungen sind nicht mehr mikroskopisch, sondern für's bloße Auge
millimetergroß vorliegende Körper. Ihre form, wie sie sich schon bei 80facher
Vergrößerung in's Einzelne genau in der Projection darstellt, ist das gleichseitige
Dreieck (a im untenstehenden Holzschnitt), fast immer
mit etwas abgestutzten Ecken (b), öfter bis zum
regelmäßigen Sechseck (c); auch gestreckte Sechsecke
kamen vor (d), sehr selten Quadrate. Bei günstiger
Gestalt der Splitter des Glases und passender Beleuchtung kann man mit Bestimmtheit
wahrnehmen, daß die Dreiecke nicht aus einer sondern aus vier Flächen bestehen (e). Je mehr die Fläche der Dreiecke durch geneigte
Lage
Textabbildung Bd. 213, S. 216
parallel mit der Sehlinie wird, um so mehr verschmälern sie
sich, bis sie zu einem äußerst dünnen geraden Strich zusammenschwinden, der sehr
leicht zu übersehen, nur bei scharfer Einstellung des Mikroskops hervortritt. Die
charakteristischen Körper in dem Aventurin besitzen demnach, genau wie dies schon
Wöhler angegeben, die form von äußerst dünnen,
krystallinischen Blättchen. Klebt man einen kleinen Splitter Aventurin auf eine
zugeschmolzene Glasröhre und bläst zur Kugel auf, so werden die einzelnen Blättchen
mit der Grundmasse, worin sie eingebettet liegen, auseinandergereckt, erstere bis
zum Zerreißen. Es lösen sich dabei von den Dreiecken regelmäßige Balken ab (f), welche die Spaltungsflächen bezeichnen. In dem
feinen Pulver durch Zerreiben von einem Splitter Aventurin im Achatmörser, wird man
die Blättchen vergebens mit dem Mikroskope suchen, sie sind darin verschwunden; ein
flacher Splitter, worin sich die ausgeschiedenen Körper unter dem Mikroskop leicht
zählen lassen, enthielt 21 Blättchen; nach dem Zerreiben war kein einziges mehr aufzufinden.
Bei der großen Dünne der Blättchen werden diese nämlich zwischen dem Glaspulver zu
feinen, in dem Mikroskop kaum mehr auffindbaren Partikeln zerrissen, die man nur
schwerer als dunkle, unscheinbare, zusammengeballte Massen zwischen den Glastrümmern
erkennt. Die Blättchen besitzen nämlich einen hohen Glanz, welcher mit der
Zerstörung der Flächen unter dem Pistill vernichtet wird. Sie erscheinen im
durchgehenden Lichte betrachtet vollkommen schwarz; im auffallenden Lichte nach den
Umständen mit zweierlei Farbe. Ist die Lage der Blättchen gegen das Licht so, daß
ihre Fläche vollkommen spiegelt, also das Licht voll reflectirt, so erscheinen sie
tombakgelb; im anderen Fall bei schwacher, nicht blendender Beleuchtung feuerroth.
Aus dem beschriebenen Verhalten zusammengenommen geht hervor, daß die Blättchen des
Aventurin krystallinische Ausscheidungen sind und aus einer nicht spröden, sondern
weichen, biegsamen, undurchsichtigen Masse von metallischem Ansehen bestehen, in
eine durchsichtige Glasmasse eingebettet, von in's Braune gehender honiggelber Farbe
(mit schwachen Unterschieden der Schattirung.)
Wie man sieht, haben die Ausscheidungen im Hämatinon und im Aventurin
Haupteigenschaften gemein: die krystallinische Beschaffenheit und die Farbe, nach
Umständen glänzend gelb oder matt Hellroth. Der überaus große Unterschied beider
Gattungen im Ansehen ist nur durch folgende Umstände bedingt. Im Hämatinon sind die
Ausscheidungen klein und äußerst dicht gesäet, im Aventurin groß und verhältnißmäßig
dünn gesäet; beim Hämatinon sind die Krystalle nach allen drei Dimensionen nahe zu
gleich ausgebildet, beim Aventurin bilden sie fast nur Flächen mit verschwindender
dritten Dimension; in folge dieses Unterschiedes der Krystallgestalt bieten die
Körnchen des Hämatinon nur sehr wenige spiegelnde Flächen und diese von geringster
Ausdehnung, im Aventurin dagegen große und stark spiegelnde Flächen. Nichts
natürlicher daher, als daß der Hämatinon auf das bloße Auge nur mit den vorwiegenden
nichtspiegelnden Oberflächen seiner Ausscheidungen wirkt und roth erscheint, während
das Auge im Aventurin nur die schimmernden gelben und in Zahl, Glanz sowie Farbe
weit hervortretenden Spiegelflächen sieht. Aventurine, wie die an den venetianischen
Kunstarbeiten der Fabriken von Murano, in denen die Krystallblättchen besonders
dicht gesäet liegen, so daß die Grundmasse im Eindruck verschwindet, erscheinen wie
mit Goldschaum angefüllt. Wo die Ausscheidung von Blättchen sehr rasch zu Stande
kommt und das Glas mit unendlich dicht gesäeten und unendlich kleinen
Krystallblättchen angefüllt ist, verwirren sich die zahllosen Reflexe im Auge und
bringen den Eindruck des matten (Zeisig- oder Lehm-) Gelb hervor, wovon oben die Rede
war. Selbstverständlich spielt bei der einen wie der anderen Gattung auch die
Verschiedenheit der Grundmasse in zweiter Linie eine Rolle.
Der Aventurin wird, so wenig wie der Hämatinon, durch den üblichen Betrag des
Kupferzusatzes an sich hervorgebracht. Wie bereits gezeigt wurde, geben die
Glasflüsse mit diesem Versatz (4–5 Proc. Kupferoxyd) durch Schmelzen
dieselben leberigen Flüsse, wie die Glassätze mit 1 Proc. und die mit 9 Proc. Der
Aventurin ist wie der Hämatinon das Ergebniß nicht sowohl der Schmelzung, als
vielmehr der Abkühlung des geschmolzenen Glases, aber die Bedingungen der Abkühlung
sind für beide Gläser wesentlich verschieden. Beide bedürfen beim Schmelzen der
Temperatur der anfangenden Weißglut, um ein der weiteren Umwandlung fähiges Glas zu
liefern. Der mit der Bezeichnung Hämatinon unterschiedene Zustand tritt ein im
zweiten Stadium der Erkältung, entwickelt sich bei den Temperaturen der Erweichung
des Glases und abwärts um so vollkommener, je mehr dieses Stadium in die Länge
gezogen wird und je kupferreicher die Schmelze. Der Zustand von Aventurin gehört
dagegen dem ersten Stadium der Erkaltung an, von dem vollen Fluß der Weißglut an bis
zur beginnenden Erstarrung; er bildet sich am vollkommensten aus, wenn dieses erste
Stadium möglichst verlangsamt wird und bei einem mäßigen Versatz mit (etwa
4–5 Proc.) Kupferoxyd. Hämatinon ist das Product einer Krystallisation aus
beinahe starrem halbweichem, Aventurin aus völlig flüssigem GlaseDanach ist v. Pettenkofer's Ausspruch (a. a. O. S.
138) zu berichtigen, wonach die Bedingungen der Aventurinbildung dieselben
wären, wie jene der Entglasung.. Im Kleinen erhält man daher den Aventurin am besten, wenn man nach
vollendeter genügender Schmelzung des Glases das Feuer sammt dem Tiegel mit Asche
dick bedeckt, alle Züge schließt und dichtet und bis zum andern Tag stehen läßt. Im
gelungenen Fall kommt der Tiegel noch etwas dunkel glühend aus dem Feuer, im Fall
des Mißlingens nur mäßig heiß und das Glas hat dann mehr das Ansehen von Hämatinon,
mehr roth als braun; es ist ohne Flimmer, aber zu arm an Ausscheidung, um voll
Hochroth zu erscheinen. War nämlich die Abschließung des Zuges und die Dämpfung des
Feuers nicht genügend, so verläuft das erste Stadium der Abkühlung, wo die
Temperaturdifferenzen sehr groß sind, zu rasch, das zweite Stadium, wo diese
Differenzen schon bedeutend an Umfang verloren haben, natürlich ungleich langsamer
und dadurch eben für die Bildung von Hämatinon günstig. Die Grundmasse des Aventurin läuft durch
Erhitzen auf den Erweichungspunkt unter keinen Umständen roth an – ein
Beweis, daß dieselbe kein reducirtes Kupferoxyd mehr disponibel enthält; das Product
der Reduction des Kupferoxydes scheidet sich beim Gelingen des Aventurin vollkommen
als Krystallblättchen ab. Auch der gelungene Aventurin durchläuft das zweite Stadium
der Abkühlung langsam, aber es bildet sich demungeachtet nachträglich kein Hämatinon
mehr, weil der Stoff dazu völlig auskrystallisirt und verbraucht ist.
Die braungelbe Farbe der Grundmasse der Aventurine rührt von Eisenoxyd her, sofern
Eisenhammerschlag als Reductionsmittel dient, aber auch von der Gegenwart der
Reductionsmittel überhaupt, insofern das Glas nur unter dem Einfluß von Oxydation
farblos erhalten werden kann, im andern Fall aber durch Kohle und Kohle abgebende
Gase braungelb erscheint. Betrachtet man den Aventurin mit bloßem Auge, so tritt (in
folge des Durchscheinet der nicht spiegelnden und dann rothen Krystallblättchen) zur
Farbe der Grundmasse ein Stich in's Rothe hinzu, welcher unter dem Mikroskop
verschwindet, wenn man durch die Lücken zwischen den Blättchen hindurchsieht.
Die Erzeugung von Aventurin setzt keine bestimmte Mischung des Glases als Bedingung
voraus, es kann mit und ohne Bleioxyd geschmolzen sein und die Verhältnisse
derselben Bestandtheile wechseln. Bei den 18 verschieden im Laboratorium gemachten
Schmelzungen haben folgende drei Glassätze gedient:
I
II
III
Sand
150
Sand
67,3
Sand
80
Kreide
35,5
Kalk
9
Kalk
8
Calc. Soda
80
Bleiglätte
1
Kohlens. Natron
18
Potasche
14
Kohlens. Natron
12
Kohlens. Kali
9
Salpeter
20
Kohlens. Kali
7
––––
–––––
––––
115
299,5
96,3
dazu:
dazu:
dazu:
Kupferoxyd
13
Kupferoxyd
5
Kupferoxyd
4
Eisenfeile
4,5
Eisenhammerschlag
5,5
Eisenhammerschlag
6
Der Satz III ist eine der Leistung des Schmelzofens mit hohem Kamine, der zu den
Versuchen diente, angepaßte Mischung; Satz II ist nach den Analysen von Kersten berechnet; Satz I einer von denen, die Hautefeuille angegeben, und sehr empfehlenswerth. Die
Eisenfeile oder Hammerschlag wurden in Papier gewickelt, in das fertig geschmolzene
Glas eingetragen und rasch untergetaucht. Auch in der weiteren Behandlung ist man
ganz den Angaben von Hautefeuille gefolgt (Bedecken des Feuers mit Asche
u.s.f.), welche sich als völlig verlässig erwiesen. Immerhin ist es schwierig im
Kleinen, wo man die Temperaturverhältnisse und den Gang der Abkühlung weniger
beherrscht, einen schönen Aventurin mit großen und deutlichen Blättchen zu
erhalten.
Nach den oben beigebrachten Thatsachen kann in der Grundmasse der Aventurin kein
Kupfer mehr in dem zum Rothanlaufen oder zur Ausscheidung als Hämatinon geeigneten
Zustande vorhanden sein; auch als Kupferoxyd nicht, oder doch nur in verschwindender
Menge, weil sonst die Grundfarbe in's Blaugrüne gehen müßte. Der Kupfergehalt geht
also ganz oder nahezu vollständig in die Ausscheidungen. Zu seiner Bestimmung diente
eine Probe Aventurin unbekannten Ursprunges, nicht besonders schön, aber mit
ungewöhnlich großen Flimmern:
1,054 Grm. davon gaben 0,0405 Grm. Halbschwefelkupfer, entsprechend 0,0323
metallisches Kupfer oder 3,068 Procent; Schnedermann
hatte 2,6 Proc., Kersten 4 Proc. gefunden.
Bei mäßiger Hitze läßt sich der Aventurin ohne Aenderung seiner Natur bearbeiten,
ausspinnen, überfangen u.s.w., wie zahlreiche Kunstarbeiten in Glas documentiren.
Längere Zeit stärkerem Feuersgrade ausgesetzt, schon vor der Glasbläserlampe,
verschwinden die Krystallblättchen vollkommen, der Aventurin geht in ein homogenes
melassenfarbiges Glas über und kann leicht durch rasche Abkühlung (beim Ueberfangen
vor der Lampe, Abschrenzen in kalten: Wasser) in diesem Zustande erhalten werden.
Läßt man den klar geschmolzenen Aventurin noch länger bei allmälig sinkender
Temperatur im Feuer, zuletzt in der bloßen rußenden Flamme ohne Wind, (etwa als
Tropfen an einem Glasstabe), so verwandelt er sich von außen nach innen in
hochrothen Hämatinon von schönem Feuer, besonders im auffallenden Lichte unter dem
Mikroskop.
Messungen an käuflichem Aventurin mit sehr stark ausgebildeten Krystallblättchen und
an selbst bereitetem mit schwach ausgebildeten Krystallblättchen ergaben folgende
Werthe für die Seitenlänge der Dreiecke mit vollen, nicht abgestutzten Ecken: bei
den größten 0,13 bis 0,1 Mm., bei den kleinsten 0,03 bis 0,04 Millimeter.
(Fortsetzung folgt.)