Titel: | Münzplatten-Sortirmaschine von Seyss und Comp. in Atzgersdorf bei Wien; beschrieben von Prof. Dr. Hartig in Dresden. |
Fundstelle: | Band 213, Jahrgang 1874, Nr. LXIX., S. 280 |
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LXIX.
Münzplatten-Sortirmaschine von Seyss und Comp. in Atzgersdorf bei Wien; beschrieben von Prof.
Dr. Hartig in Dresden.Mit besonderer Genehmigung entnommen aus dem „Amtlichen Berichte über die Wiener
Weltausstellung im Jahre 1873“ , Bd. II Heft 1,
Maschinenwesen und Transportmittel. – (Friedrich Vieweg und Sohn.
Braunschweig 1874.)
Mit Abbildungen.
Hartig, über Seyß' Münzplatten-Sortirmaschine.
Als eine hervorragende und für die Präganstalten wichtige Leistung verdient die Münzplatten-Sortirmaschine von Ludwig Seyß in Atzgersdorf ausführliche Betrachtung. Dieselbe
entstand in folge einer Aufforderung des k. k. Hauptmünzamts in WienVergl. die Notiz in diesem Journal, 1872 Bd. CCIII S. 241., welches zunächst nur eine Scheidung der ungeprägten Münzplatten in drei
Sorten – zu leichte, richtige und zu schwere – auf automatischem Wege
bewirkt, forderte. Der Umstand, daß die Mehrzahl der Platten Uebergewicht zeigt,
dessen Beseitigung mittels einer selbstthätigen Schabmaschine möglich ist, gab dem
Erfinder Veranlassung, die überwichtigen Platten in mehrere Sorten zu trennen, damit
die Schabmaschine mit größerer Sicherheit und größerem Vortheil in Benützung
genommen werden kann. Demgemäß wurde diese Maschine für Ausscheidung von sechs
Sorten Platten eingerichtet, für welche an den Sammelkästen eine besondere
Numerirung angebracht wurde. Nr. 0 bezeichnet die unbrauchbar leichten Platten, Nr.
1 die normal und bis zur gesetzlichen Grenze leichten, Nr. 2 normal und bis zur
gesetzlichen Grenze schwer, Nr. 3, 4 und 5 die zu schweren, daher zu justirenden
Platten. Die Sorten 1 und 2 können auch in einen gemeinsamen Sammelkasten geführt
werden.
Die Maschine entnimmt die Platten aus vertical stehenden Büchsen, in welche sie durch
einen Arbeiter von Hand eingelegt werden, fördert sie auf die Schalen besonderer
Waagebalken, welche je nach dem Gewicht der Platte in eine verschiedene Ruhestellung kommen, und
läßt sie dann mittels geeigneter Canäle in die betreffenden Sammelkästen
gelangen.
Die Mechanismen zur Zu- und Abführung der Platten und diejenigen zur
Arretirung der Waagebalken und Schalen während der Aufbringung der Platten und nach
eingetretener Gleichgewichtsstellung der Balken werden von einer Antriebswelle aus
in Gang gesetzt, deren Umlaufszahl mit der Schwingungsdauer der Waage in
Zusammenhang stehen muß.
Holzschnitt I, Bd. 213, S. 280
Die Anordnung der Waagebalken ergibt sich aus dem ersten der hier beigefügten
Holzschnitte. Es bezeichnet hier a die Vorrathsbüchse,
b eine stählerne Zunge (Zubringer), durch deren
Hin- und Herschiebung eine Platte nach der anderen aus a in die Vorkammer c befördert wird; von hier
gelangen die Platten durch Oeffnung eines Schiebers d in
die aus versilbertem Stahlblech hergestellte Tasche oder Waageschale e; der Balken f trägt am
anderen Ende die zur Aufnahme des Normalgewichtes bestimmte zweite Schale g. Der Balken besteht aus zwei hochkant gestellten
parallelen Streifen von versilbertem Stahlblech, hat eine Länge von 306 Millim.
zwischen den Spitzen und ein Gewicht von 86 Grm.; jede Schale wiegt 32,7 Grm. Die
Mittelachse ruht in einer Achatpfanne einer am Gestell festgeschraubten Säule h; auf derselben sitzt verschiebbar eine messingene
Hülse i, deren Arme kk
und 11 die Arretirung des Balkens, beziehentlich der Schalen vermitteln, wenn durch Hebung einer Schiene m (welche die Tragsäulen aller Waagen umschließt) die
Hülse i in die höchste Position übergeführt wird; diese
Balken- und Schalen-Arretirung findet nur in dem Augenblick statt,
wenn nach Entfernung einer Platte von der Tasche e und
nach Zuführung einer neuen Platte aus der Vorkammer c
die Abwägung der letzteren (von der Mittelstelle der Waage aus) beginnen soll. Die
zur Schalenarretirung bestimmten Finger n, welche um
Scharniere der Arme l drehbar sind, schleifen mit zwei
Federn auf feststehenden Stiften oo, so daß nur
ein sanfter Druck auf die Schalen ausgeübt werden kann. Von besonderer Wichtigkeit
für das Spiel des Balkens sind die beiden Paare staffeiförmig ausgeschnittene
Stahlbleche p und q, welche
an einem horizontalen Arm der Tragsäule h befestigt
sind. Die Staffeln 1 und 6 dienen dazu, die äußersten Grenzlagen des Balkens zu
fixiren, bei welchen die am Balken festen Stifte I und VI sich auf 1 und 6
aufsetzen. Die erste Grenzlage entspricht den leichtesten, die letztere den
schwersten Platten. Mit den beiden Staffeln 2 und 3 correspondiren die sogenannten
Toleranzreiter II und III, welche der Größe des zulässigen Mindergewichtes
beziehentlich Uebergewichtes der Platten entsprechen. Der Reiter II wird bei dem
Spiel der Waage von dem Waagebalken abgehoben (auf die Stütze p übertragen), wenn die in die Tasche e
gelangte Münzplatte zwar leichter ist als das Normalgewichtsstück, jedoch noch
innerhalb der zulässigen Grenze, und es hat dieses Abheben des Reiters den Erfolg,
daß der Waagebalken (daher auch die Tasche e) noch etwas
längere Zeit in derjenigen Position, welche der Gewichtssorte 2 entspricht,
verweilt; daher die Mechanismen, welche die Tasche e in
der betreffenden Höhenstellung behufs Auswerfung der geprüften Platte festzuhalten
haben, um so sicherer Zeit finden, ihr Spiel zu vollenden. Hierdurch werden kleine
Aenderungen in der Umlaufsgeschwindigkeit der Antriebswelle unschädlich gemacht,
auch die sämmtlichen den zu bildenden Sorten entsprechenden Gleichgewichtslagen des
Balkens und der Tasche in angemessen enge (der Theilung der Canalöffnungen
entsprechende) Grenzen gezogen. Der Balken trägt nämlich für die weitere Scheidung
der zu schweren Platten noch andere passend abgestufteBei der Sortirung von 20-Mark-Stücken von Gold auf der in
Dresden befindlichen Maschine hatten die angewendeten Reiter folgende
Gewichte: II = 20, III = 57, IV = 72, V = 85 Milligramm. Reiter IV und V, deren Abhebung durch die Staffeln 4 und 5 erfolgen kann.
Die Anwendung der hier erwähnten abhebbaren Reiter ist als ein besonders glücklicher
Kunstgriff zu bezeichnen, der allein wohl die Scheidung in mehr als drei Sorten erreichen läßt. Denn nur
hierdurch ist es möglich, innerhalb eines mäßigen (dem totalen Spiel des Balkens
entsprechenden) Raumes alle möglicherweise eintretenden Gleichgewichtslagen des
Balkens auf eine größere Zahl von im Voraus bestimmten (der Canaldisposition
entsprechenden) Normalpositionen zusammenzudrängen und so der Maschine auch bei den
unvermeidlichen Aenderungen in der Umlaufsgeschwindigkeit der Betriebsmaschine die
nothwendige Präcision zu sichern. Die mit der Maschine gemachten Erfahrungen haben
übrigens ergeben, daß die Zuverlässigkeit der Sortenbildung am größten ist, wenn die
dem Waagebalken zur Erlangung der Gleichgewichtslage gelassene Zeit etwas mehr
beträgt als die volle Schwingungsdauer; letztere ergab sich an dem in der Dresdener
Münze benützten Exemplare bei Sortirung von 20-Mark-Stücken (Gewicht 8
Grm.Genauer: 7,965 Gramm. zu 11,6 Secunden (der leere Balken ohne Schalen hatte eine Schwingungsdauer
von 5,85 Sec.), die Zeit, welche zwischen Zuführung und Abführung einer Platte
verfloß, 13 Sec. (nämlich 0,76 der Zeitdauer eines vollen Spieles von 17,1
Secunden.)
Holzschnitt II, Bd. 213, S. 282
Die Detaileinrichtung der Zuführung der Platten in die Tasche e und die form der letzteren ergibt sich aus dem
beigefügten Holzschnitt II, in welchem zugleich
der Bewegungsmechanismus für das Spiel der beiden Schieber b und d dargestellt ist.
Der obere Theil der Tasche e hat bei den zu
sortirenden Platten angemessenen Dimensionen; der Boden r derselben ist horizontal verschiebbar, indem er durch die drei Füße
ss mit dem Schieber t zu einem Stück verbunden ist; letzterer findet in besonderen Oesen
an der Unterseite der Plattform u seine Führung.
Sobald nun nach erfolgter Festklemmung der Tasche in der dem
Gewicht der Platte
entsprechenden Position das Canalsystem 1 bis 6 eine Horizontalschiebung erfährt,
fällt die Platte aus der Tasche und gelangt über die cylindrisch gebogene
Leitschaufel v in die dieser Position entsprechende
Canalmündung und von hier weiter auf schiefen Ebenen nach dem betreffenden
Sammelkasten. Sämmtliche Zuführungsschieber b sind an
eine gemeinsame Schiene w angeschraubt, welche von der
Antriebswelle x aus mittels zweier Paare von Excentern
y₁, y₂ und
zweier dreiarmiger Hebel z eine schwingende Bewegung
erhält. Bei jeder Vorwärtsbewegung der Zunge d wird eine
Münzplatte aus der Büchse a in die Kammer c befördert; während der Rückbewegung (nach erfolgter
Balkenarretirung) nimmt das in einem Schlitz verstellbare Fröschchen β den Schieber d mit,
und es kann sodann die Platte aus c entfallen.
Holzschnitt III, Bd. 213, S. 283
Die Art, wie die Tasche e nach Beendigung der Wägung
festgehalten wird behufs Oeffnung des Bodens r und
Abführung der Platte, ergibt sich aus Holzschnitt
III. Die Platform u trägt zu beiden Seiten je eine
mit kleinen Stahlrollen versehene Achse u₁;
diesen beiden Achsen correspondiren die zwei Klemmbacken u₂, u₂, welche drehbar in die
Hebel u₃ eingesetzt sind; Federn u₄ ziehen diese Hebel beständig nach außen und
drücken sie an die beiden Stahlrollen u₅, welche
horizontal in der Richtung der Pfeile verschiebbar sind Indem diese Rollen auf die
Flächen u₆ der Hebel u₃ auflaufen, bewirken sie die Schließung der Backen; damit hierbei
jedenfalls eine der Canaltheilung entsprechende Position der Tasche herbeigeführt werde, sind die
Backen inwendig mit sechs horizontalen Vertiefungen versehen.
Holzschnitt IV, Bd. 213, S. 284
Es erübrigt endlich noch eine nähere Angabe über die Herleitung der periodischen
Bewegung des Canalsystemes 1 bis 6, der Stahlrollen u₅ und der (die Balkenarretirung vermittelnden) Schiene m von der Antriebswelle x
aus. Diese Bewegung wird – wie aus dem Holzschnitt
IV zu ersehen – durch zwei gleichgestaltete Excenter A vermittelt, die zunächst zwei doppelarmigen Hebeln B schwingende Bewegung ertheilen; hierbei wird durch ein
langes (unter der Maschine hinlaufendes) gußeisernes Gewicht C der dauernde Schluß zwischen A und B erhalten; die Schiene m
(welche für die hindurchgehenden Säulen h durchbohrt
ist, vergl. Holzschnitt I) ist an zwei oder mehr
Stellen durch Stäbe D mit dem Gewichtsbalken C verbunden, wonach sich die periodische Hebung und
Senkung der Schiene m erklärt; die horizontale Bewegung
der Rolle u₅ und des Canalsystemes 1 bis 6 wird
von der verticalen des Gewichtsbalkens C abgeleitet
durch Vermittelung des Winkelhebels E, der Zugstange F und des aufrechten Hebels G, welche Theile sämmtlich doppelt ausgeführt sind; die sämmtlichen Rollen
u₅ und Canalsysteme 1 bis 6 sind unter
Benützung eines Winkeleisens H mit den beiden Hebeln G verbunden. Erfolgen hiernach zwar die Bewegungen von
u₅ und 1 bis 6 gleichzeitig, so ist doch
durch passende Stellung der Rollen u₅ Sorge
getragen, daß die Taschen erst nach erfolgter Festklemmung geöffnet werden. Die
Hebung der Schiene m, also die Balken- und
Schalen-Arretirung, geschieht während der Rückwärtsbewegung der Rollen u₅, also nach erfolgter Freilassung der Taschen,
übrigens auch erst nach Einführung neuer Platten in dieselben.
Der volle Cyclus der auf einander folgenden Bewegungen läßt sich nach dem vorstehend
Mitgetheilten in folgender Art darstellen:
1. Vorschiebung des Zubringers b und Eintritt einer
Platte in die Vorkammer c.
2. Rückbewegung des Zubringers b und hierbei Oeffnung des
Schiebers d der Vorkammer c;
die Platte fällt in die Tasche e.
3. Arretirung des Balkens und der Schalen durch Untergreifung.
4. Freilassung des Balkens und der Schalen, Spiel der Waage; Einstellung des Balkens
und der Tasche auf die dem jeweiligen Gewicht der Platte entsprechende Höhe.
5. Arretirung der Tasche e zwischen den seitlichen Backen
u₂ Vorschiebung der Canalsysteme 1 bis 6,
Oeffnung des Taschenschiebers r; die gewogene Platte
fällt aus der Tasche in den entsprechenden Canal und gelangt in einen
Sammelkasten.
Die Dauer eines solchen vollen Spieles der Maschine beläuft sich, wie schon
angegeben, auf 17 Secunden, oder die Spielzahl pro
Minute auf 3,5, daher bei zehn Waagebalken stündlich 3,5 × 10 × 60 =
2100 Platten sortirt werden. Die Maschine ist in den Münzstätten zu Wien, Berlin,
München, Dresden, Kremnitz und KopenhagenIn der Münze zu London ist die Münzplatten-Sortirmaschine von Cotton und Pilcher in
Anwendung; vergl. dies Journal, 1870 Bd. CXCVIII S. 195.D. R. v. D. p. J. mit gutem Erfolg in Benützung
gekommen und hat die Leistungsfähigkeit der deutschen Münzstätten, an welche
gegenwärtig wegen des Ueberganges zur Goldwährung besonders hohe Anforderungen
gestellt werden, in erwünschter Weise erhöht. Das k. k. Hauptmünzamt zu Wim sprach sich in
einer öffentlichen Bekanntmachung (vom 7. Juli 1871) in folgender Art über die
Maschine aus:
„Die Erfindung dieser Sortirmaschine durch Hrn. Seyß ist somit ein wesentlicher Fortschritt auf dem Gebiete der
Münztechnik und verdient um so mehr Anerkennung, als durch sie das schwierige
Problem der sicheren Sortirung der Münzen nach ihrem Gewichte auf mechanischem
Wege, an dem sich schon viele ausgezeichnete Mechaniker versucht haben, in einer
Weise gelöst wurde, die in der That nichts mehr zu wünschen übrig
läßt.“
Die Jury erkannte der ausstellenden Firma Seyß und Comp. ein Ehrendiplom zu „für Erfindung und
vorzügliche Ausführung einer leistungsfähigen
Münzplatten-Sortirmaschine“.