Titel: | Studien über die Eigenschaften explosiver Körper; von F. A. Abel. |
Fundstelle: | Band 213, Jahrgang 1874, Nr. CIII., S. 427 |
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CIII.
Studien über die Eigenschaften explosiver Körper;
von F. A. Abel.
Aus den Comptes rendus, 1874 t. 78 p. 1227, 1301, 1362 und
1432.
(Schluß von S.
320 des zweiten Augustheftes.)
Abel, Studien über die Eigenschaften explosiver Körper.
IV.
Die bei Gelegenheit der vorstehenden Versuche über die Detonationsfortpflanzung
erhaltenen Resultate haben den Verfasser zu dem Versuche angeregt, die Geschwindigkeit zu bestimmen, womit sich die Detonation
unter verschiedenen Bedingungen fortpflanzt. Er bediente sich zu diesem Zwecke jenes
elektrischen Chronoskops von Nobel, welches in den Händen
der von der englischen Regierung mit der Geschwindigkeitsbestimmung der Projectile
im Innern eines Kanonenrohres beauftragten Commission befriedigende Resultate
geliefert hatte.
Bei dieser Versuchsreihe arbeitete man mit comprimirter Schießbaumwolle, desgleichen
mit einem Gemenge von fester Schießbaumwolle und Salpeter, ferner mit Nitroglycerin
oder Dynamit, endlich mit kleinen Ladungen von Schießbaumwolle, welche man, durch
beträchtliche Zwischenräume getrennt, in Röhren schob. Die Scheiben aus trockener
sowie aus feuchter Schießbaumwolle, und diejenigen aus dem Gemenge von
Schießbaumwolle und Salpeter, hatten im Allgemeinen 76 Millim. Durchmesser und
wurden entweder als Lauffeuer (traînées)
an einander gereicht, so daß eine die andere berührte, oder reihenweise in gleichen
Abständen angeordnet. Man bediente sich auch eines zu einem Cylinder
zusammengeschobenen Systemes 31 Millim. im Durchmesser haltender Scheiben. Am Kopf
des Lauffeuers wurde ein dünner isolirter, in den elektrischen Stromkreis
eingeschalteter Metalldraht, dessen plötzliches Zerreißen im Chronoskop die
Fortpflanzungsgeschwindigkeit anzeigen sollte, über die erste Scheibe gespannt und
mit der Contactstelle der Substanz, deren Explosion man hervorrufen wollte, fest
verbunden. Andere ähnliche Metalldrähte wurden auf gleiche Weise in regelmäßigen
Abständen von 0,304, 0,605, 1,219 und 1,828 Meter befestigt. Zur Bestimmung der
Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Detonation in Röhren bediente man sich
schmiedeiserner Gasröhren von 31 Millim. Durchmesser. In diese bohrte man in den
verlangten Abständen kleine Löcher, durch welche die isolirten Drähte gesteckt
wurden. Die Schießbaumwollescheiben, auf welche die Detonation übertragen werden
sollte, wurden in die Röhren geschoben und mit den gut gespannten Drähten in
unmittelbare Berührung gebracht. Die Lauffeuer aus Dynamit wurden auf dieselbe Weise
wie die aus Schießbaumwolle angeordnet, und man bediente sich der letzteren in Form
comprimirter, durch bestimmte Zwischenräume getrennter Ladungen von 76 Millim. Länge
und 25 Millim. Durchmesser. Das Nitroglycerin kam in eine Vförmige Rinne, über deren Wände man in den verlangten Intervallen die
isolirten Drähte querüber spannte, so daß sie in die explosive Flüssigkeit
tauchten.
Zahlreiche Versuche mit comprimirter Schießbaumwolle haben nun das Ergebniß
geliefert, daß die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Detonation von einer Masse zur
anderen, wenn diese sich berühren, zwischen 5320 und 6080 Meter pro Secunde variirt, und daß diese Geschwindigkeit weder
von dem Unterschiede in der Form, noch von der Anordnung, noch von den
beträchtlichen Gewichtsunterschieden der Massen, wohl aber von der Dichtigkeit des
Explosivstoffes afficirt wird. Die Versuche mit den in Zwischenräumen angeordneten
Scheiben haben bewiesen, daß die Trennung der Massen die
Transmissionsgeschwindigkeit verzögern kann, und daß das Maß dieser Verzögerung
durch das Verhältniß zwischen dem Gewichte jeder der Massen und ihrem Abstande
bestimmt wird. Mit comprimirter Schießbaumwolle von 15 Procent Wassergehalt erhielt
man eine etwas höhere Fortpflanzungsgeschwindigkeit als mit trockener
Schießbaumwolle von gleicher Dichtigkeit. Als man aber mit Wasser gesättigte
Schießbaumwolle anwendete, nahm die Geschwindigkeit sehr merkbar zu; sie erreichte
ungefähr 6097 Meter pro Secunde, während sie mit der
trockenen Schießbaumwolle nur 5320 M. betrug. Bei einem comprimirten Gemenge aus
Schießwolle und Salpeter ist die Fortpflanzungsgeschwindigkeit, wie sich auch
erwarten läßt, entschieden geringer als jene, welche man mit der reinen Substanz in
trockenem Zustande erhält; sie variirt zwischen 4712 und 4864 Meter pro Secunde.
Die mit dem Dynamit und dem Nitroglycerin erlangten Resultate zeigen in Vergleich mit
den Leistungen der Schießbaumwolle sehr interessante Unterschiede, welche man der
liquiden Natur des Nitroglycerins zuschreiben muß. Das Dynamit kam in Gestalt
comprimirter, dem festen Thon ähnlicher Cylinder zur Anwendung. Man legte diese Ladungen dicht gepreßt an
einander, so daß sie zusammenhängende Massen von 8,533 und 12,8 Meter Länge
bildeten. Die Detonation wurde mit Hilfe einer Zündpille bewerkstelligt, die man in
einen kleinen Schießbaumwollecylinder oder in eine Dynamitpatrone gesteckt hatte.
Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit variirte zwischen 5928 und 6566 Meter pro Secunde; sie war demnach entschieden größer als die
mit trockener comprimirter Schießbaumwolle, und mindestens gleich der mit
wassergesättigter Schießbaumwolle erhaltenen. Dagegen hatte die Trennung der
Dynamitpatronen oder Cylinder durch Zwischenräume von 13 Millim. eine viel
bedeutendere Verzögerung zur Folge als die gleiche Trennung der Massen comprimirter
Schießbaumwolle. Im ersteren Falle betrug nämlich die Fortpflanzungsgeschwindigkeit
bei einem Versuche, welcher durch die große Gleichförmigkeit der letzteren an den
verschiedenen Stellen der Zündstrecke sich auszeichnete, nur 1896 Meter pro Secunde, wogegen sich bei Schießbaumwollemassen von
dem Gewichte und der Länge der Dynamitpatronen die Geschwindigkeit in zwei Versuchen
annähernd zu 5180 Meter pro Secunde herausstellte. Es
wäre zwar möglich, durch erhebliche Vermehrung des Nitroglycerinquantums auch die
Transmissionsgeschwindigkeit der Detonation zu erhöhen; allein die Beweglichkeit und
Elasticität der Flüssigkeit und folglich auch die Leichtigkeit, womit sie, wenn sie
nicht eingeschlossen ist, einer mechanischen Gewalt nachgibt, würde ohne Zweifel der
Detonationsfortpflanzung bei einer der Einwirkung des Detonators frei ausgesetzten
Nitroglycerinmasse hindernd im Wege stehen.
Der Verfasser hofft Mittel und Gelegenheit zu finden, diese interessanten Versuche
noch weiter auszudehnen und zu erforschen, wie sich wohl der Einfluß auf die
Geschwindigkeit der Detonationsfortpflanzung längs zusammenhängender Massen sowohl
von Nitroglycerin als auch von Schießbaumwolle gestalten würde, wenn diese
Explosivstoffe in dickwandigen Röhren eingeschlossen wären.
Die durch vorstehende Versuche gelieferten numerischen Details sind eine hinreichende
Bürgschaft für die Zuversichtlichkeit der in den Geschwindigkeitsbestimmungen
erlangten Resultate; sie liefern den Beweis, daß die Fortpflanzungsgeschwindigkeit
der Detonation auf langen Zündstrecken, selbst wenn die Explosionsmassen, woraus die
letzteren bestehen, durch Zwischenräume von einander getrennt sind, eine
gleichförmige sei. Bei Strecken von 12,18 bis 15,23 Meter Länge pflanzt sich die
Detonation innerhalb der beiden letzten Meter eben so schnell fort wie innerhalb der
ersten Meter.
Folgende Zahlen repräsentiren die in Zwischenräumen von 1,85 Meter gemessene
Detonationsgeschwindigkeit (in Meter) längs eines Lauffeuers aus fester
Schießbaumwolle von 30 Procent Wassergehalt: 5928,3 – 5925,3 – 5901,8
– 6084,3.
So verhielt es sich aber nicht mit der Detonationsfortpflanzung in Röhren bei
Schießbaumwollemassen, welche durch große Zwischenräume getrennt waren. Zwischen der
Anfangsladung an dem einen Röhrenende und der 1 Meter entfernten ersten Ladung war
die Detonationsgeschwindigkeit etwas veränderlich, nämlich 3000 bis 3900 Meter; die
folgenden Geschwindigkeiten stellten sich als ziemlich gleichförmig aber als
bedeutend geringer dar, indem sie im Mittel nur 1800 Meter pro Secunde betrugen.
Bei einem mit kleineren Ladungen angestellten Versuch pflanzte sich die Detonation
auf die drei ersten getrennten Massen wie gewöhnlich fort, aber die vierte und die
folgenden Ladungen explodirten einfach, ohne zu
detoniren. Diejenigen Theile des Rohres, mit denen sie in Berührung waren, wurden
nicht beschädigt, aber die Metalldrähte an den betreffenden Stellen zerrissen, wobei
sie eine Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Explosion von
einer Masse zur anderen von 450 bis 640 Meter pro
Secunde anzeigten.
Diese mit Röhren angestellten Versuche haben bewiesen, daß, wenn zwischen der
Quantität des Explosivstoffes, dem Röhrendurchmesser und dem Raum zwischen den
Ladungen ein zur Sicherung der Detonationsfortpflanzung genügendes Verhältniß
besteht, die Geschwindigkeit dieser Transmission ungefähr 1/3 derjenigen ist, welche
man mit einer zusammenhängenden Masse oder mit einem Lauffeuer von Massen derselben
Substanz erhält.
P.