Titel: | Ueber eine neue Verunreinigung der käuflichen Ammoniakflüssigkeit; von Dr. G. C. Wittstein. |
Autor: | G. C. Wittstein |
Fundstelle: | Band 213, Jahrgang 1874, Nr. CXXIV., S. 513 |
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CXXIV.
Ueber eine neue Verunreinigung der käuflichen
Ammoniakflüssigkeit; von Dr. G. C. Wittstein.
Wittstein, über Verunreinigung der käuflichen
Ammoniakflüssigkeit.
Vor einiger Zeit zeigte mir ein Praktikant eine schön rosenrothe Flüssigkeit, welche
er durch Mischen einer farblosen salpetersauren Lösung mit weniger Ammoniak, als zur
Neutralisation erforderlich, erhalten hatte. Da die in der Salpetersäure gelösten
Körper keine solche Farbe hervorbringen konnten, so mußte diese von der
Salpetersäure, dem Ammoniak oder von beiden zusammen herrühren. Ich erinnerte mich
hierbei einer vor Jahren untersuchten rosenrothen Flüssigkeit, welche unter
ähnlichen Umständen
entstanden war, und worüber ich im XIV. Bande meiner Vierteljahresschrift für
praktische Pharmacie S. 198–208 (Jahrgang 1865) Bericht erstattet habe.
Der Chemiker Sticht in New-York erhielt nämlich bei
der Darstellung von salpetersaurem Ammoniak im Großen durch Einleiten von
Ammoniakgas in Salpetersäure ein Nebenproduct, welches als rosenrothe ätherische
Flüssigkeit auf der Salzlauge schwamm, und nach und nach pfundweise gesammelt werden
konnte. Er schickte mir eine Probe zur näheren Untersuchung, nachdem er die Ursache
der rothen Farbe in einem Gehalte der angewendeten (aus Chilisalpeter bereiteten)
Salpetersäure an Jod, welches von der ätherischen Flüssigkeit aufgenommen war,
erkannt hatte. Die ätherische Flüssigkeit war im Wesentlichen salpetersaures
Aethyloxyd, welches dadurch entstanden war, daß das in die Säure geleitete
Ammoniakgas von seiner Reinigung her (Durchströmen eines mit Weingeist gefüllten
Fasses) etwas Weingeist zurückbehalten hatte.
Da möglicherweise auch meine Salpetersäure Jod und die Ammoniakflüssigkeit Weingeist
enthalten konnte, so unterließ ich nicht, auf jene Verunreinigungen zu prüfen,
erhielt indessen negative Resultate. Während nämlich die aus New-York
erhaltene Flüssigkeit (von der ich noch einen bedeutenden Rest besitze und
Liebhabern gern kleine Proben abgebe) auch jetzt noch beim anhaltenden Schütteln mit
Stärkekleister diesen tief violettblau färbt, und mit metallischem Quecksilber
geschüttelt binnen wenigen Minuten, unter Bildung eines Häutchens von olivengrünen
Quecksilberjodürs, entfärbt wird, übte meine durch unvollständiges Sättigen mit
Ammoniak rosenroth gewordene Salpetersäure weder auf den Stärkekleister, noch auf
das Quecksilber eine Wirkung aus. Ebenso wenig entstand durch Einleiten des aus der
Ammoniakflüssigkeit ausgetriebenen Gases in die überflüssig vorhandene Salpetersäure
Salpeteräther; wohl aber nahm die Säure eine ebensolche rosenrothe Farbe an, wie
beim partiellen Sättigen mit dem Ammoniak.
Offenbar war die rothe Farbe der Salpetersäure durch (oxydirende) Einwirkung auf
einen in dem Ammoniak enthaltenen flüchtigen Körper entstanden, hier also eine der
Anilinroth-Bildung ähnliche Erscheinung
eingetreten. Alle oder fast alle jetzt im Handel vorkommende Ammoniakflüssigkeit
wild aus Gaswasser dargestellt, das auch kleine Mengen Anilin, Toluidin etc.
enthält, welche bekanntlich durch Oxydation eine Reihe der schönsten rothen Farben
liefern. Diese folgen bei der Reinigung des Gaswassers dem Ammoniak in alle weiteren
Verbindungen und verbleiben schließlich in der Ammoniaklösung in so erheblichen
Spuren, daß sie durch
ihre außerordentlich stark färbenden Oxydationsproducte erkannt werden können.
Daß diese Röthung der Ammoniakflüssigkeit durch die Salpetersäure, also die
Entstehung der anilinrothähnlichen Farbe, nicht öfter beobachtet ist, kommt daher,
daß die salpetersaure Lösung mit Ammoniak meist nicht partiell gesättigt, sondern
damit übersättigt wird. Setzt man aber zu der sauren Flüssigkeit gleich einen
Ueberschuß des Alkalis, so tritt keine Färbung ein; und hat eine solche in Folge
partieller Sättigung stattgefunden, so verschwindet sie bei weiterem Zusatze bis zur
Uebersättigung sofort wieder, und die Flüssigkeit behält nur noch einen schwachen
Stich in's Gelbliche.
Einmal wollte ein Praktikant dieselbe rothe Färbung auch bei der partiellen Sättigung
der Lösung eines Gemenges von phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia, arsensaurer
Ammoniak-Magnesia und kohlensaurem Kalk in Salzsäure mit Ammoniak erhalten
haben. Ich vermuthete, daß die Arsensäure hier als oxydirendes Agens gewirkt habe.
Bei Wiederholung des Versuches gelang es jedoch nicht, die rosenrothe Färbung
hervorzubringen. Ebenso wenig konnte durch unvollständiges Sättigen einer anderen,
nicht oxydirenden Säure mit Ammoniak eine rothe Färbung erzielt werden. Es bedarf
mithin zu ihrer Hervorrufung eines Oxydationsmittels, und zwar speciell der
Salpetersäure.