Titel: | Phenylendiamin als Nebenproduct der Anilinfabrikation; von A. W. Hofmann. |
Fundstelle: | Band 213, Jahrgang 1874, Nr. CXXVI., S. 523 |
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CXXVI.
Phenylendiamin als Nebenproduct der
Anilinfabrikation; von A. W.
Hofmann.
Hofmann, über Phenylendiamin als Nebenproduct der
Anilinfabrikation.
Vor einiger Zeit erfuhr ich, daß sich in der bekannten Anilinfabrik von J. W. Weiler in Köln größere Mengen hochsiedender Anilinöle
angesammelt hätten. Ich glaubte, daß hier die höheren Homologen des Anilins
vorlägen, von denen mir Martius und Mendelssohn schon früher mehrfach erhebliche Mengen zur Verfügung gestellt
hatten. Da diese in den Werkstätten meiner Freunde in letzter Zeit nicht mehr so oft
aufgetreten sind, so ersuchte ich Hrn. Weiler mir
freundlichst eine Probe dieser hochsiedenden Oele zu überlassen.
Das Oel war tiefbraun gefärbt und dickflüssig und schien auf den ersten Blick zur
näheren Untersuchung nicht eben einladend. Das Oel siedete bei sehr hoher
Temperatur, besaß aber keinen constanten Siedepunkt; neun Zehntheile gingen zwischen
270 und 300° über.
Im Begriff, durch fractionirte Destillation näheren Aufschluß über die Natur der Oele
zu erhalten, beobachtete ich, daß sich beim Schütteln mit Wasser ein sehr
erheblicher Theil desselben löste. Ein Fingerzeig war so gegeben für die Forschung
nach Diaminen, und es schien die Vermuthung, daß derartige Verbindungen vorlägen,
zumal auch durch die Erinnerung gerechtfertigt, daß ich vor JahrenHofmann, London Royal
Society Proceedings, XI p. 518. bei der Untersuchung eines ähnlichen Productes, der sogenannten queues d'aniline einer französischen Fabrik zuerst dem
Toluylendiamin begegnet war. Die weitere Untersuchung zeigte nun in der That, daß
das mir von Hrn. Weiler übersendete Oel zum großen Theil aus reinem Phenylendiamin bestand.
Die Reindarstellung der Verbindung bietet keine Schwierigkeit. Das braune Oel wird
mit einem Ueberschusse roher Salzsäure versetzt, wodurch eine starke
Wärmeentwickelung bedingt wird. Nach dem Erkalten gesteht die Flüssigkeit zu einer
grauen Krystallmasse, welche in möglichst wenig siedendem Wasser gelöst wird.
Hierbei bleibt eine nicht unerhebliche Menge nicht basischer, ölartiger und
harzartiger Substanzen zurück. Man filtrirt durch ein nasses Filter und erhält beim
Erkalten oder – falls man zu viel Wasser angewendet hat – nach dem
Abdampfen Krystalle, welche, mit etwas concentrirter Salzsäure gewaschen, nahezu
weiß werden. Für die Analyse wurden sie nochmals mit etwas Thierkohle
umkrystallisirt. Die Chlorbestimmung zeigte, daß sie aus reinem
chlorwasserstoffsauren Phenylendiamin C₆H₄ (NH₂)₂, 2 HCl
bestanden.
Zum Ueberflusse wurde auch noch die Base aus dem salzsauren Salze dargestellt. Beim
Zersetzen des letzteren mit concentrirter Natronlauge stieg sie als braune
Flüssigkeit auf die Oberfläche, welche abgehoben und mit festem Natriumhydrat
entwässert, durch Destillation im Wasserstoffstrom als eine bei 280°
siedende, farblose, beim Erkalten krystallinisch erstarrende, an der Luft schnell
braun werdende Flüssigkeit erhalten wurde. Die Krystalle schmelzen bei 63°.
Diese Eigenschaften charakterisiren das von mir früher aus Dinitrobenzol erhaltene
Phenilendiamin = C₆ H₄ (NH₂)₂, dessen Identität
überdies durch die Analyse festgestellt wurde.
Das Vorkommen des Phenylendiamins unter den Nebenproducten der Anilinfabrikation
bedarf keiner besonderen Erklärung; es verdankt offenbar dem Umstände seine
Entstehung, daß sich bei der Nitrirung des Benzols ein Theil in Dinitrobenzol
verwandelt hatte, welches später amidirt worden war. Sollte die Bildung von
Phenylendiamin als Nebenproduct der Anilinfabrikation des Oefteren vorkommen, so
wäre vielleicht Gelegenheit gegeben, die Darstellung des von Martius entdeckten schönen Phenylenbrauns wieder schwunghafter
aufzunehmen.
Die Gewinnung größerer Mengen von Phenylendiamin, dessen Darstellung im Kleinen
einige Schwierigkeiten darbietet, ist Veranlassung gewesen, daß die Bearbeitung
dieses merkwürdigen Körpers im hiesigen Universitäts-Laboratorium von
verschiedener Seite in Angriff genommen worden ist. Ueber die Ergebnisse dieser
Untersuchungen soll zur geeigneten Zeit Mittheilung gemacht werden. (Berichte der
deutschen chemischen Gesellschaft, 1874 S. 812.)