Titel: | Pflanzenfasern zu industriellem Gebrauche auf der Wiener Weltausstellung; von Prof Dr. Julius Wiesner. |
Fundstelle: | Band 213, Jahrgang 1874, Nr. CXXVII., S. 525 |
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CXXVII.
Pflanzenfasern zu industriellem Gebrauche auf der
Wiener Weltausstellung; von Prof Dr. Julius Wiesner.Aus dem officiellen Ausstellungsbericht, Heft 71. Druck und
Verlag der k. k. Hof- und Staatsdruckerei in Wien.
Wiesner, über Pflanzenfasern zu industriellem Gebrauche auf der
Wiener Weltausstellung.
Wer von den Besuchern der Ausstellung die mannigfaltigen Producte der warmen Länder,
namentlich die von den englischen, französischen, holländischen und portugiesischen
Colonien zur Schau gebrachten Rohstoffe aufmerksam betrachtet hat, dem werden gewiß
die zahlreichen, im europäischen Verkehre zumeist unbekannten Faserstoffe zum
Spinnen, Weben, für die Papierfabrikation u.a.m. ausgefallen sein. Die
vegetabilischen Faserstoffe, welche sich da vorfanden, zählten – nach
beiläufiger Schätzung – nach Hunderten. Den Laien, der nur die gewöhnlichsten
vegetabilischen Spinnmaterialien: Hanf, Flachs und Baumwolle kennt, setzt der große
Reichthum an Fasern, welchen die Natur darbietet, in Erstaunen; der mit Textilen
beschäftigte Industrielle betrachtet sie leider nur meist als interessante Curiosa,
denen eine praktische Bedeutung nicht zukommt. Dem Botaniker, welcher den feinen Bau
der Pflanze kennt, imponirt das Heer von Pflanzenfasern weniger als dem Laien und
dem Industriellen; er weiß, wie viele Pflanzen eine reichliche Menge von feinen,
spinnbaren Fasern führen, und daß man aus Tausenden von Gewächsen Faserstoffe
darzustellen im Stande ist.
Schon ein Blick auf unsere drei bekanntesten vegetabilischen Spinnmaterialien lehrt
uns ihre große Verschiedenartigkeit kennen und legt den Gedanken nahe, daß die aus
den heterogensten Pflanzen dargestellten Fasern sehr ungleichwerthig sein müssen.
Dies bestätigt nun auch eine eingehende Prüfung, und sie lehrt auch, daß viele
dieser Fasermaterialien durchaus nicht so gering sind, daß sie nicht in Bezug auf
Qualität mit Baumwolle, Hanf oder gar Flachs concurriren könnten – umsomehr,
als nicht wenige darunter existiren, welche von den Urbewohnern der warmen Länder
seit undenklichen Zeiten zur Herstellung von Bekleidungsgegenständen, Seilen etc. so
angewendet werden, wie seit alter Zeit bei uns in Europa der Flachs.
Die Weltausstellungen bieten dem Industriellen die beste Gelegenheit die Faserstoffe
der Welt kennen zu lernen, und die früheren Expositionen zu Paris und London haben
zur Einführung einiger Faserstoffe – der Jute und des Chinagrases – in
die europäische Industrie nicht wenig beigetragen. Doch will es uns scheinen, als
würde die Gelegenheit zur Auffindung nützlicher Fasern auch diesmal in Wien noch
nicht gehörig ausgenützt worden sein. In den nachfolgenden Zeilen wollen wir auf
jene Fasern hinweisen, welche der Einführung bei uns werth wären. Als wir den
Bericht über die letzte Pariser Ausstellung schrieben, war die Jute – die Bastfaser von Chorchorus
capsularis – bei uns noch sehr wenig gekannt. Wir betonten damals
die Wichtigkeit der Jute-Industrie und haben den raschen und in seinen
Erfolgen ungeahnten Aufschwung der Juteverarbeitung in England hervorgehoben. Heute
ist es wohl nicht mehr nothwendig für diesen Faserstoff Propaganda zu machen; er ist
bei uns bereits hinlänglich bekannt und seinem wahren Werthe nach meist gebührend
geschätzt. Vielleicht ist es nicht überflüssig hier zu erwähnen, daß sich –
was früher bestritten wurde – versponnene und gewebte Jute ganz gut bleichen
läßt und nebst weißer Farbe einen schönen Glanz annimmt, so daß sie sich in dieser
Beziehung sehr vortheilhaft vom Hanf unterscheidet. – Die Hauptmasse der Jute kommt
bekanntlich aus ihrer Heimat, nämlich aus Indien und den umliegenden Inseln. In
neuester Zeit ist man bestrebt die Cultur der Jutepflanze in vielen anderen warmen
Ländern einzuführen; die Ausstellung führte uns z.B. Jute von Algier,
Französisch-Guyana, Mauritius u.s.w. vor.
Mit der Einführung des Chinagrases (tschu-ma) – der Bastfaser von Böhmeria nivea (Urtica nivea) – in die
europäische Textilindustrie geht es viel langsamer als mit der Jute vorwärts. Es
liegt dies theils darin, daß die aus diesem Spinnstoffe verfertigten Gewebe gegen
Seidengewebe sowohl in Glanz als Dauerhaftigkeit nachstehen und im Preise doch viel
höher als gleich feine Baumwollgewebe stehen; theils in dem Umstände, daß wir in
Europa aus dem rohen Bast der Böhmeria noch nicht jene feine, glänzende und
langstapelige Faser darzustellen vermögen, die aus China als solche und in Form von
grass-colth ausgeführt und bei uns als
cotonisirtes Chinagras bezeichnet wird. Die Zukunft des Chinagrases für Europa
scheint von seinem Preise abzuhängen. Gelingt es, durch massenhaften Anbau der
Pflanze die Rohfaser um Billiges in den Handel zu setzen und ohne große Kosten
daraus eine cotonisirte Faser zu gewinnen, so muß sie ihrer – im Vergleich
mit der Baumwolle – vorzüglichen Eigenschaften halber sich ein großes Terrain
erobern. Der Anbau der Böhmeria nivea, gewinnt immer
mehr Ausdehnung. Außer China und Japan brachten Ostindien, Nordamerika, Martinique,
Jamaika, Trinidad, Queensland, Mauritius, Reunion und Algier diese Faser zur
Ausstellung. Die Nachrichten über die Acclimatisation der Pflanze in den genannten
Territorien lauten allenthal ben günstig.
Ein dem Chinagras sehr nahe verwandter, oft mit ihr verwechselter Spinnstoff ist die
Ramiefaser, die Bastfaser von Böhmeria tenacissima (Urtica tenacissima), welche im Süden und Osten Asiens zu
Hause ist und dort seit alter Zeit gebaut wird. Die Faser ist gröber und im
cotonisirten Zustande kürzer und weniger glänzend als das Chinagras. In England
werden aus dieser Faser schöne, glänzende, weiße und gefärbte Gewebe dargestellt,
die aber gegen Chinagras-Gewebe zurückstehen. Die Bedeutung der Ramie liegt
nach unserem Dafürhalten nicht in der feinen, baumwoll-artigen Faser, die
sich aus der Rohfaser abscheiden läßt, sondern vielmehr in letzterer selbst. Wer die
ungemein festen und schönen indischen, aus diesem Materiale gefertigten Seile und
Bindfaden gesehen hat, und ferner weiß, daß die rohe Ramiefaser an Festigkeit und
Dauerhaftigkeit die Hanffaser weit übersteigt, muß die Einführung derselben in unser
Seilergewerbe als einen Fortschritt bezeichnen.Mit Ramie sind bekanntlich – selbst in Mitteleuropa – in
neuerer Zeit vielfache Acclimatisationsversuche gemacht worden. Es haben
wohl nicht alle dieser Experimente ein positives Resultat gehabt. Die aus
den warmen Ländern zur Ausstellung gebrachten Ramieproben standen gegen die
Faserstoffe aus den Heimatländern der genannten Pflanze nicht zurück.
Aehnlich wie mit der Ramiefaser, verhält es sich mit dem in Europa – nämlich
in England – schon länger bekannten neuseeländischen
Flachs. Es ist dies eine aus dem Blatte von Phormium
tenax (neuseeländische Flachslilie) bereitete sehr feste, zähe, auch im
nassen Zustande sehr dauerhafte Faser. Wie manche der zahlreichen Proben lehrte,
welche Neuseeland zur Schau stellte, lassen sich aus dem neuseeländischen Flachse
Gewebe und Gespinnste erzeugen, die gebleicht und ungebleicht in Verwendung kommen
können. Ungleich wichtiger als diese sind jedoch die außerordentlich
widerstandsfähigen und festen Bindfaden, Seile und Taue, welche sich aus dieser Faser herstellen lassen,
Phormium tenax wird nicht nur in Neuseeland und
Neuholland, Ostindien, Westindien, Mauritius, Reunion und Natal gebaut; auch im
Süden Europa's kommt die Pflanze fort; keineswegs gedeiht sie aber da so üppig, als
daß Hoffnung vorhanden wäre, von dort her die Faser einmal für den Handel zu
erhalten. Die bedeutendsten Productionsländer des neuseeländischen Flachses sind
Neuseeland und Neusüdwales.
Im europäischen Handel noch ganz unbekannt sind zwei ostindische Fasern, welche unter
den englischen Colonialproducten zu sehen waren, die an Festigkeit alle anderen bis
jetzt bekannten vegetabilischen Textilstoffe überragen, nämlich die Yercum-Faser und die Jetee-Faser. Beide stammen von Pflanzen aus
der Familie der Asclepiadeen her; erstere ist die Bastfaser von Calotropis gigantea, letztere die Bastfaser von Marsdenia tenacissima. Während ein Juteseil schon bei
einer Belastung von 140 Gewichtseinheiten zerreißt, verträgt cin Seil aus der
Jeteefaser bei gleichem Querschnitt eine Belastung von 248 Gewichtseinheiten. Zur
Herstellung von Seilerwaaren, welche hohe Festigkeit besitzen sollen, wären die
beiden genannten Fasern zu empfehlen.
Der Faser Sunn möge endlich auch von unseren Hanf und
groben Flachs verarbeitenden Industriellen einige Aufmerksamkeit zugewendet werden.
Es ist dies ein sehr fester Faserstoff, den man in Indien schon seit langem aus der
zu den schmetterlingsblüthigen Gewächsen gehörigen Crotalaria
juncea, welche im Süden Asiens namentlich in Indien, auf Java und Borneo
cultivirt wird, abscheidet. Die letzte Pariser Ausstellung hat ihn zur Anschauung
gebracht; wir machten im Berichte über jene Weltausstellung daraus aufmerksam
– doch, wie es scheint, ohne Erfolg. In England hat er jedoch in den letzten
Jahren Eingang gefunden. Der Sunn sieht allerdings nicht sehr empfehlenswerth aus,
da die im Handel erscheinende Waare stets einen wergartigen Charakter hat. Es liegt
dies aber in dem bis jetzt üblichen sehr primitiven Röstverfahren. Durch eine
vervollkommnetere Abscheidungsmethode wird der Faserstoff an Feinheit und
Gleichmäßigkeit gewinnen. Festigkeit und Widerstandskraft gegen den Wechsel von
feucht und trocken zeichnen auch diese Faser aus. In einer Eigenschaft übertrifft
der Sunn – so weit die bis jetzt angestellten Versuche reichen – alle
anderen bekannten Faserstoffe, nämlich in seiner geringen Hygroskopicität. Während
diese Rohstoffe gewöhnlich bis 16 und 22 Procent Wasser aus der Luft aufzunehmen
vermögen, ja selbst einige existiren die 40 und 50 Gewichtsprocente Wasser in
feuchter Luft sich aneignen können, nimmt der Sunn, welcher bei gewöhnlicher
Luftfeuchtigkeit nur 5 bis 6 Proc. Wasser enthält, blos 10 bis 11 Proc. Wasser im
feuchten Raume auf. Für den Käufer ist diese Eigenschaft aber umsoweniger
gleichgiltig, als bei dem Verkaufe vegetabilischer Fasern auf die in denselben
enthaltenen Wassermengen keine Rücksicht genommen wird.
Der in den Colonialausstellungen reich vertretene Manillahanf (Musa- oder Bananenfaser) und die Cocusnußfaser (Coir)
sind unseren Industriellen wohl schon so bekannt, daß es nicht nothwendig erscheint,
auf dieselben nochmals aufmerksam zu machen. Auch die Pite, die Faser mehrerer Agaven, fälschlich Aloefaser genannt, ist in den
letzten Jahren als „Fibris“ in Wien bekannt und zur Herstellung
von Bürsten u. dgl. schon vielfach benützt, so daß es genügen dürfte, die Länder
namhaft zu machen, welche diese Rohstoffe bei uns ausstellten, nämlich: Martinique
(Agave mexicana) Guadeloupe (Agave americana und A foetida), Guyana,
Brasilien, Venezuela,Die von Venezuela ausgestellte Faser „Cocuisa“ gehört
unter Pite; sie stammt von Fourcroya
gigantea.
Indien, Mauritius,
Reunion, Algier etc. Central- und Südamerika sind die bedeutendsten
Producenten dieses Faserstoffes. – Die bei uns schon bekannte Piassave aus Brasilien war auch bei dieser Ausstellung
gut vertreten.
Ehe wir zur Betrachtung der zur Ausstellung gebrachten vegetabilischen Seide, der
Wolle der Wollbäume und des vegetabilischen Roßhaares übergehen, wollen wir noch
jene, gegenwärtig für den europäischen Handel noch gänzlich belanglosen,
vegetabilischen Fasern hervorheben, die in den Heimatländern mehr oder minder stark
benützt, vielleicht später auch unserer Industrie zugute kommen dürften. Hierher
sind zu rechnen die Bastfasern von zahlreichen Hibiscusarten (H. cannabinus, tiliaceus, Sabdariffa etc.; hauptsächlich in Indien
gewonnen und benützt); die echte Aloefaser, die echte Ananasfaser, die Vacoa oder
Vacoua, bestehend aus den Blattfasern von Pandaneen, hauptsächlich auf Reunion,
Mauritius und in Französisch-Indien erzeugt und zur Herstellung grober Stücke
verwendet etc.
Die vegetabilische Seide, die Samenhaare zahlreicher
Asclepiadeen und mehrere Apocyneen, war diesmal zum größten Glücke nicht so stark
vertreten als auf der letzten Pariser Ausstellung. Die französischen Colonien
brachten damals eine so große Zahl von Sorten zur Ausstellung, daß man leicht auf
den Gedanken hätte kommen können, man habe es hier mit irgend einer wichtigen Waare
zu thun. So schön und glänzend aber auch diese Seidenarten der Pflanzenwelt
aussehen, so wenig sind sie werth. Die Faser ist schwach und dabei spröde, zu
Gespinnsten wenig geeignet.Nach dem Kataloge der französischen Colonien soll die Firma Delebart-Mallet in Fives Lille aus
„Fasetone“ (Samenhaare von Asclepias gigantea) vom Senegal schöne Gewebe erzeugen. Gerade diejenigen Sorten, welche massenhaft in den Handel gestellt werden
könnten, wie die Samenhaare von Asclepias gigantea und
curassavica scheinen am wenigsten werth zu sein, in
die Textilindustrie eingeführt zu werden. Die ziemlich unbeachteten Samenhaare von
Baumontia (aus Ostindien) dürften ihrer verhältnißmäßig großen Festigkeit halber
hierfür sich als zweckmäßiger erweisen. Zur Erzeugung von Kunstblumen und verwandten
Kunstgegenständen ist die vegetabilische Seide ungleich tauglicher, als für textile
Zwecke und wird hierfür auch schon verwendet. Man hat sie auch als Polstermateriale,
als Ersatzmittel für Eiderdunen empfohlen; allein die Brüchigkeit der Faser läßt
eine derartige Verwendung wohl nicht recht zu. Die vegetabilische Seide war fast nur
durch Proben der französischen Colonien vertreten. Der Katalog der französischen
Colonien gab sich sichtlich Mühe den Werth der vegetabilischen Seide in's günstigste
Licht zu stellen und diesen in der genannten Ausstellungsgruppe reichlich
vertretenen Rohstoff der europäischen Industrie wärmstens zu empfehlen.
Bescheidener als die vegetabilische Seide trat die Wolle der
Wollbäume auf; sie wollte nirgend mehr scheinen als sie in der That ist,
nämlich ein erprobtes Ersatzmittel für Bettfedern. Dieses feine Materiale besteht
aus den Samenhaaren mehrerer Bäume aus der Familie der Bombaceen. Wir bemerkten von
diesem Rohstoffe folgende Sorten: „Paina
limpa“ von Brasilien (Samenhaare von Bombax heptaphylum und B. ceiba), den
„Kabok“ aus den
holländischen Colonien (von Eridondon anfractuosum), den
„Edrédon
végétale“ aus den westindisch-französischen
Colonien, auch „Patte de
lièvre“ genannt (von Ochroma
Lagopus); Venezuela stellte unter dem Namen „Lana vejetale“ theils die Wolle von Ochroma Lagopus, theils jene von Bombax cumanensis aus. Die Wolle von Ochroma
Lagopus ist braun, jene der Bombaxarten theils weiß, theils nur wenig
gefärbt. Alle Arten dieser vegetabilischen Wollen bestehen aus einer zarten, nicht
spröden Faser und bilden ein weiches, elastisches Polstermateriale. In Holland steht der
„Kapok“ schon in starker
Verwendung; auch in Deutschland hat man die Samenhaare von Eriodendron anfractuo sum bereits eingeführt und der Waare den Namen
Pflanzendunen gegeben. Die in Bitchern nicht selten anzutreffende Angabe, daß die
Wolle der Wollbäume als solche und mit Baumwolle gemengt zu Geweben tauglich sei,
worüber wir gelegentlich wegen der Schwäche des Fadens unseren Zweifel aussprachen,
scheint doch auf einem Irrthume zu beruhen; wenigstens hörten wir von keinem
Aussteller irgend etwas von einer derartigen Verwendung und auch die
Ausstellungskataloge führten die vegetabilische Wolle stets nur als ein
Polsterungsmaterial auf.
Unter den groben Pflanzenfasern der warmen Länder verdienen alle jene Beachtung,
welche als vegetabilisches Roßhaar (crin
végétal) bezeichnet werden. Das Bestreben, dem so theueren
Roßhaare ein Material zu substituiren, welches dem ersteren in den Eigenschaften
möglichst nahe kommt und wenigstens bei flüchtiger Betrachtung gleicht, ist lange
vorhanden. Sehr stark verwendet man bei uns und in Deutschland als Roßhaarsurrogat
die Blätter einer Segge, der Carex brizoides, welche von
Oberösterreich und aus einzelnen Gegenden des Großherzogthums Baden in großer Menge
in den Handel gesetzt werden. Das Material ist wenig elastisch und auch nicht sehr
dauerhaft, jedenfalls ein geringwerthiges Ersatzmittel für Roßhaar. Die Franzosen
besitzen in ihrem Crin d'Afrique (auch als Crin Aversing bekannt), den zerspaltenen Blättern der
Zwergpalme (Chamaerops humilis), welches seit einigen
Jahren in großen Massen aus Algier nach Europa gebracht wird, ein ungleich besseres
Surrogat. Es ist nicht lange her, so wurde diese Sorte von vegetabilischem Roßhaare
auch in den Wiener Handel gebracht und von unseren Tapezirern als
Polsterungsmaterial benützt. Gegenwärtig wird es bei uns namentlich im schwarz
gefärbten Zustande – die natürliche Farbe dieses Faserstoffes ist grünlich
– sehr stark verwendet und ist unter dem Namen „Afrik“
fast allgemein bekannt. Zweifellos ist die Einführung des Crin d'Afrique bei uns als ein Fortschritt anzusehen, da dieses Material
dem Seegras in jeder Beziehung vorzuziehen ist. Dennoch ist das zerspaltene Blatt
der Zwergpalme noch lange nicht das beste Surrogat für Roßhaar. Ungleich
werthvoller, weil den natürlichen Eigenschaften des Roßhaares näher kommend, sind
die drei Fasern: Ejoo, Kitool und Caragate. – Die Faser Ejoo, auch Gomuti-fibre genannt, stammt von der in Indien häufig
anzutreffenden Zuckerpalme (Arenga saccharifera) und
findet sich in Form einer schwarzen, roßhaarähnlichen Masse an den Stämmen –
und zwar an jenen Stellen vor, an welchen die Blätter aufsaßen. Diese Faser bleibt
nach dem Abfall der Blätter als Rest der Blattgefäßbündel zurück. Aehnlichen
Ursprungs ist die ebenfalls schwarze Faser Kitool. Sie stammt von den Palmen Caryota. mitis (Reunion) und C.
urens (Indien, Ceylon). – Das beste vegetabilische Roßhaar ist
zweifellos die Faser Caragate, auch Baumhaar genannt. Es ist dies das Gefäßbündel
der Luftwurzeln, einer im tropischen Amerika auf Bäumen schmarotzenden, daselbst
häufig vorkommenden Bromelincea. Die Faser erlangt eine Länge von 22 Centimeter. Im
Aussehen, ja selbst in der Elasticität und Festigkeit kommt sie dem echten Roßhaar
so nahe, daß der Laie sie von letzterem kaum zu unterscheiden im Stande sein wird.
Beim Verbrennen gibt sie sich jedoch sofort als Pflanzenfaser zu erkennen, da sie
jenen eigenthümlichen Geruch nach verbrennendem Horn, durch welchen das Roßhaar und
jedes thierische Haar ausgezeichnet ist, nicht wahrnehmen läßt. Aber selbst bei
genauer Betrachtung jeder einzelnen Faser ergibt sich ein großer
Unterschied zwischen echtem Roßhaar und der Caragate; ersteres
besteht bekanntlich aus einfachen, letztere aus, in Abständen von einigen
Centimeter, verzweigten Fasern. Guyana ist wohl der bedeutendste Producent dieser werthvollen
Faser. Die Einführung dieser Sorte von vegetabilischem Roßhaare bei uns wäre gewiß
ein Gewinn unter der Voraussetzung, daß es von dem Verkäufer gepolsterter Möbel als
das ausgegeben werden würde, was es ist, als ein Surrogat für Roßhaar und nicht
betrügerischer Weise als dieses selbst.
Von groben auf der Ausstellung erschienenen Pflanzenfasern wären noch Esparto und die aus spanischem
Rohre auf mechanische Weise, nämlich durch Zerreißen, erzeugte Faser zu
nennen. Letztere, zu Seilerarbeiten verwendet, erschien unseres Wissens auf den
früheren Ausstellungen noch nicht; erstere ist hingegen von der letzten Pariser
Ausstellung her genügend bekannt.