Titel: | Die moderne Sprengtechnik; von Julius Mahler in Wien. |
Fundstelle: | Band 214, Jahrgang 1874, Nr. VIII., S. 25 |
Download: | XML |
VIII.
Die moderne Sprengtechnik; von Julius Mahler in
Wien.Nach einem uns vom Verfasser gütigst zugeschickten Separatabdruck.
Mit Abbildungen.
Mahler, über die moderne Sprengtechnik.
In der Dynamitfabrikation (dies Journal, 1872 Bd. CCVI S. 34) wurden in jüngster Zeit
eine Reihe wichtiger Fortschritte gemacht, welche es ermöglichen, gegenwärtig bei
jeder Sprengarbeit das alte Schwarzpulver mit Vortheil durch Dynamit zu ersetzen.
Die Dynamite (von Mahler und Eschenbacher, Wien Wallfischgasse Nr. 4) sind pulverige, ziemlich
plastische Massen von 1,5–1,6 spec. Gewicht. Durch Berührung mit Feuer oder
glühenden Körpern verbrennt Dynamit selbst in Mengen von mehreren Pfunden ohne
Explosion, wenn es nicht in sehr festen Hüllen eingeschlossen ist. (Dies Journal,
1868 Bd. CXC S. 125; 1869 Bd. CXCIII S. 495). Temperaturen unter 60° C. haben
selbst bei langer Dauer
keine nachtheilige Einwirkung auf Dynamite. Diese können also ohne Schaden der
Sonnenwärme ausgesetzt werden.
Durch Berührung der Schleimhäute der Nase oder des Mundes mit Dynamit können heftige
Kopfschmerzen hervorgerufen werden und ist daher einige Vorsicht vor solch directer
Berührung zu beobachten, was um so leichter möglich ist, da alles Dynamit in
fertigen Patronen geliefert wird (vergl. dies Journal, 1871 Bd. CCII S. 372).
Durch sehr starke Stöße und Schläge zwischen harten Körpern kann Dynamit explodiren,
dagegen wird es selbst durch sehr heftige Stöße von Holz gegen beliebige Unterlagen
nicht zur Explosion gebracht. (Dies Journal, 1869 Bd. CXCII S. 174; Bd. CXCIII S.
496).
Gegenüber dem Schwarzpulver besitzen die Dynamite eine Reihe wichtiger Vorzüge,
welche sich kurz in folgenden Punkten zusammenfassen lassen.
1) Bedeutende Arbeits- und daher auch
Kostenersparniß, zunächst durch Erzielung gleichen Effectes bei weit
geringerer Bohrarbeit.
2) Bedeutende Zeitersparniß Mit Dynamit
kann die Sprengarbeit oft doppelt so rasch als mit gewöhnlichem Pulver gefördert
werden – ein Umstand, der besonders im Eisenbahnbaue, beim Abteufen tiefer
Schachte, Vortreiben langer Stollen u.s.w. von höchster Wichtigkeit sein kann. (Dies
Journal, 1868 Bd. CXC S. 128; 1871 Bd. CCII S. 543).
3) Fast vollständige Gefahrlosigkeit
während des Transportes, der Aufbewahrung und im Gebrauche. (Dies Journal, 1869 Bd.
CXCII S. 174).
4) Vollständige Unschädlichkeit der
Explosionsgase bei Abwesenheit von Rauch, also weit leichtere und
gefahrlosere Arbeit an wetternöthigen Orten, welche man nach dem Abschießen sofort
betreten kann, um weiter zu arbeiten (vergl. dies Journal, 1868 Bd. CXC S. 130; 1871
Bd. CCII S. 540).
5) Vorzügliche Eignung zum Sprengen von
lockerem Gesteine, Conglomeraten, Kreide, Thon etc. (Dies Journal, 1871 Bd. CCI S.
80; 1872 Bd. CCVI. S. 46).
6) Sicherheit bei
Unterwasser-Sprengungen. (Dies Journal, 1872 Bd. CCIII. S. 143).
7) Leichte Sprengung großer Gußeisenmassen,
Stahlblöcke, HohofensäureHohofensäue etc. (Dies Journal, 1872 Bd. CCII S. 471; 1869 Bd. CXCIII S. 492; 1872 Bd.
CCV S. 430).
8) Ersparniß an Stahl, Schärfen und
Verstählen der Bohrer etc. durch Verminderung der Bohrarbeit.
9) Bedeutend größerer Stückkohlenfall
bei Sprengungen in Kohle.
10) Möglichkeit voller Kraftentwickelung
ohne Verdämmung.
Sprengungen im trockenen Gestein. Das Dynamit, welches
zum Steinsprengen verwendet werden soll, wird in den Fabriken in cylindrische Hülsen
aus ziemlich weichem Pergamentpapier eingepreßt und die vorstehenden Ränder der
Hülse werden beiderseits über der Ladung niedergebogen. Das Laden eines Bohrlochs
geschieht in folgender Weise. Eine Patrone wird in dasselbe eingeschoben und, wenn
sie am Boden angelangt
ist, mit einem hölzernen Ladstocke sehr fest zusammengepreßt, so daß die Papierhülle
auseinander geht und das plastische Dynamit sich vollkommen an die Bohrlochssohle
und an die Bohrlochswände anschmiegt. Hierauf wird eine zweite Patrone eingebracht,
ebenfalls fest zusammengedrückt u.s.f., bis man die nöthige Ladungshöhe erreicht
hat. Das feste Zusammenpressen jeder einzelnen Patrone ist eine Hauptbedingung guten
Erfolges. Man erreicht dadurch nicht nur möglichste Concentration der Ladung,
sondern vermeidet zugleich die schädlichen Hohlräume rings um dieselbe. Auf die
Ladung wird die Zündpatrone aufgesetzt.
Holzschnitt I, Bd. 214, S. 27
Man nimmt dazu eine kleine 2,5 bis 4 Centim. lange
Dynamitpatrone und öffnet dieselbe an einem Ende, um Zündschnur verbundene
Zündkapsel einzuführen. Die Zündschnur A (Holzschnitt I) wird zu diesem Zwecke an einem Ende
senkrecht auf ihre Längsrichtung scharf abgeschnitten, abgeschnittene Ende in
ein Zündhütchen BE so weit eingesteckt, bis es
auf dem Knallsatze DE des Hütchens aufsitzt,
dann dieses bei C mit einer kleinen Zange oben fest
an die Zündschnur angedrückt, so daß sich dieselbe nicht mehr in dem Hütchen
verschieben kann. Dieses wird dann in das Dynamit kleinen Patrone (Fig. II) eingedrückt, so daß nur noch ein Theil
des Kupferhütchens aus dem Dynamit hervorragt, und der aufgebogene Papierland
der Hülse bei B fest an die Zündschnur mittels eines
Bindfadens angebunden.
Holzschnitt II, Bd. 214, S. 27
Eine solche mit Zündhütchen und Zündschnur versehene
Patrone wird Zündpatrone genannt. Es ist unbedingt nöthig, daß das Hütchen an
die Zündschnur festgedrückt wird, nicht nur damit es sich nicht vor der
Entzündung von dieser abstreife, sondern auch weil durch das Festdrücken eine
kräftigere Detonation des Hütchens stattfindet. Ebenso nöthig ist es, daß das
Zündhütchen noch etwas aus dem Dynamit hervorragt, weil bei zu tiefem Versenken
desselben leicht die Entzündung des Dynamits unmittelbar durch die Zündschnur
erfolgt.
Die fertige Zündpatrone wird vorsichtig in das Bohrloch hinabgeschoben, bis sie
auf der Ladung aufsitzt. Ein Festpressen der Zündpatrone darf nicht stattfinden.
Auf die Zündpatrone kommt zuerst in die Hälfte der leeren Bohrlochshöhe nur
loser Besatz (Bohrmehl, feiner Sand, Erde etc.), welcher vorsichtig eingebracht
werden muß, sodann fester Besatz aus Lehm, welcher nicht geschlagen sondern nur
fest gepreßt werden darf.
Sprengungen in Wasser oder wasserhaltigem Gestein. Gegen
bloße Feuchtigkeit ist Dynamit unempfindlich, bedarf also keiner besonderen
Verwahrung. Hat man mit Wasser gefüllte Bohrlöcher und kann man dieselben bald nach
vollendeter Ladung sprengen, so erfolgt das Laden in voriger Weise; nur müssen die
Patronen mit Theer oder Unschlitt gut verschmiert und muß das starke Anpressen der
einzelnen Patronen unterlassen werden.
Bei den Zündpatronen ist eine besondere Vorsicht zu gebrauchen. Zuerst muß der obere
Rand des Zündhütchens, nachdem dieses an die Zündschnur befestigt ist, mit Wachs,
Pech oder Talg gut verstrichen werden, so daß der Zündsatz der Kapsel gegen das
Eindringen von Wasser vollkommen geschützt ist. Ist die Kapsel in die Zündpatrone
eingeführt, so wird über das Dynamit rings um die Zündschnur etwas in Talg
getauchtes Werg gegeben, der aufgebogene Papierrand der Patrone sehr sorgfältig an
die Zündschnur festgebunden und alle offenen Theile mit Talg oder Wachs verschmiert.
Die so hergerichtete Zündpatrone wird dann wie gewöhnlich auf die Ladung gesetzt,
das Bohrloch mit Wasser vollgeschüttet und gezündet.
Holzschnitt III, Bd. 214, S. 28
Für Bohrlochsladungen in Wasser ist es praktisch, für
die ganze Ladung aus starkem Pergamentpapier eine Hülse zu machen, deren äußerer
Durchmesser so groß ist, daß man sie noch leicht in das Bohrloch hinablassen
kann. Diese Hülse ist an den Seiten und am Boden mit einem wasserdichten
Klebmittel (Schellack in Weingeist gelöst) gut zu schließen. In diese Hülsen
werden Dynamitpatronen in ähnlicher Weise wie früher in das Bohrloch gefüllt,
der obere Theil wird wasserdicht geschlossen und außerdem die ganze Patrone gut
mit Talg überstrichen. Zum Laden wird die entsprechende Patrone P (Fig. III) durch
das Wasser W in das Bohrloch hinabgelassen und
darüber die wasserdichte Zündpatrone Z aufgesetzt.
Wenn die Ladungen sehr bedeutend sind (250 Grm. und darüber) ist es gut, sie in
dünne Weißblechhülsen wasserdicht einzuschließen.
Sprengungen bei niederen Temperaturen. Unter 8°
erstarrt das Dynamit. Hat man verläßliche Leute, ordentliche passende Räume und
Gefäße und sind die täglich nöthigen Ladungen nicht zu groß, so wird man am besten
thun, wenn man das Dynamit nur in weichem Zustande verladet, weil man dann alle
Bohrlochsräume gut ausfüllen kann und so die günstigste Wirkung erzielt.
Das Aufthauen des gefrorenen Dynamits geschieht am zweckmäßigsten in den dafür
construirten Wärmeapparaten aus doppelten Blechcylindern, deren Zwischenraum mit
warmem (nicht heißem) Wasser gefüllt wird. Nie darf dieses Anschauen in
unmittelbarer Nähe von Oefen oder am offenen Feuer geschehen. Praktisch ist es auch,
um größere Partien Dynamit in weichem Zustande zu erhalten, große Holzkisten mit
doppeltem Boden und Wänden zu machen, die Räume zwischen diesen mit Dünger
auszufüllen und im Innern die Patronen aufzubewahren. Solche kleine Magazine für 20
bis 25 Kilogrm. sind besonders bei Bahn- und Straßenbauten praktisch, wo man
pro Tag größerer Mengen Dynamit bedarf.
Wenn man mit weichem Dynamit geladen hat und die Bohrschüsse so rasch abthut, daß ein
Frieren der Ladungen nicht zu besorgen steht, so kann man als Zündpatrone eine
gewöhnliche kleine Dynamitpatrone nehmen; diese muß aber unbedingt in ganz weichem
Zustande in das Bohrloch kommen, und man wird gut thun, um ihr rasches Frieren zu
verhindern, sie mit warmem Talg oder Theer zu bestreichen und auf sie, als erste
Verdämmung, einige Centimeter Sägespäne oder Werg zu geben.
Gefrorenes Dynamit darf nicht gewaltsam im Bohrloche gepreßt oder verkleinert werden,
sondern man senkt einfach eine Patrone nach der anderen bis zur Erreichung der
gewünschten Ladehöhe in das Bohrloch und setzt schließlich die Zündpatrone auf.
Solche gefrorene Ladungen werden mit besonderen Zündpatronen in verstärkten Kapseln
entzündet.
Adjustirte Zündpatronen, d.h. Dynamit-Patronen, in welchen bereits das
Zündhütchen eingeführt ist, dürfen nie aufgethaut, ebensowenig aber auch aufbewahrt
werden, da beides bei der geringsten Unvorsichtigkeit großes Unglück herbeiführen
kann. Sollten nach Vollendung der Tagesarbeit solche gefrorene adjustirte Patronen
übrig bleiben, so werden dieselben in einer Grube zur Explosion gebracht.
Wenn sich nach der Explosion schlechte Gase zeigen, so ist dies ein Beweis, daß die
Zündung schlecht ausgeführt wurde. Unrichtige Zündung verdirbt nicht nur die Wetter,
sondern vermindert auch den Sprengeffect. – Versagte Schüsse dürfen nie
ausgebohrt werden, sondern man muß trachten, sie durch in der Nähe neu angelegte
Schüsse abzuthun.
Ladungsregeln. Bei Gesteinssprengungen ist im Allgemeinen die Lage und Tiefe der Bohrlöcher
ziemlich gleich jener bei Schwarzpulver anzunehmen; nur können die Gesteinsvorgaben
bei Dynamit um wenigstens 1/3 größer sein. Die Bohrlochsweite ist beinahe immer
geringer als bei gewöhnlichem Sprengpulver zu nehmen, und genügt in fast allen Fällen im
Steinbruche, Berg- und Tunnelbaue eine Bohrlochsweite von 25 Millimeter.
Nur dort, wo es sich in erster Reihe um rasche Arbeit, also um große
Gesteinsbewältigung durch jeden Schuß handelt, und wo zugleich große Angriffsflächen
vorhanden sind, also bei den meisten Bahneinschnitten, großen Hafenbauten und dergl.
sind weite Bohrlöcher, starke Ladungen, aber zugleich auch sehr starke Vorgaben
anzuwenden. – Man wird annehmen:
für
1–2
Meter
Bohrlochstiefe
Bohrer
von
25
Millimeter,
„
2–4
„
„
„
„
30–40
„
„
4–6
„
„
„
„
50–65
„
Bei Arbeiten, wo das Gestein nur gespalten und möglichst wenig zertrümmert werden
soll, also bei Gewinnung von Bausteinen, Werkstücken und bei Sprengungen in Kohle,
wende man enge und tiefe Bohrlöcher an. Bei Sprengungen unter Wasser, wo das Anlegen
von Bohrlöchern sehr schwierig ist, z.B. bei Flußregulirungsarbeiten, Bauten im
Meere etc., kann man mit frei auf den Felsen aufliegenden Ladungen sehr günstige
Resultate erlangen. (Dies Journal, 1871 Bd. CCIII S. 146).
Die Größe der Ladung bestimme man durch einige sorgfältig angelegte Probeminen. Als
Ladungslänge nimmt man gewöhnlich bei sehr starker Gesteinsverspannung und sonst
ungünstiger Schußlage (Einbruchsschüsse in Stollen) 1/3–1/4, bei Schüssen mit
zwei freien Flächen und sonst günstiger Schußlage 1/4–1/5, bei Schüssen mit
geringer Gesteinsverspannung (drei und mehr freie Flächen) 1/6–1/8 der
Bohrlochstiefe. Hierbei ist angenommen, daß die Bohrlochsweite etwa um 25 Proc.
geringer als bei Anwendung von Schwarzpulver ist.
Wo das Gestein nur gespalten und nicht zertrümmert werden darf, z.B. bei Erzeugung
von Werkstücken, dann bei Sprengungen in Kohle, wendet man mit gutem Erfolge sehr
schwache, aber wiederholte Ladungen an.
Sprengungen in zähen Erdarten (Thon, Tegel, Schotter)
haben den Zweck, die mühsame und kostspielige Arbeit mit der Spitzhaue zu reduciren,
und werden in folgender Weise vortheilhaft durchgeführt. In das 40 Millim. weite und
circa 3 Meter lange Bohrloch, welches eine seiner
Tiefe gleiche oder geringere Vorgabe enthält, wird zuerst eine längere, an die
Zündschnur befestigte Dynamitpatrone hinabgelassen und ohne Verdämmung zur
Detonation gebracht, wodurch eine kugelförmige Kammer entsteht. Je nach der Größe
der Kammer, welche man zu einer bestimmten Ladung von Dynamit gebraucht, setzt man
vorsichtig dieses Ausschießen fort, bis man die gehörige Größe erhält, um eine Ladung von 2,5 bis 25
Kilogrm. Dynamit aufzunehmen.
Diese Art des Erweitern der Bohrlochsohle, das Ausschießen, empfiehlt sich auch für
alle Arten von Gestein, vorzüglich zur Erzeugung von kleinen Minen, statt des
langweiligen und kostspieligen Vorganges mit Salzsäure.
Vorzügliche Resultate wurden beim Roden von Wurzelstöcken
erzielt.
Holzschnitt IV, Bd. 214, S. 31
Der Stock wird mit amerikanischen Schneckenbohrern angebohrt und zwar: bei
gesundem Kern und starker Pfahlwurzel von der oberen Fläche a aus bis in den Wurzelknoten b (Fig. IV). Ist der Stock kernfaul, so
geschieht die Bohrung von der Seite c aus. Wo die
Pfahlwurzel fehlt, geschieht die Bohrung immer in der Richtung der stärksten
Wurzel. In manchen Fällen genügt oft ein kurzes von der Seite angebrachtes Loch,
unmittelbar in die stärkste Wurzel gebohrt. – Schwächere Seitenwurzeln
werden vor der Sprengung durchgehauen. Im Allgemeinen sei die Bohrlochtiefe
gleich 3/5 des Wurzelstockdurchmessers, der Durchmesser des Bohrlochs aber 25
bis 35 Millimeter; zur Ladung genügen 50 bis 100 Gramm.
Transport und Aufbewahrung von Dynamit. Für den Transport
von Dynamit auf Eisenbahnen und Dampfschiffen gelten bestimmte gesetzliche
Vorschriften. Beim Transport per Achse beobachte man
alle jene Vorsichtsmaßregeln, welche Schwarzpulver erfordert. Die Aufbewahrung von
Dynamit geschieht in ganz gleicher Weise wie jene von Schwarzpulver und unter
denselben Vorsichtsmaßregeln. Nie darf man sich durch die relative Ungefährlichkeit
des Dynamits zur Vernachlässigung der größten Vorsicht verleiten lassen, am
allerwenigsten aber, wie es leider nur noch zu häufig geschieht, Dynamit in
bewohnten Räumen oder in unmittelbarer Nähe von solchen aufbewahren. Ist es möglich,
so wähle man trockene Orte, deren Temperatur nicht unter 10–12° sinkt.
Kapseln und Zündschnüre müssen stets entfernt von Dynamit und immer an trockenen
Orten aufbewahrt werden.
Bohrmaschinen für Bohrlöcher in Stein. Während Dynamit
bei allen möglichen Sprengarbeiten die ausgedehnteste Verwendung findet, ist es erst
im Vorjahre gelungen, die allen praktischen Forderungen entsprechende Steinbohrmaschine
nach dem System Burleigh (dies Journal, 1873 Bd. CCVIII
S. 290), welche ihre Entwickelung bei Herstellung des Hoosac-TunnelsDer Hoosac-Tunnel in Nordamerika für die Eisenbahn von Troy am Hudson
(New-York) nach Greenfield (Massachusetts) hat eine Länge von 7,93
Kilometer. Der Mont-Cenis-Tunnel ist 12,22, der
Gotthard-Tunnel wird 14,9 Kilometer lang. fand, in Europa einzuführen.
Die hauptsächlichsten Vorzüge der Maschinenbohrung gegenüber der Handbohrung bestehen
in großer Zeitersparniß, da die Arbeit mit Bohrmaschinen
doppelt so rasch als mit Handarbeit gefördert werden kann; in kräftiger Ventilation durch die aus der Maschine austretende Luft oder
directe Oeffnung der Luftleitung; sowie in bedeutender
Ersparung an Kosten, da diese bei gleichzeitiger Anwendung von Dynamit nur
40 bis 60 Proc. derjenigen betragen, welche Handbohrung und Schwarzpulver
fordern.
Die bewegende Kraft in der Burleigh'schen Bohrmaschine ist
über Tage bei kurzer Leitung Dampf, bei längeren Leitungen (über 200 Meter) und
immer unter Tag comprimirte Luft. Die Maschine für Einschnitte, Steinbrüche,
Tunnele, Bergwerke bohrt Löcher von 20–50 Millim. Durchmesser. Ohne
Bohrwechsel bohrt sie bis 0,5 Meter Tiefe, mit Bohrwechsel selbst 2,5–4,5
Meter. Die Maschine hat eine Länge von 1,65 Meter, einen Querschnitt von 30 und 23
Centim. Seite. Sie wiegt 75 Kilogrm., das zu ihr gehörige Gestell (Dreifuß) 70
Kilogrm., das Streckengestell 90–100 Kilogrm. Zu ihrer Bewegung bedarf man
pro Minute bei 350 Hüben etwa 0,35 Kubikmeter Dampf
von 4 1/2 Atmosphären Spannung oder ein gleiches Luftquantum. Im Allgemeinen wird
man für den directen Betrieb einer Maschine einen Dampfkessel von 3 Pferdekraft
rechnen müssen. Für zwei gleichzeitig arbeitende Maschinen genügt aber vollkommen
ein Kessel von 4–5 Pferdekraft.
Die Maschine für außergewöhnlich große Arbeiten, wie z.B. Strom-, Hafenbauten
und längere Eisenbahn-Tunnele, bohrt Löcher von 50 bis 100 Millim.
Durchmesser und ohne Bohrwechsel 0,6, mit Bohrwechsel 3 bis 6 Meter tief. Die
Maschine hat eine Länge von 2 Meter, einen Querschnitt von 38 und 33 Centim. Seite.
Sie wiegt 222 Kilogrm., das zu ihr gehörige Gestell 176 Kilogrm. Zum Betrieb
benöthigt dieselbe einen Kessel von 5–6 Pferdekraft.
Die Leistung einer Burleigh'schen Bohrmaschine bei
Anwendung nur eines Gestelles beträgt in 10 Arbeitsstunden etwa:
In
weichem Stein (Sandstein, weicher Kalk, Schiefer)
36
Meter
„
mittelhartem Stein (festen Sand- und Kalkstein)
30
„
„
hartem Stein (Granit, Dolomit)
27
„
„
sehr hartem Stein (Gneis, Kieselschiefer u.s.f.)
21
„
Einen Vergleich mit der Leistung der übrigen Systeme von Bohrmaschinen geben folgende
Daten: Es bohren in gleichem Steine (Kalkstein) Osterkamp
Dies Journal, 1871 Bd. CCI S. 6. 50, Döring 100, Sachs
140 und Burleigh 200 Millim. pro Minute. In sehr hartem Gestein (Granit, Kieselschiefer, Grauwacke
etc.) stellt sich das Verhältniß der Sachs'schen gegen
die Burleigh'sche Maschine wie 1 zu 2.
Für den Vergleich gegenüber Handarbeit gibt das Folgende einige Anhaltspunkte:
Feinkörniges Kalkconglomerat: Die Maschine in 13 1/2 Minuten, dreimaliges
Bohrerwechseln eingerechnet, 151 Centim.; drei Arbeiter bohrten in derselben Zeit 16
Centimeter.
Kieselschiefer sehr hart mit Quarzit durchsetzt: Die Maschine in einer Minute
4–5 Centimeter als Mittel aus 35–60 Centimeter tiefen Bohrlöchern.
Zwei Arbeiter in zwei Stunden ein 30 Centimeter tiefes Bohrloch von demselben
Durchmesser.
In dem Hoosac-Tunnel arbeiteten die Burleigh'schen
Bohrmaschinen seit dem Jahre 1869 und wurden mit nur acht solchen Maschinen die
letzten 4774 Meter Richtstollen durchgearbeitet. Das Gestein war Gneis mit Quarz
durchzogen. Mit Handarbeit war der Fortschritt per Monat
15 Meter, mit der Burleigh'schen Bohrmaschine dagegen 45
Meter, und stellten sich mit letzterer die Kosten noch um 1/3 billiger als mit
Handarbeit. Nach dem Engineering (19. Januar 1872)
kostete der laufende Meter des Mont-Cenis-Tunnels 213, beim
Hoosac-Tunnel trotz des viel festeren Gesteins nur 197 Pfund Sterling. Auch
bei den submarinen Sprengungen in Hallgate bei New-York bewährten sich nach
dem Scientific American (21. Januar 1874) diese
Bohrmaschinen, namentlich dem Diamantbohrer gegenüber, so daß sie zur Vollendung
dieser großartigen Arbeiten ausschließlich beibehalten wurden.
Wenzel Nemecek, k. k. Bergmeister in Pribram gibt folgende
Tabelle über die Resultate der vergleichenden Versuche mit Burleigh's und Sachs' Bohrmaschinen, dann mit
Handarbeit. (Gestein: fester Diorit.)
Textabbildung Bd. 214, S. 34
Gegenstand der Beobachtung;
(Oesterreichisches Maß und Gewicht); Resultate; Burleigh'sche Maschine;
Sachs'sche Maschine; Auf 1 Kubik-Klafter Ausschlag reducirt; Maschine von
Burleigh; Maschine von Sachs; Handarbeit; Ausschlag fester Masse
(Kub.-Klftr.); Zahl der Bohrlöcher; Tiefe der Bohrlöcher (Dec. Zoll);
Fester Besatz (Dec. Zoll); Ganze Bohrdauer in 3mannischen 8stündigen Schichten;
Effective Bohrdauer (Minuten); Eindringen des Bohrers pro 1 Minute effect.
Bohrdauer (Dec. Zoll); Verschlagene Bohrer (Stück); Verbrauch an Stahl (Pfund),
Rüböl, Dynamit, Pulver, Kapseln, Draht (Stück), Kohle (Centner), Schmiere für
die Luftpumpe u. Bohrmasch. u. z. Unschlitt (Pfund), Baumöl; Häuerschichten;
Maschinenwärterschichten; Heizerschichten; Kosten.; Instandhaltung des Gezähes;
Rüböl à 30 kr. per Pfund; Dynamit à 1 fl. 35 kr.; Pulver à
41 kr.; Kapseln und Draht; Kohle à 60 kr. per Centner; Unschlitt à
35,5 kr. per Pfund; Baumöl à 34 kr. per Pfund; Häuer 1 fl. per Schicht;
Maschinenwärter 80 kr. per Schicht; Heizer 50 kr.; Verzinsung und Amortisation
der Anlage und Bohrmaschine; Summe fl.
Elektrische Zündung. Die in Oesterreich in der
Civil-Sprengtechnik am häufigsten angewendete Zündmaschine ist die vom
Mechaniker Bornhardt in Braunschweig (dies Journal, 1863
Bd. CLXVIII S. 342). Der Reibungsapparat (Holzschnitt
V und VI) besteht aus einer Hartgummischeibe F, welche durch Drehung mittels der Kurbel zwischen
Pelzwerk R gerieben wird. Die hierdurch erzeugte
negative Elektricität der Scheibe F wird durch den
Saugapparat J von der inneren Staniol-Belegung
des Flaschencondensators H, die positive des Pelzwerkes
R aber von der äußeren Belegung der Flasche
aufgenommen, und steht letztere in Verbindung mit der Oese D.
Holzschnitt V, Bd. 214, S. 35
Holzschnitt VI, Bd. 214, S. 35
Zur Entladung des Flaschencondensators H dient der Entlader E, welcher durch einen
Druck auf den an der Seite befindlichen Knopf K mit dem
Condensator in Berührung tritt (die in der Figur punktirte Lage annimmt) und
hierdurch mit der Oese C verbunden wird. Sind sonach in
den beiden Oesen C und D die
Enden eines isolirten Drahtes eingehängt, in welchem ein oder mehrere elektrische
Zünder eingeschaltet wurden, so wird die Zündung nach vorhergegangener Ladung des
Flaschencondensators in dem Momente erfolgen, in welchem man auf den Knopf K drückt, resp. die Entladung des Flaschencondensators
vornimmt. Die Elektrisirmaschine des Zündapparates befindet sich in einem luftdicht
verschlossenen Blechkasten, der zum Trockenhalten noch Rollen A mit wasserabsorbirenden Substanzen enthält. Trotz dieser Maßnahme ist es
stets angezeigt, den Apparat in einem warmen trockenen Locale aufzubewahren.
Man unterscheidet bei jeder elektrischen Leitung die Luft- oder Hinleitung, in
welcher die negative Elektricität von der inneren Belegung des Flaschencondensators,
also von der Oese C des Apparates, bis zu ihrem
Wirkungsorte auf wohl isolirte Metalldrähte angewiesen ist, und die Erd- oder
Rückleitung, bei welcher die positive Elektricität von der äußeren Belegung des
Flaschencondensators, also von der Oese D des Apparates,
durch den Erdboden oder durch einen sonstigen Leiter zum elektrischen Zünder
geleitet wird. Da mit der Zündmaschine eine um so größere Zahl elektrischer Zünder
momentan gezündet werden können, je isolirter auch die Rückleitung ist, so wendet man bei wichtigen
Sprengungen, wo auf einen sicheren Erfolg gerechnet wird, stets isolirte Hin-
und Rückleitung an.
Wird zu den Drahtleitungen für elektrische Zündungen Eisendraht verwendet, so muß
derselbe gut ausgeglüht und bei Hinleitungen über Isolatoren aus Glas, Porzellan
oder vulkanisirtem Kautschuk gespannt werden. Bei Anwendung von mit Guttapercha
überzogenen Kupferdraht sind diese Isolatoren entbehrlich.
Holzschnitt VII, Bd. 214, S. 36
Die elektrischen Zünder unterscheiden sich in Pulver- und
Dynamit-Zünder. Genügt bei ersteren schon der Zünder zum Zünden der
Ladung, so muß bei letzteren noch eine Nobel'sche
Sprengkapsel mm (Holzschnitt VII) eingesetzt werden. Der im Handel vorkommende
elektrische Dynamit-Zünder hat den Messingdraht 1 2 3 mit einer festen
Gußmasse a umgossen. Dieser Zündkörper ist mit einer
Papierhülse m verbunden, in welche eine Sprengkapsel
k eingeschoben ist, welche nebst dem
Knallquecksilber noch lose Schießwolle enthält. Die Zündmischung, aus
Schwefelantimon und chlorsaurem Kali bestehend, ist zwischen der Kapsel und dem
Zünderkörper angeordnet und reicht in dieselbe der bei 2 fein durchschnittene
Draht, so daß bei Bildung des elektrischen Funkens, die Zündung der Zündmischung
und dadurch die der Sprengladung erfolgen muß. Zur Herrichtung eines Schusses muß zuerst der elektrische Zünder mit zwei
Drähten verbunden werden, welche länger sind als das Bohrloch tief ist, damit
sie nach dem Laden des Bohrloches bis an die Oberfläche führen, um dort in
später angegebener Weise mit den Hauptdrähten und Kuppeldrähten verbunden zu
werden. Selbstverständlich müssen die Drähte vom Zünder bis an die Oberfläche
des Bohrlochs, die sogen. Bohrlochsdrähte, bis zu ihrem Austritt aus dem
Bohrloche vollkommen von einander und von den Bohrlochswänden isolirt sein. Für
trockene Bohrlöcher werden die Drähte an kleine Holzstäbchen befestigt; für
nasse Bohrlöcher werden Kautschukdrähte angewendet, welche mit den Zündern in
entsprechender Weise verbunden werden.
Sind zwei Drähte mit einander zu verbinden, so werden die Enden blank geschabt,
zusammengeflochten, die vorstehenden Drahtspitzen zurückgebogen, das ganze Geflechte
mit einer kleinen Breitzange gepreßt und die Drahtspitzen abgezwickt (Holzschnitt VIII).
Holzschnitt VIII, Bd. 214, S. 37
Beim Guttaperchadraht wird zuerst von den beiden zu verbindenden Drahtenden auf 5
Centim. die Guttapercha mittels eines Messers entfernt, die blosgelegten
Kupferdrähte wie vorerwähnt verbunden (Fig. IX), und
sodann entweder ein Kautschukröhrchen, welches gleich Anfangs auf den einen Draht
geschoben wurde, über die Verbindung gezogen und über der Guttapercha beider Drähte
festgebunden (Fig. X), oder man umgibt zuerst die
Drahtverbindung mit weich gemachter Guttapercha, wasserdichter Pasta oder einfachen
Gummistreifen, und zieht dann erst das Kautschukröhrchen darüber.
Holzschnitt IX, Bd. 214, S. 37
Holzschnitt X, Bd. 214, S. 37
Ist der elektrische Zünder in einer oder der anderen Weise mit genügend langen, gut
von einander isolirten Drähten versehen, so wird er ebenso mit einer Zündpatrone
verbunden, wie dies bei gewöhnlicher Zündung der Fall ist, die Zündpatrone auf die
Ladung gegeben und verdämmt.
Jeder Häuer ladet seine Schüsse in der früher bezeichneten Weise. Aus jedem Schusse
ragen dann die Enden der zwei Bohrlochsdrähte einige Centimeter hervor. Der mit der
Fertigstellung der Zündung betraute Vormann verbindet nun den einen Bohrlochsdraht
eines Schusses durch ein eingeschaltetes Drahtstück mit der Hinleitung. Der zweite
Draht des Schusses wird mit einem Drahte eines Nachbarschusses, der gleiche Draht
des letzteren mit einem Drahte eines dritten Schusses u.s.f. – endlich das
übrig bleibende Ende des letzteren Schusses mit der Rückleitung durch eingeschobene
Drahtstücke (Kuppeldrähte) verbunden. Kommen dieselben durchaus auf trockenen Stein,
so wählt man als Kuppeldraht geglühten Eisendraht; kommen sie auf feuchten Boden, so
nimmt man gewöhnlichen übersponnenen Blumendraht, welchen man mit Talg einschmiert;
kommen endlich die Kuppeldrähte ins Wasser, so müssen gute Kautschukdrähte genommen
werden. Die Verbindungsstellen müssen bei feuchtem Auflager gut mit getheerter
Leinwand oder Pechpflästerchen umbunden, bei Liegen im Wasser aber sorgfältig mit
Kautschukmasse u.s.f. verwahrt werden.
Holzschnitt XI, Bd. 214, S. 38
Der Holzschnitt XI zeigt die Disposition bei einem
trockenen Einschnitte. eaaabd ist die Hinleitung, dbaae ist die Rückleitung; d,
d... sind die Bohrlöcher mit eingeführten Zündern, c, c.. die Kuppeldrähte; e bezeichnet die
Maschine.
Sind alle Schüsse untereinander verbunden, so hängt der Vormann die beim Apparate
befindlichen Enden der Hauptdrähte in die Leitungsknöpfe, steckt die Kurbel, welche
er bei sich getragen hat, an den Apparat, ladet denselben mittels 30–40
Umdrehungen und drückt während der letzten Drehungen auf den Knopf K (Holzschnitt V, VI, d.h. er zündet.
Hierauf werden die Drahtenden wieder ausgehängt, die Kurbel von der Maschine
abgezogen, und kann nun der Sprengort gefahrlos betreten werden, ohne Rücksicht
darauf, ob alle Schüsse losgegangen sind oder nicht. –
Nach Mittheilung des Vorstandes der österreichischen General-Inspection für
Eisenbahnen – Hofrath v. Pischof – haben
die Erfahrungen beim Aussprengen des Buchenberg-Einschnittes gezeigt, daß bei
richtiger Verwendung der elektrischen Zündung im Durchschnitt die doppelte Wirkung
erzeugt wird, als wenn die Ladungen auf gewöhnliche Art einzeln abgefeuert
werden.
F. F.