Titel: | Ueber die chemische Constitution des Bleichkalkes; von W. Wolters. |
Fundstelle: | Band 214, Jahrgang 1874, Nr. XXXIV., S. 140 |
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XXXIV.
Ueber die chemische Constitution des
Bleichkalkes; von W.
Wolters.Nach der vom Verfasser gefälligst eingesendeten Inaugural-Dissertation.
Leipzig 1874.D. Red.
Wolters, über die chemische Constitution des
Bleichkalkes.
Bekanntlich bildet die unterchlorige Säure mit Quecksilber Oxychlorid, Chlor dagegen
Quecksilberchlorür. Sind nur geringe Mengen unterchloriger Säure neben viel Chlor
vorhanden, so daß man das Oxychlorid nicht mehr leicht durch die Farbe des Productes
erkennen kann, so setzt man nach dem Schütteln mit Quecksilber Salzsäure zu,
filtrirt und prüft das Filtrat mit Zinnchlorür auf Quecksilber, durch welches die
unterchlorige Säure angezeigt wird. (Dies Journal, 1873 Bd. CCX S. 362.)
Die quantitativen Bestimmungen wurden in folgender Weise ausgeführt:
Quecksilberoxyd, sowohl frei wie in Verbindung mit QuecksilberchloridQuesilberchlorid (HgCl₂ oder HgCl) als Oxychlorid, wird
durch eine Lösung von Oxalsäure in oxalsaures Quecksilber verwandelt. Die
großkrystallinischen Oxychloride gebrauchen zu dieser Umsetzung längere Zeit;
schnell und leicht aber geschieht dieselbe mit den, durch Schütteln von Quecksilber
und unterchloriger Säure frisch bereiteten Oxychloriden. Die entstehende Verbindung
ist in einer concentrirten Lösung der Oxalsäure löslich, in verdünnter dagegen so
gut wie unlöslich. Chlorverbindungen des Quecksilbers werden durch Oxalsäure nicht
verändert. Um auf Grund dieses Verhaltens in einer Lösung von Chlor und
unterchloriger Säure letztere zu bestimmen, schüttelt man das Gemisch mit
Quecksilber, setzt nach dem Verschwinden des Geruches Oxalsäurelösung in geringem
Ueberschuß zu, läßt einige Minuten unter öfterem Umschütteln stehen, verdünnt mit
Wasser und filtrirt. Der ausgewaschene Rückstand wird mit verdünnter Salzsäure
behandelt, und in der Lösung die Oxalsäure mit Chamäleonlösung bestimmt. Soll in dem
Gemisch auch das Chlor bestimmt werden, so kann man in einer zweiten Portion, nach
Zersetzung der unterchlorigen Säure durch Ammoniak, alles Chlor als Chlorsilber
fällen und als solches wiegen. Es sind dann von dem gefundenen Chlor für je ein
Molecül Oxalsäure zwei Atome Chlor, als ursprünglich zur unterchlorigen Säure
gehörig, abzuziehen und erst der Rest als frei vorhandenes Chlor anzusehen.
Die meisten Bestimmungen wurden nach folgender Methode ausgeführt. Die Lösung von
unterchloriger Säure und Chlor wurde mehrere Minuten mit Quecksilber heftig
geschüttelt, dann Salzsäure zugesetzt und ohne weiteres Schütteln filtrirt, im
Filtrat das Quecksilber mit Eisenoxydulsalz und Kalilauge als Chlorür gefällt und
als solches in üblicher Weise bestimmt. Das nach dem Versetzen mit Salzsäure
verbleibende Gemenge von Quecksilber und Quecksilberchlorür wurde mit einer Lösung
von Schwefelkalium behandelt, durch welche das Chlorür zersetzt wird, mit
Salpetersäure angesäuert, filtrirt, das Chlor mit Silberlösung gefällt und gewogen.
Ein Molecül des gefundenen Quecksilberchlorürs entspricht einem Molecül
unterchloriger Säure (H.ClO oder HO,ClO) und ein Molecül
Chlorsilber einem Atom Chlor.
Man hat die Constitution des Chlorkalkes hauptsächlich durch die Producte der
Einwirkung von Säuren auf denselben erkennen wollen; jedoch findet man über die
Natur dieser Producte so untereinander abweichende Angaben, daß die Frage, welche
Körper bei diesen Reactionen entstehen, noch immer als eine offene betrachtet werden
muß. Nur allein darin herrscht Uebereinstimmung, daß der Chlorkalk beim
Zusammenbringen mit einem Ueberschuß starker Säuren Chlor entwickelt und keine
unterchlorige Säure.Vergl. dies Journal, 1874 Bd. CCXI S. 38.D. Red. Oft sind die Zersetzungsproducte des Chlorkalkes nur qualitativ untersucht,
obschon hierbei die unterchlorige Säure neben Chlor, besonders neben einer großen
Menge desselben, nur schwer zu erkennen ist, wenn nicht deren Reaction auf
Quecksilber benützt wird. Verf. hoffte deshalb auf dem quantitativen Wege noch
einige Aufklärung zu bekommen und hat zunächst die oft angestellten Versuche
wiederholt: Chlorkalklösung mit geringen Mengen starker Säuren versetzt und der
Destillation unterworfen.
Die angewendete Chlorkalklösung wurde filtrirt, in der klaren Lösung das sogenannte
wirksame Chlor durch Titration mit Eisensalz bestimmt und zu abgemessenen Theilen
dieser Lösung von stark verdünnten Säuren so viel zugegossen, wie zur Zersetzung des
angenommenen unterchlorigsauren Kalkes eben hinreicht. Der in der Lösung vorhandene
freie Kalk verhinderte, daß hierbei die Säure im Ueberschuß war. Die Lösungen wurden
destillirt, bis ein Viertheil der Flüssigkeit übergegangen war und die Destillate
nach der ersten Methode mit Oxalsäure (I) und zwei Proben (II und III) nach der zweiten mit
Schwefelkalium u. s. w untersucht. Es wurden so gefunden im Destillat mit
I.
II.
III.
Schwefelsäure
0,615
AgCl
0,084
C₂O₃
0,678
HgCl
0,406
AgCl
0,524
HgCl
0,213
AgCl
Phosphors.
0,703
„
0,126
„
0,876
„
0,365
„
0,623
„
0,209
Salpetersäure
0,684
„
0,079
„
0,425
„
0,377
„
0,716
„
0,455
Kohlensäure
0,774
„
0,168
„
Auf ein Molecül unterchlorige Säure (HClO oder HO,ClO)
kommen demnach im Destillat mit
Schwefelsäure
0,83
0,98
und
0,65
Atome
Chlor
Phosphorsäure
0,39
0,68
„
0,55
„
„
Salpetersäure
1,17
1,45
„
1,04
„
„
Kohlensäure
0,15
Dieses Verhalten der Chlorkalklösung läßt sich durch die Formeln
CaOCl₂ + H₂SO₄ = CaSO₄ + Cl₂ +
H₂O
(CaOCl + HO,SO₃ = CaO,SO₃ + Cl + HO) und
Ca(OCl)₂ + H₂SO₄ = CaSO₄ +
Cl₂O + H₂O
(CaO,ClO + HO,SO₃ = CaO,SO₃ + ClO + HO)
nicht genügend erklären, denn auch bei der Annahme, daß in der
Chlorkalklösung CaOCl₂ und Ca(OCl)₂ neben einander gewesen, bleibt
doch das Schwanken im Verhältniß der unterchlorigen Säure zum Chlor im Destillat
auffällig, da zu den einzelnen Versuchen kleine Mengen aus derselben Chlorkalklösung
abgemessen wurden. Es ist deswegen anzunehmen, daß auch noch andere secundäre
Processe vor sich gehen. Ein solcher Vorgang, die Einwirkung des Chlors auf
schwefelsauren, phosphorsauren u.s.w. Kalk, wird schon in den Lehrbüchern angegeben.
Die Umsetzung geschieht hierbei nach den Formeln:
2 CaSO₄ + 2 Cl₂ + H₂O =
Ca(HSO₄)₂ + CaCl₂ + Cl₂O
(2 CaO,SO₃ + 2 Cl + HO = [CaO,SO₃ + HO,SO₃] + CaCl + ClO)
und CaCO₃ + 2 Cl₂ = CaCl₂ + CO₂ +
Cl₂O
(CaO,CO₂ + 2 Cl = CaCl + CO₂ + ClO).
Um zu untersuchen, ob diese Vorgänge das Auftreten solcher Mengen unterchloriger
Säure, wie sie bei obigen Versuchen gefunden wurde, erklären können, wurde
schwefelsaurer, kohlensaurer u.s.w. Kalk mit frisch bereitetem Chlorwasser
zusammengebracht und ein Viertheil der Flüssigkeit abdestillirt. Auch hierbei wurde
stets ein Gemenge von Chlor und unterchloriger Säure erhalten, worin oft die
letztere überwog.
Das Destillat mit
phosphorsaurem
Kalk
enthielt
auf
1
Mol.
HClO
0,29
Atome Chlor,
schwefelsaurem
„
„
„
„
„
0,40
und 0,34 At. Chlor
kohlensaurem
„
„
„
„
„
0,19
Atome Chlor.
Außer dieser sehr erheblichen Wirkung des Chlors auf die genannten Salze kann auch
noch die Einwirkung desselben auf CaOCl₂ und Ca(OCl)₂, und die
bekannte Wirkung der unterchlorigen Säure auf Ca(OCl)₂ unter Bildung von
chlorsaurem Kalk stattfinden, durch welche die Zersetzungsproducte des Bleichkalkes
mit Säuren verändert werden können. Die Bildung von chlorsaurem Salz durch
unterchlorige Säure ist bei Kalkverbindungen ziemlich langsam, bei den
entsprechenden Alkaliverbindungen aber bedeutend schneller, wie bei Versuchen über
Bildung von Chlorsäure beobachtet wurde. Bei der Destillation von Bleichalkalilösung
mit wenig verdünnter Schwefelsäure wurde dem entsprechend ebenfalls ein Gemenge von
Chlor und unterchloriger Säure erhalten.
Bekanntlich wird bei Einwirkung von Chlor auf die Hydrate der Alkalien und
alkalischen Erden nach der Formel
3 KClO = 2 KCl + KClO₃ oder (3 KO,ClO = 2 KCl + KO,ClO₅)
durch Zersetzung der unterchlorigsauren Verbindung in der
Wärme das chlorsaure Salz erhalten. In concentrirten Lösungen bildet sich jedoch
auch schon bei gewöhnlicher Temperatur chlorsaures Salz, wenn Chlor im Ueberschuß
vorhanden ist. Das Chlor wird hierbei die Bleichverbindung zersetzen:
CaOCl₂ + Cl₂ = CaCl₂ + Cl₂O oder (CaOCl + Cl = CaCl + ClO),
der Sauerstoff der unterchlorigen Säure dann den
unterchlorigsauren Kalk oxydiren. Bei Beachtung dieser Veränderungen der
Zersetzungsproducte des Bleichkalkes ist das Resultat der Destillation mit
verdünnten Säuren leicht zu erklären; es wäre auffällig, wenn dabei nur Chlor oder
nur unterchlorige Säure erhalten würde.
Durch solche Destillationsversuche ist also kein Aufschluß über die Constitution des
Chlorkalkes zu erhalten. Es wurde nun zunächst untersucht, ob sich der Chlorkalk
durch Erhitzen wieder in Kalk und Chlor zerlegen läßt, und zu diesem Zweck eine
Chlorkalklösung ohne Säurezusatz destillirt. In der übergehenden Flüssigkeit war
Chlor und ganz wenig chlorige Säure enthalten, durch welche das Destillat grün
gefärbt erschien; sie ließ sich durch die Reaction auf Indigo, nach vorhergehender
Behandlung der Flüssigkeit mit arseniger Säure, nachweisen. Die Menge des Chlors war
um so größer, je concentrirter die Lösung des Bleichkalkes. Zu Anfang der
Destillation war die übergehende Flüssigkeit noch fast farblos, gab aber schon
starke Reaction mit Silber; allmälig ging jedoch eine Flüssigkeit über, welche wie
gesättigtes Chlorwasser gefärbt war. Alle filtrirten, concentrirten Lösungen des
Bleichkalkes zeigen diese grüne Farbe, welche wahrscheinlich von freier chloriger
Säure herrührt und nicht von freiem Chlor, da die Lösungen nur einen ganz schwachen
Geruch zeigen. Die Farbe des Destillates verschwindet am Licht bald, die filtrirte
Chlorkalklösung bleibt auch bei längerem Aufbewahren grün.
Die rothe Farbe mancher Chlorkalklösungen, welche neuerdings einem Superchlorid des
Calciums zugeschrieben wurde, hat Verf. nur beim Erhitzen unfiltrirter
Chlorkalklösungen bemerkt; in filtrirten Lösungen wird diese Färbung durch etwas
Eisenchlorid hervorgerufen.
Die Destillation von Bleichalkalilösungen ohne Zusatz von Säure gab nur Wasser, wenn
dieselben einige Zeit mit Ueberschuß von Alkali gestanden hatten; war aber Chlor im
Ueberschuß vorhanden, so ging die größte Menge desselben gleich im Anfang der
Destillation über; doch war im Uebergehenden noch Chlor nachzuweisen, wenn auch
schon fünf Sechstel der Flüssigkeit sich verflüchtigt hatten. – Bei der
Destillation von Chlorwasser fand sich noch Chlor im Rückstande, als schon neun
Zehntel der Flüssigkeit abdestillirt waren.
Dieser Unterschied in dem Verhalten der Lösungen von Chlorkalk und Bleichalkalien
veranlaßte den Versuch, ob Kohlensäure auf chemisch reinen Bleichkalk einwirkt. In
eine Lösung von Bleichalkalien wurde während der Destillation derselben Kohlensäure
eingeleitet. Das Destillat war eine Lösung von unterchloriger Säure und Chlor, aber
weit verdünnter, als die von einer gleich starken Bleichkalklösung. Diese
Verschiedenartigkeit der Einwirkung der Kohlensäure auf Bleichalkalien und
Bleichkalk zeigte sich auch, als durch Lösungen derselben von gleicher Concentration
in offenen Gefäßen ein gleich starker Strom von Kohlensäure geleitet wurde. Hierbei
entwickelte die Bleichkalklösung einen weit stärkeren Geruch, und darüber gehaltenes
angefeuchtetes Lackmuspapier wurde weit schneller gebleicht als bei der Lösung des
Bleichalkali. Liegt dieser Unterschied darin, daß der Bleichkalk CaOCl₂ (CaOCl), Bleichalkali aber KaOCl (KO,ClO) ist, so ist nicht unwahrscheinlich, daß die unterchlorige Säure
nicht so schwach ist, als man annimmt, und daß sie Kohlensäure austreibt. Es läßt
sich dies nicht ganz leicht prüfen, weil man unterchlorige Säure nicht frei von
Chlor erhalten kann, und dieses auch Kohlensäure aus den Verbindungen derselben frei
macht; eine ziemlich concentrirte Lösung der unterchlorigen Säure, welche durch
Destillation einer Flüssigkeit erhalten war, die man durch Schütteln von
Quecksilberoxyd, Chlorgas und wenig Wasser bekommt, entwickelte jedoch aus einer
Lösung von kohlensaurem Alkali stürmisch Kohlensäure, während eine gesättigte Lösung
von Chlor in derselben Flüssigkeit nur ein schwaches Aufperlen erzeugte.
Wenn hiernach die unterchlorige Säure Kohlensäure austreibt, so wird sie auch im
Stande sein, aus der Bleichverbindung CaOCl₂ Chlor frei zu machen nach der
Formel:
CaOCl₂ + Cl₂O = Ca(OCl)₂ + Cl₂ oder
(CaOCl + ClO = CaO,ClO + Cl).
Ließ sich diese Reaction nachweisen, so sprach das für die Existenz der Verbindung
CaOCl₂ im Chlorkalk.
Wenn man abgemessene Mengen von Lösungen der unterchlorigen Säure und eines
Chlorkalkes, welcher durch Chlor gesättigt ist, einzeln mit Quecksilber schüttelt,
daneben gleiche Theile der Lösungen erst mischt und erst dann mit Quecksilber
schüttelt, und in beiden Theilen sowohl das Quecksilber, welches als Oxyd-,
wie jenes, welches als Oxydulverbindung vorhanden ist, bestimmt, so muß sich
herausstellen, ob CaOCl₂ oder Ca(OCl)₂ entspr. (CaOCl oder CaO,ClO) in der Lösung des
Bleichkalkes ist; denn aus der ersteren Verbindung wird durch unterchlorige Säure
Chlor frei gemacht, aus der anderen aber durch dieselbe bei erhöhter Temperatur oder
starker Concentration chlorsaurer Kalk gebildet.
Vor Ausführung dieser Bestimmungen war der Gehalt beider Lösungen titrimetrisch
festgestellt, um weniger unterchlorige Säure zu nehmen, als zur Zersetzung der
Verbindung CaOCl₂ (CaOCl) hinreicht, und um die
Bildung von chlorsaurem Kalk zu vermeiden. 30 Kub. Centim. der unterchlorigen Säure
und 15 K. C. einer mit Chlor gesättigten Chlorkalklösung wurden einzeln mit
Quecksilber geschüttelt und dann vereinigt. Eine zweite Probe dieser Flüssigkeiten
wurde erst zusammengegossen und dann mit Quecksilber geschüttelt. Der erste Versuch
gab 0,255 Grm. HgCl (Hg₂Cl) und 0,386 Grm. AgCl, entsprechend 0,0955 Grm. Chlor und 0,0568 Grm.
unterchloriger Säure; der zweite Versuch 0,178 Grm. HgCl und 0,476 Grm. AgCl,
entsprechend 0,1178 Grm. Chlor und 0,0396 Grm. HClO (HO,ClO).
Da ein Molecül unterchlorige Säure bei der Einwirkung auf zwei Atome Quecksilber ein
Molecül Oxyd und ein Molecül Chlorid bildet, ein Molecül der Verbindung
CaOCl₂ ein Atom Quecksilber in Oxyd überführt, unterchlorige Säure und die
Bleichverbindung des Chlorkalkes sich aber nach der Formel
CaOCl₂ + Cl₂O = Ca(OCl)₂ + Cl₂ oder
(CaOCl + ClO = CaO,ClO + Cl)
zersetzen und durch ein Molecül unterchlorigsauren Kalk zwei
Atome Quecksilber zu Oxyd werden, so muß sich die Differenz zwischen den Gewichten
der erhaltenen Mengen Quecksilberchlorür zu der Differenz der Chlorsilbermengen wie
das Moleculargewicht des Quecksilberchlorürs zu dem doppelten Moleculargewichte des
Chlorsilbers oder wie 235,5 zu 287 verhalten.
Der Unterschied in dem Gewichte der beiden Theile QuecksilberchlorürQuesicklberchlorür war 0,077 Grm., der in dem Gewichte des Chlorsilbers 0,090 Grm., oder wie
235,5 zu 272,8, was mit den zum Nachweis der Verbindung CaOCl₂ erforderlichen
Differenzen wohl genügend übereinstimmt. Die Menge der in den Lösungen vorhandenen Chlorsäure war ganz
unbedeutend. Eine Bildung der Chlorsäure hätte sich auch durch die
Gewichtsdifferenzen der bestimmten Bestandtheile finden müssen, da für die
Chlorsäure bildenden Körper nur Chlor entstand und keine das Quecksilber zu
Oxydverbindung machende Bestandtheile.
Diese Wirkung der unterchlorigen Säure auf Chlorkalk, unter Bildung von
unterchlorigsaurem Kalk und Chlor, beweist daß im Chlorkalk und auch in der
Chlorkalklösung die Verbindung CaOCl₂ (CaOCl)
sich befindet. Es blieb aber noch die Frage offen, ob nicht in der wässerigen Lösung
die Verbindung CaOCl₂ allmälig in Chlorcalcium und unterchlorigsauren Kalk
zerfällt; wenn dies der Fall, wie schnell diese Veränderung stattfindet, und ob
fremde Körper diese Veränderung der Bleichkalklösung beeinflussen?
Zur Beantwortung dieser Fragen wurden je 100 Kub. Centim. einer Bleichkalklösung,
welche im Liter 20,5 Grm. Calcium, 26,6 Grm. wirksames Chlor (mit Eisensalz
bestimmt) und 32,4 Grm. Gesammt-Chlor enthielt, in folgender Weise behandelt.
In die erste Probe wurde Kohlensäure eingeleitet, so lange noch eine Wirkung
derselben zu beobachten war, was durch Filtration eines Theiles der Flüssigkeit und
Prüfung des Filtrates mit Kohlensäure ausgeführt wurde. Die zweite Probe wurde nur
kurze Zeit mit Kohlensäure behandelt, drei Stunden lang unter öfterem Umschütteln
stehen gelassen und erst dann mit Kohlensäure gesättigt. Eine dritte Probe wurde mit
etwas schwefelsaurem Natron versetzt, und dann wie bei dem ersten Versuche
Kohlensäure eingeleitet. Eine vierte Probe der Lösung wurde mit etwas Gyps versetzt
und 8 Stunden unter öfterem Schütteln stehen gelassen; dann wurde filtrirt, und das
Filtrat bis zur Beendigung der Wirkung mit Kohlensäure behandelt. Der bei diesen
Versuchen gebildete kohlensaure Kalk wurde abfiltrirt, das Filtrat erhitzt, wodurch
sich noch etwas durch die überschüssige Kohlensäure in Lösung erhaltener
kohlensaurer Kalk abschied, und die Gesammtmenge desselben bestimmt. Es gab hierbei
der
1.
Versuch
1,480
und
1,510
Grm.
CaCO₃
(CaO,CO₂)
2.
„
1,010
„
1,165
„
„
„
3.
„
0,982
„
1,045
„
„
„
4.
„
0,653
„
0,614
„
„
„
Bei diesem Versuche mit Gyps wurde also nur wenig mehr kohlensaurer Kalk gefunden,
als der anfangs vorhandenen Menge Aetzkalk entsprach.
Eine frisch bereitete, filtrirte Chlorkalklösung wurde mit Chlorwasser im geringen
Ueberschuß versetzt. Ein Theil der Lösung wurde kurze Zeit mit Kohlensäure behandelt, und
dann die Hälfte dieser Flüssigkeit abfiltrirt. Dieses Filtrat gab beim Einleiten von
Kohlensäure aufs neue eine Fällung von kohlensaurem Kalk. Die andere Hälfte wurde
nach mehreren Stunden filtrirt, und nun konnte man durch Kohlensäure in dieser
Flüssigkeit keinen Niederschlag mehr hervorbringen. Von zwei anderen Proben
derselben Chlorkalklösung wurde die eine mit kohlensaurem Kalk, die andere mit Gyps
versetzt; nach acht Stunden gaben deren Filtrate mit Kohlensäure keinen
Niederschlag.
Eine mit Chlor übersättigte Chlorkalklösung wurde in drei gleiche Theile getrennt. In
dem ersten Theile wurde sofort nach der Herstellung der Lösung durch Kohlensäure
kohlensaurer Kalk gefällt, und aus diesem im Scheibler'schen Apparate die Kohlensäure entwickelt. Der zweite Theil der
Lösung wurde erst nach 24 Stunden in gleicher Weise behandelt. Der dritte Theil
wurde mit Gyps versetzt, 24 Stunden stehen gelassen, filtrirt und nun Kohlensäure
eingeleitet. Der erste Versuch gab 68 Kub. Centim., der zweite Versuch 51 K. C.
Kohlensäure und beim dritten Versuch war gar kein kohlensaurer Kalk gebildet.
Eine gleiche Wirkung wie hier durch Gyps wurde in mit Chlor gesättigten
Chlorkalklösungen durch schwefelsaures und phosphorsaures Natron beobachtet.
Um zu prüfen, ob das Chlor eine erhebliche Wirkung hat, wurden gleiche Proben einer
filtrirten, frisch bereiteten Chlorkalklösung mit gleichen Mengen von kohlensaurem
Kalk versetzt, und zu der einen Probe noch Chlorwasser bis zur Uebersättigung des
Aetzkalkes; nach 24 Stunden erhielt auch die andere Portion ebensoviel Chlor als
Chlorwasser zugesetzt, dann wurde filtrirt. Das Filtrat der zweiten Probe gab beim
Einleiten von Kohlensäure kohlensauren Kalk, das der ersteren nicht. Eine erhebliche
Zunahme der Chlorsäure wurde bei diesen Versuchen nicht beobachtet. Eine
Chlorkalklösung wird demnach beim Aufbewahren verändert, und es entsteht darin aus
einer durch Kohlensäure leicht angreifbaren Verbindung eine durch Kohlensäure nicht
oder nur schwer angreifbare Verbindung. Diese Veränderung wird erheblich befördert
durch Gegenwart von schwefelsaurem, phosphorsaurem u.s.w. Kalk und durch freies
Chlor.
Die durch Kohlensäure leicht angreifbare Verbindung kann nur CaOCl₂ (CaO,ClO) sein. Ob dieser die Structurformel
Ca
– OCl– Cl
oder
Ca
– Cl= O– Cl
zukommt, läßt Verf. unentschieden, nimmt aber an, daß in der
veränderten Chlorkalklösung sich unterchlorigsaures Calcium befindet. (Vergl. die Berichte der
deutschen chemischen Gesellschaft, 1874 S. 270.)
Bei Einwirkung von Kohlensäure, Schwefelsäure, Phosphorsäure u.s.w. auf Chlorkalk
wird die bleichende Verbindung CaOCl₂ schließlich in Ca(OCl)₂
übergeführt.
In Betreff des Aetzkalkes im Bleichkalk bekennt sich Verf. zur der
Einhüllungstheorie, nur mit der Modification, daß es nicht das Chlorcalcium allein
ist, welches einhüllt, sondern daß auch die entstehende Bleichverbindung
CaOCl₂ solche Einhüllung zu Wege bringt und den Aetzkalk schützt. (Vergl.
dies Journal, 1873 Bd. CCIX S. 204.)
Versuche, welche im technischen Laboratorium des Carolinum
zu Braunschweig ausgeführt werden, bezwecken die Beantwortung der Frage, ob und
unter welchen Verhältnissen pulverförmige Körper durch Gase gesättigt werden können,
wenn deren Neigung, chemische Verbindungen zu bilden, bedeutend ist. Diese Versuche
haben bereits das Resultat ergeben, daß in den Fällen, wo das Volum der entstehenden
Verbindungen kleiner ist als das Volum des ursprünglich vorhandenen Körpers, eine
solche Sättigung verhältnißmäßig leicht sich erreichen läßt, obwohl gegen Ende der
Reaction der Vorgang auch bei solchen Körpern ein äußerst langsamer wird. Ist die
gebildete Verbindung voluminöser als die Substanz, so preßt sie sich auf ihrer
Oberfläche zusammen und hüllt die inneren Theile ein, wodurch sie vor weiterem
Angriff geschützt sind und umgekehrt.
Auch bei dem Kalkhydrat findet durch Verbindung mit dem Chlor eine Vergrößerung des
Molecularvolumens statt, und ist deswegen anzunehmen, daß in der dadurch
hervorgebrachten Einhüllung des Kalkhydrates, der Grund für die Existenz desselben
im Chlorkalk gefunden werden muß.