Titel: | Ueber das Schweissen; von W. M. Williams. |
Fundstelle: | Band 214, Jahrgang 1874, Nr. XXXVIII., S. 163 |
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XXXVIII.
Ueber das Schweissen; von W. M. Williams.
Williams, über das Schweißen.
Der Präsident der „Société des Ingenieurs“; Hr. Jordan, gab bei Gelegenheit der jährlichen
Versammlung dieses Vereines in Paris eine neue Erklärung des Schweißens von Eisen.
Er sagt, der Schweißproceß sei eine Erscheinung, ganz ähnlich dem unter der
Bezeichnung „Regulation des Wassers“ bekannten Vorgang. Dieses
Phänomen besteht darin, daß, wenn man zwei oder mehrere Eisstücke bei einer nicht
unter dem Schmelzpunkte oder noch besser bei einer über dem Schmelzpunkte liegenden Temperatur gegeneinander
preßt, das ihrer schmelzenden Oberfläche adhärirende Wasser an den Contactstellen
erstarrt, und daß auf diese Weise beide Stücke in eines zusammenfrieren. Jordan erläutert diese Erscheinung an einem Schneeball;
der Schnee, sagt er, lasse sich ballen, so lange seine Temperatur nicht unter dem
Gefrierpunkt des Wassers liegt, – eine Thatsache, die Jeder aus seiner
Knabenzeit bestätigen und sich erinnern wird, daß, wenn der Schnee sehr trocken war
und die Lufttemperatur unter dem Gefrierpunkt lag, die Schneeflocken ohne Anwendung
eines starken Druckes und ohne Mitwirkung der Handwärme nicht cohärirten, daß sich
aber mit dem bei Thauwetter plastisch gewordenen Schnee ganz leicht ein harter
eisiger Schneeball formen ließ. Jordan vergleicht das
Formen von Schneebällen mit dem Schweißen der Eisenluppen im Puddelofen; er
behauptet, daß beide Processe identisch seien, und wendet W. Thompson's Theorie des Zusammenfrierens auf das Schweißen des Eisens und
Platins an.
Ich halte diese Erklärung für irrig, da die Bedingungen der Ueberführung in den
festen Zustand in beiden Fällen nicht nur nicht übereinstimmen, sondern einander
diametral entgegengesetzt sind. Denn das Zusammenschweißen sowohl des Eisens als
auch des Platins geht bei einer bedeutend unter ihrem Schmelzpunkte liegenden
Temperatur vor sich, während die erste Bedingung für das Cohäriren zweier Eisstücke
durch Aneinanderfrieren darin besteht, daß sie einer über, oder wenigstens nicht unter ihrem
Schmelzpunkte liegenden Temperatur ausgesetzt werden müssen. Damit aber der Vorgang
des Aneinanderfrierens dem des Aneinanderschweißens analog sei, müßte er bei einer
weit unter dem Gefrierpunkte liegenden Temperatur stattfinden. Nun kommt aber
bekanntlich unter solchen Umständen das Zusammenfrieren nicht vor, und kann auch
nicht vorkommen; deshalb unterscheidet es sich ganz wesentlich von dem
Zusammenschweißen. Hätte man die Entdeckung gemacht, daß zwei oder mehrere in einem
Ofen über den Schmelzpunkt erhitzte und im Schmelzen begriffene Eisenstücke
cohäriren, wenn sie gegen einander gepreßt werden, und daß diese Cohäsion Folge der
trotz der Schmelzhitze des Ofens eintretenden Erstarrung ihrer flüssigen Oberflächen
wäre, so könnte von einer Analogie mit dem Aneinanderfrieren schmelzenden Eises die
Rede sein, und Jordan's Schlußfolgerung wäre
gerechtfertigt. „Regelation“ bedeutet das Wiederfestwerden
einer Flüssigkeit oder das Auftreten einer besonderen Cohäsionskraft trotz des flüssigen Zustandes; Schweißen bedeutet das Auftreten
einer besonderen Cohäsionskraft zwischen zwei Massen trotz ihres festen Zustandes. – Wir dürfen mit ziemlicher
Wahrscheinlichkeit annehmen, daß, während das Aneinanderpressen zweier Stücke
feuchten Eises eine Erstarrung der nassen Oberfläche hervorbringt, das
Aneinanderpressen zweier Stücke heißen Eisens den entgegengesetzten Erfolg hat,
nämlich den einer momentanen Flüssigmachung und hieraus resultirenden
Zusammenschweißung der Contactflächen. Die Wahrscheinlichkeit dieser Erklärung wird
durch die Thatsache erhöht, daß durch Druck Wärme entwickelt wird, und es kann daher
die Schweißhitze an der Berührungsfläche momentan bis zum Schmelzpunkt sich
steigern; nach Beseitigung des Druckes kann hierauf diese dünne flüssige Schicht
erstarren und auf diese Weise die Cohäsion als Bedingung des Zusammenschweißens
erzeugen. Aber selbst diese Theorie ist meiner Ansicht nach zu gelehrt. Es wird sich
wohl eine weit einfachere Erklärung finden lassen, und wir dürfen nicht vergessen,
daß, wenn zwei oder mehrere Hypothesen auf eine Reihe von Thatsachen gleich gut
Passen, die einfachste die beste und gewöhnlich auch die allein richtige ist.
Um ein wirkliches Analogon zum Vorgang des Schweißens zu finden, brauchen wir nur an
das Zusammenkleben zweier Stücke Schusterpech, Glaserkitt oder Thon zu denken. Diese
Substanzen befinden sich in einem zähen halbflüssigen Zustande und cohäriren in
Folge einer der Mengung und Vereinigung zweier Flüssigkeiten ähnlichen Wirkung. Das
Uebergangsstadium des Eisens und Platins aus dem festen in den flüssigen Zustand
bildet ein sehr teigartiger Zustand von der Temperatur der Schweißhitze. Andere
Metalle sind nicht schweißbar, weil sie zu plötzlich aus dem festen in den flüssigen
Zustand übergehen. Das in Folge des Latentwerdens der Wärme so langsam schmelzende
Eis geht aus dem festen krystallinischen auf einmal in den tropfbarflüssigen Zustand
über, ohne einen teigartigen Zwischenzustand zu passiren; deshalb ist es nicht
schweißbar, oder cohärirt nicht wie Eisen u. dgl. bei einer unter seinem
Schmelzpunkte liegenden Temperatur.
Man citirt gewöhnlich nur Eisen und Platin, oder Eisen, Platin und Gold als
schweißbare Substanzen. Meiner Ansicht nach gehört auch das Blei in diese Kategorie.
Die beiden Hälften einer frisch durchschnittenen Bleikugel lassen sich selbst in
ganz kaltem Zustande durch Druck vereinigen, – eine Wirkung, welche der
Weichheit und Zähigkeit dieses Metalles zuzuschreiben ist. Außer den Metallen gibt
es noch eine Menge schweißbarer Substanzen. Als Beispiel will ich nur Glas anführen.
Seine Schweißbarkeit hängt von dem klebrig zähen Zustande ab, welchen es bei der
Rothglühhitze annimmt, – eine Eigenschaft, von welcher der Glasarbeiter
umfangreichen Gebrauch macht. Wenn er den Henkel an einen Glaskrug oder den Fuß an
ein Weinglas befestigt, so vollzieht er einen wirklichen Schweißproceß.
Die praktische Hauptschwierigkeit beim Schweißen des Eisens besteht darin, daß es bei
der Schweißhitze leicht oxydirt und das Eisenoxyd nicht wie das metallische Eisen
zähe ist. Um diese Oxydation unschädlich zu machen, nimmt der Arbeiter Sand zu
Hilfe, welcher mit dem Oxyd ein schmelzbares Silicat bildet. Ist er ein guter
Arbeiter, so genügt ihm die Erstarrung dieser dünnen Silicatschicht nicht, da die
auf diese Weise erzielte Adhäsion nichts anderes als ein Löthen mit sprödem Glas
wäre, und die mit einander vereinigten Körper bei heftiger Vibration sich leicht von
einander lostrennen würden. Er hämmert und quetscht daher die Flächen mit
hinreichender Kraft zusammen, um alles flüssige Silicat auszutreiben, und erzielt
auf diese Weise eine wirkliche Vereinigung reiner Metallflächen.
Gußeisen oder Stahl, welche mehr als 2 Proc. Kohlenstoff enthalten, lassen sich nicht
schweißen, weil die Verbindung des Eisens mit so viel Kohlenstoff weit schmelzbarer
ist als reines Eisen oder als Stahl, mit weniger Kohlenstoff, und zu plötzlich oder
direct aus dem festen in den flüssigen Zustand übergeht, um jene zum Schweißen
erforderliche zähe teigartige Consistenz darbieten zu können. (Iron, Juli 1874 S.
34.)
P.