Titel: | Gaiffes Apparat zum Anzünden der Gaskronleuchter im Sitzungssaale der Nationalversammlung in Versailles. |
Fundstelle: | Band 214, Jahrgang 1874, Nr. XXXIX., S. 166 |
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XXXIX.
Gaiffes Apparat zum Anzünden der Gaskronleuchter im Sitzungssaale der
Nationalversammlung in Versailles.
Gaiffe's Apparat zum Anzünden der Gaskronleuchter etc.
Zur Beleuchtung des Sitzungssaales der Nationalversammlung in Versailles dienen
Kronleuchter und Armleuchter mit zusammen 256 (?) Flammen. So lange die Decke gemalt war, brannten die
Flammen während der ganzen Sitzungsdauer. Seit Herstellung einer Glasdecke brauchen
sie erst bei eintretender Dämmerung angezündet zu werden. Um indeß Störungen während
der Sitzungen zu verhüten, wurden sie schon halb ein Uhr Mittags angezündet und blau
gehalten, bis das Tageslicht nachließ. Dabei erzeugte der rücksichtlich der
Beleuchtung unnütze Gasverbrauch oft eine nachtheilige Hitze. Deshalb kam man auf
den Gedanken, Elektricität zur schnellen Anzündung der Flamme zu verwenden. Darüber
lag schon eine Erfahrung vor, welche Rhumkorff im
Amphitheater der Sorbonne gemacht hatte; auch im Capitol von Washington war die
Elektricität im großen Maßstabe zu demselben Zwecke benützt worden. In Versailles
löste Gaiffe in Paris die Aufgabe glücklich; der einfache
Apparat arbeitet ohne merkliche Betriebskosten tadellos.
Der elektrische Apparat befindet sich in einem Schranke (neben der Thüre des
Sitzungszimmers, zur Linken des Präsidenten), in welchem zugleich die Hähne der
verschiedenen den Saal speisenden Gasrohre liegen; er besteht aus einer Rhumkorff'schen Spule von mittlerer Größe mit einem
automatischen Quecksilber-Unterbrecher und aus einer Batterie von Leclanche aus 4 Elementen, deren Zinkkolben 4
Quadratdecimeter Oberfläche haben. Diese großen Elemente liefern zwar nur dieselbe
Wirkung wie 3 mittlere Bunsen'sche Elemente; aber sie
besitzen weit längere Dauer. Mit dieser Batterie gibt die Inductionsspule nämlich
nur Funken von 15 Centim. Länge.
Zu jedem Kron- oder Armleuchter wird die Elektricität durch ein besonderes
Kabel geleitet; die Rückleitung besorgt ein gemeinschaftliches Kabel. Diese Kabel
enthalten einen Leitungsstrang aus je 4 Kupferdrähten von 0,5 Millim. Dicke, welcher
mit 3 Lagen Guttapercha, mit getheertem Hanf und mit einem mit Kautschuk getränkten
Gewebe überzogen ist. An allen Unterstützungsstellen liegt das Kabel in einem 2
Millim. dicken Kautschukrohre, und die Stützen selber sind Träger von Hartkautschuk
mit cylindrischen Löchern, durch welche die Kabel gehen. Die Isolation ist also
tadellos.
Jedes Kabel läuft von einem isolirten Knopfe aus, welcher sich mittels eines in eine
Kugel endenden und durch eine Kette mit dem einen Ende der inducirten Spule
verbundenen Entladers mit der inducirten Spule in Verbindung setzen läßt. Der
Entlader hat einen Griff von Hartkautschuk. Alle Knöpfe sind auf einer isolirenden
Platte angebracht und numerirt. Das andere Ende der inducirten Spule steht in
beständiger Verbindung mit dem Rückleitungskabel. Auf dem anzuzündenden Leuchter
sind das Zuleitungs- und das Rückleitungs-Kabel mittels einer sorgsam
isolirten metallischen Leitung mit einander verbunden, welche jedoch ebensoviele
Unterbrechungen enthält, als der Leuchter Flammen.
Zu diesem Behufe ist am Fuße jedes Brenners und in dem Metallringe, welcher die
Glocke trägt, ein dicker Block Hartkautschuk eingelassen, in welchem zwei in
Platinspitzen auslaufende Kupferdrähte liegen. Diese verschiedenen Drähte sind der
Reihe nach durch Zwischendrähte mit einander vereinigt und die Enden dieser
unterbrochenen Kette sind an das Zuleitungs- und das
Rückleitungs-Kabel geführt. In jedem einzelnen dieser Anzündungsapparate
stehen die Platinspitzen 1/3 bis 1/2 Millim. von einander ab; die eine Spitze
befindet sich in der zu entzündenden Gassäule, die andere etwas höher und ein wenig
außerhalb der Säule; so liegt stets ein explosibels Gasgemisch auf dem Wege des
Funkens. Der zwischen den beiden Kabelenden überspringende Funke ist viel kürzer,
als der an der Spule unmittelbar selbst; die Funkenlänge verkürzt sich von 15
Centim. auf nur 25 Millimeter. Doch reicht die Entladung für die 54 Unterbrechungen von
1/3 Millim., welche sich in dem Schließungskreise bei den größten Kronleuchtern
befinden, zuverlässig aus.
Will man die Flammen anzünden, so setzt man die Inductionsspule in Thätigkeit, indem
man mittels eines Hebels mit einem Griff aus Hartkautschuk den Stromkreis der
Batterie schließt; dann öffnet man die Gashähne und mittels des Entladers führt man
die Funken nach den zu den verschiedenen Kabeln gehörenden Knöpfen. Die vollständige
Anzündung erfordert kaum 15 Secunden. Mit dem Anzünden der Armleuchter der Tribünen,
welche durch zu enge Gasleitungen gespeist werden, muß man 1 1/2 Minute warten;
diese Leuchter erfordern also eine Wiederholung des Verfahrens.
In dem Augenblicke, wo die Entzündung bewirkt wird, besitzt die Batterie eine sehr
beträchtliche Ladung, welche sich in der Zeit der Ruhe aufgespeichert hat; sie gibt
daher eine viel stärkere Entladung als zur Erzielung der gewünschten Wirkung nöthig
wäre. Darin liegt ein werthvoller Vortheil, weil es, selbst in den feuchtesten
Zeiten, eine größere Zuverlässigkeit der ganzen Einrichtung verbürgt. Wenn man den
Versuch eine gewisse Anzahl Male wiederholen wollte, so würde die Elektricität
endlich versagen; man konnte indessen die Flammen in dem Saal bis zu 20mal
hintereinander ohne Mißerfolg entzünden; die Sicherheit ist also vollkommen
ausreichend. Da ferner die Batterie täglich nur 2 bis 3 Minuten arbeitet, so nützt
sie sich kaum ab. Nur darf man nach dem Anzünden nicht etwa aus Unachtsamkeit den
Stromkreis geschlossen halten. Um in letzterer Beziehung jedes Verseheen unmöglich
zu machen, hat Gaiffe den Hebel, welcher den Stromkreis
schließt, so eingerichtet, daß man beim Niederlassen der Schiebethüre, welche den
erwähnten Schrank verschließt, den Hebel nothwendigerweise niederdrückt und so den
Schließungskreis der Batterie unterbricht.
Die ganze Anlage wurde von Gaiffe in 6 Wochen ausgeführt,
obgleich 1400 Meter Leitung vollkommen isolirt und 356 (?) Anzündungsapparate
regulirt werden mußten. Der Erfolg ist von Anfang an ein ganz vollständiger gewesen
und ihm hat man eine monatliche Ersparniß von 2000 Franken zu verdanken. (Bulletin de la
Société d'Encouragement; October 1874 S.
489.)
E–e.