Titel: | Die Dampfmaschinen-Steuerungen auf der Wiener Weltausstellung 1873; von Ingenieur Müller-Melchiors. |
Fundstelle: | Band 214, Jahrgang 1874, Nr. LXVI., S. 261 |
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LXVI.
Die Dampfmaschinen-Steuerungen auf der
Wiener Weltausstellung 1873; von Ingenieur Müller-Melchiors.
Mit Abbildungen auf Tab.
IV.
(Fortsetzung von S. 279 des zweiten
Augustheftes.)
Müller-Melchiors, über die Dampfmaschinen-Steuerungen
auf der Wiener Weltausstellung 1873.
IV. Ventil- und
Corliß-Steuerungen.
Der Gesichtspunkt, nach welchem in diesem letzten Abschnitte unserer Abhandlung
Ventil- und Corliß-Steuerungen gemeinschaftlich besprochen werden,
bedarf wohl kaum einer näheren Begründung. Denn es kann sowohl die Ventilsteuerung,
die schon in ihrer ältesten Anwendung bei Wasserhaltungsmaschinen automatisch
auslösbare und intermittirend wirkende Steuerungsmechanismen besaß, mit vollem
Rechte als die nächste Veranlassung zur Erfindung der Corlißsteuerung angesehen
werden, als auch andererseits die letztere gerade in ihrer neuesten Entwickelung
wieder auf die Anwendung von Ventilen zurückgegriffen hat.
Der wesentliche Grund dieser nahen Beziehung zwischen der Ventilsteuerung und all den
Mechanismen, die man allgemein unter dem Namen Corlißsteuerungen zusammenfaßt, liegt
darin, daß das eigentliche Dampfvertheilungsorgan, sei es nun Schieber, Ventil oder
Hahn, stets nur – um uns der in den früheren Abschnitten geläufig gewordenen
Ausdrucksweise zu bedienen – mit einer Kante
arbeitet, somit auch nur eine einzige Function der Dampfvertheilung
verrichten kann. Es muß somit bei allen diesen Steuerungen für den Dampfeintritt vor
und hinter dem Kolben, ebenso für den Dampfaustritt an beiden Cylinderenden, je ein
gesondertes Dampfvertheilungsorgan vorhanden sein, und hieraus ergibt sich sofort,
daß Ventil- und Corliß-Steuerungen sowohl in der ersten Anlage als
auch in der Erhaltung wesentlich kostspieliger ausfallen müssen, wie die in den
früheren Abschnitten behandelten Schiebersteuerungen.
Andererseits folgern sich auch die Vorzüge, welche allen den hier zu behandelnden
Systemen eigen sind, gleichfalls aus diesem einzigen Umstande der Uebertragung der
Dampfvertheilung an gesonderte Steuerungsorgane. Denn es ist klar, daß der durch
gesonderte Canäle eintretende Dampf geringere Abkühlung erleidet, daß ferner die
schädlichen Räume aufs äußerste reducirt werden können, und daß die äußere Steuerung
eine geradezu unerschöpfliche Fülle von Combinationen zuläßt, da es sich nur darum
handelt, für jeden einzelnen Act der Dampfvertheilung, unabhängig von allen anderen,
eine regelmäßig wiederholte Bewegung einzurichten. Dadurch wird es möglich –
wenn auch bei den meisten Corlißsteuerungen nicht erreicht – eine rasche,
selbst momentane Oeffnung des Dampfeintrittscanales zu
erzielen. Voreintritt und Austritt des Dampfes beliebig zu reguliren und endlich – durch den
von Corliß angebahnten und allgemein verbreiteten
Fortschritt – den Grad der Füllung mit
vollkommener Sicherheit durch den Regulator zu bestimmen und den Dampfabschluß durch Auslösung des Bewegungsmechanismus
momentan eintreten zu lassen, so daß eine richtig
construirte Corlißdampfmaschine allen Bedingungen, welche in der Einleitung für eine
vollkommene Dampfvertheilung aufgestellt wurden, in
vollendetster Weise entspricht. Gerade diese Vorzüge der inneren Steuerung bedingen
jedoch wieder die bekannten Nachtheile des äußeren Mechanismus, indem sie denselben
theuer, complicirt, schwer in Stand zu erhalten und für höhere Tourenzahlen
praktisch unanwendbar machen.Corlißdampfmaschinen mit höheren Tourenzahlen als höchstens 65 pro Minute dürften wohl kaum anzutreffen
sein. Corliß- und Ventil-Steuerungen sind daher nur empfehlenswerth
für größere, wohl beaufsichtigte und langsam gehende Maschinen – ein Urtheil,
welches auch mit wenigen Ausnahmen durch die auf der Ausstellung befindlichen
Dampfmaschinen bestätigt wurde.
Wenn wir somit zur näheren Besprechung dieser Maschinen übergehen, so muß vorher noch
bemerkt werden, daß von der Aufstellung eines allgemein
giltigen Diagrammes, wie es bei den „Doppelschieber- und
Drehschieber-Steuerungen“ zur systematischen Entwickelung und
Behandlung der betreffenden Steuerungssysteme mit Vortheil geschehen konnte, hier
abgesehen werden muß, nachdem für die jetzt zu behandelnden Steuerungssysteme, außer
jener einen bereits hervorgehobenen charakteristischen Eigenschaft, keine allgemein
giltigen Beziehungen zwischen den verschiedenen Dampfvertheilungsfunctionen
bestehen, somit auch nicht graphisch oder mathematisch ausgedrückt werden
können.Die Aufstellung eines Diagrammes für die einzelnen
Mechanismen hat nur zum Behufe der Construction eine gewisse
Bedeutung und wurde beispielsweise für die Sulzer-Steuerung von Ingenieur KappKopp (Civil-Ingenieur, 1873 S. 202) und nach ihm von C. H. Schneider (Deutsche Industrie-Zeitung,
1874 S. 132 und Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, 1874 S. 494)
in vortrefflicher Weise durchgeführt.
Es kann daher nur versucht werden, durch Aneinanderreihung der verschiedenen
Mechanismen nach ihrer inneren oder äußeren Verwandtschaft eine gewisse Ordnung und
Uebersichtlichkeit der Darstellung zu erzielen.
Mit den Ventilsteuerungen beginnend, wäre zunächst die Verbindung des Ventiles mit
einer Schiebersteuerung, wie dies bei dem Meyer'schen
Expansionsventil mit automatischer Regulirung vorkam, zu erwähnen, welche gänzlich
verlassene und unzweckmäßige Einrichtung aber selbstverständlich auf der Ausstellung
nicht vertreten war, so daß wir sofort zu dem ersten hier zu besprechenden
Ausstellungsobject, der großen verticalen Gebläsemaschine der Gesellschaft John Cockerill in Seraing (Belgien) übergehen können.
Diese Maschine – nach Woolf'schem Systeme mit
Hochdruckcylinder von 730 Millim. und Niederdruckcylinder von 1060 Millim.
Durchmesser und 2440 Millim. gemeinschaftlichem Hub – hat nach dem bekannten
und vielfach verbreiteten Muster dieser Fabrik den Gebläsecylinder (3000 Millim.
Durchmesser) oberhalb der Dampfcylinder auf vier mit einander versteiften Säulen
angebracht, und die Schwungradwelle mit zwei außerhalb der Lager aufgesetzten
Schwungrädern quer unterhalb der Dampfcylinder gelagert. Durch ein Zwischenrad wird
die Bewegung der Schwungradwelle auf eine vor dem Ventilgehäuse gelagerte
Steuerwelle übertragen, von welcher aus unter Vermittelung von Zugstangen und Hebeln
die Ventile durch entsprechend geformte Curvenscheiben gehoben und gesenkt werden.
Die sechs Ventile sind als entlastete Glockenventile ausgeführt und je eines unten
und oben für den Dampfeintritt, ebenso für den Uebertritt zum großen Cylinder und
endlich für den Austritt aus dem letzteren zum Condensator angebracht. Automatische
Regulirung findet selbstverständlich nicht statt; eine Aenderung der Füllung könnte
aber, wie bei allen derartigen Maschinen, in einfachster Weise durch Verdrehung oder
Verschiebung der Curvenscheiben auf der Steuerwelle bewerkstelligt werden.
Neben dieser Maschine, welche die älteste Anordnung der Ventilsteuerung für verticale Cylinder aufwies, ist, gleichfalls als Typus
einer zwar alten, deswegen aber noch nicht veralteten Disposition der
Ventilsteuerung für horizontale Maschinen, die
Fördermaschine der Wilhelmshütte, Actiengesellschaft für
Maschinenbau und Eisengießerei in Sprottau (Schlesien) anzuführen.
Jeder der beiden Cylinder (575 Millim. Durchmesser, 1255 Millim. Hub) hat an seiner
Längsseite ein Ventilgehäuse angeordnet, welches in der Mitte durch ein
Absperrventil mit dem Dampfzuleitungsrohre, an den beiden Enden aber mit dem
Cylinder communicirt. Der Dampf tritt abwechselnd durch eines der beiden mittleren
Glockenventile über die an den Enden angebrachten, geschlossenen Austrittsventile in
den Cylinder und beim Rückgange des Kolbens, bei geschlossenem Eintrittsventil,
durch das Austrittsventil in das Exhaustrohr, welches mit den tiefsten Punkten an
beiden Enden des Ventilgehäuses verbunden ist und gleichzeitig dem
Condensationswasser freien Abzug gestattet.
Die Bewegung der Ventile geschieht für jedes Cylinderende durch eine zwischen
Eintritts- und Austrittsventil gelagerte Daumenwelle, welche durch Verbindung
mit einem Excenter in oscillirende Bewegung versetzt wird und abwechselnd das eine
oder andere Ventil erhebt oder unter dem Einflusse des auf der Ventilspindel
angebrachten Gewichtes auf seinen Sitz zurück sinken läßt. Für jeden Cylinder ist
auf der Schwungradwelle ein Steuerexcenter aufgekeilt, dessen Stange das eine Ende
einer um ihren festen Mittelzapfen schwingenden geraden Coulisse bewegt. Durch
Verschiebung der Schubstange, welche die Coulisse mit den oscillirenden Daumenwellen
verbindet, vom einen zum anderen Ende der Coulisse, wird der Effect einer Verdrehung
des Steuerexcenters um 180 Grad erzielt und die Maschine reversirt. Das Excenter muß
demnach ohne Voreilungswinkel aufgekeilt sein, und jede Möglichkeit zur Erzielung
von linearem Voreilen, Expansion und Compression entfällt.
Dieser Nachtheil, den man selbst bei einer Fördermaschine wohl nur in Ausnahmsfällen
hinnehmen kann, ist bei der zweiten hier zu besprechenden Fördermaschine der Prager Maschinenbau-Actiengesellschaft (vormals
Ruston und Comp.) in Prag
vollkommen vermieden, wobei zugleich die automatische Veränderung der Füllung,
entsprechend dem mit steigendem Förderkorbe abnehmenden Widerstande, in gelungener
Weise erzielt ward. Hier werden die Ventilhebel durch Curvenscheiben, die auf einer
continuirlich rotirenden Steuerwelle angebracht sind, bewegt; dabei sind aber alle
den verschiedenen Füllungsgraden entsprechenden Querschnittsformen derart zu einem
gemeinsamen Gußstück vereinigt, daß durch Verschiebung desselben auf der Steuerwelle
sowohl die Füllung verändert, als auch reversirt werden kann. Die Maschine (500
Millimeter Cylinderdurchmesser, 1900 Millimeter Hub) hatte manches neue und
interessante Detail aufzuweisen, theilte aber mit den früher besprochenen Maschinen
älteren Systemes die Disposition der Ventile und damit die Nachtheile enormer
Abkühlungsflächen und
großer schädlichen Räume. Diese Uebelstände, welche bei den Wasserhaltungsmaschinen
(die leider auf der Ausstellung nur durch einige Zeichnungen vertreten waren) in
noch erhöhtem Maße auftreten, wurden erst bei den neuesten Ventildampfmaschinen
behoben, wie es vor allem bei den Sulzer'schen Maschinen,
und theilweise auch bei der Dampfmaschine der Sächsischen
Maschinenfabrik erreicht war.
Mit der Besprechung dieser beiden Systeme, welche schon zu den Corlißdampfmaschinen
gezählt werden können, sind gleichzeitig die auf der Ausstellung befindlichen
Ventilsteuerungen erledigt, und ergibt sich der naturgemäße Uebergang zu den
Corlißsteuerungen.
Die Steuerung von Gebrüder Sulzer in Winterthur (Schweiz)
war zunächst durch eine große Maschine (450 Millim. Durchmesser, 1050 Millim. Hub,
50 Touren pro Minute) dieser Firma und ferner durch eine
kleinere (345 Millim. Durchmesser, 740 Millim. Hub, 60 Touren) der Maschinenfabrik Augsburg vertreten; beide gleich elegant
und vortrefflich in der Ausführung und erstere in anhaltendem Betriebe während der 6
Ausstellungsmonate die bekannten Vorzüge des Systemes aufs neue bewährend.
Ohne auf die allgemeine Disposition dieser schon wiederholt besprochenen
MaschineVergl. Dingler's polytechn. Journal, 1871 Bd. CCI
S. 481 und 1873 Bd. CCVII S. 349. hier näher einzugehen, mögen nur die Hauptmomente der Steuerung mit Hilfe
des Querschnittes durch den Cylinder Figur 1 in Kürze angeführt
werden. Der Dampfcylinder hat an jedem Ende je ein oben angebrachtes Eintrittsventil
und ein unten sitzendes Austrittsventil, welche zugleich mit ihren Sitzen aus hartem
Metall hergestellt sind und sich in Bezug auf dichten Abschluß und Abnützung
vortrefflich bewährt haben, wie an einem auf der Ausstellung befindlichen, mehrere
Jahre im Gebrauch gewesenen Ventile eclatant ersichtlich war.
Zur Bewegung der einzelnen Ventile ist längs der Mittelachse des Cylinders eine Welle
o gelagert, welche mittels gleich großer conischer
Räder von der Schwungradwelle angetrieben wird, und zwei Curvenscheiben c für die Austrittsventile, sowie zwei Excenter e für die Eintrittsventile aufgekeilt hat. Der Antrieb
der Austrittsventile durch die betreffenden Curvenscheiben ist aus der Skizze klar
ersichtlich, und gibt rasche Oeffnung sowie vollen Austrittsquerschnitt für nahezu
den ganzen Rückgang des Kolbens. Die Eintrittsventile jedoch sind nicht direct mit
dem zu ihrer Bewegung bestimmten Excenter verbunden, sondern stehen zunächst nur mit
einer Stange ss' in Verbindung, welche an ihrem oberen
Ende an den
Winkelhebel w angebolzt ist und am unteren Ende mittels
eines Schwingels t mit einem auf der Welle r aufgekeilten Hebel in Verbindung steht. Die Stange ss' ist über ihren Verbindungspunkt mit dem Winkelhebel
w verlängert und trägt hier eine verschiebbare
Hülse, an deren Zapfen die aus zwei Flachschienen bestehende Excenterstange des
Excenters e angelenkt ist – derart, daß bei der
Bewegung des Excenters das obere Ende der Excenterstange nahezu eine gerade Linie,
das untere Ende einen Kreis und jeder mittlere Punkt, somit auch die Anschlagkante
a eine ellipsenähnliche Curve beschreibt.
Wenn sich somit das Excenter – welches in Figur 1 etwas hinter
seiner Mittelstellung ox gezeichnet ist, der ein
gewisser Winkelabstand der Kurbel vor ihrem todten Punkte
entspricht – im Sinne des Pfeiles weiterbewegt, wird die Kante a der Excenterstange alsbald den Anschlag i der Ventilstange ss'
erreichen, dieselbe mit sich nehmen und dadurch die Oeffnung des Eintrittsventiles
bewirken. Indem sich aber bei weiterer Drehung des Excenters die Kante a allmälig in ihrer elliptischen Bahn herabsenkt, die
Ventilstange ss' jedoch durch den Schwingel t in ihrer Lage erhalten bleibt, muß früher oder später
der Moment eintreten, wo die Kante i von der
weiterschreitenden Kante a abschnappt, und das Ventil
unter dem Einflusse der auf die Ventilspindel wirkenden Feder wieder auf seinen Sitz
zurückspringt. Dann bleibt die Stange ss' in Ruhe und
wird erst nach erfolgtem Rückgange des Kolbens, während dessen das zweite
Eintrittsventil geöffnet wird, bei der nächsten Umdrehung seines Steuerexcenters
wieder eine gewisse Zeit lang mitgenommen. Je tiefer dabei die Ventilstange ss', resp. der Anschlag i
gesenkt wird, desto länger bleiben die beiden Anschläge a und i im Eingriffe und desto größere Füllung
wird gegeben, während der Moment des Dampfeintrittes, welcher nur durch den
Längenabstand der Kanten a und i bedingt ist, nahezu constant bleibt. Um demnach die Füllung zu variiren,
ist nur das untere Ende der Stange ss' zu heben oder zu
senken, und dieses geschieht in einfacher Weise durch eine kleine Verdrehung der
Welle r nach rechts oder links, welche mit minimalem
Kraftaufwands durch den Regulator besorgt wird, dessen Zugstange z mit einem am Ende der Welle r aufgekeilten Hebel verbunden ist.
Die auf diese Weise erzielte Dampfvertheilung ist, wie alle
Indicator-Diagramme der Sulzer'schen Maschinen
übereinstimmend bezeugen, geradezu unübertrefflich zu nennen, und der Mechanismus
auch als solcher durch seine Einfachheit und Vermeidung minutiöser Bestandtheile vor
allen uns bekannten Corlißsteuerungen ausgezeichnet. Daß ferner die Sulzer-Steuerung ohne Schwierigkeit alle Füllungen
von 0 bis 80 Proc. erreichen läßt, hat in praktischer Beziehung vielleicht geringere Bedeutung; nicht
genug hervorzuheben aber ist die rasche und vollkommene Oeffnung der
Eintrittsventile, die dabei erzielt wird.
Wenn nämlich die Auslösvorrichtung, wie dies gewöhnlich geschieht, in der Bewegungsrichtung der Zugstange wirkt, so kann
dieselbe nach Ueberschreitung der extremen Lage durch das Excenter und hierauf
eintretendem Rückgange der Zugstange gar nicht mehr zur Wirkung gelangen. Hierdurch
wird man genöthigt, entweder zur Erzielung rascher Oeffnung das Excenter so
aufzukeilen, daß es für den todten Punkt der Kurbel in seine Mittelstellung kommt,
und daher bis zur extremen Stellung nur Füllungen unter 50 Proc. des Kolbenhubes
möglich macht, oder aber, wenn das Excenter für den todten Punkt der Kurbel in einer
extremen Stellung aufgekeit wird, können zwar alle
Füllungen von 0 bis 100 Proc. gegeben werden, dafür findet aber die Oeffnung der
Eintrittsventile bei der Minimalgeschwindigkeit der Excenterstangen ungemein
schleichend statt.
Bei der Sulzer-Steuerung jedoch erfolgt die
Auslösung normal zur Bewegungsrichtung der
Ventilzugstangen, und es kann somit, indem das Excenter für den todten Punkt der
Kurbel in seiner Mittelstellung aufgekeilt wird,
gleichzeitig möglichst rasche Oeffnung stattfinden, als auch die Füllung von 0 bis
100 Proc. variirt werden, da die Grenzen des Auslösmechanismus nicht zwischen den
beiden extremen Stellungen, sondern zwischen der oberen
und unteren Mittelstellung
ox des Excenters liegen.
Es ist nach allem Vorausgegangenen wohl begreiflich, daß nach diesem Systeme seit der
Weltausstellung in Paris 1867, wo es zum erstenmale erschien, schon zahlreiche
Maschinen ausgeführt wurden und vollste Befriedigung gewährt haben, so daß kaum eine
Corlißsteuerung anzuführen sein dürfte, welche der Sulzer-Steuerung an die Seite zu stellen wäre.
Auch die Ventilsteuerung der liegenden Dampfmaschine (680 Millim. Durchmesser, 1300
Millim. Hub, 40 Touren pro Minute) der Sächsischen Maschinenfabrik (vormals Richard Hartmann) in Chemnitz, welche in Figur 2 im Querschnitte
durch den Cylinder skizzirt ist, steht in einigen Punkten hinter der eben
besprochenen Steuerung zurück. Zunächst ist hier das Ventilgehäuse nach der alten
Methode neben dem Cylinder angeordnet und damit eine nicht unerhebliche Vergrößerung
der Abkühlungsfläche und der schädlichen Räume bedingt; dann aber scheinen auch die
kleinen Bestandtheile des Auslösmechanismus gegen Störungen empfindlicher zu sein
– eine Befürchtung, die übrigens durch die Inbetriebsetzung der Ausstellungsmaschine vielleicht
behoben worden wäre.
Die Bewegung der Ventile, deren Disposition für das eine Cylinderende klar aus der
Skizze hervorgeht, geschieht auch hier von einer mit gleicher Tourenzahl wie die
Kurbelwelle rotirenden Welle o, welche jedoch durch
Vermittlung einer Zwischenwelle o' näher an die
Eintrittsventile gerückt wurde, so daß die hier angewendeten Verbindungsglieder
kürzer und stabiler ausfallen. Die Bewegung der beiden Austrittsventile geschieht
wie früher durch entsprechende Curvenscheiben, die der Eintrittsventile durch
Excenter, welche je einen doppelarmigen Hebel h in
oscillirende Bewegung setzen.
Am anderen Ende dieses Hebels hängt eine Klaue k, welche
durch eine Feder stets noch abwärts gegen die Spindel des Einlaßventiles gedrückt
wird, so daß dasselbe für die gezeichnete Stellung bei dem nun erfolgenden
Aufsteigen des Hebels durch den Anschlag i mitgenommen
wird. Sobald jedoch der Hebel h eine gewisse Höhe
erreicht, stößt der schräg aufwärts gerichtete Arm der Klaue k wider einen feststehenden Daumen a, wird bei
fortgesetzter Aufwärtsbewegung niedergedrückt und befreit dadurch den Anschlag i der Ventilstange von dem Eingriffe der Klaue k, so daß das Ventil unter dem Einflusse der auf der
Ventilstange angebrachten Feder auf seinen Sitz zurückschnellt. Der Daumen a sitzt auf einer Welle v,
welche von dem Regulator durch Vermittlung der Zugstange z eine Drehung nach links oder rechts erhalten kann, und bewirkt dadurch
früheren oder späteren Dampfabschluß. Beim Niedergang des Hebels h schiebt sich sodann die Klaue k wieder über den Anschlag i und ist somit
bereit, das Ventil bei dem nächsten Aufgange wieder mitzunehmen. Die Grenze der
Füllung wird dabei, ebenso wie bei der Sulzer'schen
Steuerung, von der Größe des Voreilwinkels bestimmt, und kann gleichfalls von 0 bis
80 Proc. ausgedehnt werden; um dies zu erreichen, muß aber, da die Auslösvorrichtung
in der Bewegungsrichtung der Ventilstange wirkt, das
Excenter für den todten Punkt der Kurbel nahe seiner extremen Stellung aufgekeilt sein, und bedingt dadurch schleichende
Oeffnung des Dampfcanales.
Beide Steuerungen haben Doppelsitzventile angewendet und erzielen damit die bekannten
Vortheile großer Dampfquerschnitte, geringer Widerstände beim Anheben und
vollständige Entlastung des einmal gehobenen Ventiles; das bis jetzt diesen Ventilen
anhaftende Vorurtheil betreffs unzuverlässigen Dampfabschlusses scheint durch die
mit den Sulzer'schen Maschinen gemachten Erfahrungen
behoben werden zu sollen.
Hiermit sind die Ventilsteuerungen, welche auf der Wiener Weltausstellung vertreten
waren, erledigt und es sollen nun die eigentlichen Corliß-Steuerungen näher besprochen werden.
Wir verstehen darunter die Mechanismen, welche entweder von dem Erfinder der
Steuerung G. H. Corliß selbst herstammen, oder sich aus
dessen System direct herausgebildet haben, speciell mit Anwendung der von Corliß eingeführten Steuerhähne und mit automatischer,
vom Regulator bestimmter Auslösung der Dampfeintrittshähne.
Nach Erledigung derselben bleiben noch zwei verwandte Systeme zu besprechen übrig:
Patent Dautzenberg und Scheller-Berchtold, welche jedoch nicht mehr zu den eigentlichen
Corliß-Steuerungen gezählt werden können.
Das erste Auftreten der Corliß-Steuerung muß in das
Jahr 1851 gesetzt werden, als der Maschinenfabrikant G. H. Corliß in Providence (Nordamerika) mehrere Spinnereien der Nachbarschaft
mit neuen Dampfmaschinen versah, welche schon alle charakteristischen Merkmale des
ausgebildeten Systemes aufwiesen. Wir finden schon die cylindrischen Schieberhähne
an den vier Endpunkten des Cylinders, die centrale Steuerscheibe in der Mitte
desselben, welche von einem Excenter in oscillatorische Bewegung versetzt wird, und
endlich die feste Verbindung der Austrittshähne sowie die vom Regulator auslösbare
Verbindung der Eintrittshähne mit dieser Scheibe. Die Auslösung geschieht dadurch,
daß die Zugstange, welche mit einer Nase den Hebel des Steuerhahnes erfaßt und
verdreht, sich bei dieser Bewegung gleichzeitig einem stellbaren Anschlage nähert,
welcher den Eingriff zwischen Hebel und Zugstange durch Abdrängen der letzteren
früher oder später löst. Um diese Auslösung automatisch stattfinden zu lassen,
wirken zur Verschiebung der auslösenden Anschläge zwei Keile, welche von dem
Regulator entsprechend verschoben werden. Endlich finden sich auch schon die an
einem zweiten auf der Hahnspindel aufgekeilten Hebel wirkenden Gewichte zum raschen
Schlusse des ausgelösten Eintrittshahnes sowie Luftbuffer zur Milderung des
Stoßes.
Nach diesem SystemeBeschrieben in Dingler's polytechn. Journal, 1854
Bd. CXXXII S. 321. oder wenig verschieden davon wurden schon in den 50er Jahren mehrere Hundert
Corliß-Dampfmaschinen in Amerika gebaut,
nachdem sich inzwischen die noch jetzt bestehenden Corliss
Steam Engine Company gebildet hatte. In Deutschland wurde die Corliß-Steuerung, nach amerikanischen Mustern,
erst um 1860 ausgeführt – und zwar von der Maschinenfabrik der vereinigten
Hamburg-Magdeburger
Dampfschifffahrt-Compagnie zu
Bukau-Magdeburg, welche auch, sowie die Wilhelmshütte bei Sprottau, eine Corlißmaschine auf die Londoner
Weltausstellung 1862 schickte. Die in Figur 3 dargestellte
Disposition des Steuerungsmechanismus ist hier noch ziemlich unverändert in der
ursprünglichen Gestalt geblieben. Die Zugstange z der
Steuerscheibe S greift mit ihrem Anschlage an eine Nase
des Hebels h auf der Hahnspindel und wird bei der
Drehung dieses Hebels nach aufwärts durch Anstoßen an den vom Regulator
verstellbaren Anschlag a herabgedrückt und ausgelöst.
Der Hahn schnellt unter dem Einflusse des Gewichtes G
zurück, wobei die unterhalb des Gewichtes im Cylinder C
enthaltene, langsam entweichende Luft als Buffer dient, und die am Ende der
Zugstange z angebrachte Feder f schleift frei über die Nase des Hebels h,
bis dieselbe beim Rückgange der Zugstange hinter dem unteren Ende der Feder wieder
einschnappt, und dann neuerdings mitgenommen wird.
Neben dieser Eigenthümlichkeit der Steuerung war an der Londoner Maschine auch schon
das von Corliß eingeführte Maschinengestell zu bemerken:
der den Cylinder direct mit dem Lager verbindende Hohlgußsteg, welcher nur unter
Lager und Gradführung an das Fundament geschraubt ist und dem überhängenden
Dampfcylinder freie Ausdehnung gestattet.
Nach diesem ersten Erscheinen der Corliß-Steuerung
auf einer Weltausstellung verbreitete sich dieselbe auch in Europa ungemein rasch,
und bald tauchten mannigfach Projecte auf, den Mechanismus sicherer und stabiler wie
bei der ursprünglichen Einrichtung zu construiren.
J. Fr. Spencer in Newcastle upon Tyne (England) patentirte
1865 einen neuen Auslösmechanismus, welcher fast vollkommen mit dem bald
nachfolgenden Patente von Inglis und Spencer zusammenfällt und in dieser letzteren Gestalt bei
vielen Hundert Maschinen (zunächst durch die Maschinenfabrik Hick, Hargreaves und Comp. in Bolton)
angewendet wurde.
Die wesentlichen Theile dieses Steuerungsmechanismus sind in Figur 4 und 5 skizzirt, und
man ersieht daraus, daß die Verbindung der Einlaßhähne mit der oscillirenden
Steuerscheibe durch zweitheilige Zugstangen geschieht, deren obere Hälfte mit dem
Hebel des betreffenden Steuerhahnes verbunden ist, und sich mit einer rohrartigen
Verlängerung über einem Dorn des unteren Theiles p der
Zugstange hin und her schieben kann. Dadurch erhalten beide Theile Führung gegen
seitliche Verschiebung, können sich jedoch in der Längsachse frei ausziehen, so
lange sie nicht mit einander gekuppelt sind. Dies geschieht dadurch, daß die am unteren Theile p der Zugstange aufgeschraubten Blattfedern f mit ihren vorderen Zinken zwei Zähne z, welche an dem oberen Theile der Zugstange angebracht
sind, erfassen und so die Oeffnung des Steuerhahnes bewirken. Dabei geht die nun ein
Stück darstellende Zugstange nach einwärts und nimmt den Daumen m mit, welcher um einen Zapfen im oberen Theile der
Zugstange drehbar gelagert und an seinem aufgebogenen Arme mittels der Lenkerstange
r mit einem Hebel s
verbunden ist. Der Hebel s wird vom Regulator in seiner
bestimmten Stellung festgehalten und somit der Daumen m
genöthigt, bei fortgesetzter Einwärtsbewegung der Zugstange sich in derselben zu
verdrehen, bis er endlich die Zinken der Feder f
erreicht, dieselben auseinander klemmt und dadurch die Zugstange wieder in zwei
unabhängige Theile auflöst (vergl. Figur 5). Im selben
Momente wird der nach aufwärts verlängerte Hebel des Steuerhahnes durch die Wirkung
einer Schraubenfeder nach links zurückgedreht; der Hahn schließt sich und der obere
Theil der Zugstange kommt in die in Figur 5 punktirte
Ruhelage, während der Theil p seinen Weg nach einwärts
fortsetzt, dann umkehrt und endlich in seiner extremen Stellung nach rechts wieder
mit der oberen Hälfte und dem Hebel des Steuerhahnes gekuppelt wird. Die Hebel s und s' bedingen durch ihre
vom Regulator fixirte Stellung die Dauer der Füllung. Ihre Verbindung untereinander
und mit der Zugstange t des Regulators (mit eingelegter
Spiralfeder zum Vermeiden übermäßiger Regulirung) ist aus Figur 4 klar ersichtlich;
ebenso die Verbindung der Excenterstange E mit der
Steuerscheibe, sowie endlich die Disposition der zur Rückdrehung der Steuerhähne
bestimmten Federn und Luftbuffer. Jedes Detail der Construction ist aufs
vorzüglichste ausgearbeitet und Inglis und Spencer's Patent wird noch heute allgemein als die beste
Corliß-Steuerung betrachtet.
Diese Steuerung war schon 1867 auf der Pariser Weltausstellung vertreten und erschien
auch in Wien, in getreuer Copie der englischen Muster bei zwei
Ausstellungsmaschinen; die eine von Escher, Wyß und Comp. in Zürich (700 Millim. Cylinderdurchmesser, 1350
Millim. Hub, 35 Touren pro Minute), die zweite von Socin und Wick in Basel (330
Millim. Durchmesser, 750 Millim. Hub, 65 Touren pro
Minute) – beide Maschinen jedoch nicht im Betrieb, weshalb es auch gestattet
sein mag, die angegebene hohe Tourenzahl der letzteren noch in Frage zu stellen.
Neben diesem Systeme genießen gegenwärtig nur noch zwei andere Dispositionen der Corliß-Steuerung ausgedehntere Anwendung –
nämlich Douglas und Grant's
Patent-Steuerung, und die von
Corliß selbst patentirte Modification seiner Steuerung, welche schon an einer von ihm in Paris 1867
ausgestellten Maschine angebracht war.
Erstere Disposition, so gelungen sie auch erscheint, wird unseres Wissens nur von den
Patentinhabern selbst, der bekannten Corlißmaschinenfabrik Douglas und Grant in Kirkcaldy (Schottland)
ausgeführtBeschrieben in Dingler's polytechn. Journal, 1871
Bd. CXCIX S. 161. und war auch in Wien, bei der im Allgemeinen so schwachen Betheiligung
Englands, nicht erschienen.
Die neue Corliß-Steuerung hingegen war in nicht
weniger als vier verschiedenen Ausführungen vertreten – und zwar bei der
großen gekuppelten Wasserhebmaschine der Ersten Brünner
Maschinenfabriks-Gesellschaft in Brünn (500 Millim. Durchmesser,
1100 Millim. Hub) sowie bei einer Dampfmaschine derselben Firma (395 Millim.
Durchmesser, 948 Millim. Hub, 60 Touren), ferner bei der Dampfmaschine der Gräflich Stolberg Wernigerodischen Factorei zu Ilsenburg
(400 Millim. Durchmesser, 800 Millim. Hub, 50 Touren) und endlich bei der von E. Reinecke
C. Reinecke
in Königsberg ausgestellten Maschine (430 Millim. Durchmesser, 840 Millim.
Hub, 45 Touren), welche sämmtlich während der Ausstellung in Betrieb standen.
Die Disposition des Steuerungsmechanismus möge mit Hilfe der Skizzen Figur 6 und 7 – nach
der Dampfmaschine von E. Reinecke
C. Reinecke
– näher erklärt werden. Hier ist die Steuerscheibe
nicht mehr in der Mitte des Cylinders, sondern seitlich vor demselben angeordnet,
und in einem eigenthümlich gestalteten Gestelle g
gelagert, welches an den – Cylinder und Kurbellager verbindenden –
Steg von -förmigem Querschnitte angeschraubt ist. Die unten liegenden
Austrittshähne werden direct mittels zweier ungleich langer Zugstangen eröffnet und
geschlossen; die Eintrittshähne greifen mit den Zugstangen l, resp. l₁ an die Luftbufferkolben,
welche in zwei neben einander liegenden Cylindern c
eingeschlossen sind. Diese Kolben endlich haben nach rückwärts verlängerte
Kolbenstangen n, welche in den Gelenken m durch kurze Zugstangen mit den Flachfedern f verbunden sind und von denselben stets nach links
wider die Hinterwand des Buffercylinders gezogen werden, bei welcher Stellung, wie
es aus der schematischen Skizze Figur 7 ersichtlich ist,
die Eintrittshähne geschlossen sind. An ihrem unteren Ende ist jede der beiden
Flachfedern f an die Hinterwand eines gußeisernen
Schuhes s von ⊏-förmigem Querschnitte geschraubt, welche am untersten Punkt um
einen festen Zapfen des Gestelles g schwingen, in der
Mitte durch kurze Zugstangen mit der Steuerscheibe verbunden sind und an ihrem
oberen Ende kleine, frei bewegliche Klauen k tragen, welche die
Verbindung des oscillirenden Schuhes mit dem betreffenden Eintrittshahne
bewerkstelligen. Sobald nämlich einer der beiden Schuhe in seine extreme linke
Stellung gelangt, hat sich die Flachfeder f, welche an
ihrem oberen Ende durch die Verbindung mit dem Bufferkolben an weiterem Ausweichen
nach rückwärts gehindert war, vollkommen gespannt über den Rücken des Schuhes
gelegt, und das vordere mit einem Gewicht belastete Ende der Klaue k ist gleichzeitig in einen Anschlag der Kolbenstange
n beim Gelenk m
eingefallen.
Bei der nun folgenden Rechtsbewegung des Schuhes bleibt, solange die Klaue bei m eingreift, die Verbindung zwischen Schuh s, Feder f und Kolbenstange
n erhalten und der links befindliche Eintrittshahn
wird in Folge dessen, durch Vermittelung des Bufferkolbens und der Schubstange l, geöffnet. Sobald aber die rückwärtige Verlängerung
der Klaue k an den vom Regulator stellbaren Anschlag a anstößt und von demselben niedergedrückt wird, kommt
die Klaue außer Eingriff, und sofort wird der Steuerhahn unter dem Einflusse der nun
wieder zur Wirksamkeit kommenden Flachfeder geschlossen, während der Schuh seine
Bewegung nach rechts fortsetzt und erst beim Rückgange sich wieder der Feder f nähert, bis endlich in der extremen linken Stellung
die Einlösung aufs neue stattfindet.
In dieser Weise war die Corliß-Steuerung von 1867
bei allen Ausstellungsmaschinen gleichmäßig angeordnet, und bewährte sich bei
denselben, welche sämmtlich während der Ausstellungszeit ohne jede Störung im
Betrieb standen, aufs vollkommenste. Die Abweichungen in der Anordnung der einzelnen
Mechanismen betrafen nur unwesentliche Details, und ist speciell bei Reinicke'sReinecke's Maschine die Anwendung des sonst auch vielfach vertretenen Buß'schen RegulatorBeschrieben in Dingler's polytechn. Journal, 1871
Bd. CCII S. 481. sowie die Führung der langen Hahnspindeln außerhalb der Stopfbüchsen durch
kleine, an das Gestell aufgeschraubte Ständer L zu
erwähnen.
Im Vergleich der Steuerung von Inglis und Spencer mit der neuen Corliß-Steuerung hat die erstere den Vorzug der compendiöseren
Anordnung sowie größerer Sicherheit im Eingriffe, indem hier, wo beide einzulösende
Theile stets in derselben Linie bleiben, ein Versagen des Einlösungsmechanismus
nahezu unmöglich ist, während bei der Corliß-Steuerung in Folge der schwingenden Bewegung der Klaue, doch
bisweilen ein vorzeitiges Abschnappen vorkommen kann. Dagegen hat die neue Corliß-Steuerung den wesentlichen Vorzug, daß die
Schubstangen, welche die Hebel der Hahnspindeln bewegen, sich in der Sehne des
Ausschlagwinkels bewegen
und somit raschere Oeffnung geben, als bei der Steuerung
von Inglis und Spencer, wo nur
die Projection der Schubstangenbewegung zur Drehung des Hahnes beiträgt. Daher muß
auch bei der letzteren Steuerung, falls sie nicht in der Schnelligkeit des Oeffnens
hinter jeder gewöhnlichen Schiebersteuerung von demselben Excenterhube zurückstehen
soll, eine Vergrößerung des Hubes durch einen zwischengelegten Uebersetzungshebel
bewerkstelligt werden, wie dies auch bei der von Escher,
Wyß und Comp. ausgestellten Maschine der Fall
war.
Denselben Vorzug, den wir hier der Corliß-Steuerung
von 1867 zuerkennen mußten, theilt auch das neue Patent von Märky und Schulz, welches auf der
Weltausstellung zum erstenmale erschienen war und sich, soweit nach den hier
gemachten Erfahrungen geurtheilt werden kann, vortrefflich bewährt.
Der Gang der Steuerung ist äußerst ruhig und geräuschlos, die Ein- und
Auslösung absolut sicher, und die ganze Anordnung so solid und compact, wie bei
keiner anderen Corliß-Steuerung, so daß nur
minimale Abnützung und Sicherheit gegen alle Störungen des Mechanismus zu erwarten
ist.
Außerdem ist der Regulator mehr wie bei irgend einer anderen Steuerung entlastet und
gegen die Uebertragung der Stöße des Auslösungsmechanismus vollständig
geschützt.
Diese Steuerung war an einer Maschine (421 Millim. Durchmesser, 948 Millim. Hub, 51
Touren pro Minute) der Carolinenthaler Maschinenbau-Actiengesellschaft (vormals Lüsse, Märky und Bernard) in
Prag angewendet und ist in Figur 8 und 9
dargestellt.
Die äußere Disposition ist zunächst ziemlich übereinstimmend mit der neueren Corliß-Steuerung, indem auch hier die
Steuerscheibe vor dem Cylinder gelagert ist und die Ausströmhähne durch ungleich
lange Schubstangen direct antreibt, während der Antrieb der die Einlaßhähne
bewegenden Hebel in horizontaler Linie durch Schubstangen erfolgt, die an ihrem
anderen Ende mit den Luftbufferkolben a verbunden sind,
welche in den zwei neben einander liegenden Cylindern e
(vergl. Grundriß in Figur 9) einspielen. Mit dem Bufferkolben a
fest verbunden und am anderen Ende durch einen zweiten Kolben b geführt, ist die Kolbenstange k in dem von
der Steuerscheibe durch die Zugstangen s, resp. s₁ hin und her bewegten Hohlcylinder H zunächst frei beweglich, wird aber mit demselben
verbunden, sobald der Hohlcylinder seine äußerste linke Stellung erreicht, dabei die
Feder f comprimirt und endlich mit seinem durch
Federkraft stets nach aufwärts getriebenen Zahne p
hinter dem Anschlage i in dem vierkantigen Theile der
Kolbenstange einschnappt. Dann folgen Kolbenstange, Buffer und Schubstange der Bewegung des Hohlcylinders
H nach rechts, und der Eintrittshahn bleibt so lange
geöffnet, bis der Zahn p wieder aus der Kerbe der
Kolbenstange herabgedrückt wird, worauf dann die Kolbenstange unter dem Einflusse
der Schraubenfeder f sofort zurückschnellt und den Hahn
schließt. Diese Auslösung geschieht dadurch, daß der Zahn p, welcher in einem Ausschnitt des Hohlcylinders geführt ist und auf
beiden Seiten der vierkantigen Stange k nach aufwärts
verlängert einen Querbolzen trägt, hier von einer langgeschlitzten Gabel g erfaßt wird, die so in einem vom Regulator
verstellbaren Kreuzkopfe in aufgehängt ist, daß sie, sobald der Zahn p nahezu vertical unter m zu
stehen kommt, mit der oberen Kante wider den Bolzen anstößt, denselben niederdrückt
und auf diese Weise die Auslösung bewerkstelligt. Es kann somit durch Verschiebung
des Kreuzkopfes m in seinen Führungen nach rechts die Füllung vergrößert, nach links verringert werden, und dabei functionirt der Regulator, dessen
Verbindung mit m aus Figur 8 hervorgeht, in
leichtester Weise, nachdem alle Stöße durch die Führungen aufgenommen werden.
Die übrige Disposition der Steuerung sowie die Anordnung des Gestelles, welches an
den Längssteg der Maschine angeschraubt, die Steuerungstheile gewissermaßen mit
einer Schale unterfängt, ist aus den Zeichnungen deutlich genug ersichtlich.
(Schluß folgt im nächsten Hefte.)