Titel: | Anilinschwarz mit ferrocyanwasserstoffsaurem Anilin; von Dr. A. Kielmeyer. |
Autor: | A. Kielmeyer |
Fundstelle: | Band 214, Jahrgang 1874, Nr. LXXXVI., S. 324 |
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LXXXVI.
Anilinschwarz mit ferrocyanwasserstoffsaurem
Anilin; von Dr. A.
Kielmeyer.
Kielmeyer, über Anilinschwarz mit ferrocyanwasserstoffsaurem
Anilin.
Das Anilinschwarz hat in den 11 Jahren seit seinem Bestehen eine Reihe von
Modificationen erfahren. Nachdem zuerst die löslichen Eisen- und Kupfersalze
durch das unlösliche Schwefelkupfer ersetzt worden, wurde von verschiedenen Seiten
versucht, das bisher allein gebräuchliche salzsaure Anilin durch andere Anilinsalze
zu ersetzen. Das salzsaure Anilin wurde unter dem Namen Schwarzsalz meist sehr sauer
und unregelmäßig auf den Markt gebracht. Bald kam auch Einer auf die glückliche
Idee, dasselbe mit Salmiak vermengt in den Handel zu bringen, und da er es
verabsäumt hatte, für diese gemeinnützige Erfindung den Patentschutz in Anspruch zu
nehmen, so fand er bald Nachahmer, welche den Salmiakgehalt des Schwarzsalzes zum
Theil bis zu 50 Proc. steigerten. Beides zusammen mag dazu beigetragen haben, daß
das Anilinschwarz mit weinsaurem Anilin in den Druckereien sich raschen Eingang
verschaffte. Dasselbe ist heute noch in vielen Fabriken eine beliebte Druckfarbe, da
es sehr haltbar und sehr sicher sich erwiesen hat. Salmiak und chlorsaures Kali
werden mit der Verdickung gekocht, Anilinöl zugesetzt, während des Kaltrührens das
Schwefelkupfer zugegeben, endlich die feingesiebte Weinsäure in die kalte Farbe
langsam eingerührt. Doch hat es, und dies gilt namentlich für Fabriken mit seichter
Gravüre, eine Grenze der Concentration, welche nicht überschritten werden darf, wenn
nicht besonders zur Winterszeit in der Farbe und auf den kalten Kupferwalzen
Weinstein auskrystallisiren und die Hachüren verstopfen soll. Dieser Umstand führte
zur Idee, die heiße concentrirte Lösung von chlorsaurem Kali und von Weinsäure
zusammenzugeben, mit Anilinöl zu versetzen, das Ganze erkalten zu lassen, und nach
Entfernung des auskrystallisirten Weinsteines die klare Lösung von chlorsaurem
Anilin an irgend eine brauchbare – Salmiak und Schwefelkupfer enthaltende
– Verdickung zu rühren. Offenbar enthält das chlorsaure Anilin mehr
Chlorsäure als das von ihr gebundene Anilinöl zur Ueberführung in Schwarz erfordert,
weshalb der Farbe noch eine Lösung von salzsaurem Anilin zugefügt wird.
Um dem chlorsauren Anilin diese Zufuhr von Anilinöl zukommen zu lassen, habe ich eine
Lösung von ferrocyanwasserstoffsaurem Anilin gewählt. Dasselbe enthält überdies die
zur Schwarzbildung erforderliche Metallverbindung, zunächst allerdings in maskirter Form;
während jedoch chlorsaures Anilin und ferrocyanwasserstoffsaures Anilin auf der
Baumwolle sich zersetzen, ist gleichzeitig mit der Entstehung von Berlinerblau das
Auftreten von Eisenchlorid gegeben. Diese Reaction tritt nicht ein beim Verhängen in
geheizten Localen, sondern erst bei der energischen Operation des Dämpfens. Das
Dämpfen selbst aber ist nur möglich, weil das ferrocyanwasserstoffsaure Anilin nicht
wie das salzsaure Anilin zu Ende des Processes eine bedeutende Menge freier
Salzsäure hinterläßt, weil im Gegentheil die aus jeder Chlorirung als solcher
resultirende Salzsäure Gelegenheit findet, mit dem aus dem Ferrocyanradikal, zuletzt
wohl richtiger Ferridcyanradikal, heraustretenden Eisen, sich wenigstens theilweise
zu sättigen.
Der Gedanke, Anilinschwarz mit Hilfe von Ferrocyanverbindungen zu bilden, ist fast so
alt als das Schwarz selbst. Schon im J. 1864 wurden Recepte colportirt, die neben
chlorsaurem Kali salzsaures Anilin und Ferrocyanammonium oder Ferridcyanammonium
enthielten; diese Druckfarben waren jedoch wenig haltbar und fanden deshalb keine
Anwendung im Großen. Dagegen hat seit einigen Jahren eine andere Vorschrift für
Dampfanilinschwarz sich Eingang – wenn auch in beschränktem Maße zu
verschaffen gewußt; wenigstens findet sie sich in dem Receptenschatz fast jeder
Fabrik und verdient deshalb besondere Beachtung.
Nach ihr werden 14 Th. Weinsäure, 5,2 Th. chlorsaures Kali, jedes für sich, zusammen
in 70,3 Th. kochendem Wasser gelöst und vermischt, und zur heißen Lösung beider 10,5
Th. Anilinöl zugefügt. Beim Erkalten krystallisirt Weinstein aus, die überstehende
klare Lösung zeigt 9 1/2° B., wird bei 75–80° C. mit 10 Proc.
ihres Gewichtes an Weizenstärke verdickt und kann in dieser Form vorräthig gehalten
werden. – Andererseits werden 18,5 Th. schwefelsaures Ammoniak in 20 Th.
Wasser, ebenso 52 Th. Ferrocyankalium in 104 Th. heißem Wasser gelöst und heiß
zusammengegeben. Schwefelsaures Kali krystallisirt heraus, Ferrocyanammonium bleibt
in Lösung, natürlich nicht absolut rein, so wenig wie das chlorsaure Anilin.
– Unmittelbar vor dem Druck werden 22,5 Th. der frischen
Ferrocyanammoniumlösung zu 100 Th. des verdickten und wieder auf 50°
erwärmten chlorsauren Anilins gegeben, und ist die Druckfarbe hiermit fertig. Man
merkt, wie es auch in der Praxis sich erwiesen hat, daß dieses Dampfanilinschwarz
nur ein Nothbehelf ist, und glaube ich, meine Vorschrift als sicherer und
vortheilhafter empfehlen zu können.
Gern hätte ich zur Darstellung des chlorsauren Anilins, bezieh, der Chlorsäure, den
chlorsauren Barit verwendet, wenn er im Handel zu einem einigermaßen vernünftigen
Preise zu erhalten wäre. Ich mußte deshalb bei dem üblichen Verfahren mit Weinsäure
verbleiben, nur mit etwas veränderten Proportionen. – 5 Th.
Weinsäurekrystalle werden gelöst in 10 Th. kochendem Wasser, ebenso 4 Th.
chlorsaures Kali in 12 Th. kochendem Wasser, beides heiß vermischt, dann 20 Th.
kaltes Wasser und 3 Th. Anilinöl zugegeben. Die Verhältnisse von Wasser, Säure und
Salz sind derart gewählt, daß der auskrystallisirte Weinstein mit Schwefelsäure
keine Chlorsäurereaction gibt, daß die Chlorsäurelösung vor dem Zusatz des
Anilinöles farblos ist und keinen Chlorgeruch zeigt, und daß der Zusatz des
Anilinöles weder eine violette, noch eine braune, sondern eine hellgelbe Färbung
hervorbringt. Daß auch das Verhältniß zwischen Säure und Anilinöl richtig getroffen
ist, zeigt sich daran, daß die Flüssigkeit durch Kupfervitriollösung nicht getrübt
wird, während diese Trübung bei einem nur wenig erhöhten Anilinölgehalt sogleich
eintritt. Die Lösung des chlorsauren Anilins zeigt 6 3/4° B.
Andererseits hält man sich eine Lösung von Ferrocyanwasserstoffsäure vorräthig,
welche nach dem im Woll- und Halbwolldruck wohl bekannten Verfahren
hergestellt ist. In 14 Th. Wasser werden 3 Th. englische Schwefelsäure verdünnt, und
nach vollständigem Erkalten 7 Th. Ferrocyankalium in groben Stücken in die verdünnte
Säure eingehängt. Nach einigen Tagen ist die gelbe Farbe der Krystalle verschwunden,
an ihre Stelle ist ein Krystallbrei von schwefelsaurem Kali getreten. Die Lösung der
Ferrocyanwasserstoffsäure ist nicht rein, schon weil die Schwefelsäuremenge dem
Kaliumgehalt des gelben Blutlaugensalzes nicht voll entspricht; aber die
Verunreinigung durch wenig unzersetztes blausaures oder durch schwefelsaures Kali
schadet in der Farbe nicht. Zu 100 Th. dieser Ferrocyanwasserstoffsäure gibt man 128
Th. Wasser und 20 Th. Anilinöl, welches sich darin kalt auflöst. Auch diese Lösung
von ferrocyanwasserstoffsaurem Anilin läßt sich vorräthig halten.
Das Dampfanilinschwarz endlich hat folgende Zusammensetzung:
34 Th.12 Th.
obiges chlorsaures Anilin,Lösung von Ferrocyananilin,
34 Th.12 Th.
Wasser,Traganthschleim (128 Grm. im Liter).
Alles kalt zusammengegeben, zeigt das Schwarz am ersten Tag eine hellolivgelbe
Nüance, die sich allmälig verdunkelt, ohne daß in den ersten 8 Tagen ein Einfluß auf
die Druckfähigkeit der Farbe oder auf ihre Entwickelung beim Dämpfen oder auf die
Festigkeit des Gewebes zu bemerken wäre. Der Salmiak ist absichtlich weggelassen, um
vor einem etwaigen Austreten der Farbe während des Dämpfens gesichert zu sein. Die angegebene
Verdickung ist für eine Bodenfarbe berechnet; die 34 Th. Wasser erlauben jedoch der
Farbe so viel Verdickungsmittel, z.B. 9 Th. Stärke, zu incorporiren, daß sie als
Eindruck- und als Walzenfarbe benützt werden kann. Einer solchen stark
verdickten Farbe läßt sich ein kleiner Ueberschuß von Anilinöl zufügen, wodurch die
Sicherheit und Ausgiebigkeit der Farbe noch erhöht wird. Nach dem Dämpfen wird
gewaschen und nach Belieben ein Wasserglas- oder Seifebad gegeben.