Titel: | Ueber ferrocyanwasserstoffsaures und ferridcyanwasserstoffsaures Anilin für Anilinschwarz; von Wehrlin und E. Schlumberger. |
Fundstelle: | Band 214, Jahrgang 1874, Nr. LXXXVII., S. 328 |
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LXXXVII.
Ueber ferrocyanwasserstoffsaures und
ferridcyanwasserstoffsaures Anilin für Anilinschwarz; von Wehrlin und E. Schlumberger.
Nach dem Bulletin der Société industrielle de Mulhouse; August 1874 S. 386 und
390.
Wehrlin und Schlumberger, über Anilinschwarz.
Wehrlin's Abhandlung beginnt mit einem kurzen Rückblick
auf die Versuche, ein Anilinschwarz ohne Zusatz von Kupferfalzen herzustellen. H.
Cordillot machte zuerst im J. 1863 ein Anilinschwarz
mit Ferridcyanammonium bekannt, das durch bloßes Dämpfen auf der Baumwolle sich
erzeugte. Dieses Schwarz wurde aber längere Zeit vernachlässigt, und erst wieder
hervorgesucht, als bei Einführung des Krappextractes und des künstlichen Alizarins
sich der Mangel eines echten Dampfschwarz fühlbar machte. In den nun auftauchenden
Vorschriften für Dampfanilinschwarz figurirten hauptsächlich Ferrocyankalium und
Ferridcyankalium oder Ferrocyanammonium und Ferridcyanammonium. Unter anderem hat
Camill Köchlin dem Verfasser ein sehr schönes Schwarz
mitgetheilt, welches er durch directe Verbindung von Ferrocyanwasserstoffsäure mit
Anilinöl erhalten hatte. Leider hielt sich dieses Schwarz nur einige Stunden, und
war seine Anwendung mit ziemlichen Schwierigkeiten verbunden. Da alle die
verschiedenen Vorschriften schließlich auf die Bildung von ferro- oder
ferridcyanwasserstoffsaurem Anilin hinauslaufen, so hat Wehrlin zunächst versucht, diese beiden Salze für sich in reinem und
krystallisirtem Zustand darzustellen.
Ferrocyanwasserstoffsaures Anilin bildet sich durch directes Zusammenbringen von
Anilinöl mit Ferrocyanwasserstoffsäure. Die Hauptschwierigkeit besteht darin,
letztere so concentrirt zu erhalten, daß sie eine genügende Menge Anilinöl
aufzulösen im Stande ist. Die einfachste Methode wäre, nach Kuhlmann's Angabe Ferrocyanbarium mit Schwefelsäure zu zersetzen; aber da
die Beschaffung dieses Baritsalzes in genügender Menge Schwierigkeiten bietet, so
mußte ein anderer den Druckereien näher liegender Weg eingeschlagen werden –
nämlich die Zersetzung einer Ferrocyankaliumlösung durch eine Weinsäurelösung,
welche man langsam in die erstere gießt. Saures weinsaures Kali scheidet sich in
Krystallen aus und kann von der Lösung der freigewordenen Ferrocyanwasserstoffsäure
durch Filtriren getrennt werden. Die anzuwendenden Mengen der beiden Ingredienzien
ersieht man aus der Formel, nach welcher die Reaction vor sich geht:
4 C₄H₆O₆ + K₄FeCy₆ = 4
KC₄H₅O₆ + H₄FeCy₆.
Wehrlin konnte auf diese Weise eine
Ferrocyanwasserstoffsäurelösung von 23° B. erhalten, um in dieser das
Anilinöl aufzulösen bei Anwendung einer Temperatur von höchstens 50° und mit
der Vorsicht, die Flüssigkeit schwach sauer zu lassen, weil ein Ueberschuß von
Anilinöl der Krystallisation hinderlich ist. Das ferrocyanwasserstoffsaure Anilin
scheidet sich beim Erkalten der Flüssigkeit reichlich in Form von dünnen, Weißen
Blättchen aus, welche, zwischen Filtrirpapier kalt getrocknet, lange Zeit weiß
bleiben. Wenn man dagegen bei 50° trocknet, so werden die Krystalle rasch
gelb, und im Lauf der Zeit schwärzen sie sich sogar in gut verschlossenen Flaschen.
Das Salz reagirt neutral, ist schwer löslich in Alkohol, Aether und
Schwefelkohlenstoff, leicht löslich in Aldehyd und in kaltem Wasser, besser noch in
Wasser von 50°. Um es rein darzustellen, muß es zwei bis drei Mal
umkrystallisirt werden; doch ist es nie ganz frei von beigemengtem Weinstein zu
erhalten, weil letzterer in Wasser nicht ganz unlöslich ist.
Indem man die Lösung des ferrocyanwasserstoffsauren Anilins mit chlorsaurem Kali und
Salmiak vermischt und mit weißer und gebrannter Stärke verdickt, erhält man ein sehr
schönes Anilinschwarz, das ohne vorhergehende Oxydation durch bloßes Dämpfen sich
entwickelt, ein kochendes Seifenbad sowie eine Chlorpassage entsprechend dem
gewöhnlichen Anilinschwarz erträgt, welches ferner die Rakeln und das Gewebe nicht
angreift und sogar länger als acht Tage ohne Zersetzung sich aufbewahren läßt. Ein
ebenso intensives Schwarz resultirt auch, wenn man einer Lösung von chlorsaurem
Anilin ferrocyanwasserstoffsaures Anilin zufügt, und mit gebrannter Stärke
verdickt.
Das nach der ersten oder zweiten Vorschrift bereitete Schwarz wird beim Verhängen
nicht grün, wie ein Anilinschwarz mit Schwefelkupfer; in seinen Abtönungen liefert
es sehr schöne, gegen Seife und Chlor echte graue Nüancen. Es läßt sich neben
Albuminfarben drucken wie Guignet-Grün und Ultramarinblau, oder neben
Krappextract und künstlichem Alizarin, ohne zu contouriren; ebenso läßt es sich
verwenden neben Böden von Dampfblau und Dampfgrün. Endlich kann man es auch mit
Blauholzdampfschwarz vermischen, um die Intensität und Echtheit des letzteren zu
vermehren, und hat dann eine Farbe, mit welcher sich die feinsten Dessins ausführen
lassen, und dessen Nüance durch darauffallende Albumin- und
Krappextractfarben nicht verändert wird. – Eine Lösung von
ferrocyanwasserstoffsaurem Anilin, mit purer gebrannter Stärke verdickt, liefert
nach 24stündigem warmem Verhängen und nach einem Bad von saurem chromsaurem Kali ein
ziemlich echtes Grau oder, indem man dieselbe Farbe dämpft, ein lebhaftes, jedoch
nicht seifechtes Blau ähnlich dem Dampfblau.
Ferridcyanwasserstoffsaures Anilin stellt Wehrlin
entsprechend dem vorhergehenden Salz her durch Zersetzung von Ferridcyankalium
mittels Weinsäure nach folgenden Verhältnissen:
6 C₄H₆O₆ +
K₆Fe₂Cy₁₂ = 6 KC₄H₅O₆ +
H₆Fe₂Cy₁₂
wodurch er zuerst eine Ferridcyanwasserstoffsäure zu
24–26° B. erhält, in welcher er das Anilinöl leichter als in
Ferrocyanwasserstoffsäure löst. Das resultirende ferridcyanwasserstoffsaure Anilin
krystallisirt in Blättchen von violettschwarzer Färbung, ist wenig löslich in Aether
und Schwefelkohlenstoff, löslich in Alkohol und Aldehyd mit violetter Farbe, leicht
löslich in kaltem und noch löslicher in warmem Wasser von 60°. Wie
ferrocyanwasserstoffsaures Anilin liefert es ein sehr schönes Schwarz; nimmt man von
jedem gleichviel in Anwendung, so fällt das Schwarz des ferridcyanwasserstoffsauren
Salzes sogar bedeutend satter aus. Die Farbe greift Rakel und Gewebe nicht an, aber
sie verdirbt rascher als das Schwarz mit ferrocyanwasserstoffsaurem Anilin. Eine
Lösung des ferridcyanwasserstoffsauren Anilins – mit gebrannter Stärke
verdickt unter Zusatz von salpetersaurem oder essigsaurem Chromoxyd – gibt,
auf Baumwolle gedruckt, auf dem Wege des Verhängens ein Grau und auf jenem des
Dämpfens ein Blau.
E. Schlumberger hat sich ebenfalls mit der Darstellung
dieser Anilinsalze beschäftigt, ohne jedoch gegenüber Wehrlin die Priorität der Idee für sich zu beanspruchen. Er basirt sein
Verfahren auf die Schwerlöslichkeit des ferrocyanwasserstoffsauren Anilins, dessen
gesättigte wässerige Lösung nur ungefähr 3,75° B. anzeigt. Nach ihm werden 2
Kilogrm. Anilinöl versetzt mit 2 Kilogrm. Salzsäure von 19° B. einerseits,
andererseits werden 2,4 Grm. Ferrocyankalium aufgelöst in 4,2 Grm. kochendem Wasser.
Wenn die letztere Lösung auf 56° abgekühlt ist, gibt man die ganz kalte
Lösung des salzsauren Anilins dazu. Nach der vollständigen Verkühlung erhält man einen
blaßgelben Krystallbrei von ferrocyanwasserstoffsaurem Anilin, während Chlorkalium,
das schon in 3 Th. kaltem Wasser löslich ist, vollständig in der Mutterlauge bleibt.
Für den Gebrauch zur Bereitung der Farbe läßt Schlumberger das so gewonnene Salz auf dem Filter abtropfen, so daß obige
Portion ihm ungefähr 4,7 Grm. feuchtes Salz liefert. Ein vollständiges Trocknen im
Großen ist schwierig, ohne eine theilweise Zersetzung des Productes auszuführen.
Dieses feuchte Anilinsalz hält sich mehrere Tage ohne Zersetzung, besonders wenn es
vor dem Einflusse des Lichtes bewahrt ist, das ihm eine violette Färbung gibt.
Später zersetzt es sich vollkommen, zuletzt zu einer schwarzen erdigen Masse
– vermuthlich ein Gemenge von Anilinschwarz und Berlinerblau. Zur Herstellung
von Anilinschwarz genügt es, einem verdickten chlorsauren Anilin ungefähr 10 Proc.
feuchtes ferrocyanwasserstoffsaures Anilin zuzufügen, das aber höchstens wenige Tage
alt sein darf; unter Umständen, um das Gleichgewicht zwischen Säure und Anilin
herzustellen, dürfte es angezeigt sein, mit etwas salzsaurem Anilin
nachzuhelfen.
Schlumberger hat auch versucht, nach seinem Verfahren
ferridcyanwasserstoffsaures Anilin zu erhalten, aber ohne günstiges Resultat; das
Salz ist zu unbeständig und in Wasser zu leicht löslich, da die kalte gesättigte
Lösung ungefähr 7,5° B. zeigt. Er ist jedoch der Ansicht, daß nach dem
Verfahren von Wehrlin sich ebensowenig ein reines Product
erzielen lasse, und spricht sich überhaupt gegen die Verwendung des
ferridcyanwasserstoffsauren Anilins gegenüber dem ferrocyanwasserstoffsauren Salze
aus, berechnet, daß 100 Grm. gelbes Blutlaugensalz nur 4,9 Grm. chlorsaures Kali zur
Ueberführung in rothes Blutlaugensalz brauchen, und begegnet damit einem etwaigen
Einwurf, daß es irrationnell sei, dem Anilinschwarz ein Präparat einzuverleiben, das
selbst einen Theil der Chlorsäure absorbire. Er betont hauptsächlich die größere
Haltbarkeit der Farbe mit ferrocyanwasserstoffsaurem Anilin und empfiehlt
schließlich seine Darstellungsweise dieses Salzes als die einfachere, raschere und
billigere gegenüber der Wehrlin'schen Methode.
Kl.