Titel: | AlexanderFriedmann's Kohlenoxyd-Gasheizung für Schiffsdampfkessel. |
Fundstelle: | Band 214, Jahrgang 1874, Nr. XC., S. 354 |
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XC.
AlexanderFriedmann's Kohlenoxyd-Gasheizung für
Schiffsdampfkessel.
Mit Abbildung.
Friedmann's Kohlenoxyd-Gasheizung.
Der Berichterstatter über das Marinewesen der Wiener Weltausstellung 1873,
Civilingenieur Alexander Friedmann, hat im 63. Hefte des
officiellen Ausstellungsberichtes die Grundzüge über die Anwendung der
Kohlenoxydgasheizung für Schiffsdampfkessel niedergelegt. Die hohe Wichtigkeit der
Einführung einer gegenüber der jetzigen so einfachen Heizmethode und eine
gleichzeitige Aussicht auf hierbei zu erzielende Ersparnisse im Kohlenverbrauche
machen es erklärlich, wenn einem solchen sowohl für die Kriegs- als
Handelsschifffahrt weittragenden Projecte eine Besprechung gewidmet wird.Vergl. Ingenieur Fassel in den
„Mittheilungen aus dem Gebiete des Seewesens“,
herausgegeben vom k. k. hydrographischen Amte in Pola; 1874 S. 582.
Friedmann schlägt vor, auf den Dampfschiffen Schachtöfen
in der beiläufigen Größe und Form der zum Schmelzen des Eisens dienenden Cupolöfen,
und zwar ohne jedweden Feuerrost, aufzustellen, dieselben
mit gut verschließbaren Gichtöffnungen und mit Gasauffangvorrichtungen zu versehen
und mittels Ventilatoren oder sonstigen Gebläsen und mittels Anwendung von
Zuschlägen (Kalk) behufs Verwandlung der Rückstände in flüssige Schlacke zu
betreiben.
Nachstehende AbbildungAus dem officiellen Bericht über „Marinewesen“ von Alexander
Friedmann, Civilingenieur in Wien. 133 S. in gr.
8. Mit 109 Holzschnitten und 19 lithogr. Tafeln. Preis 6 Gulden ö. W. Druck
und Verlag der k. k. Hof- und Staatsdruckerei. Wien 1874.Z. gibt einen solchen Ofen im Verticalschnitt.
aa ist der Schacht, b das
Gestelle des Ofens. c bezeichnet den Gichttrog, durch
welchen die Kohlen von Zeit zu Zeit tonnenweise in den Ofen hinabgelassen werden;
derselbe ist nach Art eines Tabernakels so combinirt, daß sowohl während des
Kohlenladens als während des Hinablassens der Kohle in den Ofenschacht die
Gichtöffnung stets geschlossen bleibt.
Textabbildung Bd. 214, S. 355
Ueberdies ist dieselbe von einem Gichtmantel umgeben,
welcher durch die Rohrleitung n mit dem Schiffskamin
in Verbindung steht, daß die beim Beschicken etwa entweichenden Gase in keinem
Fall in das Zwischendeck gelangen können.
Gebläseluft gelangt aus dem das Gestelle b umgebenden
Windreservoir WW, welches zugleich als Luftvorwärmer
dient, durch die Düsen i in den Ofen. Die
Verbrennungsgase entweichen durch die Gasrohrleitung h.
Denkt man sich nun den Ofen bis ee mit Kohle gefüllt und
unten im Gestelle b entzündet. Die durch die Düsen i eintretende Gebläseluft verbrennt die Nächstliegende
Kohlenschichte zu Kohlensäure; dieselbe steigt aufwärts und reducirt sich durch die
Berührung mit den nächst höher gelegenen glühenden Kohlen zu Kohlenoxydgas, welches
nun nebst den sonstigen Destillationsproducten der oberen Schichten ziemlich
abgekühlt (mit circa 150° C.) zum Gasfang hh kommt und auf möglichst kurzem Wege durch eine
Rohrleitung nach den Feuerstellen der Dampfkessel abgeführt wird. Hier erfolgt die
eigentliche Verbrennung des Gasgemenges nach einer der bekannten Methoden.
Durch die Verbrennung der Kohle nächst den Düsen i wird
in deren Niveau eine hohe Temperatur erzeugt, bei welcher die durch Zuschläge leicht
schmelzbar gemachte Schlacke niederschmilzt und auf den Boden sich ansammelt, von wo
sie zeitweilig durch die Oeffnung m abgelassen wird.
Was den rein ökonomischen Theil der Friedmann'schen
Kohlenoxydgasheizung betrifft, so erwähnt Ingenieur Fassel a. a. O. folgendes. Ein Kilogramm guter Steinkohlen besitzt einen totalen
Heizwerth von 7500 Wärmeeinheiten; hiervon gehen bei der Verbrennung in den
Schiffskesseln, bereits im günstigsten Falle, 2100 Wärmeeinheiten durch die mit den
gasförmigen Verbrennungsproducten abziehende Wärme und etwa 300 Wärmeeinheiten durch
Ausstrahlung verloren; durch ungleiche Beschickung und ungeregelte Luftzuführung,
durch Eintreten von Luft bei den Heizthüren, sowie durch Mittelmäßigkeit der
Bedienungsmannschaft ergibt sich zumeist nur ein nutzbarer Heizwerth von 3700
Wärmeeinheiten (und oft auch darunter), also weniger als 50 Proc. des totalen
Heizwerthes. – Bei den Kohlenoxydgasheizungen ergebe sich, wenn keinerlei
Abkühlung und kein Gasverlust stattfände, daß in den Feuerstellen der Dampfkessel
durch ein Kilogramm Kohle – da dann die Verbrennung als vollkommene
aufzufassen ist – 7500 Wärmeeinheiten abgegeben werden.
In den für die Gasheizung eigens construirten Kesseln werden – wegen der
Möglichkeit der Anwendung bedeutend engerer Siederohre und wegen geringerer
Abkühlungsflächen, im Vergleiche zu den jetzigen Schiffskesseln – jedenfalls
75 Proc. der in den Feuerkisten entwickelten Wärmemenge den Kesseln nutzbar
zugeführt werden können; dies wären somit 5625 Wärmeeinheiten für jedes Kilogramm im
Schachtofen aufgeworfener Kohle. Es ist schwer anzunehmen, daß der durch diese
Heizung gegenüber unseren heutigen Schiffskesselheizungen gewonnene Ueberschuß von
1925 Wärmeeinheiten für je ein Kilogramm verwendeter Kohle durch Abkühlungs-
und Gasverluste gänzlich aufgezehrt werden sollte.
Daß die Verbrennung der Kohle zu Kohlensäure mit darauf folgender Reducirung dieser
zu Kohlenoxydgas und endlicher Verbrennung des letzteren – bei Ausschluß von
Abkühlungen und Gasverlusten – als eine vollkommene aufzufassen sei, geht aus
den durch Versuche aufgestellten Fundamentargesetzen hervor, daß 1) gleichviel Wärme
beim Verbrennen des Kohlenstoffes entwickelt wird, ob die Verbindung mit Sauerstoff
auf einmal oder in Zwischenstufen erfolgt und daß 2) bei der Zerlegung einer
Verbindung gerade so viel Wärme gebunden wird, als bei ihrer Bildung frei wurde.
Die schädlichen Einflüsse, welche die Vollkommenheit des Processes bei der
beschriebenen Kohlenoxydgasheizung beeinflußen, sind durch Versuche ziffermäßig
festzustellen; sie bestehen aus den trotz guter Verkleidungen jedenfalls
auftretenden Wärmeverlusten durch Ausstrahlung beim Schachtofen sowohl als bei den
Zuleitungsröhren; aus directen Gasverlusten bei jedesmaligem Beschicken durch die
Gichtöffnung – wenngleich dieselbe sehr gut constructiv hergestellt wird
– und schließlich aus dem Umstande, daß immerhin die Reducirung der Kohlensäure zu
Kohlenoxydgas keine absolut durchgreifende sein könnte und noch eine geringe Menge
Kohlensäure mit in die Rohrleitung gerissen würde, welche den Verbrennungsproceß
dann bekanntlich etwas erschwert.
Gleichwohl ist anzuhoffen, daß bei andererseits guter Ausführung der
Kohlenoxydgas-Heizanlagen noch immer eine Kohlenersparniß sich ergeben
dürfte. Und selbst wenn man sich allen optimistischen Anschauungen in Bezug der
Kohlenersparniß fern hielte, und wenn sogar möglicherweise gar keine Ersparniß in
diesem Sinne resultiren sollte, so wird man sich gewiß mit jenen Vortheilen gerne
begnügen, welche die Anwendung dieser neuen Heizmethode für die Kesselconstruction
und namentlich für den Betrieb bietet – Vortheile, welche allein schon
berufen wären, große Umwälzungen in der Wahl der Maschinen- und Kesselsysteme
für die Dampfschifffahrt anzubahnen.
Die anzuhoffenden Errungenschaften wären folgende:
1) Die Construction der Schiffsdampfkessel würde sehr vereinfacht und das
Eigengewicht derselben verringert werden können. An die Stelle der weiten
Siederöhren könnten – wegen Nichtauftreten der Flugasche – engere
Röhren treten, somit im selben gegebenen Raume mehr Heizfläche entwickelt, eine
vollkommene Abgabe der Wärme an das Kesselwasser ermöglicht und die Temperatur der
abziehenden Feuergase günstiger erniedrigt werden, was – ganz abgesehen vom
höheren pyrometrischen Effecte der Gasheizungen – dem Güteverhältniß der
Kessel zu Gute käme. Eine durchgehende Umwälzung der Kesselconstructionen würde
gewiß eintreten; die runden Formen würden das Feld behaupten, die Kastenkessel ganz
verdrängt werden und durchwegs mit Leichtigkeit höhere Dampfspannungen angewendet
werden können. Auch die Dauer der Kessel würde erhöht werden, da die Reinigung der
runden Hochdruckkessel leicht fällt, und es auch keinem Anstande unterliegen dürfte,
die eigentlichen Verbrennungsräume, welche am meisten durch die Wärme beansprucht
werden, zum Abnehmen und Auswechseln einzurichten; die Kesselwechslungen überhaupt
könnten leicht und ohne große Unterbrechung der Dienstleistung des betreffenden
Schiffes vorgenommen werden, da kleinere Kesseltheile als jetzt zur Anwendung kommen
dürften. Schließlich würden die Schiffskessel im Ganzen genommen dann weniger Raum
im Schiff erheischen und auch raschere Dampferzeuger sein als jetzt, da viel mehr
Heizfläche in einem bestimmten Raume untergebracht werden könnte, als bis jetzt
möglich war.
2) Der Betrieb der Schiffsdampfkessel würde ungemein erleichtert werden. Bei einem
Kesselcomplexe von beispielsweise 1000 nominellen Pferdekräften (2000 Quadratmeter
Heizfläche), dessen Bedienungsmannschaft für Rostfeuerungen pro Wache, außer dem eigentlichen Wartungspersonals, aus beiläufig 20
Heizern und Kohlenziehern besteht, würden bei Anwendung der Gasheizung etwa 5 Mann
genügen, welche nur die Kohlenzuführung und die Schlackenabfuhr zu besorgen hätten.
Dies gäbe eine Verminderung des Heizpersonales auf ein Viertel des jetzigen Standes,
und ist hierbei wohl in Erwägung zu ziehen, daß zum Geschäfte der Kohlenzufuhr und
der Schlackenwegschaffung weder Intelligenz noch Schulung nöthig erscheinen –
zwei Factoren, deren jeweiliger Mangel bei Heizern unserer heutigen Feuerungsanlagen
ganz wesentlich in die Waageschale fällt, da durch einen bezüglichen Mangel die
ganze Betriebsfähigkeit der Schiffsmaschine in zeitliche Frage gestellt wird. Die
Nutzbarmachung der der Kohle innewohnenden Heizkraft würde durch die Gasheizung
nicht mehr vom Bedienungspersonale, von dessen individueller Ausdauer und von
sonstigen schwankenden Fähigkeiten abhängig sein; es entfiele das sogenannte
nutzlose Aufwerfen und das noch bekanntere Wegwerfen der halbverbrannten Kohle und
des Kohlenstaubes, das Eintreten der kalten Luft über den Rosten und die hiermit
verbundenen Nachtheile im Kohlenverbrauche und in der Kesselerhaltung; das Löschen
der Feuer überhaupt und das Herausreißen der Kesselfeuer beim plötzlichen Sinken des
Wassers in den Kesseln könnte rasch und gefahrlos erfolgen; das Reinigen der Feuer,
das Putzen der Röhren und des Kamins würde ganz entfallen; die Verbrennung eine
rauchlose sein und keinerlei Flugasche durch den Kamin auf Deck gelangen können;
– kurz der Betrieb verspräche gegenüber gehalten den heutigen Verhältnissen
ein ungemein gesicherter zu werden.
3) Kohlengattungen minderer Qualität könnten auf Schiffen in Verwendung treten, ohne
weitere Schwierigkeiten beim Verbrennen derselben zu bieten, während jetzt diese
Kohlengattungen vom Schiffskesselbetrieb wegen der bei ihrem Gebrauche auftretenden
Unzukömmlichkeiten so ziemlich ganz ausgeschlossen bleiben müßten. Namentlich
backende Kohlen werden mit zur Benützung gelangen können, was von hoher Wichtigkeit
ist, da gerade diese – wegen ihres großen Wasserstoffgehaltes – einen
besseren Heizwerth abgeben, während sie bei unseren Rostfeuerungen das am meisten
ungern gesehene Heizmaterial sind.
4) Die Emancipirung von den ausländischen Kohlenmärkten könnte dann beinahe
vollkommen angestrebt werden, was der vaterländischen Kohlenindustrie zu Gute
käme.
Alle die vorbesprochenen ökonomischen und Betriebs-Vortheile zusammengehalten
geben der Kohlenoxydgasheizung für Schiffskessel eine große Zukunft; durch die gute
Wahl der hierbei nöthig werdenden Detailconstructionen und durch die Gewinnung der
bei der ersten Ausführung einer solchen Heizung auftretenden Erfahrungsdaten dürfte
sie sich leicht überall Bahn brechen.
In Anbetracht der im Ganzen dann vorzüglichen Umgestaltung des Schiffskesselbetriebes
und bei dem weiteren Umstande, daß derlei Kohlenoxydgasheizungen auch für bestehende
Kessel angewendet werden können, hat das österreichische
Reichs-Kriegs-Ministerium, Marine-Section, die Durchführung
eines einschlägigen Versuches auf Sr. Maj. Panzerfregatte Drache (Maschine von 500 nominellen Pferdekräften), und zwar vorläufig für
die halbe Kesselzahl derselben angeordnet. Die Detailausführung der zu diesem
wichtigen Versuche nöthigen Mittel ist dem k. k. See-Arsenale zu Pola
übertragen worden.
Z.