Titel: | Ueber Leichenverbrennung und Friedhöfe; von Ferd. Fischer. |
Fundstelle: | Band 214, Jahrgang 1874, Nr. XCIX., S. 382 |
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XCIX.
Ueber Leichenverbrennung und Friedhöfe; von
Ferd.
Fischer.
Mit Abbildungen.
Fischer, über Leichenverbrennung und Friedhöfe.
Nach Jacob Grimm
Grimm: Kleinere Schriften, II. S. 218. war die Verbrennung im Alterthume bald die allgemeine Bestattungsweise der
Todten, bald kamen beide Methoden – das Begraben und Verbrennen –
gemeinsam vor; bald begrub man nur unter gewissen Verhältnissen, bald verabscheute
man das Verbrennen überhaupt und beerdigte ausschließlich. Im Allgemeinen herrschte
das Verbrennen vor bei kriegerischen und nomadischen, das Begraben bei
ackerbautreibenden Völkern.
Unstreitig ist das Begraben die älteste Bestattungsform und älter als das Verbrennen;
wenigstens scheint der Steinzeit die Verbrennung der Todten völlig fremd gewesen zu
sein. In Europa wurde der Leichenbrand erst gleichzeitig mit der Bronze durch die
Indogermanen eingeführt, während die, für die europäische Culturentwickelung
wichtigen, nichtindogermanischen Völker, die JudenDoch haben die Juden unter Umständen ihre Leichen auch verbrannt. Vergl. 1.
Samuel 31. 13; 2. Chronika 16. 14 und 21. 19; Jeremias 34. 5; Jesaia 30.
33., Phönizier, Araber, sowie die Chinesen, Aegypter, Etrurier, die
Sisadiner, denen das Feuer als heilig galt, und Andere dagegen ihre Todten
beerdigten. Im südlichen und westlichen Deutschland sowie in der Schweiz scheint die
Leichenverbrennung sogar erst von den Römern eingeführt und durch die christlichen
Priester abgeschafft zu sein.Mittheilungen aus dem Göttinger anthropologischen Vereine, 1874 S. 28.
In Deutschland wurde zuerst im J. 1829 (vergl. dies Journal, 1829 Bd. XXXII S. 226)
die Verbrennung der Leichen wieder in Anregung gebracht, dann im J. 1856 von H. Richter
Gartenlaube, 1856 Nr. 49. doch fanden seine Vorschläge bei Laien und Technikern lebhaften Widerspruch
und wurden wieder vergessen. Seit wenigen Jahren sind von Italienern und Deutschen
verschiedene Vorschläge zur Beseitigung der Leichen gemacht, über deren Werth die
Ansichten noch sehr verschieden sind, daß es gestattet sein möge, die angeblichen
Vortheile und Nachtheile der Leichenverbrennung und der Friedhöfe vom Standpunkt der
Technik und der öffentlichen Gesundheitspflege hier kurz zu besprechen.
Fig. 1., Bd. 214, S. 383
Scheiterhaufen unter freiem Himmel. Die Schifffahrt
treibenden Völker des Alterthums (Skandinavier u.a.) verbrannten ihre Leichen an
den Ufern der Flüsse und den Meeresküsten gewöhnlich auf dem Schiffe, welches
der Todte bei Lebzeiten benützt hatte. Die Römer und Griechen errichteten
Scheiterhaufen (πνρὰ und
rogus) aus 2 bis 3 Meter langen Holzscheiten
(Fig. I). Sie umhingen diese Scheiterhaufen
mit Tüchern, Gewändern und Waffen, warfen Blumen, Vögel und Opferthiere in die
Glut und sprengten Wein und Wohlgerüche hinein.Küchenmeister: Verbreitung der Cholera (1872)
S. 484.
Außerordentlich groß waren die Scheiterhaufen des Patroklus, Hektor, Cäsar; die der
mittleren Stände sind nicht genauer beschrieben, und die der Armen waren so klein,
daß die Leichen nur angesengt und dann in Todtengruben geworfen wurden. Auf den
öffentlichen Brandstätten Roms, culinae genannt,
herrschte dem entsprechend ein so mörderlicher Gestank, daß die Göttin Mephitis
daselbst eine Capelle hatte. Solche Brandstätten mußten wenigstens 15 Stadien oder
2000 Schritt von der Stadt entfernt sein.
Auch in den Urnen, welche in Norddeutschland so häufig gefunden werden, findet sich
nicht etwa ein Häuflein Asche, sondern mehr oder weniger angebrannte und
zerschlagene Knochensplitter. Die Verbrennung war also auch hier ungenügend.
Die Untersuchungen von Bischof
Zeitschrift für rationelle Medicin, 20 S. 75. über die Organgewichte des menschlichen Körpers geben folgende
Zahlenwerthe:
Neugeborene.
Mann.
Weib.
Jüngling.
Knabe.
Mädchen.
Proc. des Gesammtgewichtes des betr.
Individuums
Skelett
15,9
15,1
15,6
17,7
15,7
Muskeln
41,8
35,8
44,2
22,9
23,9
Brusteingeweide
1,7
2,4
3,2
3,0
4,5
Baucheingeweide
7,2
8,2
12,6
11,5
12,1
FettHaut
18,2 6,9
28,2 5,7
13,9 6,2
20,0
13,511,3
Gehirn
1,9
2,1
3,9
15,8
12,2
Der Körper eines Erwachsenen enthält im Durchschnitt 58,5 Proc. Wasser und 41,5 Proc.
Trockensubstanz, der Körper eines Neugeborenen 66,4 Proc. Wasser.
Aus den vergleichenden chemischen Untersuchungen von Bibra,
Lehmann, Heinz u.a. berechnet sich der mittlere Gehalt der festen Knochen
an erdigen Bestandtheilen zu 66,6 Proc.; unter Hinzuziehung der Knorpelmassen, der
Epiphysen und anderer Knochenansätze sinkt dieser Werth aber auf ungefähr 55,0 Proc.
herab, so daß mit Einrechnung des Gehaltes an unverbrennlicher Substanz der
Gewebetheile zu 1 Proc. der Gesammtgehalt an Wasser, Aschenbestandtheilen und
organischen Massen im menschlichen Körper sich durch nachstehende Mittelwerthe
ausdrücken läßt.
Wasser
58,5
Proc.
Brennbare Substanz
32,5
„
Mineralbestandtheile
9,0
„
Die Leiche eines Erwachsenen im Gewichte von 70 Kilogrm. besteht nach dieser
Zusammenstellung annähernd aus:
41,0
Kilogrm.
Feuchtigkeit,
6,3
„
Mineralbestandtheilen (Asche),
22,7
„
brennbarer organischer Masse
und darin 7 Kilogrm. Protëin und 14 Kilogrm. Fettstoffe.
FleckZeitschrift für Epidemiologie, 1874 S. 164. berechnet hieraus, daß bei der Verbrennung dieser organischen Stoffe 65760
Wärmeeinheiten frei werden, welche also hinreichen müßten, die 41 Kilogrm. Wasser zu
verdampfen. Der hohe Wassergehalt würde die Verbrennungstemperatur aber so sehr
erniedrigen, daß an ein Weiterbrennen der etwa angezündeten Leiche nicht zu denken
ist.Vergl. dies Journal, 1873 Bd. CCX S. 234. Selbst wenn getrocknetes Muskelfleisch an einer Flamme angezündet wird, so
brennt nur das Fett, nicht aber die Protëinsubstanz fort; diese überzieht
sich mit einer dichten, glänzenden Kohle, welche nur sehr schwer verbrannt werden
kann. Auch die unter Fleck's LeitungDaselbst S. 138. ausgeführte Verbrennung von zwei Rindern mit Reisig, theergetränktem Stroh
und Holz erforderte 36 Stunden zur Verkohlung; und in Indien, wo der Leichenbrand
noch heute herrscht, wird die Luft dadurch in weitem Umkreise auf das Unerträgliche
verpestet. Also kein Scheiterhaufen.
Professor Ludwig Brunetti in PaduaBrunetti: Cremazione dè cadaveri
(Padova 1873). hat einen Ofen von Backsteinen hergestellt, welcher die Gestalt eines
Parallelogramms hat, mit 10 durch Schieber verschließbare Oeffnungen in den Wänden
um die Luftzufuhr zu reguliren. Im oberen Theile des Ofens sind gußeiserne gewölbte
Flügelthürchen in Form einer Kuppel angebracht, welche geöffnet und geschlossen
werden können, um die Flammen über der Leiche zu concentriren. Diese selbst wird auf
einer breiten eisernen Platte mit starken eisernen Drähten befestigt, weil sie
sollst Bewegungen ausführen würde, auf den im Ofen aufgeschichteten Holzstoß gesetzt
und derselbe angezündet. Es entwickelt sich eine bedeutende Menge starkriechendes
Gas, welches zu einer neuen Leichenverbrennung gebraucht werden kann; von einer
Verwendung zu öffentlichen Beleuchtungszwecken will der Verfasser vorläufig absehen.
Nach etwa 30 Minuten beginnt die Leiche selbst zu verbrennen. Diese Verbrennung übt
nach Angabe des VerfassersWegmann-Ercolani: die Leichenverbrennung
als rationellste Bestattungsart (Zürich 1874) S. 37.
„stets einen großen Eindruck auf das Gemüth aus und macht
tiefsinnig“. Der nach etwa 2 Stunden verkohlte Leichnam wird
zerkleinert und unter Erneuerung des Brennmaterials innerhalb weiterer 2 Stunden
vollständig verbrannt. Angeblich sind zu einer Verbrennung nur 70 bis 80 Kilogrm.
Holz erforderlich. Bei der Verbrennung eines 51 Kilogrm. schweren Mannes wurden nur 1,75 Kilogrm. einer
harten glasartigen Knochenmasse erhalten, 56 Proc. der Aschenbestandtheile waren
demnach als Flugasche fortgeführt. – Das Verfahren ist offenbar völlig
unannehmbar.
Fig. 2., Bd. 214, S. 386
Figur II zeigt den Verbrennungsapparat von H. Thompsons
Scientific American, Mai 1874 S. 295., der unter seiner persönlichen Aufsicht geprüft ist. Ein cylindrischer
Raum von etwa 2 Meter Länge und 1,7 Meter Breite steht mit einem Ofen in
Verbindung, so daß ersterer bis auf etwa 1100° erhitzt werden kann. Der
Leichnam wird in einem Metallsarge auf ein Gitterwerk von feuerfesten Steinen
gestellt und der Verbrennungsproceß ungefähr 55 Minuten unterhalten, nach
welcher Zeit von der Leiche nur etwa 2,5 Kilogrm. Asche übrig geblieben sind. Es
geht also auch hier etwa die Hälfte der unverbrennlichen Stoffe als Flugasche
fort. – Die Kosten einer Verbrennung sollen sich auf 100 bis 140 Mark
belaufen. Daß eine in dem Metallsarge befindliche Leiche in diesem Ofen
innerhalb 55 Minuten völlig verbrannt werden kann, darf wohl bezweifelt
werden.
Der Verbrennungsapparat von Professor Polli
Polli: Sulla incinerazione dè
cadaveri (Milano 1872). in Mailand wird nach einer Zeichnung des Ingenieurs Clericetti von dem eisernen Ringe ab (Fig. III) gestützt, welcher mittels eiserner
Widerlager an den gußeisernen Säulen A, B befestigt ist.
Der Mantel des Verbrennungsapparates, der aus Steingut nach der Form der alten
römischen Aschenurnen hergestellt wird, besteht aus zwei Theilen; der obere cdfe ist unbeweglich und an seiner unteren Seite mit den
Löchern 1 2 3 4 ... durchbohrt, welche zum Einströmen der Luft dienen. Der untere
kann mittels einer Winde von seiner ursprünglichen Lage ef um 470 Millim. in senkrechter Richtung bis e'f
' heruntergelassen werden, wobei der Fuß in die
hölzerne Unterlage voxytz hineintritt. Er trägt eine Art
Untertasse aus Eisenblech HJK, welche die Ueberreste der
Verbrennung aufnimmt und
mittels der zwei Handhaben L bequem herausgenommen
werden kann, um den Inhalt in die Aschenurnen zu entleeren. Die Verbrennung
geschieht mittels Leuchtgas, welches durch drei an ihrer ganzen Oberfläche
durchlöcherte hohle Ringe zugeführt wird. Die zwei unteren Ringe rs und r's' dienen zur
Verbrennung der Leiche, der obere r''s'' Verbrennen des
Rauches.
Fig. 3., Bd. 214, S. 387
Der in ein Tuch gehüllte Leichnam wird auf die Platform AB getragen und in den cylindrischen eisernen Käfig, welcher sich in
dem Verbrennungsgefäß befindet, hinunter gelassen. Es wird nun das aus dem Ringe
rs ausströmende Gas entzündet und beim leisesten
Geräusch oder der geringsten Bewegung, die man bei einem etwaigen Scheintode
wahrnehmen sollte, würde der Käfig mittels der Handhaben αβ und einer Kette sofort heraufgezogen werden –
gewiß eine sonderbare Vorsicht. Nach Augenblicken der Beobachtung öffnet man die
Hähne zu den beiden oberen Ringen r's' und r''s'', um zur völligen Verbrennung zu schreiten.
Der Erfinder gibt zu, daß der Rauch nicht ganz geruchlos, und daß namentlich ein
an gebratenes Fleisch erinnernder Geruch nur schwer zu vermeiden ist –
Grund genug, das Verfahren für unannehmbar zu erklären.
Der Verbrennungsapparat von dem Civilingenieur F. Steinmann ist nach dem Regenerativsystem eingerichtet.
Fig. IV stellt den Schnitt FG, Fig. V Schnitt CDE und Fig. VI Schnitt
AB dar. Nach seiner Angabe besteht der ganze Apparat
aus zwei Theilen, dem Gaserzeuger oder Generator und dem Leichenverbrennungsraum
nebst Schornstein. m ist ein trichterförmiger Schacht
zur Aufnahme der Kohle, welche in zwei Mundlöchern b, b
durch die Füllapparate a, a aufgeschüttet wird. Durch
die Schlitzöffnungen g, g' ist die Verbindung des
Schachtes mit den Canälen l, l' hergestellt. c, c ist eine Wechselklappe, deren Flügel auf der
Zeichnung so eingestellt ist, daß der von ee kommende
Luftstrom, seinen Weg nach rechts durch den Regenerator h' und von da weiter durch l', g' nehmend, die
Kohlenschicht in m durchdringt und hier die
Gasentwickelung bewirkt. Die entwickelten Gase werden alsdann durch g und l abgesogen, gehen durch den linken Regenerator h und die Wechselklappe c
von der entgegengesetzten Seite und gelangen so nach dem Schlot d.
Fig. 4., Bd. 214, S. 388
Es wird also zunächst der Regenerator h die den Gasen innewohnende Temperatur aufnehmen,
welche letztere alsdann beim Umwechseln der Klappe c
sich dem neuen Luftstrom mittheilt, denn es erfolgt in diesem Fall genau die
entgegengesetzte Manipulation. Dadurch aber, daß der neue Luftstrom im erhitzten
Zustand zur Wirkung gelangt, tritt nothwendig auch eine intensivere Gasbildung
ein, und die Gase erhitzen nun in einem höheren Grad den Regenerator h'. Dieser Kreislauf geht also folgendermaßen vor
sich: der eine Regenerator wird erhitzt von den abgehenden Gasen, und der in
entgegengesetzter Richtung eintretende Luftstrom absorbirt einen Theil der
vorher abgegebenen Hitze des anderen Regenerators; diese wird aber jedesmal
wieder ersetzt resp. erhöht beim eintretenden Wechsel.
Fig. 5., Bd. 214, S. 388
Der Schacht m ist auf der unteren
Seite mit Blech verkleidet, damit durch Wasserzulauf zunächst der hermetische
Abschluß hergestellt ist. Die entstehende Asche wird von Zeit zu Zeit bei k mittels einer Krücke herausgenommen, während die
Schlacken durch die gewöhnlich verschlossenen Schlitze n,
n' abgestoßen werden. f ist eine
Drosselklappe zur Regulirung des Luftstromes. Das erste Anzünden der Kohle
erfolgt natürlich von oben, und ist der eine Regenerator auf eine höhere
Temperatur gebracht, so wechselt man von Viertel- zu Viertelstunde.
Wenn man nun auch durch die Luftklappe f die Gasbildung oder Verbrennung so ziemlich in der Gewalt hat, so wird
dennoch, wie Erfahrung lehrt, bereits ein Theil der Kohlenwasserstoffgase in den
Regeneratoren zur Verbrennung gelangen; es bleibt also noch übrig, den nach d entweichenden Theil durch äußere Luft zu entzünden,
welche man durch die fünf Oeffnungen p, die durch
Blechröhrchen auszubüchsen sind, zuführt. Ferner wird durch die permanente
Wasserverdampfung bei k, event. beim Durchströmen der
Dämpfe durch die Glutschichten, eine Wasserzersetzung eintreten, sich also ein stark
wasserstoffhaltiges Gas bilden, das bekanntlich an Intensität alle anderen Gase
übertrifft. Am Mundloch des Schlots d ist noch ein
Netzwerk von Steinen angebracht, damit die Mischung von Luft und brennendem Gas vor
dem Austritt nach dem Verbrennungsraum q sich
vollständig vollziehen kann, so daß nur noch die Feuerluft nach q gelangt.
Fig. 6., Bd. 214, S. 389
Der zu verbrennende Leichnam wird durch die Oeffnung r auf muldenförmige Chamotteplatten gelegt. Der
ganze Raum nach dem Schornstein zu ist durch ein Gewölbe abgeschlossen, in
welchem sich nur die nothwendige Oeffnung, die außerdem mit einer
Regulirungsklappe zu versehen ist, zum Austritt der Gase befindet. Diese Gewölbe
ermöglicht eine gewisse Pression der Feuerluft und damit eine intensive
Einwirkung auf alle Theile des Leichnams.
Ein besonderer Vortheil des Verfahrens besteht noch darin, daß
man dazu sogenannte fette Steinkohle (Backkohle) verwenden kann, welche bei
allen sonstigen Gasgeneratoren nicht verwendbar ist. Nicht unerwähnt darf
bleiben, daß das unvermeidliche starke Geräusch,
welches das Platzen der Leiche im ersten Stadium der Verbrennung verursacht,
hier durch die starken Wände ziemlich unhörbar gemacht wird. (Illustrirte
Zeitung.)
Aehnlich ist das Verfahren von Siemens, doch ist hier nur
ein Regenerator vorhanden.
Nach einer Mittheilung von F. Siemens (Gartenlaube, 1874
S. 312) wird der Gaserzeuger derart in Betrieb erhalten, daß in Zwischenräumen von 4
bis 6 Stunden eine Nachfüllung des verbrauchten Brennmateriales an Steinkohle,
Braunkohle, Holz oder Torf stattfindet. Das gebildete Gas wird in den Regenerator
geführt, wo dasselbe mit einem regulirbaren Luftstrom verbrennt. Die Flamme
durchstreicht die Regeneratorkammer, wodurch die aufgeschichteten Ziegel bis zur
Weißglut erhitzt werden. Die abziehenden Verbrennungsgase bringen noch den Ofen,
welcher zur Aufnahme der Leiche bestimmt ist, zur schwachen Rothglut und entweichen
dann in den Schornstein. Nun wird der Ofendeckel gehoben, der Sarg in die
Verbrennungskammer hinabgelassen (Fig. VII), der
Deckel wieder gesenkt und die Leiche der Rothglut ausgesetzt. Dann wird die
Gasklappe geschlossen, so daß nur im Regenerator bis nahe zur Weißglut erhitzte Luft
in den Verbrennungsraum gelangt und den vorgewärmten und theilweise ausgetrockneten
Leichnam rasch verzehrt.
Mit diesem Apparate sind bereits mehrere Versuche mit ThierleichenZeitschrift für Epidemiologie, 1874 S. 319 und 400. gemacht, sowie auch zwei menschliche Leichname verbrannt. Nach den
Untersuchungen von Schmidt waren die abziehenden
Verbrennungsgase geruchlos und frei von unverbrannten Bestandtheilen; doch konnte
man durch Verminderung der zuströmenden Luft die abziehenden Gase auch sofort
rauchhaltig machen. Thierleichen von 82 Kilogrm. verbrannten in 1 1/2 Stunden und
erforderten für nur 3 Mark Kohlen.
Fig. 7., Bd. 214, S. 390
Es hat sich nachträglich herausgestellt, daß die anfangs zur Verbrennung benützte
weißglühende Luft, bei welcher man die Knochen als eine weißgraue,
porzellanähnliche Masse erhält, nicht so vortheilhaft ist als rothglühende. Nach
einem von Reclam auf der Naturforscherversammlung in
Breslau gehaltenen Vortrage scheint die Verbrennungswärme zwischen 1000 u.
1500° zu schwanken. Auch der Verbrennungsapparat hat einige Abänderungen
erhalten. Er befindet sich nicht mehr unmittelbar unter der Leichenhalle,
sondern neben derselben, und der Sarg gleitet, wenn er in die Gruft
hinabgelassen ist, durch einen zweckmäßig eingerichteten Gang auf Rollen nach
dem Verbrennungsraum, dessen Kopfende durch eine die gesammte Wand einnehmende
eiserne Thür verschlossen ist. Sobald durch die geöffnete Thür der Sarg
eingeschoben ist, wird dieselbe wieder geschlossen und die Verbrennung beginnt.
Nach Angabe des Redners verbrennen die im prachtvollsten Roth leuchtenden Körper
mit vollständig weißer, nach unten herabfließender Flamme, bis nur noch das
glühend leuchtende Skelett übrig ist. Keine Detonation wird vernommen, der
Vorgang ist in allen Theilen ästhetisch schön (?), den Beobachter zur
Bewunderung (?) hinreißend.Beilage zur Augsburger Allgemeinen Zeitung, 1874 S. 4165, 4179 u.
4897.
In Wien sollen von Dr.
Nowak im chemischen Laboratorium der Josephs-Akademie mit
einem von Köhler construirten Ofen Versuche gemacht
werden. (Ausland, 1874 Nr. 21).
Professor Gorini in LodiGorini: la conservazione della salma di Giuseppe
Mazzini (Genova 1873). erhitzt eine von ihm geheim gehaltene Substanz (Salpeter?) bis zum Schmelzen
und verbrennt die Leiche in der wallenden Flüssigkeit. Dr. Pini in MailandWegmann-Ercolani, S. 34 und 42. beschreibt ein Experiment in folgender Weise. Nachdem die Flüssigkeit in
Wallung gekommen war, nahm Gorini von den am Boden
liegenden Bestandtheilen einer menschlichen Leiche ein Bein, einen Fuß, eine Hand,
eine Hüfte (?) und zuletzt einen Kopf, und kaum waren diese Theile mit der heißen
Flüssigkeit in Berührung gebracht, so brannten sie lichterloh auf, und in etwa 20
Minuten waren sie vollständig zerstört; der Rauch und die Gase, welche aus dem
Tiegel emporstiegen, verflüchtigten sich in der Luft; das Zerstörungswerk ging nicht
nur schnell sondern auch ohne alles Geräusch vor sich, und der Geruchsinn der
Umstehenden wurde auch nicht im mindesten beleidigt. (?)
Eine Einzelverbrennung kostet 50 bis 60 Mark; sind mehrere Leichen auf einmal zu
verbrennen, so ist das Verfahren billiger. – Selbst nach diesen
oberflächlichen Angaben läßt sich bestimmt sagen, daß diese Art der sogenannten
Feuerbestattung in keiner Weise empfehlenswerth ist.
Die Leiche des Fürsten Pückler-Muskau wurde am 7.
Februar 1871 von drei Aerzten geöffnet, das Herz in einem Glasgefäße mit 3,5
Kilogrm. Schwefelsäure übergossen, wodurch es bald in eine dunkelschwarze formlose
Masse umgewandelt wurde, das Gefäß in eine kupferne Urne gesetzt und verlöthet. Der
Leichnam selbst wurde in einen Metallsarg gelegt und mit 5 Kilogrm. Natron, 10
Kilogrm. Kali und 12,5 Kilogrm. gebrannten Kalk versetzt, dann in einem Sarge von
Eichenholz mit der Urne zusammen beerdigt. (Gartenlaube, 1874 S. 680.)
Eigenthümlich ist der Vorschlag von Franz Johann Kral:Kral: Die irdische Auferstehung. Eine
naturwissenschaftlich-philosophische Betrachtung (Brünn 1873) S.
8.
„Ich hin ganz damit einverstanden, daß mein Cadaver zuerst in den
Secirsaal, dann in das pathochemische Laboratorium gelange, um nach meinen im
Leben gegebenen Memorialen untersucht zu werden, im Interesse der Wissenschaft
und der Menschheit. Meine Ueberreste sollen dann zweckmäßig verkleinert werden.
Die Maschinen dazu existiren bereits und brauchen daher nicht mehr erfunden zu
werden. Meine so zerkleinerten Ueberreste werden mit Salzsäure versetzt.
Knochen- und Muskelsubstanz und leimgebende Gewebe geben mit geringen
Mengen von Salzsäure eine Gallerte. Diese soll mit Erde innig gemischt werden,
und dieses Gemenge so lange liegen, bis es reif und tauglich wird zur Düngung
der Felder. Ich weiß, ich werde Nachahmer finden,(?) man braucht keine
Kirchhöfe, man kann diese zu saatentragenden Feldern machen.“
Von diesem Standpunkte aus wäre es offenbar rationeller, die Leichen erst auf
Leuchtgas zu verarbeiten, die rückständige Kohle in der Zuckerfabrikation und dann
zum Düngen der Felder zu verwenden, oder aber die Todten im Magen der Ueberlebenden
zu bestatten, wie dies – zum Theil durch religiöse Anschauungen veredelt
– noch heute unter wilden und halbwilden Völkerschaften geschieht und auch im
Nomadenzeitalter der indogermanischen Race bekannt war.
Im Gegensatz zu diesen Vorschlägen, welche eine möglichst rasche Zerstörung des Leichnams bezwecken, suchten die Aegypter und einige
amerikanische Indianerstämme diesen möglichst zu conserviren. Worin das Verfahren bestand, hat selbst durch chemische
Untersuchung der Mumien nicht entdeckt werden können.Zeitschrift für Epidemiologie, 1874 S. 157.
Dr. v. SteinbeisBeilage zur Augsburger Allgemeinen Zeitung vom 3. Juni 1874. hat vorgeschlagen, die Leichen in einem Troge von Portlandcement mit
Romancement zu bedecken. Diese Steinsärge können zum Bau von Kirchen verwendet, oder
als selbstständige Monumente auf einem Friedhofe aufgestellt werden.
(Schluß folgt.)