Titel: | Ueber die Absorption des Ammoniaks der Luft durch die Pflanzen; von Th. Schlösing. |
Fundstelle: | Band 214, Jahrgang 1874, Nr. CII., S. 404 |
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CII.
Ueber die Absorption des Ammoniaks der Luft durch
die Pflanzen; von Th.
Schlösing.
Aus den Comptes rendus, 1874 t. LXXVIII
p. 1700.
Schlösing, über Absorption des Ammoniaks der Luft durch die
Pflanzen.
Man nimmt allgemein an, daß das in der Atmosphäre verbreitete Ammoniak von den
Blättern der Pflanzen direct aufgenommen wird und ihnen als stickstoffhaltiges
Nahrungsmittel dienen kann. Da diese Assimilation aber bis jetzt noch nicht
experimentell nachgewiesen worden ist, so habe ich im letztvergangenen Jahre
Versuche darüber angestellt. Es wurden zu diesem Zweck zwei Pflanzen ein und
derselben Art unter gleichen Bedingungen gezogen – mit dem einzigen
Unterschiede, daß die eine ihre Blätter in einer ammoniakhaltigen, die andere
dieselben in einer ammoniakfreien Atmosphäre entwickelte. Die nachher angestellte
Analyse der Pflanzen mußte dann entscheiden, ob die erste reicher an assimilirtem
Stickstoff sei als die andere. Um das den Luftorganen der Pflanzen dargebotene
Ammoniak reguliren und messen zu können, mußte man dieselben in eine begrenzte,
erneuerbare und vom Boden vollständig getrennte Atmosphäre einschließen. Die
letztere Vorsichtsmaßregel war unerläßlich, um jede Möglichkeit einer Absorption des
Ammoniaks durch die Wurzeln zu vermeiden.
Ich habe mich zweier Apparate bedient, welche demjenigen ähnlich sind, den ich beim
Tabak zur Ermittelung des Einflusses der Verdunstung auf die Absorption der
Mineralstoffe verwendete (Comptes rendus, t. LXIX p. 353), und auch eben dieselbe Pflanze gewählt, weil
ihr gerader und fester Stängel die zur Einschließung des ganzen oberirdischen
Theiles in eine Glocke erforderliche Vorrichtung erleichtert. Ein solcher Apparat
besteht aus einem hölzernen Kasten, welcher 75 Kilogrm. Erde enthält, aus einem
kreisförmigen Becken, welches auf der Kiste steht und den Stängel der Pflanze durch
eine in der Mitte befindliche Oeffnung hindurchläßt, und einer 250 Liter fassenden,
über das Becken gestürzten Glasglocke. Sämmtliche Fugen sind vollständig verkittet,
und das Blattwerk des Tabaks mithin in eine Atmosphäre eingeschlossen, welche
beliebig verändert werden kann. Ich erneuerte fortwährend die Atmosphären mittels
Röhren – und zwar in der Weise, daß alle 24 Stunden 1200 Liter Luft
hinzukamen; diese Luft enthielt ungefähr 1 Proc. Kohlensäure.
Was das Ammoniak betrifft, welches der einen Atmosphäre zugesetzt werden mußte, so
war es schwierig dasselbe ununterbrochen gasförmig einzuführen. Ich zog daher vor,
den Boden des einen Beckens mit einer verdünnten Lösung von
anderthalb-kohlensaurem Ammoniak zu bedecken, und diese jeden Tag zu
erneuern. Da ich bei jeder Operation die Volumen und Gehalte der aus- und
eingeführten Flüssigkeiten bestimmte, so besaß ich alle zur Berechnung des in der
Atmosphäre der Glocke vertheilten Ammoniaks erforderlichen Elemente. Die Tension des
Ammoniaks mußte stark genug sein, um den Blättern eine merkliche Menge
stickstoffhaltiger Nahrung zuzuführen, und schwach genug, um ihnen nicht zu schaden;
diese Tension hing von der vorher festzustellenden Stärke der Lösung ab. Ich habe
mich für einen Gehalt von 0,900 Grm. Sesquicarbonat im Liter Wasser entschieden.
Um der gasförmigen Nahrung, deren Wirkung zu ermitteln war, mehr Einfluß zu gewähren,
ließ ich die beiden Pflanzen in einem magern Untergrunde, welcher 80 Centim. tief
aus meinem Boulogner Felde genommen worden war, vegetiren.
Der Versuch begann am 31. Juli, wo die beiden Pflanzen sich hinreichend entwickelt
hatten, und dauerte bis zum 14. September.
Die Blätter, Knospen, der Stängel, die Wurzel einer jeden Pflanze wurden separat
gesammelt, getrocknet und gewogen. Den Stickstoff bestimmte man auf die meiner
Ansicht nach einzig vollkommen sichere Weise, nämlich durch Verbrennung der
organischen Materie – und zwar zuerst in jedem einzelnen Pflanzentheile und
dann in der ganzen Pflanze, indem man das zu analysirende Gemenge aus, den Gewichten
der verschiedenen Theile proportionalen, Quantitäten herstellte. Zur Erhöhung der
Genauigkeit operirte man immer mit 2 bis 3 Grm.
Ergebniß der Versuche.
In die Atmosphäre des Apparates I gelangtes Ammoniak (vom 31. Juli
bis 14. September) 1,327 = 1,093 Stickstoff.
Da das in die Glocke gelangte Luftvolum 45mal 1200 Liter oder 54
Kubikmeter betrug, so folgt daraus, daß jeder Kubikmeter durchschnittlich 25
Milligrm. Ammoniak, oder in runden Zahlen 1 Gew. Th. Luft 0,00002 Gew. Th. Ammoniak
enthielt.
Gewichte der Erndten.
Nr. 1 (gespeist mit
Ammoniakgas)
Nr. 2.
Ausgerippte BlätterRippen und
Knospen
46,7
Grm. 18,1 „
Ausgerippte Blätter u. KnospenDie Knospen waren aus Versehen unter die Blätter gekommen.
49,75 Grm.
Stängel
28,5 „
Rippen
7,00 „
Wurzel
53,6 „
Stängel
35,00 „
––––––––––
Wurzel
47,25 „
Summe
146,9 Grm.
––––––––––
Summe
139,00 Grm.
Stickstoff in den ganzen
Tabakpflanzen.
3
Grm.
von
Nr. 1
gaben
66,44
Milligrm.
Stickstoff,
also
2,22
Proc.
3
„
„
Nr. 2
„
53,13
„
„
„
1,77
„
Nr. 1 hatte den normalen Stickstoffgehalt erreicht, welchen man in einer derartigen
Pflanze unter den natürlichen Wachsthums-Bedingungen findet. Nr. 2 dagegen
blieb merklich dahinter zurück; ihr fehlte also die nöthige stickstoffhaltige
Nahrung, während die erste hinreichend davon bekommen hatte. Da der Boden bei beiden
von gleicher Beschaffenheit war, so muß man annehmen, daß das der ersten Pflanze
dargebotene Ammoniakgas als Ergänzungsmittel der Ernährung gedient hatte.
Nach obigen Analysen enthielten
die
146,9
Grm.
von
Nr. 1
3,260
Grm.
Stickstoff
„
139,0
„
„
Nr. 2
2,460
„
„
––––––––––––––––
Differenz
0,800
Grm.
Stickstoff.
Setzt man diesen Ueberschuß an Ammoniak in Nr. 1 auf Rechnung des gasigen Ammoniaks,
so findet man, daß von den 1,093 Grm. Stickstoff, welche während des Versuches in
der Form von Ammoniak zu Gebote standen, der Tabak 0,800 Grm. d. i. ungefähr drei
Viertel aufgenommen hat.
Das aufgenommene Ammoniak bildete natürlich organische Verbindungen; in der That
wurde es in der Pflanze weder als Ammoniak noch als Salpetersäure wieder
gefunden.
10 Grm. von Nr. 1 enthielten
3,02
Milligrm.
NH₃
10 „ „
Nr.
2 „
4,03
„
„
Mithin enthielt die ganze Pflanze
Nr. 1
44,4
„
„
= 36,4 N
„ „ „ „
„
Nr. 2
56,0
„
„
= 45,9 N
5 Grm. von Nr. 1 enthielten
4,2
Milligrm.
NO₅
5 „ „
Nr.
2 „
2,7
„
„
Mithin enthielt die ganze Pflanze
Nr. 1
123,9
„
„
= 32,0 N
„ „ „ „
„
Nr. 2
75,6
„
„
= 19,6 N
Addirt man den Stickstoff des Ammoniaks zu dem der Salpetersäure, so bekommt man
für
Nr.
1
68,4
Milligrm.
„
Nr. 2
65,5
„
Es war interessant zu ermitteln, ob die Absorption des Ammoniaks durch die Blätter
einigen Einfluß auf die Bildung des Nicotins ausgeübt hatte.
Die
Blätter
von
Nr. 1
enthielten
1,87
Proc.
Nicotin
„
„
„
Nr. 2
„
1,78
„
„
Der Unterschied ist so gering, daß man den Einfluß gleich Null betrachten darf.
Die stickstoffhaltigen Verbindungen, welche in Folge des assimilirten Ammoniaks
entstanden, sind nicht ganz in den Blättern verblieben, sondern haben sich in der
ganzen Pflanze verbreitet, was die Stickstoffbestimmungen in den verschiedenen
Theilen der beiden Pflanzen beweisen. Es enthielten Stickstoff:
Nr. 1.
Nr. 2.
Entrippte Blätter
3,18 Proc.
2,62 Proc.
Stängel nebst Rippen
2,08 „
1,62 „
Wurzel
1,33 „
1,09 „
Sämmtliche Theile von Nr. 1 sind mithin reicher an Stickstoff
als die von Nr. 2.
W.