Titel: | Ueber ein neues alkalisches Solidblau; nach Jeanmaire. |
Fundstelle: | Band 215, Jahrgang 1875, S. 78 |
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Ueber ein neues alkalisches Solidblau; nach
Jeanmaire.
Jeanmaire, über ein neues alkalisches Solidblau.
Sei es Verdruß über die Unechtheit der Anilinfarben, sei es, daß der Geschmack des
Publicums in Folge von Uebersättigung gegen allzu lebhafte Farben, wie Anilinblau
oder Ultramarin, abgestumpft worden ist – Thatsache ist, daß er sich in den
letzten Jahren allmälig den zuverlässig echten, wenn auch minder feurigen
Indigotönen wieder genähert hat. Man konnte diese Wandlung schon auf der Wiener
Ausstellung beobachten
(vergl. Kielmeyer, über die Colorie der Wolle und
Baumwolle u.s.w., in diesem Journal, 1873 211 313); aber
auch die neuerdings veröffentlichten Studien über Verbesserungen in der Fabrikation
des in letzter Zeit vernachlässigten Solidblaus zeigen deutlich, daß die
Laboratorien der Druckfabriken in dieser Richtung mit einem wirklichen, praktischen
Bedürfniß der Mode Fühlung gewonnen haben.
Das Solidblau ist allerdings eine umständliche, mancherlei Zufälligkeiten
unterworfene Fabrikation; sie verlangt von Seiten des Coloristen eine specielle
Pflege und Ueberwachung, welche man bei den heutigen Verhältnissen der größeren
Etablissements einer einzelnen Specialität nicht mehr angedeihen lassen kann. Ein
Abkömmling des mit noch mehr Umständen, Kosten und unvermeidlichem Farbverlust
verknüpften Fayenceblaus hat es dieses, welches seinerseits wieder direct vom alten
Küpenblau sich ableitete, seit Anfang der dreißiger Jahre gänzlich aus den
Druckereien verdrängt. Doch kann eine kurze Beschreibung des noch aus dem vorigen
Jahrhundert datirenden Fayenceblaudruckes wesentlich dazu dienen, das Solidblau
selbst näher zu charakterisiren.
Das Fayenceblau wurde Bedürfniß, als man anfing, feinere blaue Muster mit
vorherrschendem Weiß auszuführen, für welche das gewöhnliche Küpenverfahren sich
nicht eignete. Gestoßener Indigo wurde in Wasser möglichst fein abgerieben,
Eisenvitriollösung zugesetzt, das Ganze mit Gummi verdickt, auf das Baumwollgewebe
gedruckt, und die bedruckte Waare durch die warme Kalkküpe, dann durch die
Eisenvitriolküpe genommen. Der Eisenvitriol begleitet den natürlichen Indigo als
Desoxydationsmittel, welches aber erst im Kalkbad wirksam wird, wo Hand in Hand mit
der Reduction die Lösung des Indigos sich vollzieht; der Sauerstoff der Luft
regenerirt sodann auf dem Gewebe den blauen Indigo, der aber jetzt innig mit der
vegetabilischen Faser verbunden ist, während er zuvor nur mechanisch ihr anhaftete.
Um diese Reduction und Ueberführung des Indigos in die lösliche Form allmälig und
doch vollständig durchzuführen, wurde die Waare abwechslungsweise durch eine Reihe
von Kalk- und Eisenvitriolküpen genommen, dazwischen immer wieder der Luft
exponirt, schließlich in der Schwefelsäureküpe vom anhängenden Eisenoxyduloxydhydrat
befreit, gut gewaschen und endlich geseift.
Während also beim Fayenceblaudruck der ganze chemische Proceß auf dem Gewebe sich
abspielte, wird beim Verfahren des Solidblaus die Reduction des Indigos schon im
Laboratorium ausgeführt, um die Fabrikation sicherer und einfacher zu gestalten. Die
Reduction kann bewerkstelligt werden durch Kochen von Indigo mit Zinnsalz und
Natronlauge; das
gewöhnliche Verfahren ist jedoch das mit Eisenvitriol und Kalk, indem man folgende
Indigoküpe ansetzt:
618
Kilogrm. gestoßener Indigo, auf der Mühle mitLiter Wasser fein
zerrieben, werden mit
25100
Kilogrm. gebranntem Kalk undLiter heißem Wasser vermischt, dann
zugefügt
1870
Kilogrm. Eisenvitriol, gelöst inLiter heißem Wasser.
Das Ganze gut verrührt und zuletzt noch
200
Liter kaltes Wasser zugegeben.
Nach öfterem Umrühren läßt man ruhig absitzen, um nur die klare
gelbe Lösung zu
verwenden. Von dieser werden
90
Liter versetzt mit
4 1/2
Kilogrm. Zinnlösung (1 Th. Zinnsalz, 1 Th. Salzsäure von 1,18 spec.
Gew.).
Den hierbei sich ausscheidenden Niederschlag läßt man auf dem Filtrirbeutel
abtropfen, preßt ihn aus, ohne zuvor zu waschen, und verdickt ihn in diesem Zustand
mit einer Lösung von gebrannter Stärke oder Dextrin oder mit Gummiwasser, z.B. auf 1
Kilogrm. Zinnindigoniederschlag 1 Liter gebrannte Stärke. Für Dunkelblau gibt man
auf 5 Liter dieses so verdickten Niederschlages 2 Liter salpetersaures Eisenoxydul
zu (erhalten durch doppelte Zersetzung von 10 Kilogrm. Eisenvitriol und 10 Kilogrm.
salpetersaurem Blei in 20 Liter kochendem Wasser). Hellblau dagegen erhält einen
Zusatz der angegebenen Zinnlösung, z.B. auf 1 Kilogrm. Niederschlag 2 Liter
Gummiwasser und 100 Grm. Zinnlösung.
Der reducirte Indigo haftet auch hier wieder nach dem Druck nur mechanisch an der
Baumwolle; um ihn auf die Verbindung mit der vegetabilischen Faser vorzubereiten,
und um das Zinnsalz oder das Eisensalz zu neutralisiren, gehen die bedruckten Stücke
rasch durch eine Rollenkufe mit Kalkmilch (ca. 8° B. stark) und von hier
direct in den Fluß, wo das Indigoweiß während eines halbstündigen Aufenthaltes sich
zu Indigoblau oxydirt. Sodann wird eine halbe Stunde bei 60° geseift,
gewaschen, durch verdünnte Schwefelsäure genommen (auf 1000 Liter Wasser 1/4
Kilogrm. englische Schwefelsäure) und, wenn die Druckfarbe salpetersaures
Eisenoxydul enthielt, in derselben sauren Flotte unter Zusatz von gelbem blausaurem
Kali 3/4 Stunde kalt gefärbt, wieder gewaschen und schließlich ein äußerst schwaches
Chlorbad gegeben.
Da Jeanmaire in seiner Abhandlung (Bulletin de Mulhouse, September 1874 S. 436 u. sf.) sich auf dieses
gewöhnliche Solidblau bezieht, ohne die Zusammensetzung seiner Farbe nach Maß und
Gewicht anzugeben, so war des Verständnisses halber eine eingehendere Besprechung
dieser Farbe geboten. Die Solidblaufabrikation leidet namentlich an den Uebelständen, daß der
reducirte Indigo, noch ehe er auf die Baumwolle gelangt, vielfach Gelegenheit findet
sich zu oxydiren, daß die Farbe im Kalkbad gern austritt, daß sie mit einem
beträchtlichen Farbverlust behaftet ist, und daß sie nur die Kombination mit
Anilinschwarz zuläßt. Die neueren Bestrebungen zielen nun dahin ab, den Indigo durch
solche Substanzen zu desoxydiren, welche – in Alkalien selbst löslich
– der alkalischen Indigoweißlösung im Ueberschuß beigegeben werden können, um
die Druckfarbe von dem Einfluß der Luft unabhängig zu machen.
Zwar existirte lange vor dem Solidblau eine derartige Farbe, das sogenannte
Pinselblau, welches anfänglich mit dem Pinsel aufgetragen, später wohl auch als
Ueberdruckfarbe für leichte Soubassements im Rouleaudruck verwendet wurde. Sie
leitete sich von der sogenannten Opermentküpe ab und wurde erhalten, indem man
Indigo, kaustische Lauge, gelben oder rothen Arsenik kochte, bis Alles gelöst war,
und dann mit Gummi verdickte. Die bedruckte Waare wurde nur gewaschen und geseift.
Die Farbe entspricht offenbar den neuen Anforderungen, aber wegen ihrer schädlichen
Ausdünstung mußte sie verlassen werden. Nach einer anderen Vorschrift für
alkalisches Solidblau wurde der Indigo mit Zinnoxydul, Natronlauge und Zucker
gekocht, alles zusammen mit Gummi verdickt und nach dem Druck einfach gewaschen.
Schützenberger und de Lalande
ist es neuerdings gelungen, mit Hilfe des Kalksalzes und des Natronsalzes der von
ihnen dargestellten hydroschwefligen Säure eine concentrirte alkalische Lösung des
Indigos herzustellen. Sie verdicken die Lösung, indem sie gleichzeitig einen
Ueberschuß der beiden reducirenden Salze und von Kalkmilch zufügen, um damit die
Baumwolle zu bedrucken (vergl. 1873 209 446).
Gros-Renaud berichtet (im Bulletin de Rouen, 1874 S. 17) sehr ausführlich und sehr günstig über das
Schützenberger'sche Verfahren. Eine Auswahl
beigefügter, wohlgelungener mehrfärbiger Musterflecke läßt ersehen, daß das Blau
eine Reihe von Combinationen, wie mit Anilinschwarz, Chamois, Grau, Cachou und den
verschiedenen Garancinefarben zuläßt, unter Ausschluß der Dampffarben.
Jeanmaire macht nun auf die Selbstzersetzung der
hydroschwefligsauren Salze aufmerksam, bezeichnet sie als einen großen Uebelstand
der Schützenberger'schen Farbe, und schlägt ein anderes
alkalisches Solidblau vor, indem er die bekannte Eigenschaft der Weinsäure benützt,
Eisen- und Zinnverbindungen bei Zusatz von überschüssigen Alkalien in Lösung
zu erhalten. Doch gibt er keine directe Vorschrift für seine Farbe, sondern
beschränkt sich auf die Angabe, man solle einem gewöhnlichen Solidblau doppelt so
viel Weinsäure zusetzen, als es Eisensalz enthalte, und dann mit Natronlauge
übersättigen, bis die Farbe ein reines Gelb zeige. Oder um die besondere Darstellung
des reducirten Indigos zu umgehen, soll man den natürlichen, in Wasser zerriebenen
Indigo mit Hilfe von Natronlauge und weinsaurem Eisenoxydul oder Zinnoxydul auflösen
und mit hellblondem Dextrin verdickt auf die Baumwolle drucken Jeanmaire zieht die Dextrinverdickung einer anderen vor, weil sie am
wenigsten Neigung hat, mit Alkalien und mit Metallsalzen zu coaguliren. Er hält die
Farbe so dünn als möglich, ohne ein Austreten zu befürchten, erwärmt sie, wie auch
Schützenberger, beim Drucken auf 30 bis 40°
und setzt, um das Schäumen zu vermindern, 1 bis 2 Proc. Petroleum zu. Gros-Renaud sucht dieser Schwierigkeit dadurch zu
entgehen, daß er das Blau ohne Auftragwalze druckt, so daß die Kupferwalze direct
aus dem Farbschiff sich mit Farbe versieht. Im Hitzkasten darf nicht zu scharf
getrocknet werden, weil leicht das Alkali und die reducirende Substanz einen Theil
des Indigoweißes in der Hitze zersetzen, wodurch die Farbe einen grauen Ton erhält.
Aus demselben Grund eignet sich das Blau auch nicht zum Dämpfen, wobei überdies ein
Fluß entsteht, der sich in Form von gelben Rändern um die blauen Contouren
bemerklich macht.
Vor dem Bedrucken nimmt Jeanmaire die Waare auf der
Klotzmaschine durch verdünntes Glycerin (16 Th. Wasser, 1 bis 2 Th. Glycerin), oder
durch ebenso verdünnten Glycerinarsenik, oder er gibt dem verdünnten Glycerin noch
einen Zusatz von 25 Grm. Zinnsalz pro Liter, und hat durch diesen Vortheil sowohl in
Hinsicht der Ausgiebigkeit, als der Nüance sehr günstige Resultate erzielt. Nach dem
Druck werden die Stücke entweder den anderen Tag in den Fluß gehängt – oder
am gleichen Tag, um vor dem Abstecken gesichert zu sein, durch verdünnte
Schwefelsäure von 1,01 spec. Gew. genommen, gewaschen und geseift. Wenn Eisenchamois
oder Mordants für die Garancinefärberei mitgedruckt sind, ist die Säurepassage
natürlich nicht zulässig. Bei Anwesenheit von Garancineroth muß der Weinsäuregehalt
in der Druckfarbe bedeutend gesteigert werden, um sicher zu sein, daß das Roth ohne
Verunreinigung durch Eisensalz in die Farbflotte komme. Ist Cachou unter den
Nebenfarben, so muß warm verhängt und nachher chromirt werden, und für die
Combination von Chromorange und Blau muß dem Schwefelsäurebad ein Zusatz von
schwefligsaurem Natron oder Eisenoxydulsalz gegeben werden, um das Blau zu schützen
gegen die graue Nüancirung durch die aus dem salpetersauren Blei freiwerdende
Salpetersäure.
Endlich gibt Jeanmaire noch eine Vorschrift zur Bereitung
des weinsauren Eisenoxyduls. Er bereitet sich dasselbe durch Auflösen von 500 Grm. Eisenchlorür, 1
Kilogrm. Weinsäure, 50 Grm. Zinnsalz in möglichst wenig heißem Wasser. Der Zusatz
des Zinnsalzes hat nur den Zweck, dem Eisenchlorür beigemengtes Oxydsalz zu
reduciren. – Oder er digerirt den Niederschlag, den man erhält durch Fällen
von 1 Kilogrm. Eisenchlorür mittels 1,2 Kilogrm. krystallisirter Soda, mit der
wässerigen Lösung von 400 Grm. krystallisirter Weinsäure, sammelt den hierbei sich
neubildenden Niederschlag von weinsaurem Eisenoxydul, und löst ihn durch weitere 500
Grm. Weinsäure auf. Auf entsprechende Weise, schließt Jeanmaire, könne auch weinsaures Zinnoxydul dargestellt werden.
Kl.