Titel: | Achtfärbige Walzendruckmaschine; von Tulpin Frères in Rouen. |
Autor: | Tulpin |
Fundstelle: | Band 215, Jahrgang 1875, S. 111 |
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Achtfärbige Walzendruckmaschine; von Tulpin Frères in
Rouen.
Mit Abbildungen auf Taf.
III und IV.
Tulpin's achtfärbige Walzendruckmaschine.
Auf der Wiener Ausstellung 1873 hatte J. Sumner eine
zwölffärbige Walzendruckmaschine der Firma Mather and Platt in Manchester vorgeführt. Dieselbe wird,
entsprechend dem jetzt allgemein geltenden Grundsatz, daß der Gang einer
Druckmaschine von den Unregelmäßigkeiten der Haupttransmission einer Fabrik
unabhängig sein soll, durch eine eigene zweicylindrige Dampfmaschine von 12
Pferdekraft angetrieben. Die gußeiserne Trommel, um welche die zwölf Kupferwalzen
angeordnet sind, hatte einen Durchmesser von 1,5 Meter, entsprechend einem Umfang
von 4,7 Meter, verhältnißmäßig geringe Dimensionen in Vergleich zur Anzahl der
Druckwalzen. Die Maschine überraschte auch mehr durch compacte Anordnung und
geringen Platzbedarf als durch besondere Vorrichtungen oder durch die Zahl der
Druckwalzen; ist es doch bekannt, daß im Elsaß und in England seit einiger Zeit
zwölf- und sechzehnfärbige Maschinen im Gang sind, wenn auch nicht alle
Kupferwalzen als Farbwalzen, sondern zum Theil als sogen. Wasserwalzen –
zwischen den eigentlichen Farbwalzen vertheilt – benützt werden. Wenn nun die
seit vielen Jahren in der Druckindustrie hochangesehene Firma Tulpin Frères in Ronen der dortigen neugegründeten Société industrielle (vergl. Bulletin derselben, August 1874 S. 191 u.s.f.) die Zeichnungen einer jüngst
von ihr construirten achtfärbigen Walzendruckmaschine vorgelegt hat, so ist dieselbe
hauptsächlich als die erste aus dieser Fabrik
hervorgegangene Druckmaschine dieses größeren Kalibers einiger Beachtung werth;
nebenbei liefert sie aber auch den Beweis, wie gründlich der Rouener Industriebezirk
die Mission auffaßt, in Frankreich die Lücke der ausgefallenen Elsäßer Industrie
auszufüllen.
Die Tulpin'sche Maschine bietet übrigens auch sonst durch
Verbesserungen und Abweichungen von anderen Constructionen genügendes Interesse.
Ursprünglich nur für 6 Walzen bestimmt, ist in ihren Dimensionen und in dem Bau
ihres Gestelles die Anwendung von 8 Walzen vorgesorgt. Zum Antrieb dient eine
zweicylindrige Dampfmaschine N mit zwei unter 45°
gegeneinander convergirenden Dampfcylindern, welche mittels zweier Zahnräder die
Achse O in Bewegung setzt, wenn die Klauenkuppelung p geschlossen ist. Die Drehung der Achse O wird von Innen auf das außen und innen verzahnte Rad
Q und von diesem an acht außen um das Rad Q vertheilte kleinere Räder R übertragen – sämmtlich Theilräder mit Ausnahme desjenigen,
welches zu der beim Rapportsuchen als fix betrachteten Druckwalze gehört. Letztere
ist also immer dieselbe, wenn schon dieses oder jenes Muster durch irgend eine
Eigenthümlichkeit der Zeichnung eine freie Wahl der fix zu behandelnden Walze
wünschenswerth macht. Jedes dieser Theilräder sitzt auf dem einen Ende einer
Zwischenwelle S, deren anderes Ende durch einen Muff u mit der Spindel der zugehörigen Druckwalze verbunden
ist. Diese ganze Anordnung sieht zwar etwas voluminös aus, aber sie bietet
hauptsächlich den Vortheil, daß mit Walzen von 0,115 Meter Durchmesser (entspr.
0,360 M. Umfang) bis zu 0,340 M. Durchmesser (entspr. 0,750 M. Umfang) gedruckt
werden kann, ohne daß man genöthigt ist, für die verschiedenen Größen der Walzen
einen Vorrath der theuren Theilräder zum Auswechseln bereit zu halten, wie dies der
Fall ist bei Maschinen englischer und deutscher Construction, beiweichen die
Theilräder direct auf den schmiedeisernen Spindeln der Kupferwalzen sitzen. Die
einzige Veränderung bei wechselnder Größe der Druckwalzen ist mit der Stellung der
Trommel B vorzunehmen, insofern sie bei großen Walzen
höher, bei kleineren niedriger gestellt wird – eine Bewegung, welche durch
Auf- oder Zudrehen einer vom Schwungrade K aus
beweglichen senkrechten Schraube H bewerkstelligt
wird.
Natürlich ist es bei dieser Anordnung nicht möglich, wie bei den englischen oder
deutschen Maschinen, die Walzen von der Seite der Maschine mit ihren Spindeln in die
Lager einzulegen; dies geschieht vielmehr von der Vorderseite der Maschine. Will man
dies als weniger bequem
für den Drucker ansehen, so ist dafür das Gestell A
nicht so sehr in Aeste ausgeschnitten und bietet darum mehr Spielraum für die
Schlittenvorrichtungen, mit welchen die einzelnen Druckwalzen C sammt den zugehörigen Farbschiffen L gegen
die Trommel bewegt werden. Das Gestell ist ohnehin größer angelegt als bei den
anderen Maschinen, da auch die Trommel größere Dimensionen hat, was sonst nicht
gerade als besonders vortheilhaft beim Druck namentlich zarterer Muster angesehen
wird. Die Tulpin'sche Trommel hat nämlich bei einem
Durchmesser von 1,05 Meter einen Umfang von 3,30 Meter, während der Umfang der
Trommel bei den entsprechenden Maschinen von Mather and
Platt 3,00 Meter und bei den Köchlin'schen Maschinen gar nur 2,90 M. beträgt.
Die Druckwalzen sind also jede durch einen Muff u mit
ihren: Getriebe R in Verbindung gesetzt; das Lager einer
jeden Walze befindet sich in einer Art Schlitten, welcher, in das Hauptgestell
eingelassen, durch eine Schraube gegen die Trommel B
verstellt, und durch einfache Hebelpression oder durch Kautschukpression oder durch
das Zusammenwirken beider an dieselbe angepreßt, somit der Druck der gravirten
Kupferwalze gegen die Trommel B genau regulirt werden
kann. Dieses Combiniren der beiden Pressionssysteme ist ein glücklicher Gedanke
– um so mehr, als man nach Belieben nur eine Pression ebenso gut wie beide
zusammen benützen kann, und die Hebelpression durch eine sicher und ruhig wirkende
einfache Construction erzielt wird.
Sämmtliche Hebelarme d₅, d₄, d₃ für die vorderen Walzen
und d₂, d₁,
d für die entsprechenden Walzen auf der hinteren
Seite der Maschine sind an der Außenseite des Gestelles angebracht und lassen so den
ganzen inneren Raum der Maschine für das Einlegen der Walzen und das Einsetzen der
Abstreichmesser und der Farbschiffe sammt den Auftragwalzen frei, was als ein
weiterer Vortheil der Maschine hervorzuheben ist. Nur die Hebel für die beiden
untersten Walzen C befinden sich innerhalb des Gestelles
A, und zwar ist dies eine übersetzte Hebelanordnung,
bestehend aus den unteren Hebelarmen b, b₁ und
den oberen Armen a, a₁ beziehungsweise verbunden
durch die Schrauben c, c₁ und beschwert durch die
Gewichte q₁, welche auf der Brücke q aufgelegt sind Fig. 18 (Taf. III [a/3]). Die oberen Hebelarme drehen sich auf der festen
Stange FF, welche zugleich als Verbindungsstück
der beiden Seitengestelle dient, aber leicht nach Bedarf herausgenommen werden kann.
Diese doppelte Bestimmung des Zwischenstückes FF,
sowie dessen Beweglichkeit sind wieder eine Anordnung, durch welche sich die Tulpin'sche Maschine von anderen unterscheidet, die
gewöhnlich oben und unten je zwei unbewegliche Querbalken zur Versteifung des ganzen
Gestelles erhalten.
Die Zeichnungen stellen die Druckmaschine im Zustand der Ruhe dar, die Kuppelung bei
p ist also ausgelöst, die Spindeln der Druckwalzen
sind außer Verbindung mit ihren Muffen u. Wird aber
diese Verbindung hergestellt, die Kuppelung p durch den
Griff P geschlossen und die Dampfmaschine durch das
Handrad n (Fig. 18 Taf. III [b/3]), welches durch die Welle O' auf das Dampfventil einwirkt, in Gang gesetzt, so nehmen die
angepreßten Kupferwalzen C die große Trommel B (in entgegengesetzter Drehungsrichtung) mit.
Gleichzeitig drehen sich auch die Auftragwalzen in den Schiffen L, da sie mit den Druckwalzen durch kleine Zahnräder in
Verbindung stehen.
Auf der Rückseite der Maschine (vergl. Fig. 1 und 2 Taf. IV) zweigt sich das
Gestell für die Aufnahme des aufgerollten Mitläufers (Lauftuches) und für die
aufgerollte weiße Druckwaare ab. Beide gehen zwischen einer Reihe von horizontalen
Spannstäben durch; der Mitläufer – auf dem Weg über den drehbaren
cylindrischen Breithalter z₁ – trifft mit
dem endlosen Drucktuch auf der Vorderseite der hölzernen Leitwalze M, die Druckwaare auf ihrem Weg über den Breithalter z mit dem Mitläufer und Drucktuch kurz vor der Walze C' zusammen. Alle drei Tücher erhalten ihren Zug von der
Trommel B, so daß sie von hinten nach vorn zwischen
Trommel und Druckwalzen wie gewöhnlich hindurchpassiren.
Wie das Kegelrad an der Trommelachse H rechts im Eingriff
mit dem Kegelrad an der verticalen Spindel y (Fig. 18 Taf.
III [b/2]) vermuthen läßt, gibt diese den Antrieb für
die Vorrichtung im oberen Stockwerk, um die bedruckte Waare aus dem Hitzkasten
heraus über die Trockenplatten und Leitwalzen innerhalb desselben zu ziehen.
(Dieselbe mag nun auf eine Holzwalze aufgerollt oder durch einen Selbstleger
abgelegt werden.)
Von der linken Seite der Trommel B wird dagegen die
Rakelbewegung abgeleitet, und zwar durch eine auf der Trommelachse sitzende
Nuthscheibe, von welcher das senkrechte Stangenpaar G, G
– geführt längs der vier horizontalen Zapfen D
– hin und her bewegt wird; durch die Zahnstangen und Radsegmente x, und durch Hebelübersetzung erhalten schließlich die
Abstreichmesser oder Rakeln r' ihren ruckweisen
Hin- und Hergang längs der Kupferwalzen – eine Bewegung, welche an und
für sich unscheinbar, für den Druck aber von größter Bedeutung ist. Während die
Rakeln r' hinter der Walze, welche soeben mit Farbe sich
bedeckt hat, die nicht gravirten Theile der Walze blank säubert, hat die vorn angebrachte
Conter-Rakel r nur die etwa von der Druckwaare
auf der Kupferwalze zurückgelassenen Verunreinigungen von dem Farbschiff
zurückzuhalten und steht mit der angedeuteten Rakelbewegung in keiner Verbindung.
Beide Systeme von Rakeln werden durch Hebelgewichte an ihre Walzen angedrückt, und
hier war es dem Constructeur wieder möglich, mit den einfachen, von oben nach unten
wirkenden Hebeln die zweckmäßigste Anordnung zu treffen, und gleichzeitig den Rakeln
selbst eine vortheilhafte Lage anzuweisen. Die Gebrüder Tulpin haben in den einzelnen Detailen wie in der ganzen Anlage ihrer
Druckmaschine gezeigt, daß sie mit dem Gang und der Bedienung einer solchen Maschine
vertraut und mit den Bedürfnissen und Fortschritten der Rouleaudruckerei wohl
bekannt sind.
Kl.