Titel: | Untersuchungen über Explosivstoffe. Explosion des Schiesspulvers; von Capitän Noble und F. A. Abel. |
Fundstelle: | Band 215, Jahrgang 1875, S. 124 |
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Untersuchungen über Explosivstoffe. Explosion des
Schiesspulvers; von Capitän Noble und F. A.
Abel.
Aus den Comptes rendus, 1874 S.
204.
Noble und Abel, Untersuchungen über Explosivstoffe.
Vorliegende Untersuchungen schließen sich denjenigen an, welche von Capitän Noble im
J. 1868 begonnen wurden und den Gegenstand einer im J. 1871 der Institution
royal zu London überreichten Abhandlung bildeten. Sie hatten zum Zweck:
1) Die Verbrennungsproducte des Kanonenpulvers unter ähnlichen Bedingungen zu
bestimmen, wie sie bei der Explosion des Pulvers in Kanonen oder in Minen
auftreten.
2) Die Spannkraft der Verbrennungsproducte im Momente der Explosion sowie das Gesetz
zu bestimmen, welches diese Spannkraft je nach den Aenderungen der gravimetrischen
Dichtigkeit des Pulvers regelt.
3) Festzustellen, ob eine Modification in der Dichtigkeit oder in den Dimensionen der
Pulverkörner von einer sehr merkbaren Aenderung – sei es in der
Zusammensetzung oder in dem quantitativen Verhältniß der Explosionsproducte –
begleitet ist.
4) Zu erfahren, ob und innerhalb welcher Grenzen der Druck, unter welchem die
Verbrennung des Pulvers vor sich geht, auf die Art der stattfindenden Reaction einen
Einfluß ausübt.
5) Das Volumen der durch die Explosion des Pulvers entwickelten permanenten Gase zu
bestimmen.
6) Die Explosion des Pulvers in einem geschlossenen Gefäße mit derjenigen eines
ähnlichen Pulvers in der Seele einer Kanone zu vergleichen.
7) Die durch die Explosion des Pulvers entwickelte Wärmemenge zu bestimmen und daraus
die Temperatur im Augenblicke der Explosion abzuleiten.
8) Die Arbeit zu bestimmen, welche das Pulver einem Projectil in der Seele einer
Kanone mittheilen kann, und daraus seinen theoretischen Totaleffect in einer Seele
von unbestimmter Länge abzuleiten.
Die experimentellen Operationen umfaßten:
1) Die Bestimmung der entwickelten Druckkräfte.
2) Die Volumbestimmung der permanenten Gase.
3) Die Bestimmung der entwickelten Wärme.
4) Das Auffangen der Gase.
5) Das Aufsammeln der festen Producte.
6) Die Analysen der Gase und der festen Producte.
Der Probe wurden fünf verschiedene Pulversorten unterworfen – nämlich:
Kiespulver oder Kieselpulver (poudre Pebble);
grobkörniges Pulver für gezogene Kanonen (R. L. G.),
feinkörniges Kriegspulver (F. G.) und feinkörniges
Pulver für Carabiner (R. F. G.), alle vier Gattungen aus
der Fabrik zu Waltham-Abbey, endlich ein spanisches Pulver mit groben runden
Körnern (spherical Pellet powder). Diese letztere Sorte
wählte man zu den Versuchen, weil sich zwischen seiner Zusammensetzung und derjenigen der englischen
Pulvergattungen ein ziemlich bedeutender Unterschied zeigte. Die Zusammensetzung
dieser fünf Pulver ist in folgender Tabelle I dargestellt.
Tab. I. Analysen der den Versuchen unterworfenen
Pulvergattungen.
Bestandtheile inProcent.
Pulver von Waltham-Abbey.
SpanischesPulver.
Kieselpulver.
PulverR. L.
G.
PulverR. F.
G.
PulverF.
G.
Salpeter
74,67
74,95
75,04
73,55
75,3
Schwefels. Kali
0,09
0,15
0,14
0,36
0,27
Chlorkalium
–
–
–
–
0,02
Schwefel
10,07
10,27
9,93
10,02
12,42
Holzkohle
KohlenstoffWasserstoffSauerstoffAsche
12,120,421,450,23
14,22
10,860,421,990,25
13,52
10,670,522,660,24
14,09
11,360,492,570,17
14,59
8,650,381,680,63
11,34
Wasser
0,95
1,11
0,80
1,48
0,65
Die Mengen des bei den verschiedenen Versuchen verbrannten Pulvers variirten zwischen
100 und 750 Grm. Der Apparat, dessen man sich zur Einschließung der Pulverladungen
bediente, bestand aus einem Gefäß von Stahl, welcher sorgfältig in Oel gehärtet
wurde. Die Hauptöffnung der Kammer war durch einen sogenannten Schießpfropf (firing plug) verschlossen, welcher mit großer Sorgfalt
an seinen Ort geschraubt und eingeschliffen war. In dem Pfropf selbst befand sich
ein conisches Loch, welches durch einen anderen gleichfalls sehr genau eingefügten
Pfropf verschlossen und durch eine Schicht von sehr dünnem Papier isolirt war. Die
Entzündung wurde mit Hilfe zweier Drähte bewerkstelligt, von denen der eine in den
kleinen isolirten Pfropf, der andere in den Schießpfropf eingelassen war; ein sehr
feiner Platindraht, welcher durch eine kleine mit Pulver gefüllte Glasröhre lief,
vereinigte ihre beiden Enden. Diese Vorrichtung setzte man mit einer Daniell'schen Batterie in Verbindung und entzündete so
die Ladung.
In der Kammer waren noch zwei andere Oeffnungen angebracht, deren eine mit der
Vorrichtung für das Entweichen der Gase communicirte, während die andere den Apparat
zur Bestimmung der Spannkräfte der Gase im Augenblicke der Explosion enthielt. Die
mit diesem Apparate bestimmten Spannkräfte variirten zwischen 1 und 86 Tonnen pro
Quadratzoll engl. (etwa zwischen 140 und 12100 Atmosphären). Der gefährliche
Charakter der nach einem solchen Maßstabe ausgeführten Operationen machte die größte
Vorsicht nothwendig; wenn die Oeffnung des Explosionsgefäßes nicht vollkommen
verschlossen war, so entwichen die Gase plötzlich mit Heftigkeit, indem sie den
Pfropf zerstörten.
Man hat in der Absicht, die Zeit zu bestimmen, welche die nicht gasförmigen Producte
nach der Explosion brauchen, um wieder fest zu werden, besondere Beobachtungen
angestellt und gefunden, daß ungefähr zwei Minuten dazu gehörten, wenn die Ladung
die Kammer ausfüllte.
Die Zusammensetzung der aus der Detonation der drei englischen Pulversorten
entwickelten Gase war immer sehr regelmäßig; es wurden jedoch secundäre Abweichungen
bemerkt, welche übrigens ziemlich bestimmt auftraten, und von der die Gaserzeugung
begleitenden Spannung beeinflußt waren; die wichtigste dieser Abweichungen bestand
in einer regelmäßigen Volumvermehrung der Kohlensäure und einer Volumverminderung
des Kohlenoxydgases mit zunehmender Spannung. Die Zusammensetzung der festen
Producte zeigte viel beträchtlichere Verschiedenheiten, hauptsächlich in der
Beschaffenheit der Schwefelverbindungen. Diese Schwankungen wurden nicht allein bei
den Explosionsproducten verschiedener Pulver, sondern in
gleichem Maßstabe bei den Producten eines und desselben
Pulvers beobachtet, welches unter verschiedenen Spannungsbedingungen abgebrannt
wurde – und dieses ohne Beziehung zur Spannkraft, ausgenommen bei sehr
kleinen Drücken, wo das Pulvervolumen nur den zehnten Theil des Rauminhaltes der
Kammer betrug.
Obgleich sich die Formel der bei der Detonation eines Pulvers von mittlerer
Zusammensetzung in einem geschlossenen Gefäße eintretenden chemischen Reactionen aus
den oben angeführten Gründen nicht unter der Form eines präcisen Ausdruckes
darstellen läßt, so glauben sich doch die Verfasser auf Grundlage ihrer Versuche zu
dem Ausspruche berechtigt, daß die in neueren chemischen Abhandlungen adoptirte
Theorie der Zersetzung des Schießpulvers, welche auf die durch Bunsen und Schischkoff erlangten Resultate sich
stützt, ebenso weit davon entfernt ist, die allgemeine Zersetzung des Schießpulvers
genau auszudrücken, als die so lange herrschende alte Theorie, nach welcher die
Producte der Explosion nur aus Schwefelkalium, Kohlensäure und Stickstoff bestehen
sollten. Nach den Resultaten der Analysen kann man folgende Thatsachen als
feststehend annehmen:
1) Die Menge von Kohlenoxydgas, welche aus der Explosion eines Schießpulvers
resultirt, dessen Gehalt an Salpeter und Kohle nach den alten Theorien nur
Kohlensäure geben sollte, ist viel beträchtlicher, als man bis jetzt angenommen
hat.
2) Die Menge des kohlensauren Kalis, welches unter allen Umständen (mögen diese auf
die Beschaffenheit des Pulvers oder auf die Explosionsspannung Bezug haben)
entsteht, ist viel größer, als sie nach den Resultaten von Bunsen und
Schischkoff oder anderer Autoritäten geschätzt worden
ist.
3) Das Maximalquantum an schwefelsaurem Kali, welches die in Rede stehenden Versuche
nachgewiesen haben, ist viel geringer, als das von Bunsen
und Schischkoff, Linck und Karolxi gefundene.
4) Das Schwefelkalium tritt nie in großer Menge auf, obgleich dieselbe im Allgemeinen
größer ist, als Bunsen und Schischkoff angegeben haben. Es ist Grund vorhanden zu glauben, daß
dasselbe in den meisten Fällen als ursprüngliches Resultat der Explosion des
Schießpulvers in beträchtlichen Mengen vorkommt.
5) Das unterschwefligsaure Kali ist ein sehr wichtiges, wenn auch in quantitativer
Hinsicht sehr wechselndes Product der Zersetzung des Schießpulvers in geschlossenen
Gefäßen. Es ist sehr wahrscheinlich, daß seine Bildung derjenigen des
Schwefelkaliums untergeordnet ist, und daß man es innerhalb gewisser Grenzen als den
Vertreter des letzteren in dem festen Explosionsproducte des Pulvers betrachten
kann, d.h. theilweise und in veränderlicher Menge aus der Oxydation des im
Explosionsmomente gebildeten Schwefelkaliums durch den frei werdenden Sauerstoff
entstanden.
6) Die Menge des Schwefels, welche in die ursprünglichen, im Augenblicke der
Explosion stattfindenden Reactionen nicht eintritt, ist sehr verschieden; in einigen
Fällen ist sie sehr bedeutend, während in anderen ausnahmsweisen Fällen das ganze
Schwefelquantum an der Reaction theilnimmt. Bei dem Kieselpulver, dessen
mechanischer Zustand (d.h. Größe und Regelmäßigkeit der Körner) einer gleichförmigen
Zersetzung unter wechselnden Druckbedingungen vielleicht günstiger ist, als
derjenige der kleinkörnigen Pulversorten, ist die Quantität des im Zustande des
Vielfach-Schwefelkaliums bleibenden Schwefels sehr regelmäßig, wenn man die
unter der Minimalspannung erhaltenen Producte ausnimmt. Es ist auch zu bemerken, daß
bei dem Pulver R. L. G. unter den gleichen Umständen
sehr wenig Schwefel ausgeschieden wird, und daß bei dem Pulver F. G. – immer unter denselben Bedingungen
– kein freier Schwefel als Rückstand sich vorfindet.
7) Was die übrigen gasförmigen oder festen Producte anlangt, so können diese, da sie
fast immer nur in kleinen und schwankenden Mengen vorkommen, nicht als wichtige
Explosionsproducte des Schießpulvers angenommen werden; es läßt sich daher beinahe
gar nichts bestimmtes über dieselben angeben.
Als Beleg für ihre Angaben haben die Verfasser in nachstehenden Tabellen die
Zusammensetzung der Explosionsproducte von drei Hauptsächlich untersuchten Pulvergattungen
unter verschiedenen Explosionsspannungen numerisch zusammengestellt. Diese Beispiele
sind aus einer großen Anzahl von Analysen der durch die Explosion der Pulversorten
unter verschiedenen Drucken gelieferten Producte ausgewählt.
Tab. II. Analysen der Explosionsproducte.
Kieselpulver.
R. L. G.
F. G.
Explosionsspannung in Tonnen
pro Quadr.-Zoll
1,4
12,5
1,6
35,6
3,7
18,2
Gewicht der festen Producte
Proc.
56,12
55,17
57,22
57,14
58,17
58,09
Gewicht d. gasförm. Producte
„
43,88
44,83
42,78
42,86
41,83
41,92
Kohlensaures Kali
Proc.
55,50
56,15
52,56
65,71
59,39
43,03
Schwefelsaures Kali
„
15,02
11,93
20,47
8,52
24,22
21,00
Unterschwefligsaures Kali
„
20,73
6,12
20,37
8,59
5,30
32,07
Einfach-Schwefelkalium
„
7,41
19,12
4,02
7,23
5,12
–
Schwefelcyankalium
„
0,09
0,23
Spur
0,36
0,02
0,23
Salpetersaures Kali
„
0,48
0,20
0,56
0,19
0,08
0,19
Kali
„
–
–
–
–
–
2,98
Anderthalb-kohlens. Ammoniak
„
0,16
0,08
0,06
0,18
0,15
0,03
Schwefel
„
0,61
6,17
1,25
9,22
5,72
0,47
Kohle
„
Spur
Spur
0,71
–
Spur
Spur
–––––
–––––
–––––
–––––
–––––
–––––
100,00
100,00
100,00
100,00
100,00
100,00
Gasförmige
Producte inVolumprocenten:
Kohlensäure
46,66
49,82
48,99
41,79 (?)
47,41
53,02
Kohlenoxydgas
14,76
13,36
8,98
8,32
12,35
7,91
Stickstoff
32,75
32,19
35,60
34,64
32,35
34,20
Schwefelwasserstoff
3,13
1,96
4,06
2,61
3,76
2,03
Sumpfgas
–
0,58
0,29
0,41
–
0,50
Wasserstoff
2,70
2,08
2,07
2,04
4,13
2,13
Sauerstoff
–
–
–
0,18
–
0,15
–––––
–––––
–––––
–––––
–––––
–––––
100,00
99,99
99,99
89,99
100,00
99,94
Tab. III.
Zusammensetzung der durch die Explosion von 1 Grm. Pulver
erhaltenen Producte.
Kieselpulver.
R. L. G.
F. G.
Kohlensaures Kali
Grm.
0,3115
0,3098
0,3007
0,3755
0,3454
0,2499
Unterschwefligsaures Kali
„
0,1163
0,0338
0,1166
0,0491
0,0308
0,1863
Schwefelsaures Kali
„
0,0843
0,0658
0,1171
0,0487
0,1409
0,1220
Schwefelkalium
„
0,0416
0,1055
0,0230
0,0413
0,0298
–
Schwefelcyankalium
„
0,0005
0,0013
Spur
0,0021
0,0001
0,0013
Salpetersaures Kali
„
0,0027
0,0011
0,0032
0,0011
0,0005
0,0011
Kali
„
–
–
–
–
–
–
Anderthalb-kohlens. Ammoniak
„
0,0009
0,0004
0,0003
0,0009
0,0009
0,0002
Kohle
„
–
–
0,0072
–
–
0,0173
Schwefel
„
0,0034
0,0340
0,0041
0,0527
0,0333
0,0027
–––––
–––––
–––––
–––––
–––––
–––––
Gewicht der festen
Producte
0,5612
0,55171
0,5722
0,5714
0,5817
0,5808
Tab. III.
Zusammensetzung der durch die Explosion von 1 Grm. Pulver
erhaltenen Producte.
Kieselpulver
R. L. G.
F. G.
Schwefelwasserstoff
Grm.
0,0134
0,0084
0,0166
0,0077
0,0154
0,0081
Sauerstoff
„
–
–
–
(?)
–
0,0006
Kohlenoxydgas
„
0,0519
0,0473
0,0303
0,0356
0,0416
0,0258
Kohlensäure
„
0,2577
0,2770
0,2597
0,2750
0,2517
0,2718
Sumpfgas
„
–
0,0012
0,0006
0,0015
–
0,0009
Wasserstoff
„
0,0007
0,0005
0,0005
0,0003
0,0010
0,0005
Stickstoff
„
0,1151
0,1139
0,1201
0,1085
0,1091
0,1117
–––––
–––––
–––––
–––––
–––––
–––––
Gewicht der gasförmigen
Producte
0,4388
0,4483
0,4278
0,4286
0,4183*
0,4192*
*Die Summe macht eigentlich 0,4188 beziehw. 0,4194. D. Red.
(Fortsetzung folgt.)