Titel: | Ueber die neuesten Fortschritte in der Soda- und Chlorkalk-Industrie in England; von Dr. Georg Lunge (South-Shields). |
Autor: | Georg Lunge [GND] |
Fundstelle: | Band 215, Jahrgang 1875, S. 140 |
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Ueber die neuesten Fortschritte in der
Soda- und Chlorkalk-Industrie in England; von Dr. Georg Lunge (South-Shields).
(Schluß von Seite 70 des vorhergehenden Heftes.)
Lunge, über die neuesten Fortschritte in der Soda- und
Chlorkalk-Industrie.
Entschieden die größte Umwälzung, welche sich im Gebiete der Sodafabrikation
vollzogen hat (denn über die Hargreaves'sche
Sulfatdarstellung sind doch die Acten noch nicht vollkommen abgeschlossen), bezieht
sich auf deren Nebenzweig, die Darstellung von Chlorkalk.
Es ist gar nicht nöthig zu erweisen, daß die alte Methode der Chlordarstellung aus
natürlichem Braunstein unrettbar dem Untergange verfallen ist, mit Ausnahme der
wenigen Procente, welche zum Ersatze des wiederbelebten Mangansuperoxyds benöthigt
werden. Es gereicht eben nicht zum Ruhme der deutschen Sodafabrikation, daß sie auf
diesem Gebiete den Engländern so träge nachhinkt, denn es handelt sich hier weder um
ein zweifelhaftes Experiment, noch um sehr kostspielige Fabrikationsanlagen,
wenigstens beim Weldon'schen Proceß. Die einzige
Entschuldigung, welche die deutschen Fabrikanten allenfalls für ihre Zurückhaltung
in dieser Beziehung
anführen könnten, nämlich die Unentschiedenheit, ob Weldon's oder Deacon's Verfahren vorzuziehen
sei, kann man heut noch kaum gelten lassen. Das Urtheil der Engländer ist so
entschieden für Weldon ausgefallen, daß man nur sagen
kann: wenn auch Deacon's Verfahren theoretisch demjenigen von Weldon weit
überlegen ist und vielleicht dasjenige der Zukunft
genannt werden kann, so ist es doch sicherlich nicht das der Gegenwart, welchen Rang unbedingt das Weldon'sche beanspruchen kann. Man darf annehmen, daß in diesem Jahre in
England 85000 Tonnen Chlorkalk (inclusive des chlorsauren Kalis, welches hier und im
folgenden immer auf sein technisches Aequivalent von Chlorkalk berechnet und in
dessen Ziffern inbegriffen ist) fabricirt werden. Davon kommen auf:
Das alte Verfahren aus natürlichem Braunstein, excl. des für
Weldon nöthigen
Zuschusses
10000
Tonnen
Fabrik von St. Rollox (meistens nach Dunlop's Verfahren
regenerirtes
Mangansuperoxyd)
10000
„
Nach Deacon's Verfahren
5000
„
„ Weldon's Verfahren
60000
„
––––––––––––––
85000
Tonnen.
Das Dunlop'sche Verfahren ist in Deutschland längst
bekannt; es ist in der That sehr geistreich, aber ziemlich complicirt und erfordert
ein enormes Anlagecapital. Es hat sich niemals über seine Ursprungsstätte, die
berühmte Tennant'sche Fabrik zu St. Rollox bei Glasgow
hinaus verbreitet; und diese Firma hat in ihrer neuen großen Fabrik zu Hebburn nicht
das Dunlop'sche, sondern das Weldon'sche Regenerationsverfahren eingeführt, eine Thatsache, welche
jeden weiteren Commentar unnöthig macht.
Für das Verfahren von Deacon
Vergl. 1870 198 540. 1871 199 128. 200 398. 1872 206 243. 1873 209
443. sind, so weit ich ermitteln kann (und meine Ziffern, wenn sie auch nicht
absolute Genauigkeit beanspruchen können, beruhen auf so sorgfältigen Erkundigungen,
daß sie der Wahrheit mindestens sehr nahe kommen werden),
zwölf Apparate in England gebaut worden, in
Frankreich keine, in Deutschland zwei (in Stolberg bei Aachen und bei Kunheim in Berlin). Ueber die deutschen Anlagen weiß ich
nichts näheres, von den englischen kann ich folgendes mittheilen. Im Districte von
Lancashire und weiter südlich sind überhaupt acht
Apparate nach Deacon gebaut worden, alle berechnet für
eine Production von 50 Tonnen Chlorkalk per Woche. Augenblicklich (Anfangs November
1874) scheint auch nicht ein einziger davon auch nur entfernt die Hälfte obiger Production zu erreichen; derjenige Apparat,
welcher gewöhnlich
für den besten in Lancashire gehalten wird, und anfangs 24 Tonnen machte, bringt
jetzt nur 13 bis 14 Tonnen wöchentlich fertig. Von den anderen stehen mindestens 4
ganz still und 3 (oder 4) haben dem Patentinhaber schon gekündigt. Eine Fabrik
mindestens hat den Apparat, trotz seiner enormen Kosten, schon wieder
niedergerissen. Von den acht erwähnten Fabriken haben sechs sich entschlossen, zu Weldon's Verfahren
überzugehen, und großentheils schon den Apparat dazu hergestellt; einige von ihnen
besitzen schon ältere Apparate nach Weldon, so daß drei
derselben je zwei und drei
Apparate nach Weldon in Thätigkeit stehend oder im Bau
haben. Im Tyne-Districte existiren vier Anlagen
nach Deacon. Davon ist eine ganz außer Thätigkeit, die drei anderen arbeiten noch,
aber sämmtlich nur schwachen Chlorkalk, von etwa 28
Proc., also solchen, welcher die im englischen Handel normale Grädigkeit von 35
Proc. nicht erreicht. Die eine der Fabriken am Tyne, welche den theuersten und
besten existirenden Apparat nach Deacon gebaut hatte
(deren Besitzer auf das Höchste dafür eingenommen sind oder doch waren) und welche
in der That bessere Resultate als irgend eine andere Fabrik erzielt hatte (sie ist
vielleicht die einzige Fabrik, in welcher der Apparat mehr als die Hälfte des Jahres
in regelmäßiger Arbeit gewesen ist), welche früher in der Woche bis 24 Tonnen
Chlorkalk von 35 Proc. lieferte, kann jetzt nur noch 16 bis 18 Tonnen schwachen Chlorkalk fertig bringen, während der in
derselben Fabrik existirende Apparat von Weldon in bester
Ordnung arbeitet. Unter solchen Umständen ist es begreiflich, wenn auch nicht eine
einzige Fabrik die Absicht zu haben scheint, das Deacon'sche Verfahren neu einzuführen. Man muß demnach leider sagen, daß
dieser so vielversprechende, so geistreich in allen Einzelheiten ausgedachte und von
dem Erfinder mit so bewundernswerther Ausdauer und so bedeutenden Geldopfern
eingeführte Proceß, in seiner jetzigen Gestalt nicht erfolgreich gewesen ist. So muß
ich denn auch dem günstigeren Urtheile meines Freundes Pattinson in seiner kürzlich (Ende October) gehaltenen Antrittsrede in der
Newcastle Chemical Society ganz entschieden
widersprechen – mit dem Bemerken, daß Pattinson
weder praktischer Fabrikant ist, noch die mir zu Gebote stehende, zuverlässige
Information befaß. Ich habe von Interessenten theils aus mündlichen Unterhaltungen,
theils aus Originalbriefen ein ganz anderes Urtheil gewonnen. Nach Weldon's Verfahren existiren (Anfang November 1874):
Im Betriebe
32
Apparate
mit
54
Oxydationsthürmen
Im Bau begriffen
15
„
„
23
„
–––
–––
47
Apparate
mit
77
Oxydationsthürmen.
deren Production, wenn fertig, auf 80000 Tonnen jährlich
beabsichtigt ist, aber auf 150000 Tonnen ausgedehnt werden könnte.Nach neuester Information (datirt 10. November 1874) von Hrn. Weldon beträgt die Anzahl der fertigen Apparate
33 mit 56 Oxydationsthürmen und die der im Bau begriffenen oder bestellten
15 mit 30 Thürmen. Außerdem sind noch 10 Fabriken projectirt. In Frankreich sind von den vier
größten Sodafabriken drei im Bau, die vierte in diesbezüglichen Unterhandlungen. In
Deutschland arbeitet die Silesia in Saarau schon einige
Jahre nach Weldon, eine andere Fabrik (in Pommern) soll
ebenfalls damit beschäftigt sein. In Belgien existirt eine Fabrik und in Norwegen
ist eine im Bau.
Woher kommt es nun, daß das Weldon'sche Verfahren sich
eine bleibende Stätte im Kreise der Sodafabrikation erkämpft hat, während das Deacon'sche nicht erfolgreich gewesen ist?
Wenn das Deacon'sche Verfahren erfolgreich gewesen wäre,
so hätte es in der That einen der glänzendsten Triumphe neuerer Wissenschaft in
ihrer Anwendung auf die Technik dargestellt, und sämmtliche Chlorkalkfabrikanten,
selbst diejenigen welche für Weldon schwärmen, müssen
innig bedauern, daß sie nicht im Stande sind, ein Verfahren anzuwenden, welches
theoretisch und, wie es eine Zeit lang schien, selbst praktisch so große Vorzüge vor
dem Weldon'schen besaß. Bei letzterem muß man doch die
Salzsäure in hergebrachter Weise condensiren, und das Chlor desselben erst durch
natürlichen oder regenerirten Braunstein isoliren, wenn auch die Arbeit mit dem
letzteren viel einfacher und besser als bei dem alten Verfahren ist. Dann muß man
die Manganlösung wieder auf frisches Mangansuperoxyd verarbeiten, wobei sich doch
Verluste nicht vermeiden lassen, und einen bedeutenden Theil der Salzsäure geradezu
zur Neutralisirung des nothwendig zugesetzten Ueberschusses von Kalk verschwenden.
Zu der Operation des Oxydirens sowohl als zum Führen der Chlorentwickelung und zum
Neutralisiren der Manganlaugen sind geschickte und zuverlässige Arbeiter
erforderlich, und doch kommen namentlich beim Oxydiren manchmal Fehlgriffe vor,
wodurch „rothe“ oder „steife“ Chargen
entstehen, welche sehr viel Salzsäure brauchen und sehr wenig Chlor ausgeben.
Freilich ist der Weldon-Proceß mit allen diesen
Schattenseiten den englischen Sodafabriken jetzt ebenso geläufig und handgerecht als
irgend ein anderer Zweig ihrer Fabrikation. Der Deacon-Proceß dagegen verspricht viel mehr. Während beim Weldon-Proceß im besten Falle zu einer Tonne
35procentigem Chlorkalk 56 Centner Kochsalz gebraucht werden, bei alleiniger
Anwendung der Pfannengase sogar 69 Centner, sollte man nach Deacon aus dem
Pfannengase allein eine Tonne Chlorkalk auf 32 Centner Kochsalz, mindestens aber die Hälfte des Gewichtes an Chlorkalk von
dem angewendeten Salze erhalten, also 20 Centner Chlorkalk auf 40 Centner Salz. Man
gebraucht ferner keinen Braunstein, sondern durch bloßen Contact mit den mit
Kupfervitriol imprägnirten Thonkugeln unter Einwirkung einer bestimmten Temperatur
sollte sich das Salzsäuregas mit dem Sauerstoff der Luft in Chlor und Wasser
umsetzen. Die Salzsäure ist dabei keiner vorherigen Condensation unterworfen,
sondern wird gasförmig angewendet, wie sie aus der Sulfatpfanne entweicht. Das
Chlorgas wird gleich nach seiner Entwickelung gekühlt, gewaschen und getrocknet und
dann von einer dünn ausgebreiteten Kalkschicht absorbirt, so daß man an einem Ende
des Apparates Kochsalz und Schwefelsäure einträgt, und am anderen Ende fertigen
Chlorkalk auszieht – leider nicht in infinitum.
Endlich last, not least – statt daß bei der
gewöhnlichen und mindestens eben so bei der Weldon'schen
Chlorentwickelung ein Druck des Gases nach außen stattfindet, wodurch ein Entweichen
von Gas und gelegentliche Belästigung der Nachbarschaft sehr leicht hervorgerufen
werden, ist bei dem Deacon-Proceß eine saugende
Kraft am Ende des ganzen Apparates thätig, welche die Bewegung der Gasfäule bewirkt
und das Entweichen von Chlor in die atmosphärische Luft völlig ausschließt. Sobald
also nur eine hinreichende Absorptionsfläche geboten und ein Entweichen von
unabsorbirtem Chlor am Ende des Apparates vermieden ist, kann ein Gasverlust und
eine Belästigung der Nachbarschaft durchaus nicht stattfinden. Nach Deacon sollte übrigens auch die bei der Chlorbildung in
seinem Apparate frei werdende Wärme so groß sein, daß nur sehr wenig Brennmaterial
erfordert würde, um den Apparat in Thätigkeit zu erhalten, im Gegensatz zu dem
Bedarfe der Gebläsemaschinen, Pumpen, Rührer etc. in Weldon's Apparat. Alles schien auf Seiten Deacon's zu sein; viel größere Ausbeute, Einfachheit des Processes,
Ersparung an Arbeitslohn und Kohlen und Vermeidung aller Gasverluste. Kein Wunder,
daß eine ganze Anzahl von englischen Fabrikanten selbst durch die enormen
Anlagekosten und die hohe Patentgebühr (£ 500 jährlich) nicht
zurückgeschreckt wurden, das Deacon'sche Verfahren
einzuführen. In den meisten Fällen waren sie anfangs ganz entzückt davon, und man
hörte nichts als lobende Aeußerungen darüber; jetzt ist das ganz anders, und mit
wenigen Ausnahmen machen sie wenig Hehl aus ihrer Enttäuschung. Es wird wohl die
deutschen Fabrikanten interessiren, wenn ich ein wenig auf den Grund dieser
Sinnesänderung eingehe.
Die Anlagekosten selbst spielen in der Regel bis zu einer gewissen Grenze keine
Rolle, wenn die Vortheile im Betriebe auch nur halb so sehr in die Augen springend
sind, als dies nach dem obigen bei dem Deacon-Processe der Fall zu sein schien. Die Anlagekosten eines Deacon'schen Apparates betrugen jedoch mindestens
£ 8000 oder 160000 Mark in einem hier
allbekannten Falle £ 11000 (man spricht sogar von
£ 14000); der höheren Ziffer wird geradezu
die entschieden bessere Leistung des Apparates zugeschrieben. Ein solcher Apparat
sollte ursprünglich 50 Tonnen Chlorkalk pro Woche liefern, indem man annahm, daß man
zwei Sulfatkessel gewöhnlicher Leistung (8 1/2 Tonnen Salz täglich, 50 Tonnen pro
Woche von 6 Tagen) damit versorgen könnte. Es hat sich aber sehr bald
herausgestellt, daß nicht mehr als eine Pfanne in den
Apparat geleitet werden darf, wodurch die Leistungsfähigkeit sofort auf ein Maximum
von 25 Tonnen pro Woche herabfällt. Ferner hat sich gezeigt, daß gerade einer der
kostspieligsten Theile des Apparates, die mit Kupfervitriol imprägnirten Thonkugeln
gefüllten Eisenröhren, nach einiger Zeit unwirksam wird; man muß dann die Röhren
entleeren, die Thonkugeln wieder frisch imprägniren und einfüllen, wodurch fast die
Hälfte der ganzen Arbeitszeit verloren geht, während dessen die Salzsäure in
gewöhnlicher Art condensirt werden und fortlaufen muß. Selbstredend ist eine solche
sich regelmäßig wiederholende Arbeitsunterbrechung ganz unerträglich, und kann nur
dadurch vermieden werden, daß man die betreffenden Theile des Apparates doppelt
anlegt, um immer den einen in Arbeit zu haben, während der andere ruht. Dadurch
werden die Kosten aber wieder ganz bedeutend erhöht, so daß man einen solchen, zum
Theil duplicirten Apparat von wirklich effectiver Construction nicht unter £ 15000 (300000 Mark) per Sulfatpfanne herstellen
kann. Diese enorme Summe contrastirt stark mit den Anlagekosten des Weldon'schen Apparates, welche für zwei Pfannen etwa £ 3000 und für fünf Pfannen £ 6000 in mir
genau bekannten Beispielen betragen haben. Die Verzinsung der obigen großen Summe
macht denn doch einen nicht unbedeutenden Posten in der Kostenrechnung für den
Chlorkalk aus.
Dazu kommen noch die ganz enormen Reparaturkosten, welche sich von selbst ergeben,
wenn man bedenkt, daß der wesentlich wirksame Theil des Deacon-Apparates ein System von gußeisernen Röhren ist, welche auf
dunkle Rothglut erhitzt sind. Daß diese Röhren, deren Eisengewicht bei ihrer großen
Dimension und Anzahl sehr bedeutend ist, nach verhältnißmäßig kurzem Betriebe
unbrauchbar werden müssen, liegt auf der Hand. Viel ernster ist aber der oben schon
erwähnte Uebelstand, daß
die imprägnirten Thonkugeln nach kurzer Zeit nicht mehr so gut arbeiten; daß die
Production von Chlor und mithin von Chlorkalk regelmäßig abnimmt und schließlich
(fast immer nach höchstens vier Monaten) so gut wie ganz aufhört. Allem Anschein
nach rührt dies von einer Verflüchtigung von Kupfersalz als Kupferchlorid,
vielleicht auch theilweise von einer Incrustation mit Eisenchlorid, Ruß, Flugstaub
etc. her, was nicht ganz zu vermeiden ist, selbst wo kein directes Feuer
durchstreicht. Den ersteren Uebelstand hat Deacon dadurch
zu vermeiden gesucht, daß er ein Doppelsulfat von Natrium und Kupfer anwendete; dies
hat sich jedoch ganz und gar nicht bewährt und hat wieder aufgegeben werden müssen.
Es bleibt eben nichts anderes übrig, als den Apparat außer Betrieb zu stellen, zu
entleeren und die Thonkugeln wiederum mit Kupfervitriollösung zu tränken. Nach
glaubwürdigen Angaben betragen die Kosten dieser Operation immer mehrere hundert
Pfund und keinesfalls weniger als ein Pfund Sterling auf die Tonne des vorher
überhaupt producirten Chlorkalkes. Dazu kommt noch, daß während des Stillstandes von
8 bis 14 Wochen jährlich gar kein Chlorkalk gemacht werden kann, und doch Zinsen,
Patentgebühr etc. fortlaufen. Der letztgenannte Nebelstand würde sich eben nur durch
die, meines Wissens noch nirgends versuchte Verdoppelung
des Apparates heben lassen; die Ausgabe von £ 1
(20 Mark) pro Tonne Chlorkalk für Wiederimprägnirung bleibt dagegen immer noch
bestehen. Wie es aber scheint, arbeitet der Apparat außerdem nach dem
Wiederimprägniren fast ausnahmslos nicht mehr so gut wie das erstemal (vielleicht in
Folge einer Verstopfung der Poren durch Ruß, Staub, Eisensalze etc.); ja in manchen
Fällen hat er seine Function ganz verloren. So erreichte
man z.B. in einer Fabrik am Tyne, welche die besten Resultate unter allen aufweist,
anfangs wöchentlich bis 24 Tonnen Chlorkalk von 35 Proc., jetzt nur 16 bis 18 Tonnen
von höchstens 30 Procent.
Eine der größten Verlegenheiten für die nach Deacon
Arbeitenden wird gerade durch diejenige Eigenthümlichkeit des Verfahrens
hervorgerufen, welche in mancher Beziehung die bestechendste desselben ist –
nämlich, daß in dem ganzen Apparate nicht ein höherer, sondern ein niedrigerer Druck
als Atmosphärendruck herrscht, und daß mithin ein Entweichen von Chlorgas und eine
Belästigung der Umgebung unmöglich ist. Leider ist dadurch das Gegentheil um so mehr
erleichtert, nämlich das Einströmen von atmosphärischer Luft und von Feuergasen
durch irgend welche Undichtheiten in den unzähligen Fugen der eisernen Röhren für
die Thonkugeln, der thönernen Kühl- und Verbindungsröhren, der verschiedenen
Condensations- und Trockenapparate und der vielfächerigen Absorptionskammern. Die dadurch
miteingeführte Kohlensäure wird natürlich mit Begierde von dem Absorptionskalk
gebunden, und das Resultat ist, daß in der großen Mehrheit der Fälle der erhaltene
Chlorkalk nur schwachgrädig (28 bis 30 Proc.) ist; manchmal soll er bis 8 Proc.
kohlensauren Kalk enthalten. Auch ist es ganz natürlich, daß bei frisch in Betrieb
gesetzten Anlagen sich dieser Uebelstand weniger zeigt als bei älteren, wo durch die
kleinsten Senkungen von Fundamenten etc. Undichtheiten in den Fugen hervorgebracht
werden, denen schließlich gar nicht mehr nachzuspüren und noch weniger abzuhelfen
ist. Man will auch behaupten, daß der nach Deacon
erzeugte Chlorkalk bei längerer Verschiffung viel mehr an bleichendem Chlor verliert
als gewöhnlicher; doch ist früher gerade das Gegentheil behauptet worden, und die
Reihe von aufgezählten Schattenseiten ist ohnehin schon lang genug. Ich kann jedoch
nicht verschweigen, daß schließlich auch die genaue Regulirung der Temperatur in den
Thonkugel-Röhren oft Schwierigkeiten darzubieten scheint, und die Function
des Apparates manchmal auch aus diesem Grunde theilweise versagt; doch ist dieses
jedenfalls ein zu überwindendes Hinderniß.
Ich glaube mehr als genügende Motive zu meinem abfälligen Urtheile über Deacon's Verfahren beigebracht zu haben. Es ist unnöthig
zu versichern, daß ich durchaus objectiv vorgegangen bin und so sehr wie irgend
Jemand bedaure, daß die Bestrebungen von Deacon (wobei
auch seines Chemikers, Dr. F. Hurter, nicht vergessen werden darf) nicht mit größerem Erfolge gekrönt
worden sind. Es ist zu wünschen, daß es Deacon selbst
noch gelingen möge, schließlich solche Modificationen zu treffen, welche sein
Verfahren zu einem brauchbareren machen würden; in meiner Berichterstattung kann ich
jedoch nur mit Thatsachen, nicht mit Möglichkeiten der Zukunft rechnen.
Um nun zu Deacon's glücklicherem Vorgänger und
Nebenbuhler, Weldon, überzugehen, so beweisen schon die
oben von mir über die Verbreitung seines Verfahrens in England angeführten (ganz und
gar authentischen) Ziffern meine Behauptung, daß dieses Verfahren ein völlig
gelungenes und in dem Kreise der Sodafabrikation ein den übrigen Zweigen
ebenbürtiges geworden ist. Es ist nicht meine Sache, für dasselbe Propaganda zu
machen, und muß ich dies dem ungemein rührigen Erfinder des Verfahrens selbst
überlassen. Auch die technischen Details der Construction des Apparates wird jeder
sich dafür Interessirende leicht von Weldon selbst
erfahren, und die allgemeinen Grundzüge des Apparates sowohl als des Verfahrens sind
ja auch in diesem Journal oft beschrieben worden.Vergl. 1867 186 129. 1869 194 51. 1870 198 227. 1871 199 272. 201 354. 1872
203 501. 209 279
443. Meine heutige Aufgabe sei nur die, über die factischen Resultate des
Verfahrens und die Kosten desselben zu referiren. Die zu erzielende Ausbeute richtet
sich im Wesentlichen nach der Menge der condensirten Salzsäure, in viel geringerem
Grade nach der Vollständigkeit der Neutralisation in den Chlorentwickelungströgen,
welche bis auf 1/2 Proc. Salzsäure gehen kann und nicht leicht über 1 Proc. steigt.
Je nach dem Bau der Sulfatöfen und der größeren oder geringeren Vollkommenheit der
Condensationseinrichtungen ist die Ausbeute von Salzsäure in verschiedenen Fabriken
sehr ungleich, und kann deshalb eine Fabrik mehr oder weniger Ausbeute an Chlorkalk
haben, ohne daß dies direct mit der besseren oder schlechteren Manganregenerirung
zusammenhängt. Freilich ist auch die letztere von ganz entscheidender Wichtigkeit,
und je nach der Leitung des Regenerationsprocesses wird dieselbe Menge Salzsäure
viel oder wenig Chlorkalk liefern. Wo alles zusammentrifft: möglichst gute
Condensation der Salzsäure, Anwendung von Muffelöfen, welche die Verwendung auch der
Ofensäure gestatten, und gute Leitung des Regenerationsprocesses, kommt man selbst
dahin, eine Tonne = 20 Centner 35proc. Chlorkalk (welcher vor dem Verpacken 36 bis
37 Proc. zeigen muß) auf 56 1/2 bis 58 Centner zersetztes Kochsalz (von 93 Proc.
Chlornatriumgehalt) zu produciren. Dies ist das beste mir bekannt gewordene
durchschnittliche Resultat, und zwar wird es von einer Dubliner Fabrik erhalten.
Eine andere recht gut geleitete Fabrik in Lancashire, deren Resultate mir vorliegen,
bedarf im Durchschnitt 59 Centner Salz für 1 Tonne Chlorkalk. Von den Fabriken
dagegen, welche das Sulfat in Flammöfen calciniren und die Ofensäure nicht zur
Chlordarstellung verwenden, wird das beste mir bekannte Resultat (1 Tonne Chlorkalk
auf 69 Centner Kochsalz) gerade in derjenigen Fabrik erreicht, welche auch im Deacon-Proceß immer das beste geleistet hat.Ich erfahre nachträglich ein noch besseres Durchschnittsresultat, nämlich 41
Tonnen Chlorkalk per Woche aus der Pfannensäure von 118 Tonnen Salz. Viele, wenn nicht die meisten Fabriken bleiben jedoch Hinter diesen
Resultaten zurück, meist eben in Folge unzweckmäßiger Condensationseinrichtungen,
z.B. zu großen Verlustes von Säure in dem Waschthurm; man kann jedoch selbst bei
alleiniger Anwendung von Ofensäure mindestens eine Durchschnittsausbeute von 1 Theil
stärksten Chlorkalk auf 4 Theile gewöhnliches 93proc. Kochsalz annehmen.
Ein anderes in Betracht kommendes Moment ist der Zuschuß von natürlichem Braunstein,
welcher zum Ersatze der Verluste von Manganlaugen erforderlich ist. Auch in dieser
Beziehung differiren die Fabriken sehr, doch kann man annehmen, daß dieser Zuschuß
sich immer mehr verringern wird, wenn man noch sorgfältiger arbeiten lernt, da
Fabriken, welche früher 5 Proc. Zusatz gebrauchten, jetzt mit nur 2 1/2 Proc.
auskommen, wie ich bestimmt versichern kann. Wer sorglos arbeitet, kann freilich
selbst 10 Proc. nöthig haben. Abgesehen von rein mechanischen, auf directe
Unreinlichkeit zurückzuführenden Laugenverlusten ist namentlich zu berücksichtigen,
daß so wenig Manganchlorür als möglich in dem nach dem Neutralisiren mit
kohlensaurem Kalk sich absetzenden Schlamme zurückbleibt. Je besser man die Lauge
schon in den Chlortrögen mit regenerirtem Manganschlamm selbst neutralisirt, um so
weniger kohlensaurer Kalk wird nachher in dem äußeren Behälter erforderlich sein.
Manche Fabriken lassen den Neutralisationsschlamm nicht sofort weglaufen, sondern
waschen ihn aus, wodurch der Manganverlust vermindert, die Flüssigkeit aber verdünnt
wird. Eine zu große Verdünnung derselben ist für den Proceß schädlich; eine Anzahl
Fabriken erwärmt deshalb den Mangansuperoxydschlamm vor dem Einlaufen in die
Chlorblase durch directes Feuer, um das Zuführen von Dampf in die Blase selbst
möglichst zu beschränken, wodurch zugleich die Arbeit beschleunigt wird. Noch mehr
geschieht dies und beseitigt zugleich die Uebelstände eines schlecht gebrannten
(kohlensäurehaltigen) Kalkes, wenn man den Manganschlamm, ehe er in die Chlorblase
kommt, erst in Rührapparaten mit verdünnter Salzsäure behandelt, bis fast aller
kohlensaure und Aetzkalk (resp. die in dem Weldon'schen
Calcium-Manganit und Mangan-Manganit – CaMnO₃ oder MnMnO auftretende
„Basis“ ) gesättigt ist, was geschieht, ehe MnO₂ selbst angegriffen wird; jedoch wird meines
Wissens nur in zwei Fabriken dieses von dem Erfinder selbst für unnöthig gehaltene
complicirte Verfahren angewendet.
Die Auflösung des regenerirten Manganschlammes in heißer Salzsäure in dem
Chlorentwickelungstroge ist eine fast augenblickliche, und die Arbeit damit im
ganzen von einem Arbeiter gewöhnlicher Intelligenz und nur einigermaßen
zuverlässiger Sorgsamkeit unschwer zu erlernen. Die Hauptsache bei dem Weldon-Proceß bleibt immer die Arbeit in dem
Oxydationsthurme, in welchem das genau neutralisirte und zugleich von Eisen und
Thonerde befreite Manganchlorür mit überschüssigem Kalk behandelt und durch Anblasen
von Luft mittels einer kräftigen Gebläsemaschine zum großen Theile (etwa 4/5) in
Mangansuperoxyd verwandelt wird. Die Manganchlorürlösung muß so gut wie möglich
geklärt sein; suspendirt gebliebener Schlamm, großentheils kohlensaurer Kalk oder
auch Eisenoxyd und Thon, verschwendet nicht nur später Salzsäure, sondern bewirkt auch leicht
während des Oxydirens ein Ueberschäumen des Thurminhaltes. Diese unangenehme
Erscheinung erfolgt merkwürdigerweise im übrigen nicht, wenn das Gebläse zu stark
geht, wie man a priori erwarten sollte, sondern dann,
wenn die Geschwindigkeit der Gebläsemaschine unter ein
gewisses Minimum herabgeht; vielleicht beruht dieses auf einer mehr oder weniger
vollkommenen Zertheilung der Schaumblasen bei verschiedener Stärke des Luftstromes.
Ferner ist ein möglichst reiner, namentlich von Magnesia möglichst freier Kalk erforderlich, welcher hinreichend gut gebrannt sein
muß, um nur noch ein Minimum (nicht über 2 Proc.) von Kohlensäure zu enthalten, und
doch nicht so überhitzt ist, um sich nicht leicht und vollständig zu löschen. Die
Nachtheile des unvollkommenen Brennens liegen auf der Hand; die des partiellen
Todtbrennens bestehen darin, daß die erzielte Kalkmilch, auch nach dem Seihen durch
feines Drahtgewebe und dgl., wie es ja immer vorgenommen wird, noch eine Menge
feiner Körnchen von ungelöschtem und mithin chemisch unwirksamem Kalk enthält,
welcher die Operation im Oxydationsthurm nicht befördern kann, als schädliche
„Basis“ zurückbleibt und später zu unnützem Säureverbrauch
führt. Man erkennt den richtigen Zustand der Kalkmilch bei einiger Uebung schon an
deren gleichmäßigem Ansehen und Anfühlen und an der Abwesenheit harter Körnchen
darin. Der schädliche Einfluß der Magnesia ist sehr groß. Während nämlich der größte
Theil des Kalkes während der Operation in Chlorcalcium übergeht, und dessen Lösung,
so weit sie sich klar absetzt, decantirt wird, bleibt sämmtliche Magnesia als Theil
der „Basis“ in dem Manganschlamm zurück, verwandelt sich dann
in den Chlorblasen in Chlormagnesium, und im Oxydationsthurm wieder in Magnesia,
zugleich mit derjenigen, welche aus dem Kalk frisch dazu kommt. So häuft sich die
Magnesia fortwährend in den Flüssigkeiten an, macht den Schlamm immer
„basischer“ und kann ihn ganz verderben. Jedoch tritt
dieser äußerste Uebelstand nur dann ein, wenn der Kalk mehrere Procent Magnesia
enthält. Die Magnesia scheint sich während des Oxydationsprocesses durchaus nicht
als nützliche Basis, d.h. als manganigsaures Salz (nach
Weldon's Auffassung) zu betheiligen; so lange noch
ungefälltes Chlormagnesium vorhanden ist, also während des ersten Kalkzusatzes,
bleibt alles Chlormagnesium in Lösung; aber die erste Action des zweiten
Kalkzusatzes ist sofort die Fällung sämmtlicher Magnesia, welche sich nunmehr
zugleich mit der aus dem Kalk hinzugekommenen im freien Zustande befindet, und, so
lange noch Kalk im Ueberschusse vorhanden ist (was ja der Fall sein muß) durchaus
nicht (auf dem nassen Wege) mit dem MnO₂ in
Verbindung eintritt. Nur das Chlormagnesium, welches in der „Beendigungslauge“
enthalten ist, wird als solches unschädlich entfernt, da diese Lauge nur mit dem
schon combinirten Kalk (in dem bis dahin gebildeten Manganschlamm) zusammen kommt,
und dadurch nur ihr Manganchlorür nicht aber ihr Magnesiumchlorür zersetzt wird.
Es liegt auf der Hand, daß solche Kalksorten, welche sich schlecht brennen, und
welche über 1 Proc. Magnesia oder viele andere Verunreinigungen enthalten, für den
Weldon-Proceß überhaupt nicht tauglich sind.
Man loscht den dafür bestimmten Kalk nicht in der sonst gewöhnlichen Weise zu
Hydrat, sondern at gefunden, daß eine viel bessere und chemisch activere Kalkmilch
erzeugt wird, wenn man den gebrannten Kalk direct in heißes Wasser einträgt. Dies
geschieht in einem cylinderförmigen Gefäße mit Rührwerk; eine Art Seihekorb (aus
gelochten gußeisernen Platten) ist im oberen Theile des Gefäßes angebracht, in
welchen der Kalk eingetragen wird, so daß schon dort Steine und andere gröbere
Unreinigkeiten zurückbleiben, während das kreisende Wasser die feineren Theile
auswäscht; beim Auslaufen in das Vorrathsgefäß passirt die Kalkmilch noch einen
Seiher aus fein gelochtem Zinkblech oder Drahtgewebe; in größeren Fabriken ist
dieser Seiher ein geneigter rotirender Cylinder, an dessen unterem Ende die gröberen
Körner austreten, während die feine Milch durch die fein gelochten Wände des
Cylinders ausfließt. Die geseihte Kalkmilch soll so stark als nur irgend möglich
sein; ich finde sie von 320 bis 355 Grm. Aetzkalk per Liter enthaltend.
In der Voraussetzung, daß man gut geklärte Manganchlorürlauge und richtig zubereitete
Kalkmilch in Vorrath habe, füllt man den Oxydationsthurm etwa zur Hälfte mit der
Manganlösung, von welcher man aber noch eine größere Menge in einem hinreichend hoch
gelegenen Behälter in Reserve halten muß. Bei normalen Verhältnissen wird die
Manganlösung etwa so stark sein, daß sie per Liter 50 Grm. MnO₂ entspricht, alles Mangan als MnO₂ gedacht. Man erwärmt sie durch Anblasen von Dampf auf etwa
55° und läßt nun Kalkmilch einfließen, wobei das Gebläse langsam zu arbeiten
anfängt. Die Kalkmilch muß in einem graduirten Behälter enthalten sein, und man muß
ihren Anfangsstand genau beachten. Sobald man nahezu an den Punkt gekommen ist, wo
sämmtliches Mangan ausgefällt ist, probirt man fortwährend und stellt den Kalkzufluß
ganz ein, sobald der richtige Punkt erreicht ist. Das Probiren geschieht mit einer
einem kleinen Probirhahne entnommenen Menge der durch das Blasen gemischten
Flüssigkeit, indem man dieselbe filtrirt und das Filtrat mit rothem Lackmuspapier
auf alkalische Reaction prüft, wodurch überschüssiger Kalk mit großer Schärfe angezeigt wird. Das
Filtrat darf ferner, mit starker Chlorkalklösung versetzt, keine Spur von dunkler
Färbung (von entstehendem MnO₂) mehr zeigen. Daß
ein sorgfältiger Arbeiter dazu angestellt sein muß, den Neutralisationspunkt
möglichst genau zu ermitteln, ist selbstredend. Man liest nun die Menge der
verbrauchten Maßeinheiten von Kalkmilch ab, und läßt dann noch ein Viertel bis ein
Drittel der verbrauchten Menge zulaufen. Es liegt auf der Hand, daß ein
Ueberschreiten des Ausfällungspunktes in dem ersten Zusatze dem drei- bis
vierfachen Irrthum in dem zweiten Zusatze entspricht. In manchen Fabriken geht man
selbst nur bis ein Fünftel Zusatz. Dies hängt von der Natur des Kalkes, der Stärke
der Flüssigkeiten und anderen noch nicht ganz aufgeklärten Umständen ab; unter
gleichen Verhältnissen aber braucht man immer den gleichen Ueberschuß, wovon man
sich leicht durch die Quantität der nöthig werdenden
„Beendigungslauge“ (worüber später mehr) überzeugt. Wenn
man übrigens mit Laugen von natürlichem Braunstein arbeitet, was in der Regel nur
bei der ersten Inbetriebsetzung des Verfahrens erfolgen kann, darf man den zweiten
Zusatz von Kalk nicht auf einmal, sondern nur in mehreren Absätzen mit etwa
viertelstündigen Zwischenpausen machen, weil sonst leicht eine
„steife“ Charge entsteht. Sobald übrigens der zweite Zusatz
von Kalk gemacht wird, also so schnell als möglich nach der Präcipitation des
Mangans als Oxydul, wird das Gebläse mit voller Stärke angesetzt und darauf
gehalten, sonst entsteht leicht eine „steife“ Charge, wie
umgekehrt eine „rothe“ Charge, wenn man schnell bläst, ehe der
Kalk in der Flüssigkeit ist. Ich werde auf diese Erscheinungen noch
zurückkommen.
Angenommen nun, daß man den richtigen Kalkzusatz gemacht habe, so fährt man einfach
fort, Luft einzublasen, bis die Bildung von Mangansuperoxyd so weit getrieben ist,
als es praktisch scheint. Die anfangs hellgelbe Farbe des dünnen Breies verwandelt
sich in Braun und bald in tiefes Schwarz. Je nach dem Verhältniß der eingeblasenen
Luftmenge zu dem Volumen der behandelten Masse geht die Oxydation mehr oder weniger
schnell vor sich; es ist jedoch eine allgemeine Erfahrung, daß das Endresultat viel
günstiger ist, wenn man einen so kräftigen Luftstrom als möglich anwendet, und daß
die längere Anwendung eines weniger kräftigen Luftstromes, auch bei gleichem Volumen
der schließlich durchgepreßten Luft, nicht so gut wirkt.
Man wendet daher jetzt viel stärkere Gebläsemaschinen als früher an – in
großen Fabriken gewöhnlich zu zweien gekuppelt. Die Construction solcher Maschinen
für den Weldon-Proceß ist eine Specialität einiger
englischer Maschinenfabriken. Wenn man das Verfahren zuerst in Gang setzt, so muß
man einigemal während
der ganzen Operation alle halbe Stunden in später zu beschreibender Weise Probiren,
ob die MnO₂-Bildung noch fortgeht;
späterhin ist dies nicht nöthig, da man dann schon weiß, wie lange man blasen muß.
Bei meinem Apparate ist z.B. die Grenze nach 3 Stunden erreicht; aber es kann bei
anderen Apparaten 2 Stunden oder auch 5 Stunden lang dauern, je nach den
Verhältnissen; 3 bis 4 Stunden ist die Durchschnittszeit. Die alkalische Reaction
(auf welche man immer in dem Filtrate der gezogenen
Proben prüfen muß) soll mindestens noch eine Stunde nach dem Anfang des Blasens
deutlich, nachher schwächer sein und gegen das Ende der ersten Periode ganz
aufhören. Wenn sie zu früh aufhört, so ist dies ein Zeichen, daß der zweite
Kalkzusatz zu gering, – wenn sie gar nicht aufhört, daß derselbe zu groß war.
Jedoch kann man dem letzteren Uebelstande häufig noch in der jetzt folgenden
Schlußperiode durch vermehrten Zusatz von „Beendigungslauge“
abhelfen. Es ist eben angeführt worden, daß man unter allen Umständen noch einen
Vorrath von klarer Manganchlorürlösung in hinreichender Druckhöhe reserviren muß.
Man läßt nun, nach Beendigung der Anfangsperiode, d.h. wenn das MnO₂ in der Mischung nicht mehr zunimmt, unter
fortwährender Wirkung des Gebläses etwas frische Manganchlorürlösung zulaufen,
welche man eben „Beendigungslauge“ (final liquor) nennt. Der Zweck davon ist der, auf den zu einer guten
Oxydation durchaus nöthigen Ueberschuß von Kalk zu wirken und die
„Basis“ möglichst herabzudrücken. Im ersten Augenblicke
wird natürlich das Filtrat des Gemenges mit Chlorkalklösung die braune Reaction auf
gelöstes Mangan geben; aber häufig hört schon nach wenigen Minuten diese Reaction
wieder auf, indem sich alles gelöste Mangan niedergeschlagen hat. Man setzt dann
wieder etwas mehr „Beendigungslauge“ zu, bläst weiter, bis das
Filtrat mit Chlorkalk hell bleibt, und fährt fort bis man aus der zu lange dauernden
Zeit des Ausblasens abnimmt, daß man der Grenze nahe ist; man bläst dann noch immer
etwas weiter, bis das Filtrat entschieden ganz klar bleibt, und läßt nun den ganzen
Inhalt des Oxydationsthurmes in einen der Absatzkästen ablaufen. Diese Schlußperiode
der Behandlung mit „Beendigungslauge“ lasse ich regelmäßig 1
1/2 Stunden, anhalten, so daß die ganze Operation vom Anfange des eigentlichen
Blasens bis zum Auslaufen 4 1/2 Stunden dauert. Wenn man schon die erste
„Beendigungslauge“ nicht leicht klar ausblasen kann, so ist
dies ein Zeichen von zu geringem Kalkzusatz; wenn man dagegen sehr viel zusetzen
muß, so hat man zu viel Kalk zugegeben und muß sich danach bei der nächsten
Operation richten. Der Totalgehalt an MnO₂ per
Kubikfuß etc. wird durch
die Schlußperiode nicht immer vermehrt, manchmal sogar durch Verdünnung der
Flüssigkeit herabgedrückt; dagegen wird die „Basis“ immer
vermindert.
Zur Erläuterung des Fortschreitens der Oxydation will ich anführen, daß in meinem
Apparate, wenn ich mit einer Manganlauge anfange, die bei völliger Oxydation 50 Grm.
MnO₂ im Liter enthalten würde, welche aber
durch den Wasserdampf und die Kalkmilch etwa um 1/4 verdünnt wird, für gewöhnlich
folgende Erscheinungen eintreten: Der Gehalt des Gemenges an MnO₂ nach einer Stunde Blasen ist 16 Grm. im Liter; nach 1 1/2
Stunden 25 – nach 2 Stunden 29 bis 32 – nach 2 1/2 Stunden 32 bis 36
Grm. – nach 3 Stunden ungefähr ebensoviel. Die „Basis“
ist jetzt ungefähr 0,8 bis 0,9. Jetzt erfolgt der Zusatz von
„Beendigungslauge“, wovon im normalen Falle nicht viel mehr
oder weniger als 1/50 der ursprünglich angewendeten Manganchlorürlauge gebraucht
wird; nach 4 1/2 Stunden ist der Gehalt an MnO₂
35 bis 35 Grm. per Liter, „Basis“ 0,67. Unter 0,6 Basis wird
man nicht leicht kommen; über 0,75 ist die Arbeit entschieden schlecht. Der obige
Gehalt wird ungefähr 80 Proc. von dem vorhandenen Mangan als MnO₂ entsprechen, wobei die übrigen 20 Proc. als MnO vorhanden sind. Alles was nun noch übrig bleibt, ist
die Concentration des Manganschlammes, welcher ja ohne diese bald in das Unendliche
verdünnt werden würde (durch die Säure, Kalkmilch etc.). Unter normalen Umständen
scheidet sich das aus dem Oxydationsthurme auslaufende Gemenge, der dünne
Manganschlamm, schon nach wenigen Stunden in eine ganz klare Lösung von Chlorcalcium
und einen dickere:: Schlamm; man erreicht nicht viel mehr, wenn man statt dessen
mehrere Tage wartet, was außerdem auch sehr viel mehr Apparate und Raum beanspruchen
würde. Die klare Lösung wird durch ein um ein Gelenk im Inneren der Absatzkästen
drehbares Knierohr abgezogen, welches sich durch die Wand nach außen fortsetzt; bei
aufrechter Stellung fließt nichts aus, und durch allmälige Senkung kann man die
klare Chlornatriumlösung ohne alles Aufstören des Bodensatzes ablassen. Der dickere
Schlamm nimmt höchstens die Hälfte des Ganzen ein, enthält also mindestens das
doppelte an MnO₂, ungefähr 65 bis 75 Grm. im
Liter. Er ist immer noch dünn genug, um durch Schieberventile und Röhren von etwa
100 Millim. Weite selbst auf Hundert Meter fortgeleitet werden zu können, was nöthig
werden kann, wenn man die Chlorentwickelungströge wegen localer Verhältnisse in
einiger Entfernung anlegen muß.
Es mögen nun einige Worte über die beiden Erscheinungen eingeschaltet werden, welche
hin und wieder bei der Oxydation eintreten und zum Verderben einer Charge führen. Man kennt dieselben
hier als „rothe Chargen“ (red oder
foxy batches) und „steife
Chargen“ (thick oder stiff batches).
Eine „rothe Charge“ ergibt sich, wenn das Gemenge, statt
schwarz, braunroth wird. Die Analyse hat mir, wie auch sonst bekannt, ergeben, daß
in diesem Falle so gut wie sämmtliches Mangan als Mn₃O₄ vorhanden ist, was sich,
wenn man will, so ausdrücken läßt, daß nur 25 Proc. von Mangan als MnO₂ vorhanden sind, das übrige als MnO gedacht, wie man dies gewöhnlich thut. Diese
Erscheinung tritt nun ein, wenn man das Gebläse mit voller Heftigkeit arbeiten läßt,
ehe irgend welcher Kalk oder ehe die hinreichende Menge desselben in der Flüssigkeit
vorhanden ist. Ist die Charge einmal roth geworden, so kennt man bisher noch kein
Mittel, um sie wieder in Ordnung zu bringen; man mag auch noch so lange blasen, der
Gehalt an MnO₂ nimmt nicht zu; man muß sie daher
ablassen und auflösen, was viel Salzsäure kostet und sehr wenig Chlor abgibt. Die
Ursache dieser Erscheinung, welche mir nur einmal vorkam, ist noch nicht aufgeklärt,
obwohl es ganz gut bekannt ist, unter welchen Umständen sie eintritt.
Die andere Betriebsstörung, die „steife Charge“, tritt meist
unter entgegengesetzten Umständen ein, nämlich wenn das Gebläse nicht stark genug
arbeitet; manchmal jedoch unter ganz unbekannten und unerklärten Umständen. Sie
zeigt sich daran, daß die Gebläsemaschine plötzlich mit größter Schwierigkeit
arbeiten muß; der Druck im Manometer steigt außerordentlich, und die Maschine bleibt
schließlich ganz stehen. Selten kommt dies anders als im Anfange der Operation vor;
wie es scheint, wenn zu viel Kalk zugesetzt wird, mehr als sich mit dem Mangan
verbinden oder austauschen kann, oder mehr als der Kraft des Gebläses entspricht.
Auch kommt es öfter bei Laugen aus natürlichem Braunstein, also bei Inbetriebsetzung
vor, wo man an und für sich mehr Kalk gebraucht; aus diesem Grunde soll man in
diesem Falle den zweiten Kalkzusatz nur absatzweise
vornehmen, was bei Laugen aus regenerirtem Braunstein weder nöthig noch räthlich
ist. Eine fernere Ursache von steifen Chargen liegt darin, daß die Manganlauge vor
dem Kalkzusatze zu stark erwärmt worden ist. Mir kam es z.B. vor, als sie durch ein
Versehen des Arbeiters bis auf 77° gebracht worden war; oben ist schon
55° als ausreichend angegeben worden, und über 65° sollte man nie
gehen. Ohnehin erhöht sich die Temperatur während des Blasens um einige Grade in
Folge der Oxydation, trotz der bedeutenden Abkühlung durch die Gebläseluft. Das
Aussehen einer steifen Charge ähnelt dem steifen Kalkbrei, welchen man in manchen
Gegenden zum Einsumpfen anfertigt. Dies kann so weit gehen, daß man die ganze Operation einstellen, die
steife Masse aus dem Thurme mit Spaten ausstechen und aus den Röhren mit Säure
auflösen muß. Zum Glück ist dieses Stadium nur höchst selten und nur anfangs in
einigen Fabriken vorgekommen, ehe man noch wußte, wie man sich beim Steifwerden der
Chargen zu benehmen hätte. Das einzige Mittel dagegen ist dieses, daß man allen
Dampf, welchen man nur irgend erhalten kann, auf die Gebläsemaschine wirken, und
zugleich frische Manganchlorürlauge in den Thurm einfließen läßt, welche den
überschüssigen Kalk aufnimmt, so lange bis die Maschine wieder ganz frei arbeitet.
In der Regel wird es freilich nicht gelingen, die betreffende Charge in normaler
Güte beendigen zu können; sie wird meist sehr hohe Basis (1 und darüber) und
geringen MnO₂-Gehalt (20 Grm. u. dgl. per
Liter) zeigen. Bei hinreichend starkem Gebläse und einigermaßen sorgfältiger
Behandlung des Kalkzusatzes kommen „steife Chargen“ überhaupt
nicht vor.
Wenige Worte genügen zur Beschreibung der Arbeit mit dem regenerirten Manganschlamme.
Die Steintröge dafür sind in der Regel 2,1 bis 2,5 Meter weit (quadratisch oder
achteckig) und 3 Meter hoch. Man füllt erst etwa 0,6 Meter Salzsäure ein – je
wärmer sie von den Condensationsthürmen kommt, desto besser – und läßt dann
den Manganschlamm durch ein Schieberventil in solcher Stärke zufließen, daß der
Chlorstrom, welcher augenblicklich entsteht, nicht zu stark ist und das Wasser nicht
aus den hydraulischen Verschlüssen bläst. Schon oben ist erwähnt worden, daß einige
wenige Fabriken den Manganschlamm erst mit verdünnter Salzsäure zur Entfernung der
„Basis“ behandeln, und mehrere ihn vor dem Einlaufen in die
Chlorblasen erwärmen; die Mehrzahl der Fabriken thut keines von beiden und kann
dafür nur nicht so viel Arbeit mit einer und derselben Blase liefern. Das Einlaufen
von Manganschlamm dauert fort bis die dunkle Färbung der Flüssigkeit (aus einem
Probirhahn entnommen) zeigt daß man genug daran habe; man bläst dann (und wohl schon
vorher) Dampf ein, worauf die Flüssigkeit sich klärt, wenn noch Säure vorhanden ist.
Man hat die Grenze erreicht, wenn die Flüssigkeit bei hinreichendem Wärmegrade zwar
klar, aber kaffeebraun ist (hellgelbe Farbe zeigt Säureüberschuß), und auf
kohlensauren Kalk gegossen, kein starkes Aufbrausen
zeigt. Besser ist es natürlich – wenn thunlich – direct auf freie
Säure zu prüfen, was am einfachsten durch Eintropfen von titrirter Natronlauge bis
zum Eintreten eines bleibenden Niederschlages geschieht. 1/2 Proc. freie Säure ist
normal, 1 Proc. entschieden zu viel. Zu weit soll man aber auch mit dem Sättigen der
Säure nicht gehen, denn dann bleibt sicher ungelöster Manganschlamm zurück, welcher
sich mit dem Neutralisationsschlamm absetzt und verloren geht.
An dem richtigen Punkte angekommen, läßt man den Blaseninhalt in den tiefer liegenden
Neutralisationsbrunnen ablaufen und setzt sofort gemahlenen Kalkstein oder Kreide zu
(Stücke bedecken sich zu schnell mit einer Rinde) unter Umrühren durch ein
mechanisches Rührwerk, bis die Flüssigkeit weder mit Kalkstein braust, noch blaues
Lackmuspapier röthet. Die trübe Lauge wird hierauf in die höher als der
Oxydationsthurm liegenden Absetzkästen gepumpt und beginnt den Kreislauf von Neuem.
Die Behandlung des sich hier absetzenden, werthlosen Schlammes ist schon oben
beschrieben worden. Er besteht wesentlich aus kohlensaurem Kalk, bei Laugen von
natürlichem Braunstein auch aus Eisenoxyd, Thonerde etc. Wenn die Salzsäure stark
schwefelsäurehaltig ist, so ist natürlich auch mehr oder weniger Gyps darin. Alles
Eisenoxyd wird übrigens im Anfange durch den kohlensauren Kalk nicht ausgefällt, und
vermutlich hauptsächlich aus diesem Grunde ist die Operation mit Laugen aus
natürlichem Braunstein schwieriger als mit regenerirtem.
Ich habe im Vorhergehenden, wie sich ja an und für sich ganz klar ergibt,
ausschließlich von dem älteren Weldon'schen
Regenerationsverfahren, demjenigen mit Kalk, geredet. Bekanntlich existirt nun aber
auch ein neues Weldon'sches Verfahren, in welchem statt
Kalk Magnesia angewendet und die Salzsäure durch Calciniren des Chlormagnesiums
wieder gewonnen wird, so daß man aus 14 Centner Salz eine Tonne Chlorkalk von 35
Proc. gewinnen soll. Das Verfahren ist auch im Detail ungemein interessant und
sinnreich ausgeführt, aber es scheint um so weniger am Platze diese ohnehin schon
sehr lange Abhandlung durch näheres Eingehen darauf noch mehr auszudehnen, als der
Erfinder selbst (wie er mir schreibt) zunächst nicht erwartet, dasselbe praktisch
durchgeführt zu sehen, nachdem die Furcht vor Deacon's
Concurrenz geschwunden ist. Es existirte in der That schon ein wirklicher
Fabrikapparat dafür, mit welchem beinahe 100 Tonnen Chlorkalk erzeugt wurden;
derselbe zeigte aber noch verschiedene Fehler, welche unbedingt zu einer
Reconstruction wichtiger Theile führen mußten. Die Besitzer dieser Fabrik zogen es
daher vor, statt dessen einen gewöhnlichen Apparat nach Weldon's Kalkverfahren zu bauen. Weldon ist
fest überzeugt, daß das Magnesiaverfahren völlig glatt arbeitend gemacht werden
kann; das wird aber noch bedeutende Geld- und Zeitopfer erfordern, und so
steht es vorderhand noch nicht in naher Aussicht.
Ich will schließlich noch die analytischen Methoden beschreiben, welche ich im
Betriebe des Weldon-Processes anwende, und welche
zum Theile Modificationen von Weldon's eigenen Vorschriften sind.
Die rohen Methoden zum Probiren der Chlorblasen-Laugen und der
Oxydationsthurmflüssigkeit habe ich schon im Laufe meiner Beschreibung des Processes
angeführt; es bleibt mir aber noch übrig die Methode zur genaueren Untersuchung des
regenerirten Manganschlammes auf MnO₂, auf
„Basis“ und auf totalen Mangangehalt anzuführen. Die
Reagentien, deren man benöthigt, sind folgende:
Eine starke, filirirte Chlorkalklösung (nicht titrirt).
Eine Lösung von ungefähr 100 Grm. kryst. Eisenvitriol per
Liter.
Eine Lösung von übermangansaurem Kali (Chamäleon); am bequemsten
aus reinen Krystallen bereitet und halbnormal gemacht, also 1 Kubikcentimeter
entsprechend 0,004 Grm. Sauerstoff oder 0,02175 Grm. MnO₂. – Ich bestimme ihren Titer mit Normal-Oxalsäure,
welche ihrerseits mit chemisch reinem kohlensaurem Natron geprüft ist.
Eine normale Lösung von Oxalsäure.
Eine normale Lösung von Aetznatron.
Zum Probiren auf MnO₂ pipettirt man 20 K. C. der
Eisenlösung in ein Becherglas, verdünnt mit kaltem Wasser auf 100 bis 200 K. C.,
setzt etwas reine Schwefelsäure zu und stellt den Titer mit Chamäleon fest; einmal
genügt für den ganzen Tag. Ferner werden 20 K. C. Eisenlösung verdünnt, angesäuert
und mit 10 K. C. des Manganschlammes versetzt. Man entnimmt diesen der gut
umgeschüttelten Probeflasche mit einer Pipette, spritzt dieselbe außen ab, läßt
ihren Inhalt in die Eisenlösung laufen und wäscht den inwendig hängen bleibenden
Schlamm mit der Spritzflasche nach. Der Schlamm löst sich in wenigen Secunden beim
Umschwenken des Becherglases, worauf man sofort mit der Chamäleonlösung austitrirt.
Die Anzahl der gebrauchten Kubikcentimeter, abgezogen von der für das Eisen allein
gebrauchten, entspricht dem MnO₂ und ergibt
dessen Menge per Liter sofort durch Multiplication mit 2,175. In England ist es
gebräuchlich, das MnO₂ in Pfunden (à 453,5 Grm.) per Kubikfuß (à 28,315 Liter) anzugeben. Man benützt dazu
gewöhnlich eine Pipette, welche 1/2 oder 1 Kubikzoll faßt, und kann dann folgende
Formel anwenden:
MnO₂ = (0,02175 ×
1728)/453,5 x = 0,0830 x,
wo x die Anzahl Kubikcentimeter
der halbnormalen Chamäleonlösung bedeutet, welche man durch Subtraction der zum
Rücktitriren gebrauchten von dem Titer der Eisenlösung gefunden hat.
Als „Basis“ bezeichnet man, wie schon bemerkt, alle die
Bestandtheile des Manganschlammes, welche Säure neutralisiren, mit Zurücklassung von
reinem
MnO₂ Man wird sich erinnern, daß nach
Weldon's Ansicht das MnO₂ wirklich die Rolle einer Säure (welche er manganige Säure nennt)
spielt, und daß er gerade in der Bildung von Salzen dieser Säure den Grund sieht,
warum man ohne Zusatz von Kalküberschuß (über die zum Ausfällen des Mangans nöthige
Menge) Mn₂O₃
erhält, nämlich MnO, MnO₂. Bei weiterem
Kalkzusatz erhält man aber den größten Theil des Mangans als CaO, MnO₂. In diesem Falle, selbst wenn der Kalküberschuß ganz
genau bemessen ist, müßte die „Basis“ immer mindestens zum MnO₂ im Verhältnisse von 1 : 1 stehen, und
praktisch immer höher sein, weil eben immer mehr Kalk vorhanden ist. Im Kleinen kann
man auch darüber nicht hinwegkommen; im Großen jedoch ist factisch, mit Ausnahme von
fehlerhaften Operationen (rothen und steifen Chargen), die Basis viel niedriger, im
Durchschnitt Wohl 0,7 : 1; manchmal kommt sie bis 0,55 : 1, jedoch nie darunter.
Hieraus geht mit ziemlicher Sicherheit hervor, daß sich im Großen ein saures
Manganit bildet, jedoch nie ganz vollständig, da man 0,50
nie erreicht. Die Basis des Manganits kann Kalk,
Eisenoxyd, Magnesia oder Mangan selbst sein; das gegenseitige Mengenverhältniß
dieser Körper beeinflußt selbstverständlich weder die analytische Operation noch die
abstumpfende Wirkung auf die Salzsäure in der Chlorblase; man sucht daher in der
Regel nur nach der „Basis“ insgesammt, und zwar in folgender
Weise. Man verdünnt 25 K. C. (bei sehr hoher Basis ist dies zu wenig)
Normal-Oxalsäure auf etwa 100 K. C., setzt etwas Schwefelsäure zu und erwärmt
auf etwa 60 bis 80°, setzt 10 K. C. Manganschlamm unter den oben
beschriebenen Vorsichtsmaßregeln des Auswaschens der Pipette u.s.w. zu, und fährt
fort zu erwärmen, bis der Niederschlag rein weiß geworden
ist (ohne einen Stich ins Gelbe), was meist in weniger als einer Minute geschieht.
Alsdann titrirt man mit Normal-Natronlauge zurück, um die Anzahl der
verbrauchten K. C. Oxalsäure zu erfahren; jedoch hat die genaue Ermittelung des
Neutralisationspunktes einige Schwierigkeit, weil die Indication mit Lackmustinctur,
selbst bei bedeutendem Zusatze desselben, in diesem Falle nicht sehr scharf ist. Den
Angaben des englischen Fabrikchemiker über ihre Weldon-Basis ist daher nicht immer zu trauen. Man kommt viel genauer
und nicht viel langsamer zum Ziele, wenn man das Ganze auf 202 K. C. verdünnt (wovon
2 K. C. dem Volumen des Niederschlages entsprechen) durch ein trockenes Filter
gießt, und von dem Filtrat 100 K. C. mit Natronlauge zurücktitrirt, wo denn bei der
Abwesenheit eines Niederschlages die Indication mit Lackmus viel schärfer ist. Die
Oxalsäure wirkt folgendermaßen. Einmal zersetzt sie sich mit sämmtlichem MnO₂ in MnO und CO₂; es wird also für jeden oben verbrauchten K.
C. von halbnormalem
Chamäleon 1/2 K. C. Normal-Oxalsäure zu diesem Zwecke verbraucht. Genau die
gleiche Menge wird aber gleichzeitig verwendet, um mit dem Manganoxydul oxalsaures
Salz zu bilden, und eine fernere Menge wird zur Saturation des über MnO₂ hinaus vorhandenen MnO, CaO, MgO, Fe₂O₃ etc.
verwendet. Das letztere ist es gerade, dessen Menge man wissen will, und man erfährt
sie nach Obigem ganz einfach, wenn man von der verbrauchten Anzahl K. C. der
Oxalsäure die bei dem Titriren auf MnO₂ gefundene
Anzahl K. C. Chamäleon geradezu abzieht; der Rest der Oxalsäure ist gleich der
Basis, und das gewünschte Verhältniß zu MnO₂ wird
gefunden, wenn man in diesen Rest mit der halben
Chamäleonmenge (da die Oxalsäure normal, das Chamäleon nur halbnormal ist)
dividirt.
Man habe z.B. den Titer der Eisenlösung = 28,0 Chamäleon gefunden. Man habe nach
Einführung von 10 K. C. Manganschlamm nur noch 11,5 K. C. Chamäleon gebraucht, also
x = 16,5, oder der Gehalt des Schlammes = 35,88 Grm.
per Liter.
10 K. C. des Schlammes, mit 25 K. C. Normal-Oxalsäure erwärmt, auf 202 K. C.
gebracht; davon 100 K. C. abfiltrirt, verbrauchen 1,6 K. C. Normal-Natron.
Dies verdoppelt = 3,2, und von 25 abgezogen = 21,8 entspricht der Totalconsumption
von Oxalsäure. Davon abgezogen 16,5 (das obige x) für
MnO₂, bleibt 5,3 für die Basis. Die
Proportion (1/2 × 16,5 =) 8,25 : 5,3 = 1 : 0,642 ergibt in der letzten Zahl
(0,642) das, was man im Weldon-Verfahren als
„Basis“ bezeichnet.
Den Totalmangangehalt des Schlammes sucht man für gewöhnlich nur hin und wieder
festzustellen. Man thut das meist nicht regelmäßig, weil diese Operation einmal
nicht ganz so schnell wie die eben beschriebenen ausgeführt werden kann, und
zweitens, weil es lange nicht so wichtig ist zu wissen, wie viel Mangan noch als MnO vorhanden ist, als wie viel Totalbasis, d.h. MnO, CaO, Fe₂O₃ etc. Sehr interessant ist diese Bestimmung immerhin, und muß
jedenfalls zeitweilig vorgenommen worden. Man kocht 10 K. C. des Manganschlammes mit
Salzsäure bis zur Vertreibung von sämmtlichem Chlor, neutralisirt die freie Säure
mit Natronlauge recht genau und bringt wieder zum Kochen, worauf man klare
(filtrirte) Chlorkalklösung zusetzt, bis die Flüssigkeit eine röthliche Färbung
zeigt, durch Bildung einer Spur übermangansauren Salzes. Abgesehen von dieser ganz
unwesentlichen Spur befindet sich jetzt sämmtliches
Mangan im Zustande eines Niederschlages von MnO₂;
man bringt denselben auf ein Filter, wäscht ihn vollkommen aus, bis das Filtrat mit
Jodkalium durchaus keine Reaction mehr gibt und löst nun den Niederschlag in der
angesäuerten Lösung von Eisenvitriol auf, mit Zurücktitrirung durch Chamäleon, ganz
wie bei der oben beschriebenen Bestimmungsmethode des im Schlamme schon fertig
enthaltenen Mangansuperoxydes.
South-Shields, 13. November
1874.
(Nachtrag folgt.)