Titel: | Ueber die gährungshemmende Wirkung der Salicylsäure; von C. Neubauer. |
Fundstelle: | Band 215, Jahrgang 1875, S. 169 |
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Ueber die gährungshemmende Wirkung der
Salicylsäure; von C.
Neubauer.Nach einem vom Verfasser gütigst eingesendeten Separatabdruck aus dem Journal für
praktische Chemie, 1874 Bd. 11 S. 1.
Neubauer, über die gährungshemmende Wirkung der
Salicylsäure.
Die Erfahrung, daß sich die Salicylsäure aus Phenol und Kohlensäure künstlich
darstellen läßt, und die Eigenschaft derselben, sich beim Erhitzen wieder in
Carbolsäure und Kohlensäure zu spalten, führten H. Kolbe
auf die Vermuthung, ob die Salicylsäure nicht ähnlich wie das Phenol antiseptisch
wirke, d.h. Gährungs- und Fäulnißprocesse aufzuhalten oder gänzlich zu
verhindern im Stande sei. Nach den bis jetzt vorliegenden Versuchen hat sich diese
Vermuthung vollständig bestätigt, und scheint es mir daher von Interesse, das
Verhalten der Salicylsäure den Weinhefenpilzen etc. gegenüber einer näheren Prüfung
zu unterwerfen, da
möglicherweise die Weintechnik von dieser Eigenschaft der Salicylsäure Gebrauch
machen kann, ja dieselbe vielleicht berufen ist, das leidige Schwefeln, womit in der
Kellerwirthschaft so viel Unfug getrieben wird, aus der Weintechnik zu
verbannen.
Wohl besitzen wir ja in der Carbolsäure ein vorzügliches Mittel den Gähract
aushalten, Schimmel- und Pilzbildungen zu verhindern, allein der unangenehme
Geruch und Geschmack derselben, sowie ihre giftigen Eigenschaften verbieten ihre
Verwendung in der Gährtechnik von selbst. Die Salicylsäure aber hat absolut keinen
Geruch und in sehr starker Verdünnung auch kaum einen Geschmack, von giftigen
Eigenschaften besitzt sie endlich keine Spur. Sollten sich also die gehegten
Erwartungen bestätigen, so wäre der Weintechnik damit ein überaus werthvolles, lange
gewünschtes Mittel geboten, Nachgährungen zu verhindern, Schimmelbildungen aus den
Fässern ferne zu halten u.a.m.
Die vom Verfasser a. a. O. mitgetheilten Versuche zeigen unzweideutig, daß die
gährungshemmende Kraft der Salicylsäure in einem gewissen Verhältnisse zu der Menge
der vorhandenen Hefenkeime steht. Die Salicylsäure ist selbst schon in äußerst
geringer Menge im Stande, das Wachsen und Vermehren der Hefe bedeutend zu
verlangsamen und zu verringern. Allein soll die Hefe vollständig getödtet werden, so
muß sich die Salicylsäuremenge nach der Quantität der vorhandenen Hefenzellen
richten. Die Versuche zeigen aber auch ferner, daß verhältnißmäßig sehr geringe
Salicylsäuremengen, von etwa 100 Grm. in 1000 Liter Most, schon genügen, eine
Quantität Hefenkeime von 98 Grm. Trockengewicht pro 1000 Liter Most vollständig
gährungsunfähig zu machen. Ueber das Trockengewicht der Hefenkeime aber, welche in
1000 Liter Weinmost enthalten sind, liegen bis jetzt keine Bestimmungen vor, allein
ich zweifle sehr, ob die Gesammtmenge der Hefenkeime, welche ja nur an der
Oberfläche der Trauben sich befinden und beim Keltern in den Most gelangen, das
Trockengewicht von 98 Grm. pro 1000 Liter erreicht, so daß sicherlich 100 Grm.
Salicylsäure, vielleicht noch viel weniger, genügen würden, um in 1000 Liter Most
die Gährung vollständig zu sistiren.
Soviel läßt sich aus den mitgetheilten Versuchen, in Verbindung mit den von Kolbe (vergl. 1874 213 165.
214 132) bereits publicirten Resultaten, schon jetzt
ersehen, daß wir in der Salicylsäure ein Antisepticum von unvergleichlichem Werthe
haben. Ohne Geruch und irgend erheblichen Geschmack, dabei nicht giftig, steht sie
der Carbolsäure an antiseptischer Kraft kaum nach und wird sich überall da zum
Gebrauche empfehlen, wo sich die Anwendung der Carbolsäure, ihres Geruches, Geschmackes und ihrer
giftigen Eigenschaften wegen, voll selbst verbietet, namentlich also zur
Conservirung von Nahrungsmitteln und Getränken. Auch in der Weintechnik wird die
Salicylsäure, daran ist nicht zu zweifeln, bald Verwendung finden. Durch ein
Ausschwenken der Fässer mit einer ganz verdünnten Salicylsäurelösung werden diese
gegen jede Schimmelbildung im Innern geschützt. Die lästigen Trübungen, die in Folge
von unliebsamen Nachgährungen so häufig im Weine entstehen, und die bis jetzt nur
durch Filtriren oder das beliebte Schönen zu entfernen sind, werden verschwinden,
sobald man durch einen geringen Zusatz von Salicylsäure die Hauptursache jener
Trübungen, die Nachgährungen, beseitigt. Endlich werden sich auch junge Weine auf
diese Weise schneller für das Flaschenlager geeignet herstellen lassen.
Ich werde in dieser Richtung meine Versuche fortsetzen, aber hier liegen Fragen vor,
zu deren Beantwortung die Weinproducenten und Weinhändler selbst mit Hand anlegen
müssen. Die Nachgährungen sind und bleiben eine Calamität für den Weinproducenten
wie für den Weinhändler; sollte es gelingen sie durch Salicylsäure zu beseitigen,
und ich zweifle keinen Augenblick daran, so hätte die Weintechnik einen ungeheuren
Fortschritt gemacht. Ebenso steht zu erwarten, ja ist mit Sicherheit anzunehmen, daß
sich sämmtliche Weinkrankheiten, die durch Pilzbildungen eingeleitet werden, durch
Salicylsäurezusatz werden verhindern lassen.
Wiesbaden, 15. December 1874.