Titel: | Verunreinigung der Gewässer durch Ausflüsse von Tuchfabriken; von Prof. Dr. Landolt und Prof. Dr. Stahlschmidt in Aachen. |
Fundstelle: | Band 215, Jahrgang 1875, S. 214 |
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Verunreinigung der Gewässer durch Ausflüsse von
Tuchfabriken; von Prof. Dr. Landolt und Prof. Dr. Stahlschmidt in Aachen.Unter Zusendung eines Schreibens der königl. Regierung zu Frankfurt a. O. vom 6.
December 1872, sowie eines Berichtes der technischen Deputation für Gewerbe vom
31. März 1873 sind die Verfasser von dem hohen Ministerium für Handel, Gewerbe
und öffentliche Arbeiten beauftragt worden, über diejenigen Hilfsmittel Auskunft
zu geben, welche in Verviers und Aachen angewendet werden, um die in den
Tuchfabriken und Wollwäschereien abfallenden Fabrikwässer unschädlich zu machen,
mit der ferneren Weisung, sich gutachtlich über die von der königl. Regierung in
Frankfurt a. O. aufgeworfene Frage zu äußern.
Nach den Verhandlungen des Vereines zur Beförderung des
Gewerbefleißes in Preußen, 1874 S. 314.
Mit Abbildungen auf Taf.
V [a/3.4].
Landolt und Stahlschmidt, über die Verunreinigung der Gewässer
durch Ausflüsse von Tuchfabriken.
A. Abfallwässer der Wollwäschereien.
In der Müllendorf'schen Wäscherei in Verviers, welche
unmittelbar an dem Flusse liegt, kommt die rohe Wolle zuerst in trichterförmige
eiserne Gefäße, welche oben circa 1 Meter und unten 0,6 Meter im Durchmesser
besitzen und circa 1,6 M. hoch sind. Der Boden der Gefäße ist durchlöchert und so
stark gewählt, daß die Wolle fest eingedrückt werden kann. In diesen Gefäßen wird
die Wolle einfach mit warmem Wasser übergossen, welches, dieselbe von oben nach
unten durchdringend, den löslichen Schweiß, d.h. die Kaliseife, auflöst und unten
als braune Brühe abfließt, die dann sofort in gewöhnlichen Abdampfpfannen so weit
eingedampft wird, daß sie beim Erkalten eine schmierseifenähnliche Masse bildet,
welche an Potaschenfabriken abgegeben und in denselben durch Verbrennen etc. auf
Potasche verarbeitet wird. Die so weit gereinigte Wolle gelangt nun in die
Leviathans (mehrfache Wollwaschmaschinen; 1869 191 118.
1874 212 20) wird in denselben mit verdünnter
Potaschenlauge gewaschen und schließlich mit reinem Wasser gespült. Sämmtliche Waschwässer fließen
unbenutzt in die Vesder ab in Folge einer dazu ertheilten Concession bei Anlage des
Werkes.
In der neu eingerichteten Fabrik von Mehlen in Verviers,
welche ebenfalls unmittelbar am Flußwege liegt, wird die Wolle zuerst in ovalen
eisernen Kästen, welche einen Siebboden haben, mit verdünnter Potaschenlösung unter
Dampfzuleitung kurze Zeit unter Umrühren eingeweicht, dann, zwischen Walzen sehr
stark ausgepreßt, den Wasch- und Spülmaschinen übergeben. Unter zeitweiligem
Zusatz von frischer Potaschenlösung kommt frische rohe Wolle in die
Entschweißungskästen, und zwar so oft hintereinander, bis die Lauge eine bestimmte
Concentration angenommen hat und nunmehr geeignet ist, ohne erhebliche Kosten durch
Abdampfen concentrirt zu werden. Zu dem Ende wird zunächst die Lauge durch einen
Hahn abgelassen und alsdann die erdigen Materien, Sand und dergl., welche sich
zwischen den beiden Böden abgelagert haben, entfernt, um hierauf die Operation von
neuem zu beginnen. Die braune Schweißlösung, welche die ganze Menge der zugesetzten
Potasche enthält, wird in eigens construirten Pfannen auf die Weise eingedampft, daß
mit Hilfe eines Ventilators die von dem Roste der Feuerung kommenden heißen
Verbrennungsgase mehrere Male nach einander durch die Lauge gesaugt werden. Die
Besichtigung dieser patentirten Abdampfpfannen, welche nach dem Principe der Woulf'schen Flaschen eingerichtet sein werden, wurde
nicht gestattet. Die aus den Leviathans kommenden Waschwässer gelangen, da die
Fabrik die Erlaubniß nicht erhalten hat, solche in den Fluß abfließen zu lassen, in
gemauerte Bassins und werden daselbst mit verdünnter Schwefelsäure versetzt, wodurch
die noch vorhandene Kaliseife unter Abscheidung von Fettsäuren, welche von den
übrigen Unreinigkeiten zu einer schmierigen Masse aufgenommen werden, zersetzt wird,
unter Bildung von schwefelsaurem Kali, welches in dem Wasser gelöst bleibt. Nachdem
die Flüssigkeit sich auf diese Weise geklärt hat, wird sie in die Vesder abgelassen,
der schmierige Rückstand jedoch merkwürdiger Weise, wohl wegen seines Kaligehaltes,
als Dünger verkauft. Die bei diesem Processe verwendete Säure stammt von der
Carbonisation der Wolle her – einem Processe, der jetzt allgemein zum
Entfernen der Kletten angewendet wird. (Vergl. 1874 213
65.)
In der Streichgarnspinnerei von Bockmühl in Düsseldorf
wird die rohe Wolle gleich mit Seifenlauge auf die beschriebene Weise eingeweicht,
dann zwischen Walzen ausgedrückt und hierauf gewaschen. Die braune
Schweißflüssigkeit wird aber hier nicht direct eingedampft, sondern in großen
eisernen Pfannen von 1,5 M. Tiefe mit Schwefelsäure versetzt und erwärmt. Dadurch
wird die Kaliseife der Wolle sowohl, als auch die zum Waschen der Wolle zugesetzte Seife unter
Abscheidung der Fettsäuren zersetzt, welche letzteren sich oben ansammeln und
abgeschöpft werden. Die wässerige Lauge, welche sauer reagirt, wird in Schlinggruben
abgelassen. Die resultirenden schmutzigen Fettsäuren werden in großen Kastenpressen
von den mechanischen Unreinigkeiten befreit und bilden alsdann eine
hellchocoladenfarbige dickflüssige Masse, welche verkauft wird. Man benützt dieselbe
zu Wagenschmiere und statt Degras zum Fetten des gewöhnlichen Leders. Dieselben auf
Stearinsäure, resp. feste Fettsäure mit Hilfe der Destillation zu verarbeiten, ist
nicht lohnend, da die Ausbeute an festen Säuren nur durchschnittlich 10 Proc.
beträgt.
Das Verfahren in der Wollwäscherei des Commercienrathes Waldthausen in Essen ist dem beschriebenen ähnlich; man wäscht die Wolle
jedoch nicht mit Seife, sondern mit Sodalösung, und zersetzt das resultirende
Schweißwasser mit Schwefelsäure und Salzsäure. Das abgeschiedene Fett, welches
gerade in der Neuzeit schwer verkäuflich ist, wird dann, wie beschrieben,
gereinigt.
Die Wollwäscherei von Watteau und Comp. in Antwerpen liegt unterhalb Antwerpen in unmittelbarer Nähe der
Schelde und ist also in der glücklichen Lage, diejenigen Waschwässer, welche nicht
verarbeitet werden sollen, in dieselbe abzulassen. Das Waschen der Wolle geschieht
in schon erwähnter Weise mit Potasche und Seife. Die concentrirten Waschwässer
werden in Pfannen eingedampft und die resultirende eingedickte Masse schließlich in
gewöhnlichen Flammöfen zum Trocknen gebracht und in diesen calcinirt. Die
rückständige rohe Potasche wird zum Theil wieder zur Wollwäsche gebraucht und der
überschüssige Theil als rohe Potasche in den Handel gebracht. Wie hieraus
hervorgeht, unterscheidet sich die Zugutemachung der Waschwässer in dieser Fabrik in
nichts von derjenigen der Wäscherei von Mehlen in
Verviers, und kann hinsichtlich der neuen Einrichtung und der vortrefflichen
Apparate, welche wir in Brügge bei G. Fernau und Comp. gefunden haben, nicht in Vergleich gezogen werden.
In dieser Fabrik, deren Besichtigung uns ausnahmsweise von dem Besitzer auf das
eingehendste gestattet wurde, fanden wir zu unserer Befriedigung auch den früher
schon genannten Abdampfofen, welcher uns jedoch in Verviers, wie wir dieses
erwähnten, nicht gezeigt wurde.
In der Wollwäscherei von G. Fernau und Comp. in Brügge wird die rohe
Wolle in fünf eisernen Ständern von circa 1,5 Meter Höhe und 0,6 M. unterem und 1 M.
oberem Durchmesser auf die Weise ausgelaugt, daß die wässerigen Lösungen von einem
Apparate zum anderen übersteigen können, wodurch stets eine ganz concentrirte Lauge
erhalten wird. Die
ausgelaugte Wolle wird nun noch mit Potaschenlösung und Kaliseife gewaschen und
nachher mit Wasser gespült. Während man das Spülwasser fließen läßt, gelangen
sämmtliche concentrirte sowohl wie verdünnte Laugen in große unterirdische Bassins,
um aus diesen durch Pumpen in die Abdampfapparate befördert zu werden. Die erste
Lauge, welche in Auslauge-Apparaten gewonnen wird, setzt nach kurzer Zeit den
der Wolle mechanisch anhaftenden unlöslichen Schmutz ab, welcher durch Kescher
ausgeschöpft und als Dünger verkauft wird.
Das Zugutemachen der Laugen geschieht nun in zwei nebeneinander gebauten Flammöfen,
welche durch die Skizzen in Fig. 23 und 24 [a/3.4] veranschaulicht werden.
Die Laugen gelangen zunächst durch das Zuflußrohr d in
den links gelegenen Flammofen, dessen Abdampfraum durch die Zunge g in zwei Theile A und B getheilt ist. Die Zunge g
geht so tief herunter, daß sie 10 Cm. tief in die Lauge eintaucht, wodurch die von
der Feuerung F kommenden heißen Feuergase gezwungen
werden, die Lauge zu durchstreichen – vorausgesetzt, daß der Exhaustor E, welcher 2 M. hoch ist und 0,3 M. Weite hat, in
Thätigkeit gesetzt wird. Von B gelangen die Feuergase
mit den Wasserdämpfen durch a, a, a in den Canal C und aus diesem in den senkrechten, circa 0,6 M. weiten
Canal D, in welchen oben das Saugrohr des Exhaustors
einmündet.Das Princip dieses Ofens stimmt vollkommen mit dem von V. Werotte patentirten Siedeapparat (Eindampfofen)
mit directer Verwendung der Feuergase überein (vergl. 1872 212 196).D. R. v. D. p. J. Nachdem in AB die Lauge bis zur dünnen
Syrupconsistenz eingedickt ist, wird sie nach dem Calcinirofen H gebracht und in diesem bis zur vollständigen Trockene
abgedampft; die Gase und Dämpfe gelangen durch b, b, b
zu einer nahe gelegenen Esse F'. Nachdem aus der Masse
in H sämmtliches Wasser entfernt ist, fängt dieselbe des
hohen Fettgehaltes wegen an zu brennen, weshalb von diesem Zeitpunkte ab die dadurch
entwickelten heißen Verbrennungsgase durch i nach AB geleitet und daselbst in Gesellschaft mit den
Feuerungsgasen zum Abdampfen der dünnen Laugen gebraucht werden. Hört nun
schließlich in H die Verbrennung auf, so wird die
glühende Masse durch q, q entfernt und in einen
viereckigen gemauerten Behälter gebracht, in welchem sie drei Wochen liegen bleibt
und während dieser Zeit vollständig ausglimmt. Im ausgebrannten Zustande sieht sie
wie hart gewordener Mörtel aus und bildet so die rohe Potasche, welche theilweise in
der Fabrik wieder zur Wäsche benützt, der übrige Theil aber verkauft wird. (Vergl.
1874 214 174.)
Obgleich uns zu Anfang der Eintritt in die Fabrik verweigert wurde, so erklärte sich Hr. Fernau doch später, als er überzeugt war, daß wir im
höheren Auftrage gekommen waren, sogar bereit, auf etwaige Anfragen der betreffenden
Industriellen diesen mit Rath und Zeichnungen seiner Anlage behilflich sein zu
wollen. Nach seinen Mittheilungen würde sich seine Methode der Eindampfung von
Waschwässern nicht für jede kleine Tuchfabrik rentiren, wohl aber, wenn sich mehrere
Tuchfabrikanten zu einer gemeinschaftlichen Anlage vereinigten. Die Fernau'schen Einrichtungen, welche auf täglich 8000 bis
10.000 Kilogrm. Wolle basiren, kosten in runder Summe 24.000 Mark und liefern nicht
allein Potasche für die eigene Wäsche, sondern muß noch ein sehr erhebliches Plus
für den Verkauf – besonders dann, wenn Buenos-Ayres- und
Montevideo-Wollen verarbeitet werden. Die besprochene Anlage hat sich nach
der Aussage des Besitzers binnen einem halben Jahre bezahlt gemacht. Auf uns hat die
ganze Einrichtung einen sehr günstigen Eindruck hervorgebracht, so daß wir nicht
anstehen, dieselbe als eine gemeinschaftliche Einrichtung kleineren Fabrikanten zu
empfehlen, wobei wir noch besonders hervorheben, daß das Waschen der Wolle mit
Potasche, wie es bei diesem Verfahren geschieht, nach allgemeinem Dafürhalten der
hiesigen großen Wollwäscher demjenigen mit Soda vorzuziehen ist.
B. Abfallwässer der Tuchfabriken.
Hierher gehören die Walkwässer und die ersten Spülwässer, welche außer Seife
sämmtliche lösliche Substanzen enthalten, die bei der Färberei und Weberei den
Tuchen einverleibt und von diesen nicht in unlöslicher Form, z.B. als Farbstoffe
zurückgehalten sind; außerdem sind denselben noch mechanisch Wollfasern beigemengt.
Je nach der Farbe der gewalkten Tuche sind auch die Walkwässer mehr oder weniger
gefärbt, von hellgrau bis blauschwarz. Wenn dieselben längere Zeit sich selbst
überlassen bleiben, so reagiren sie sauer, und es tritt unter Zersetzung derselben
ein höchst unangenehmer Geruch, vornehmlich nach Schwefelwasserstoff auf. (Vergl.
1874 211 205.)
Der Verfahrungsweisen, welche in der Aachener Gegend angewendet werden, um die
Walkwasser zu Gute zu machen, sind zwei. Man kann sie zweckmäßig bezeichnen als:
1. das Säurefahren und 2. das Kalkverfahren.
Das Säureverfahren, der Einfachheit wegen wohl am meisten angewendet, wird von den
Tuchfabrikanten selbst nicht ausgeübt, vielmehr ist die Verwerthung der Wässer in
die Hände besonderer Stearinsäurefabrikanten gelegt, welche die in den Tuchfabriken
vorläufig abgeschiedenen Massen in besonderen Etablissements weiter verarbeiten. Bei
diesem Processe wird das
Walkwasser in den Tuchfabriken in Fässern, hölzernen Kästen von verschiedener, aber
immerhin geringer Größe aufgefangen und durch Schwefelsäure zersetzt. Die
abgeschiedene, schwarze, sehr verunreinigte Wollfasern einschließende
Fettsäurenmasse wird abgeschöpft und in Fässern nach den Stearinsäurefabriken
gefahren; die schmutzige, salzhaltige Flüssigkeit jedoch in den Fluß abgelassen. In
den Stearinsäurefabriken wird die Fettmasse zunächst abgepreßt, wodurch Wollhaare
und dergl. zurückbleiben und hierauf in eisernen Blasen durch directes Feuer unter
Beihilfe von überhitztem Wasserdampf der Destillation unterworfen, wodurch ein
Gemenge von Oleïnsäure und festen Fettsäuren erhalten wird. Dasselbe wird
durch kaltes und nachheriges warmes Pressen in Oleïnsäure und feste
Fettsäuren geschieden, welche letztere direct zum Kerzengießen verwendet werden.
Das Kalkverfahren, welches schon vielfach zur Ausführung gekommen ist, jedoch
scheinbar ohne besonderen Erfolg, beruht auf der Unlöslichkeit der Kalkseife und
demnach in der Zersetzung der Seifenwässer durch Aetzkalk oder Chlorcalcium.
Dasselbe ist hier in Aachen von dem Fabrikanten Schwamborn zuerst und zwar mit großem Erfolg ohne nennenswerthe Kosten
eingeführt worden und erfreut sich einer stets wachsenden Aufnahme. Die
Schwierigkeit der Ausführung lag anfangs in der Trennung der Kalkseife von der
Flüssigkeit und in der Ueberführung der nassen Kalkseife in ein trockenes
verwerthbares Product; beides ist jetzt auf einfache Weise erreicht. Die Walkwässer
fließen in der Schwamborn'schen Fabrik zunächst in ein
gemauertes Sammelbassin von 250 Kubikmeter Inhalt, welches durchschnittlich alle 14
Tage gefüllt ist. Aus diesem Behälter wird die Flüssigkeit durch eine Abflußrinne in
ein tiefer gelegenes, gleich großes Bassin abgelassen; gleichzeitig aber aus einer
Bütte die nöthige Kalkmilch in Form eines dünnen Strahles in die Abflußrinnen
zugegeben. Der Boden des Zersetzungsbehälters ist aus drei Lagen Ziegelsteinen
gebildet, von denen die unterste flach liegt, die mittlere auf die hohe Kante
gestellt und die oberste wieder flach gelegt ist. Die beiden unteren Lagen
Ziegelsteine sind durch einfaches Aneinanderlegen der Steine gebildet, die obere
Lage jedoch ist mit gewöhnlichem Mörtel gemauert. In der einen Ecke des
Zersetzungsbassins ist eine mit Löchern versehene Breterwand a (Fig.
25 und 26 [a/3]) angebracht, deren Oeffnungen zu
Anfang mit Holzstöpseln verschlossen sind, welche in dem Maße, als später die
Kalkseife sich aus der klaren Flüssigkeit absetzt, von oben nach unten entfernt
werden, wodurch letztere durch b in einen Canal
abfließt. (Vergl. dagegen 1873 207 463.)
Durch das Einströmenlassen der Kalkmilch in das in einem dicken Strahl abfließende Walkwasser
findet eine innige Mischung der beiden Flüssigkeiten und dadurch eine momentane
Abscheidung der Kalkseife statt, welche sich so rasch absetzt, daß schon nach zwei
Stunden die klare Lauge aus der oberen Oeffnung abgelassen werden kann. Nach ein
paar Tagen ist schließlich ein fester Schlamm auf dem Boden zurückgeblieben, der
durch Eintrocknen, ähnlich dem nassen Thone, unzählige feine Risse bekommt, welche
sich stetig erweitern und der nassen Kalkseife Gelegenheit darbieten, die
zurückgehaltene Lauge in diese abfließen zu lassen, von wo aus dieselbe von dem
porösen Boden des Behälters aufgenommen und entfernt wird. Die zurückgebliebene
nasse Kalkseife wird jetzt ausgestochen und unter einem Dache auf Bretergestellen
getrocknet. In diesem Zustande stellt sie eine schieferartige, mehr oder weniger
feste Masse dar, welche sich mit dem Messer gut schneiden und eben so leicht
zerkleinern läßt. Die Zusammensetzung derselben ist natürlich verschieden je nach
der angewendeten Kalkmenge und je nach der Menge der mechanisch beigemengten und der
aufgelösten fremden Körper. Zwei von uns ausgeführte Analysen der Kalkseife, welche
zu verschiedenen Zeiten erhalten wurden, gaben folgende Zahlen:
I.
II.
WasserKalk- und Eisenoxyd
3,11 18,47
22,60
Fettsäure
71,96
61,02
Haare, Schmutz, Farbstoffe etc.
6,46
16,30
––––––––––––––––––––
100,00
99,92
Aus den Analysen geht zunächst hervor, daß der Gehalt an Fettsäure bedeutend
schwankt, hervorgerufen durch den sehr wechselnden Gehalt an Haaren, Schmutz,
Farbstoff etc.; dann aber auch folgt daraus, daß die Kalkseife im Momente der
Entstehung befähigt ist, ein überraschend großes Quantum suspendirter Körper
einzuschließen und mit abzuscheiden. Der ganze Proceß hat in dem äußeren Ansehen
viele Aehnlichkeit mit dem Scheiden des Rübensaftes durch Kalk, und hat die große
Wirksamkeit der gebildeten Kalkseife zur Zeit Basset
Veranlassung gegeben, Natronseife zum Präcipitiren des Kalkes und der
Stickstoffkörper etc. in dem Rübensafte vorzuschlagen. Man kann in der That dem
Walkwasser noch große Mengen von Farbstoff und unlöslicher Körper in Suspension
beifügen und erreicht doch eine vollständige Klärung des Wassers.
Die Kalkseife wird in Aachen an Privat-Gasanstalten pro 100 Kilogramm zu 18
Mark verkauft. Im Gemenge mit Steinkohlen wird daraus ein vorzügliches Leuchtgas
erzielt, welches fast nicht gereinigt zu werden braucht. Sicherlich wirkt hier der gebundene und
überschüssige Kalk der Seife schon reinigend in den Gasgeneratoren, insofern er sich
mit dem Schwefel der Steinkohlen verbindet. Wird die Kalkseife mit Salzsäure
zersetzt, hierauf mit Aether oder Schwefelkohlenstoff behandelt und alsdann
abfiltrirt, so bleiben nach dem Verdampfen der Lösungsmittel die Fettsäuren in einem
Zustande zurück, welcher eine sofortige Verwendung derselben zur Seifenfabrikation
gestatten wird. Unseres Erachtens würde die Wiedergewinnung der Fettsäure mit Hilfe
des Schwefelkohlenstoffes um so weniger Schwierigkeiten bieten, als dieses
Lösungsmittel ganz in derselben Weise zur Extraction von Oelsamen etc. schon längere
Zeit in Gebrauch ist.
Es unterliegt nun gar keinem Zweifel, daß auch die Wollschweißwässer nach dem
Kalkverfahren zu Gute, resp. unschädlich, gemacht werden können, und daß es sich für
diejenigen Tuchfabriken, welche die rohen Wollen selbst waschen, empfiehlt, die
Schweißwässer gleichzeitig mit den Walkwässern zu verarbeiten.
Was nun die Frage betrifft, welchem Verfahren der Verarbeitung der Wässer der Vorzug
gebührt, dem Säure- oder dem Kalkverfahren, so müssen wir ganz entschieden,
gestützt auf die Versuche im Großen, dann auch in Betreff der Einrichtungen, dem Kalkverfahren das Wort reden.
Bei dem Säureverfahren werden zwar die Fettsäuren abgeschieden, allein man muß hier
nach Aussage der Praktiker einen Ueberschuß von Schwefelsäure anwenden und das ganze
Quantum der Flüssigkeit durch directen Dampf erhitzen, wodurch dasselbe kostspielig
wird. Dabei werden die organischen Körper, welche sich in Suspension befinden, nur
zum geringen Theil entfernt, die gelösten Substanzen, wie Farbstoff, Metallsalze
etc. bleiben ganz in den wässerigen Flüssigkeiten. Lohnend ist diese
Gewinnungsmethode jedoch immer noch, indem z.B. der Reingewinn in der Bockmühl'schen Fabrik sich auf etwa 2500 bis 3000 Mark
pro Jahr beziffert.
Einfacher, lohnender und dem Zweck vollständig entsprechend ist das Kalkverfahren;
man scheidet ohne erhebliche Gewinnungskosten die schmutzigen Laugen in ein
werthvolles Product und in eine klare alkalische Lauge, welche einer ferneren
Zersetzung nicht mehr unterworfen ist und daher zu einer Entwickelung schädlicher
Gase nicht mehr Veranlassung geben kann. Die Gewinnungskosten der Kalkseife
abgerechnet, werden in der Schwamborn'schen Fabrik in
runder Zahl 30 Proc. des Werthes der gebrauchten Seife wieder gewonnen. Es ist
dieses ein Factum, das in jeder Beziehung befriedigen muß, und welches klar darlegt,
daß die Methode
überall angewendet zu werden verdient. Zur Ausführung derselben brauchen die
Sammel- und Präcipitationsbehälter nicht von der Größe der beschriebenen zu
sein; man kann vielmehr dieselben kleiner machen und den Proceß dafür öfters
ausführen. Die Abscheidung der Kalkseife geht, wie schon bemerkt, schnell von
statten, und ebenso rasch erfolgt die Klärung der Lauge.
In denjenigen Fabriken, in welchen die Wolle gewaschen und gefärbt wird, oder mit
denen eine Stückfärberei verbunden ist, können alle Abflußwässer mit den Walkwässern
vermischt und dann durch Kalk gefällt werden.
Die Abflußwässer aus den Färbereien werden in der Gegend von Aachen nicht gereinigt,
man läßt sie vielmehr direct in die Flüsse laufen. Versuche, welche wir mit
Wurmwasser angestellt haben, ergaben, daß zwar durch Kalkzusatz unter Klärung des
Wassers ein Niederschlag entsteht, welcher die Oxyde der gelösten Metallsalze
enthält, daß aber auf der anderen Seite dieser Niederschlag sich nur sehr langsam
absetzt, wodurch diese Methode für die Praxis unausführbar sein wird.