Titel: Verunreinigung der Gewässer durch Ausflüsse von Tuchfabriken; von Prof. Dr. Landolt und Prof. Dr. Stahlschmidt in Aachen.
Fundstelle: Band 215, Jahrgang 1875, S. 214
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Verunreinigung der Gewässer durch Ausflüsse von Tuchfabriken; von Prof. Dr. Landolt und Prof. Dr. Stahlschmidt in Aachen.Unter Zusendung eines Schreibens der königl. Regierung zu Frankfurt a. O. vom 6. December 1872, sowie eines Berichtes der technischen Deputation für Gewerbe vom 31. März 1873 sind die Verfasser von dem hohen Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten beauftragt worden, über diejenigen Hilfsmittel Auskunft zu geben, welche in Verviers und Aachen angewendet werden, um die in den Tuchfabriken und Wollwäschereien abfallenden Fabrikwässer unschädlich zu machen, mit der ferneren Weisung, sich gutachtlich über die von der königl. Regierung in Frankfurt a. O. aufgeworfene Frage zu äußern. Nach den Verhandlungen des Vereines zur Beförderung des Gewerbefleißes in Preußen, 1874 S. 314. Mit Abbildungen auf Taf. V [a/3.4]. Landolt und Stahlschmidt, über die Verunreinigung der Gewässer durch Ausflüsse von Tuchfabriken. A. Abfallwässer der Wollwäschereien. In der Müllendorf'schen Wäscherei in Verviers, welche unmittelbar an dem Flusse liegt, kommt die rohe Wolle zuerst in trichterförmige eiserne Gefäße, welche oben circa 1 Meter und unten 0,6 Meter im Durchmesser besitzen und circa 1,6 M. hoch sind. Der Boden der Gefäße ist durchlöchert und so stark gewählt, daß die Wolle fest eingedrückt werden kann. In diesen Gefäßen wird die Wolle einfach mit warmem Wasser übergossen, welches, dieselbe von oben nach unten durchdringend, den löslichen Schweiß, d.h. die Kaliseife, auflöst und unten als braune Brühe abfließt, die dann sofort in gewöhnlichen Abdampfpfannen so weit eingedampft wird, daß sie beim Erkalten eine schmierseifenähnliche Masse bildet, welche an Potaschenfabriken abgegeben und in denselben durch Verbrennen etc. auf Potasche verarbeitet wird. Die so weit gereinigte Wolle gelangt nun in die Leviathans (mehrfache Wollwaschmaschinen; 1869 191 118. 1874 212 20) wird in denselben mit verdünnter Potaschenlauge gewaschen und schließlich mit reinem Wasser gespült. Sämmtliche Waschwässer fließen unbenutzt in die Vesder ab in Folge einer dazu ertheilten Concession bei Anlage des Werkes. In der neu eingerichteten Fabrik von Mehlen in Verviers, welche ebenfalls unmittelbar am Flußwege liegt, wird die Wolle zuerst in ovalen eisernen Kästen, welche einen Siebboden haben, mit verdünnter Potaschenlösung unter Dampfzuleitung kurze Zeit unter Umrühren eingeweicht, dann, zwischen Walzen sehr stark ausgepreßt, den Wasch- und Spülmaschinen übergeben. Unter zeitweiligem Zusatz von frischer Potaschenlösung kommt frische rohe Wolle in die Entschweißungskästen, und zwar so oft hintereinander, bis die Lauge eine bestimmte Concentration angenommen hat und nunmehr geeignet ist, ohne erhebliche Kosten durch Abdampfen concentrirt zu werden. Zu dem Ende wird zunächst die Lauge durch einen Hahn abgelassen und alsdann die erdigen Materien, Sand und dergl., welche sich zwischen den beiden Böden abgelagert haben, entfernt, um hierauf die Operation von neuem zu beginnen. Die braune Schweißlösung, welche die ganze Menge der zugesetzten Potasche enthält, wird in eigens construirten Pfannen auf die Weise eingedampft, daß mit Hilfe eines Ventilators die von dem Roste der Feuerung kommenden heißen Verbrennungsgase mehrere Male nach einander durch die Lauge gesaugt werden. Die Besichtigung dieser patentirten Abdampfpfannen, welche nach dem Principe der Woulf'schen Flaschen eingerichtet sein werden, wurde nicht gestattet. Die aus den Leviathans kommenden Waschwässer gelangen, da die Fabrik die Erlaubniß nicht erhalten hat, solche in den Fluß abfließen zu lassen, in gemauerte Bassins und werden daselbst mit verdünnter Schwefelsäure versetzt, wodurch die noch vorhandene Kaliseife unter Abscheidung von Fettsäuren, welche von den übrigen Unreinigkeiten zu einer schmierigen Masse aufgenommen werden, zersetzt wird, unter Bildung von schwefelsaurem Kali, welches in dem Wasser gelöst bleibt. Nachdem die Flüssigkeit sich auf diese Weise geklärt hat, wird sie in die Vesder abgelassen, der schmierige Rückstand jedoch merkwürdiger Weise, wohl wegen seines Kaligehaltes, als Dünger verkauft. Die bei diesem Processe verwendete Säure stammt von der Carbonisation der Wolle her – einem Processe, der jetzt allgemein zum Entfernen der Kletten angewendet wird. (Vergl. 1874 213 65.) In der Streichgarnspinnerei von Bockmühl in Düsseldorf wird die rohe Wolle gleich mit Seifenlauge auf die beschriebene Weise eingeweicht, dann zwischen Walzen ausgedrückt und hierauf gewaschen. Die braune Schweißflüssigkeit wird aber hier nicht direct eingedampft, sondern in großen eisernen Pfannen von 1,5 M. Tiefe mit Schwefelsäure versetzt und erwärmt. Dadurch wird die Kaliseife der Wolle sowohl, als auch die zum Waschen der Wolle zugesetzte Seife unter Abscheidung der Fettsäuren zersetzt, welche letzteren sich oben ansammeln und abgeschöpft werden. Die wässerige Lauge, welche sauer reagirt, wird in Schlinggruben abgelassen. Die resultirenden schmutzigen Fettsäuren werden in großen Kastenpressen von den mechanischen Unreinigkeiten befreit und bilden alsdann eine hellchocoladenfarbige dickflüssige Masse, welche verkauft wird. Man benützt dieselbe zu Wagenschmiere und statt Degras zum Fetten des gewöhnlichen Leders. Dieselben auf Stearinsäure, resp. feste Fettsäure mit Hilfe der Destillation zu verarbeiten, ist nicht lohnend, da die Ausbeute an festen Säuren nur durchschnittlich 10 Proc. beträgt. Das Verfahren in der Wollwäscherei des Commercienrathes Waldthausen in Essen ist dem beschriebenen ähnlich; man wäscht die Wolle jedoch nicht mit Seife, sondern mit Sodalösung, und zersetzt das resultirende Schweißwasser mit Schwefelsäure und Salzsäure. Das abgeschiedene Fett, welches gerade in der Neuzeit schwer verkäuflich ist, wird dann, wie beschrieben, gereinigt. Die Wollwäscherei von Watteau und Comp. in Antwerpen liegt unterhalb Antwerpen in unmittelbarer Nähe der Schelde und ist also in der glücklichen Lage, diejenigen Waschwässer, welche nicht verarbeitet werden sollen, in dieselbe abzulassen. Das Waschen der Wolle geschieht in schon erwähnter Weise mit Potasche und Seife. Die concentrirten Waschwässer werden in Pfannen eingedampft und die resultirende eingedickte Masse schließlich in gewöhnlichen Flammöfen zum Trocknen gebracht und in diesen calcinirt. Die rückständige rohe Potasche wird zum Theil wieder zur Wollwäsche gebraucht und der überschüssige Theil als rohe Potasche in den Handel gebracht. Wie hieraus hervorgeht, unterscheidet sich die Zugutemachung der Waschwässer in dieser Fabrik in nichts von derjenigen der Wäscherei von Mehlen in Verviers, und kann hinsichtlich der neuen Einrichtung und der vortrefflichen Apparate, welche wir in Brügge bei G. Fernau und Comp. gefunden haben, nicht in Vergleich gezogen werden. In dieser Fabrik, deren Besichtigung uns ausnahmsweise von dem Besitzer auf das eingehendste gestattet wurde, fanden wir zu unserer Befriedigung auch den früher schon genannten Abdampfofen, welcher uns jedoch in Verviers, wie wir dieses erwähnten, nicht gezeigt wurde. In der Wollwäscherei von G. Fernau und Comp. in Brügge wird die rohe Wolle in fünf eisernen Ständern von circa 1,5 Meter Höhe und 0,6 M. unterem und 1 M. oberem Durchmesser auf die Weise ausgelaugt, daß die wässerigen Lösungen von einem Apparate zum anderen übersteigen können, wodurch stets eine ganz concentrirte Lauge erhalten wird. Die ausgelaugte Wolle wird nun noch mit Potaschenlösung und Kaliseife gewaschen und nachher mit Wasser gespült. Während man das Spülwasser fließen läßt, gelangen sämmtliche concentrirte sowohl wie verdünnte Laugen in große unterirdische Bassins, um aus diesen durch Pumpen in die Abdampfapparate befördert zu werden. Die erste Lauge, welche in Auslauge-Apparaten gewonnen wird, setzt nach kurzer Zeit den der Wolle mechanisch anhaftenden unlöslichen Schmutz ab, welcher durch Kescher ausgeschöpft und als Dünger verkauft wird. Das Zugutemachen der Laugen geschieht nun in zwei nebeneinander gebauten Flammöfen, welche durch die Skizzen in Fig. 23 und 24 [a/3.4] veranschaulicht werden. Die Laugen gelangen zunächst durch das Zuflußrohr d in den links gelegenen Flammofen, dessen Abdampfraum durch die Zunge g in zwei Theile A und B getheilt ist. Die Zunge g geht so tief herunter, daß sie 10 Cm. tief in die Lauge eintaucht, wodurch die von der Feuerung F kommenden heißen Feuergase gezwungen werden, die Lauge zu durchstreichen – vorausgesetzt, daß der Exhaustor E, welcher 2 M. hoch ist und 0,3 M. Weite hat, in Thätigkeit gesetzt wird. Von B gelangen die Feuergase mit den Wasserdämpfen durch a, a, a in den Canal C und aus diesem in den senkrechten, circa 0,6 M. weiten Canal D, in welchen oben das Saugrohr des Exhaustors einmündet.Das Princip dieses Ofens stimmt vollkommen mit dem von V. Werotte patentirten Siedeapparat (Eindampfofen) mit directer Verwendung der Feuergase überein (vergl. 1872 212 196).D. R. v. D. p. J. Nachdem in AB die Lauge bis zur dünnen Syrupconsistenz eingedickt ist, wird sie nach dem Calcinirofen H gebracht und in diesem bis zur vollständigen Trockene abgedampft; die Gase und Dämpfe gelangen durch b, b, b zu einer nahe gelegenen Esse F'. Nachdem aus der Masse in H sämmtliches Wasser entfernt ist, fängt dieselbe des hohen Fettgehaltes wegen an zu brennen, weshalb von diesem Zeitpunkte ab die dadurch entwickelten heißen Verbrennungsgase durch i nach AB geleitet und daselbst in Gesellschaft mit den Feuerungsgasen zum Abdampfen der dünnen Laugen gebraucht werden. Hört nun schließlich in H die Verbrennung auf, so wird die glühende Masse durch q, q entfernt und in einen viereckigen gemauerten Behälter gebracht, in welchem sie drei Wochen liegen bleibt und während dieser Zeit vollständig ausglimmt. Im ausgebrannten Zustande sieht sie wie hart gewordener Mörtel aus und bildet so die rohe Potasche, welche theilweise in der Fabrik wieder zur Wäsche benützt, der übrige Theil aber verkauft wird. (Vergl. 1874 214 174.) Obgleich uns zu Anfang der Eintritt in die Fabrik verweigert wurde, so erklärte sich Hr. Fernau doch später, als er überzeugt war, daß wir im höheren Auftrage gekommen waren, sogar bereit, auf etwaige Anfragen der betreffenden Industriellen diesen mit Rath und Zeichnungen seiner Anlage behilflich sein zu wollen. Nach seinen Mittheilungen würde sich seine Methode der Eindampfung von Waschwässern nicht für jede kleine Tuchfabrik rentiren, wohl aber, wenn sich mehrere Tuchfabrikanten zu einer gemeinschaftlichen Anlage vereinigten. Die Fernau'schen Einrichtungen, welche auf täglich 8000 bis 10.000 Kilogrm. Wolle basiren, kosten in runder Summe 24.000 Mark und liefern nicht allein Potasche für die eigene Wäsche, sondern muß noch ein sehr erhebliches Plus für den Verkauf – besonders dann, wenn Buenos-Ayres- und Montevideo-Wollen verarbeitet werden. Die besprochene Anlage hat sich nach der Aussage des Besitzers binnen einem halben Jahre bezahlt gemacht. Auf uns hat die ganze Einrichtung einen sehr günstigen Eindruck hervorgebracht, so daß wir nicht anstehen, dieselbe als eine gemeinschaftliche Einrichtung kleineren Fabrikanten zu empfehlen, wobei wir noch besonders hervorheben, daß das Waschen der Wolle mit Potasche, wie es bei diesem Verfahren geschieht, nach allgemeinem Dafürhalten der hiesigen großen Wollwäscher demjenigen mit Soda vorzuziehen ist. B. Abfallwässer der Tuchfabriken. Hierher gehören die Walkwässer und die ersten Spülwässer, welche außer Seife sämmtliche lösliche Substanzen enthalten, die bei der Färberei und Weberei den Tuchen einverleibt und von diesen nicht in unlöslicher Form, z.B. als Farbstoffe zurückgehalten sind; außerdem sind denselben noch mechanisch Wollfasern beigemengt. Je nach der Farbe der gewalkten Tuche sind auch die Walkwässer mehr oder weniger gefärbt, von hellgrau bis blauschwarz. Wenn dieselben längere Zeit sich selbst überlassen bleiben, so reagiren sie sauer, und es tritt unter Zersetzung derselben ein höchst unangenehmer Geruch, vornehmlich nach Schwefelwasserstoff auf. (Vergl. 1874 211 205.) Der Verfahrungsweisen, welche in der Aachener Gegend angewendet werden, um die Walkwasser zu Gute zu machen, sind zwei. Man kann sie zweckmäßig bezeichnen als: 1. das Säurefahren und 2. das Kalkverfahren. Das Säureverfahren, der Einfachheit wegen wohl am meisten angewendet, wird von den Tuchfabrikanten selbst nicht ausgeübt, vielmehr ist die Verwerthung der Wässer in die Hände besonderer Stearinsäurefabrikanten gelegt, welche die in den Tuchfabriken vorläufig abgeschiedenen Massen in besonderen Etablissements weiter verarbeiten. Bei diesem Processe wird das Walkwasser in den Tuchfabriken in Fässern, hölzernen Kästen von verschiedener, aber immerhin geringer Größe aufgefangen und durch Schwefelsäure zersetzt. Die abgeschiedene, schwarze, sehr verunreinigte Wollfasern einschließende Fettsäurenmasse wird abgeschöpft und in Fässern nach den Stearinsäurefabriken gefahren; die schmutzige, salzhaltige Flüssigkeit jedoch in den Fluß abgelassen. In den Stearinsäurefabriken wird die Fettmasse zunächst abgepreßt, wodurch Wollhaare und dergl. zurückbleiben und hierauf in eisernen Blasen durch directes Feuer unter Beihilfe von überhitztem Wasserdampf der Destillation unterworfen, wodurch ein Gemenge von Oleïnsäure und festen Fettsäuren erhalten wird. Dasselbe wird durch kaltes und nachheriges warmes Pressen in Oleïnsäure und feste Fettsäuren geschieden, welche letztere direct zum Kerzengießen verwendet werden. Das Kalkverfahren, welches schon vielfach zur Ausführung gekommen ist, jedoch scheinbar ohne besonderen Erfolg, beruht auf der Unlöslichkeit der Kalkseife und demnach in der Zersetzung der Seifenwässer durch Aetzkalk oder Chlorcalcium. Dasselbe ist hier in Aachen von dem Fabrikanten Schwamborn zuerst und zwar mit großem Erfolg ohne nennenswerthe Kosten eingeführt worden und erfreut sich einer stets wachsenden Aufnahme. Die Schwierigkeit der Ausführung lag anfangs in der Trennung der Kalkseife von der Flüssigkeit und in der Ueberführung der nassen Kalkseife in ein trockenes verwerthbares Product; beides ist jetzt auf einfache Weise erreicht. Die Walkwässer fließen in der Schwamborn'schen Fabrik zunächst in ein gemauertes Sammelbassin von 250 Kubikmeter Inhalt, welches durchschnittlich alle 14 Tage gefüllt ist. Aus diesem Behälter wird die Flüssigkeit durch eine Abflußrinne in ein tiefer gelegenes, gleich großes Bassin abgelassen; gleichzeitig aber aus einer Bütte die nöthige Kalkmilch in Form eines dünnen Strahles in die Abflußrinnen zugegeben. Der Boden des Zersetzungsbehälters ist aus drei Lagen Ziegelsteinen gebildet, von denen die unterste flach liegt, die mittlere auf die hohe Kante gestellt und die oberste wieder flach gelegt ist. Die beiden unteren Lagen Ziegelsteine sind durch einfaches Aneinanderlegen der Steine gebildet, die obere Lage jedoch ist mit gewöhnlichem Mörtel gemauert. In der einen Ecke des Zersetzungsbassins ist eine mit Löchern versehene Breterwand a (Fig. 25 und 26 [a/3]) angebracht, deren Oeffnungen zu Anfang mit Holzstöpseln verschlossen sind, welche in dem Maße, als später die Kalkseife sich aus der klaren Flüssigkeit absetzt, von oben nach unten entfernt werden, wodurch letztere durch b in einen Canal abfließt. (Vergl. dagegen 1873 207 463.) Durch das Einströmenlassen der Kalkmilch in das in einem dicken Strahl abfließende Walkwasser findet eine innige Mischung der beiden Flüssigkeiten und dadurch eine momentane Abscheidung der Kalkseife statt, welche sich so rasch absetzt, daß schon nach zwei Stunden die klare Lauge aus der oberen Oeffnung abgelassen werden kann. Nach ein paar Tagen ist schließlich ein fester Schlamm auf dem Boden zurückgeblieben, der durch Eintrocknen, ähnlich dem nassen Thone, unzählige feine Risse bekommt, welche sich stetig erweitern und der nassen Kalkseife Gelegenheit darbieten, die zurückgehaltene Lauge in diese abfließen zu lassen, von wo aus dieselbe von dem porösen Boden des Behälters aufgenommen und entfernt wird. Die zurückgebliebene nasse Kalkseife wird jetzt ausgestochen und unter einem Dache auf Bretergestellen getrocknet. In diesem Zustande stellt sie eine schieferartige, mehr oder weniger feste Masse dar, welche sich mit dem Messer gut schneiden und eben so leicht zerkleinern läßt. Die Zusammensetzung derselben ist natürlich verschieden je nach der angewendeten Kalkmenge und je nach der Menge der mechanisch beigemengten und der aufgelösten fremden Körper. Zwei von uns ausgeführte Analysen der Kalkseife, welche zu verschiedenen Zeiten erhalten wurden, gaben folgende Zahlen: I. II. WasserKalk- und Eisenoxyd     3,11  18,47 22,60 Fettsäure   71,96 61,02 Haare, Schmutz, Farbstoffe etc.     6,46 16,30 –––––––––––––––––––– 100,00 99,92 Aus den Analysen geht zunächst hervor, daß der Gehalt an Fettsäure bedeutend schwankt, hervorgerufen durch den sehr wechselnden Gehalt an Haaren, Schmutz, Farbstoff etc.; dann aber auch folgt daraus, daß die Kalkseife im Momente der Entstehung befähigt ist, ein überraschend großes Quantum suspendirter Körper einzuschließen und mit abzuscheiden. Der ganze Proceß hat in dem äußeren Ansehen viele Aehnlichkeit mit dem Scheiden des Rübensaftes durch Kalk, und hat die große Wirksamkeit der gebildeten Kalkseife zur Zeit Basset Veranlassung gegeben, Natronseife zum Präcipitiren des Kalkes und der Stickstoffkörper etc. in dem Rübensafte vorzuschlagen. Man kann in der That dem Walkwasser noch große Mengen von Farbstoff und unlöslicher Körper in Suspension beifügen und erreicht doch eine vollständige Klärung des Wassers. Die Kalkseife wird in Aachen an Privat-Gasanstalten pro 100 Kilogramm zu 18 Mark verkauft. Im Gemenge mit Steinkohlen wird daraus ein vorzügliches Leuchtgas erzielt, welches fast nicht gereinigt zu werden braucht. Sicherlich wirkt hier der gebundene und überschüssige Kalk der Seife schon reinigend in den Gasgeneratoren, insofern er sich mit dem Schwefel der Steinkohlen verbindet. Wird die Kalkseife mit Salzsäure zersetzt, hierauf mit Aether oder Schwefelkohlenstoff behandelt und alsdann abfiltrirt, so bleiben nach dem Verdampfen der Lösungsmittel die Fettsäuren in einem Zustande zurück, welcher eine sofortige Verwendung derselben zur Seifenfabrikation gestatten wird. Unseres Erachtens würde die Wiedergewinnung der Fettsäure mit Hilfe des Schwefelkohlenstoffes um so weniger Schwierigkeiten bieten, als dieses Lösungsmittel ganz in derselben Weise zur Extraction von Oelsamen etc. schon längere Zeit in Gebrauch ist. Es unterliegt nun gar keinem Zweifel, daß auch die Wollschweißwässer nach dem Kalkverfahren zu Gute, resp. unschädlich, gemacht werden können, und daß es sich für diejenigen Tuchfabriken, welche die rohen Wollen selbst waschen, empfiehlt, die Schweißwässer gleichzeitig mit den Walkwässern zu verarbeiten. Was nun die Frage betrifft, welchem Verfahren der Verarbeitung der Wässer der Vorzug gebührt, dem Säure- oder dem Kalkverfahren, so müssen wir ganz entschieden, gestützt auf die Versuche im Großen, dann auch in Betreff der Einrichtungen, dem Kalkverfahren das Wort reden. Bei dem Säureverfahren werden zwar die Fettsäuren abgeschieden, allein man muß hier nach Aussage der Praktiker einen Ueberschuß von Schwefelsäure anwenden und das ganze Quantum der Flüssigkeit durch directen Dampf erhitzen, wodurch dasselbe kostspielig wird. Dabei werden die organischen Körper, welche sich in Suspension befinden, nur zum geringen Theil entfernt, die gelösten Substanzen, wie Farbstoff, Metallsalze etc. bleiben ganz in den wässerigen Flüssigkeiten. Lohnend ist diese Gewinnungsmethode jedoch immer noch, indem z.B. der Reingewinn in der Bockmühl'schen Fabrik sich auf etwa 2500 bis 3000 Mark pro Jahr beziffert. Einfacher, lohnender und dem Zweck vollständig entsprechend ist das Kalkverfahren; man scheidet ohne erhebliche Gewinnungskosten die schmutzigen Laugen in ein werthvolles Product und in eine klare alkalische Lauge, welche einer ferneren Zersetzung nicht mehr unterworfen ist und daher zu einer Entwickelung schädlicher Gase nicht mehr Veranlassung geben kann. Die Gewinnungskosten der Kalkseife abgerechnet, werden in der Schwamborn'schen Fabrik in runder Zahl 30 Proc. des Werthes der gebrauchten Seife wieder gewonnen. Es ist dieses ein Factum, das in jeder Beziehung befriedigen muß, und welches klar darlegt, daß die Methode überall angewendet zu werden verdient. Zur Ausführung derselben brauchen die Sammel- und Präcipitationsbehälter nicht von der Größe der beschriebenen zu sein; man kann vielmehr dieselben kleiner machen und den Proceß dafür öfters ausführen. Die Abscheidung der Kalkseife geht, wie schon bemerkt, schnell von statten, und ebenso rasch erfolgt die Klärung der Lauge. In denjenigen Fabriken, in welchen die Wolle gewaschen und gefärbt wird, oder mit denen eine Stückfärberei verbunden ist, können alle Abflußwässer mit den Walkwässern vermischt und dann durch Kalk gefällt werden. Die Abflußwässer aus den Färbereien werden in der Gegend von Aachen nicht gereinigt, man läßt sie vielmehr direct in die Flüsse laufen. Versuche, welche wir mit Wurmwasser angestellt haben, ergaben, daß zwar durch Kalkzusatz unter Klärung des Wassers ein Niederschlag entsteht, welcher die Oxyde der gelösten Metallsalze enthält, daß aber auf der anderen Seite dieser Niederschlag sich nur sehr langsam absetzt, wodurch diese Methode für die Praxis unausführbar sein wird.

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