Titel: | Ueber das Wesen des Chlorkalkes und dessen freiwillige Zersetzung; von Carl Opl, Chemiker in der Hruschauer Sodafabrik. |
Autor: | Carl Opl |
Fundstelle: | Band 215, Jahrgang 1875, S. 232 |
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Ueber das Wesen des Chlorkalkes und dessen
freiwillige Zersetzung; von Carl
Opl, Chemiker in der Hruschauer Sodafabrik.
Opl, über das Wessen des Chlorkalkes und dessen freiwillige
Zersetzung.
I. Zur Constitution des
Chlorkalkes.
Ueber die Zusammensetzung des Chlorkalkes sind in letzterer Zeit in diesem Journale
mehrere Abhandlungen erschienen, worin der bleichenden Verbindung des Chlorkalkes
die empirische Formel CaOCl₂ (CaOCl) gegeben
wird. Von der früheren Auffassung, daß der Chlorkalk eine Verbindung der Formel CaO
. Cl₂O + CaCl₂ (CaO, ClO + CaCl) sei, ist
man für das trockene Pulver allgemein zurück gekommen, und nur noch für die
wässerige Lösung findet diese Formel in Richter und Juncker ihre Vertheidiger. (S. 1874 211 38.) Diese nehmen an, daß beim Lösen in Wasser eine Spaltung der
Verbindung eintritt, da unterchlorige Säure entwickelt wird, wenn man eine
verdünnte, filtrirte Chlorkalklösung mit nur so viel Säure (Schwefelsäure, Phosphorsäure) versetzt,
daß noch nicht alles Hypochlorit zersetzt wird. Die Entwickelung von Cl₂O ist
in diesem Falle offenbar das Product der Einwirkung des durch die zugesetzte Säure
entwickelten Chlores auf den noch unangegriffenen Chlorkalk nach der Reaction, die
schon J. Kolb (1868 187 55)
nachgewiesen hat, nämlich: CaOCl₂ + Cl₂ = CaCl₂ +
Cl₂O.
Die Annahme von J. Kolb, daß zur Constitution des
Bleichkalkes außer der Verbindung CaOCl₂ noch H₂CaO₂ und Wasser
gehören, haben bezüglich des gebundenen Kalkhydrates Göpner (1873 209 204) sowie Richter und Juncker zu
widerlegen gesucht.
Göpner erklärt das Vorkommen des Kalthydrates in jedem
Bleichkalke durch die von Chlorcalcium bewirkten Umhüllung der einzelnen
Kalkhydrat-Partikelchen, so daß dieselben für das Chlorgas unzugänglich
werden, und Richter und Juncker schreiben das Vorhandensein von unangegriffenem Kalkhydrat der
Wasser entziehenden Kraft der gebildeten Verbindung CaOCl₂ zu, welche alles
freies Wasser absorbirt, und ohne freies Wasser das Chlorgas nicht auf Kalkhydrat
einwirkt. Die weitere Annahme J. Kolb's, daß zur
Constitution des Chlorkalkes ein Molecül Wasser gehört, hat Göpner damit widerlegt, daß er Chlorkalk mit weniger als 1/4 Molecül
Wasser darstellte; ebenso zeigt (in Göpner's Abhandlung)
Wilms' Analyse eines Chlorkalkes mit 10 Proc. Wasser,
daß die Verbindung CaOCl₂ weniger als ein Molecül Wasser enthält. Auch die
Versuche von Tschigianjang; welcher beim Darüberleiten
von trockenem Chlorgas über trockenes Kalkhydrat Chlorkalk herstellte, wobei 1 bis 2
Proc. Wasser frei wurden, bezeugen dasselbe.
Ein Chlorkalk von der Zusammensetzung:
Cl
=
38,77 Proc.
Gebundenes CaO
=
30,58 „
Freies
CaO
=
14,58 „
HO
etc.
=
16,07 „
–––––––––––––––––––––––––
100,00 Proc.
wurde 3 Tage unter einer gut schließenden Glasglocke über
concentrirte Schwefelsäure bei gewöhnlicher Zimmertemperatur aufbewahrt. Er verlor
am 1. Tage 4,8, am 2. Tage 4,0 und am 3. Tage 1,2 – im Ganzen also 10,0 Proc.
des Gewichtes und hatte folgende Zusammensetzung angenommen:
Cl
=
38,70 Proc.
Gebundenes CaO
=
30,52 „
Freies
CaO
=
21,33 „
HO
etc.
=
9,45 „
–––––––––––––––––––––––––
100,00 Proc.
Der Verlust bestand demnach aus 3,94 Proc. Chlor und 6,06 Proc. Wasser; der Chlorkalk
hielt weniger Wasser zurück, als der Formel CaOCl₂ . H₂O entsprechen
würde. Hierbei war jedoch schon eine Zersetzung eingetreten; während der Gehalt an
Wasser abnahm, stieg der Gehalt an freiem CaO nahezu um dieselbe Größe. Versuche,
dem Chlorkalk alles Wasser zu entziehen, scheitern, da schon früher Zersetzung
eintritt. Mischt man trockenes neutrales Chlorcalcium mit trockenem Chlorkalk, so
tritt alsbald Chlorentwickelung auf, wie folgende Versuche zeigten.
1) 10 Grm. Chlorkalk von 106° mit 5 Grm. trockenem Chlorcalcium gemischt;
desgleichen
2) 10 Grm. Chlorkalk mit 10 Grm. Chlorcalcium und
3) 10 Grm. Chlorkalk ohne jede Beimischung
wurden an einem dunklen, trockenen Orte zwei Tage lang stehen
gelassen. Probe 1 hatte nach dieser Zeit noch 84°, Probe 2 nur 43,1°,
während Probe 3 unverändert 106° zeigte. Eine concentrirte
Chlorcalciumlösung, die bei gewöhnlicher Temperatur nicht krystallisirt, entwickelt
mit Chlorkalk kein Chlorgas; bei einer stärkeren, die beim Erkalten krystallisirte,
war schon der Geruch nach freiem Chlor bemerkbar.
Diese Versuche beweisen, daß es nicht gelingt, dem Chlorkalk alles Wasser ohne
Zersetzung desselben zu entziehen. Die oben mitgetheilte Thatsache, daß mit
abnehmendem Wassergehalte eines Chlorkalkes dessen Calciumoxydgehalt wächst, erhellt
noch mehr aus folgenden Versuchen.
In ein ca. 158 Mm. hohes, 79 Mm. weites Glas wurde 105 Mm. hoch eine Schichte
Kalkhydrat von der Zusammensetzung
CaO
= 73,67 Proc.
Wasser etc.
= 26,33 „
wie solches bei der Chlorfabrikation verwendet wird, gegeben
und darauf durch Wasser gewaschenes Chlorgas geleitet. Das Absorptionsgefäß wurde
mit Wasser von etwa 18° gekühlt. In dem Maße, als Chlorgas einströmte, sah
man das Vordringen der Chlorkalkschichte; in den ersten 12 Stunden wurde eine
Schichte von 42,8 Mm., in den zweiten 12 Stunden 40,6 Mm. bei gleichbleibendem
Chlorstrome gebildet, so daß kein bedeutender Unterschied in der Durchdringlichkeit
einer stärkeren oder schwächeren Kalkschichte bemerkbar wurde. Von diesem Chlorkalk
wurden nun folgende Proben analysirt.
1.
Probe, oberste Schichte
13
Mm. von oben.
2.
„ folgende „
von
13–26 Mm.
3.
„ „
„
26–53 „
4.
„ „
„
53–79 „
5.
„ „
„
83–105 „
Von der zweiten Schichte wurden außerdem noch zwei Proben genommen – die eine
vom Rande des Glases, die andere aus der Mitte. Die Analyse erstreckte sich auf die
Bestimmung des wirksamen Chlores und des freien Kalkhydrates; unter der Angabe
H₂O sind auch alle Verunreinigungen des Kalkhydrates als SiO₂,
CO₂, Fe₂O₃ etc. mit inbegriffen. Zum besseren Vergleiche sind
die Resultate in folgender Tabelle zusammengestellt.
Chlorkalk-Schichten.
WirksamesCl
GebundenesCaO
FreiesCaO
H₂O
Berechnet auf 100
Th.CaOCl₂
H₂O auf das angewendeteKalkhydrat
berechnet
CaO
H₂O
Summebeider
I
39,23
30,94
8,27
21,56
11,8
30,7
42,5
40,7
Rand II
42,26
33,33
6,07
18,34
8,1
24,3
32,4
34,4
Mitte II
42,04
33,16
11,33
13,47
15,1
17,9
33,0
22,4
III
42,60
33,60
8,78
15,02
11,5
19,7
31,2
26,2
IV
40,13
31,65
13,92
14,30
19,2
19,9
39,1
23,0
V
1,83
1,44
71,90
24,83
–
–
–
25,1
Bei Vergleichung dieser Analysen ergibt sich zuerst die wechselnde Zusammensetzung
des erzeugten Chlorkalkes in verschiedenen Schichten; der Wassergehalt ist in den
oberen und Rand-Schichten bedeutend größer als in den unteren und inneren
Schichten. Da das Kalkhydrat von gleichem Wassergehalt angewendet wurde, so hat also
eine Wanderung stattgefunden. Durch die bei der Chloraufnahme entwickelte Wärme
verdampfte das Wasser aus den inneren Schichten und wurde von den oberen und
Rand-Schichten, als kältere Schichten, wieder condensirt. Mit dem zunehmenden
Wassergehalte sehen wir nun das stetige Abnehmen des freien Kalkhydrates, so daß wir
bei einem Wassergehalte von 34,4 Proc., auf das angewendete Kalkhydrat berechnet,
nur noch 6,07 Proc. freien Kalk, d. i. 1/5 des angewendeten vorfinden.
Die erste Schichte zeigt eine Abweichung wegen des mitgerissenen Wassers und die
letzte als ungesättigter Chlorkalk desgleichen.
Will man Chlorkalk mit wenig freiem Kalkhydrat erzeugen, so muß man viel Wasser
zuführen; entzieht man dem Chlorkalk das Wasser, so wächst dessen Gehalt an Kalk.
Beide Bestandtheile zugleich kann man dem Chlorkalk nicht entziehen, und J. Kolb's Annahme, daß zur Constitution des Bleichpulvers
außer der Verbindung CaOCl₂ noch Kalkhydrat und Wasser zu rechnen ist, wird
hierdurch theilweise bestätigt. Es scheint, daß die Verbindung CaOCl₂ für
sich nicht bestehen kann und daß zu ihrer Haltbarkeit eine gewisse Menge Wasser
nöthig ist – jedoch nicht in atomistischen Verhältnissen – und daß
umsomehr Wasser erforderlich, je weniger freies Kalkhydrat vorhanden ist. Die Summe von
Kalk und Wasser, welche zum Bestande der Verbindung CaOCl₂ gehört, wächst mit
der Temperatur; bei höherer Temperatur erzeugter Chlorkalk muß daher schwächer sein.
Ein gleicher Versuch, wie früher angegeben, mit dem Unterschiede ausgeführt, daß bei
der Chlorabsorption das Gefäß mit Kalkhydrat in Wasser von 44° stand,
bestätigt diese Annahme, wie folgende Analysen zeigen.
Chlorkalk-Schichten.
Cl
GebundenesCaO
FreiesCaO
H₂O
Berechn. auf 100 Th.
CaOCl₂
CaO
H₂O
Summe
I
37,66
29,70
5,50
27,14
8,2
40,3
48,5
II
38,29
30,20
11,33
20,18
16,5
29,5
46,0
Rand III
38,64
30,50
11,33
19,53
16,4
28,2
44,6
Mitte III
38,77
30,58
15,33
15,32
22,1
22,1
44,2
IV
38,64
30,50
14,51
16,30
21,0
23,6
44,6
Auch bei diesen Analysen sehen wir mit zunehmendem Wassergehalt den freien Kalkgehalt
schwinden, und die Summe beider ist größer als bei dem früheren Versuche.
Es mögen diese Beobachtungen hier angeführt sein, ohne jedoch schon damit ein Gesetz
aufstellen zu wollen, wozu noch weitere eingehendere Analysen erforderlich wären;
sie sollen hier nur dazu dienen, die freiwillige Zersetzung des Chlorkalkes
erklärlich zu machen.
II. Die freiwillige Zersetzung des
Chlorkalkes.
Es ist eine bekannte Erscheinung, daß der Chlorkalk des Handels seinen Gehalt an
wirksamen Chlor in kürzerer oder längerer Zeit ändert, sich freiwillig zersetzt.
Diese Zersetzung ist möglicher Weise eine Folge der Reaction seiner Bestandtheile,
oder da man denselben der Einwirkung der Luft, Kohlensäure, Temperatur und des
Wasserdampfes sowie des Lichtes nicht ganz entziehen kann, wirken auch diese
vielleicht. Sauerstoff und Stickstoff der Luft haben keinerlei Einwirkung, wohl aber
deren Bestandtheile: Kohlensäure und Wasserdampf.
Trockener Chlorkalk ist ein äußerst hygroskopischer Körper, der mit Begierde die
Feuchtigkeit der Luft aufnimmt, wobei er sich erwärmt. Mit Wasser zusammengerieben,
tritt gleichfalls eine bedeutende Erwärmung ein, welche um so größer ist, je weniger
Wasser der Chlorkalk schon gebunden hat. Die Verbindung CaOCl₂ scheint mit
Wasser mehrere Hydrate – ähnlich dem Chlorcalcium – zu bilden, über
deren Natur möglicher Weise die dabei auftretende Wärmemenge Aufschluß geben könnte.
Trockene Kohlensäure wirkt nach Göpner auf trockenen
Chlorkalk nur sehr wenig
ein, auf feuchten Chlorkalk dagegen sehr energisch. Unter Wärmeentwickelung bildet
sich dabei Chlorgas nach der Formel: CaOCl₂ + CO₂ = CaCO₃ +
Cl₂. Eine Chlorkalklösung bildet, mit Kohlensäure behandelt, durch secundäre
Zersetzung auch unterchlorige Säure.
Die Einwirkung der Wärme auf Chlorkalk möge aus folgenden Versuchen entnommen
werden.
1. Ein 107 gräd. Chlorkalk über concentrirte Schwefelsäure bei
einer Temperatur von 37,5° 6 Tage ausgesetzt, verlor 14,2 Proc., davon 10,8
Proc. Wasser und 3,4 Proc. Chlor; zugleich wurden geringe Mengen von chlorsaurem
Kalk (Ca [ClO₃]₂ oder CaO, ClO₅)
gebildet.
2. Ein 36,7 Proc. bleichendes Chlor enthaltender Chlorkalk in
einer Porzellanschale auf dem Wasserbad langsam auf 100° erhitzt, entwickelte
blos Chlorgas; der Rückstand enthielt:
Chlor als
CaOCl₂
= 24,10
„
„
CaCl₂
= 0,47
„
„
CaCl₂O₆
= 0,46
––––––––––––––––––––––––––
Chlor als
Verlust
= 11,67 Proc.
3. Derselbe Chlorkalk im Sandbad auf 200° erhitzt,
entwickelte Chlor und Sauerstoff, und es bildeten sich Spuren von chlorsaurem Kalk.
Der Rückstand enthielt:
Chlor als
CaOCl₂
= – Proc.
„
„
CaCl₂
= 29,1 „
„
„
CaCl₂O₆
= Spur.
––––––––––––––––––––––––––
Verlust an
Sauerstoff
= 6,4 Proc.
Chlor
= 7,6 Proc.
4. In einer Platinschale schnell erhitzt, entwickelte ein 38,53
proc. Chlorkalk ebenfalls Chlor und Sauerstoff. Im Rückstand wurde gefunden:
Chlor als
CaOCl₂
= – Proc.
„
„
CaCl₂
= 37,32 „
„
„
CaCl₂O₆
= – „
––––––––––––––––––––––––––––
Verlust
an Chlor
= 1,21 Proc.
Sauerstoff
= 8,12 Proc.
5. Chlorkalk von 107° in mit Feuchtigkeit gesättigter Luft
6 Tage auf 30° R. (37,5° C.) erwärmt, entwickelte blos Sauerstoff ohne
eine Spur von Chlorgas. Es wurde gefunden:
Chlor als
CaOCl₂
= 29,5 Proc.
„
„
CaCl₂
=
4,5 „
„
„
CaCl₂O₆
= starke Reaction.
––––––––––––––––––––––––––––––––
Verlust an
Sauerstoff
= 1,0 Proc.
6. Eine Chlorkalklösung erwärmt, entwickelt blos Sauerstoff und
nebenbei bildet sich auch nach Formel 6CaOCl₂ = CaCl₂O₆ +
5CaCl₂ etwas chlorsaurer Kalk.
Ein 36,7proc. Chlorkalk, in verdünnter Lösung 6 Stunden gekocht,
hatte folgende Veränderung erfahren:
Chlor als
CaOCl₂
= 15,6 Proc.
„
„
CaCl₂
= 20,8 „
„
„
CaCl₂O₂
=
0,3 „
demnach
–––––––––––––––––––––––––––
Verlust an
Sauerstoff
= 4,6 Proc.
Eine unfiltrirte Chlorkalklösung wird beim Kochen rosenroth durch
Bildung von Eisensäure aus dem Eisenoxyd des angewendeten Kalkhydrates und zersetzt
sich etwas schneller als eine filtrirte Lösung. (Vergl. 1827 26 234.)
Eine unfiltrirte Lösung hatte vor dem Kochen 100,00, die filtrirte
101,5°.
Nach gleichem Kochen hatte die unfiltrirte nur 76°, die
filtrirte noch 82°.
Die Zersetzung des Chlorkalkes durch die Wärme erfolgt demnach bei Abschluß jeder
Feuchtigkeit nach der Formel CaOCl₂ = CaO + Cl₂, bei Gegenwart von
Wasser nach CaOCl₂ = CaCl₂ + O; außerdem bildet sich chlorsaurer
Kalk.
Die Einwirkung des Lichtes auf Chlorkalk geht aus folgenden Versuchen hervor.
1. Ein 107gräd. Chlorkalk wurde über concentrirte Schwefelsäure 6
Tage den directen Sonnenstrahlen ausgesetzt; er enthielt jetzt:
Chlor
als CaOCl₂
= 27,4 Proc.
„
„ CaCl₂O₆
= schwache Spur.
––––––––––––––––––––––––––––––
Verlust an Chlor
= 6,55 Proc.
Wasser
= 7,35 Proc.
Die Wärme der Sonnenstrahlen und die trockene Luft würden für sich
die gleiche Veränderung hervorgebracht haben, so daß der Einwirkung des Lichtes
nichts besonderes zugeschrieben werden kann.
2. Trockener Chlorkalk wurde in feuchter Luft 6 Tage den
Sonnenstrahlen ausgesetzt; derselbe roch nach der Belichtung stark nach Ozon, nahm
22 Proc. Wasser auf und enthielt:
Chlor als CaOCl₂
= 30,7 Proc.
„
„ CaCl₂
=
2,0 „
„
„ CaCl₂O₆
= starke Spur
„
„ CaCl₂O₄
= 0,02 Proc.
3. Eine concentrirte Lösung desselben Chlorkalkes, in gleicher
Dauer dem Sonnenlicht ausgesetzt, hatte folgende Veränderung erfahren:
Chlor als
CaOCl₂
= 24,37 Proc.
„
„ CaCl₂
=
8,24 „
„
„ CaCl₂O₆
=
0,46 „
„
„ CaCl₂O₄
=
0,13 „
–––––––––––––––––––––––––––––
Verlust an Sauerstoff
= 1,8 Proc.
Die Ozonentwicklung war viel stärker als bei Versuch 2; man
bemerkte zahlreiche Bläschen aufsteigen.
Wird Chlorkalk in dünner Schichte der atmosphärischen Feuchtigkeit
und Kohlensäure und dem zerstreuten Lichte exponirt, so entwickelt sich Chlor und
Sauerstoff ohne Cl₂O₃ zu bilden, wobei sich der Chlorkalk rosenroth
färbt; am Fortschreiten dieser Färbung läßt sich genau die Zersetzung verfolgen,
welche übrigens ungemein rasch vor sich geht.
Zwei Proben 104gräd. Chlorkalk wurden auf Glasschalen
ausgebreitet, wovon die eine an einem Fenster, die andere an einem dunklen Orte
stand.
Gewichtszunahme
der belichteten Probe:
der nicht belichteten
Probe:
1. Tag
36,4 Proc.
20,0
Proc.
2.
„
52,7 „
45,3 „
3.
„
63,2 „
54,8 „
Die nicht belichtete Probe hatte, auf ursprüngliches Gewicht
berechnet, noch 102°, die belichtete
Chlor als CaOCl₂
= 5,69 Proc.
„ „
CaCl₂
= 11,91 „
„ „
CaCl₂O₆
=
0,60 „
–––––––––––––––––––––––––––
Verlust an Chlor
= 14,8 Proc.
Sauerstoff
= 2,7 Proc.
Die Zersetzung des Chlorkalkes durch das Licht ist ähnlich der
durch Wärme, nur tritt bei directer Sonnenbelichtung die Bildung von chloriger Säure
auf.
Bei der Analysirung derart zersetzter Chlorkalke, wo Chlorsäure, chlorige Säure,
Chlor der Verbindung CaOCl₂ und des Chlorcalciums zu bestimmen waren, wurde
folgender Gang befolgt.
Zu einer normalen Arsenige-Säure-Lösung nach Gay-Lussac bringt man von der Chlorkalklösung eine bestimmte Menge,
wobei nur das Chlor der Verbindung CaOCl₂ auf die arsenige Säure wirkt. Nun
läßt man eine bekannte Indigolösung zufließen, bis sie die chlorige Säure nicht mehr
entfärbt; alsdann wird mit einer guten Chlorkalklösung von bekanntem Gehalt der Nest
der unzersetzten arsenigen Säure zurücktitrirt. Das gesammte Chlor und das der
Chlorsäure wird in einer zweiten Probe bestimmt, indem durch Kochen mit Ammoniak
alle Sauerstoffverbindungen des Chlores mit Ausnahme von Chlorsäure zerstört werden,
so daß man beim Titriren mit Silberlösung alles Chlor erhält – mit Ausnahme
desjenigen der Chlorsäure – und beim Eindampfen und Glühen des Rückstandes
das Gesammt-Chlor des Chlorkalkes. Für die Praxis gibt diese Methode
genügende Resultate.
(Schluß folgt.)