Titel: | Die Phosphat-Dünger-Fabrik in Graz; von Professor Dr. H. Schwarz. |
Autor: | H. Schwarz |
Fundstelle: | Band 215, Jahrgang 1875, S. 251 |
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Die Phosphat-Dünger-Fabrik in Graz;
von Professor Dr. H.
Schwarz.
Schwarz, über die Phosphat-Dünger-Fabrik in
Graz.
Schon früher hatte ich Gelegenheit in diesem Journale (1867 183 481) auf die gut organisirte Abfuhr der Excrementalstoffe in Graz
hinzuweisen. Der Vorwurf, daß diese vollständig gesammelten Excremente nicht in
genügendem Maße der Landwirthschaft zu Gute kämen, sondern horribile dictu nach dieser sorgfältigen, viel Arbeit in Anspruch
nehmenden Sammlung in die Mur gestürzt würden, wenigstens während eines großen
Theils des Jahres, ist heute nicht mehr gerechtfertigt, seitdem die
„Actiengesellschaft für Phosphatdüngerfabrikation“ die
Verarbeitung der sämmtlichen Excremente auf trockenen Dünger in die Hand genommen
hat. Gegen diese Gesellschaft sind die verschiedensten Anklagen erhoben worden, zu
deren Widerlegung, soweit sie die finanzielle Gebahrung, den übermäßigen
Gründergewinn, die mannigfachen Mißgriffe in der Verwaltung betreffen, hier nicht
der Platz ist. Für uns ist das Wesentliche, daß man hier zuerst auf dem Continente
die Excrementalstoffe einer größeren Bevölkerungszahl auf rationelle Weise zu einem
Dünger von höherem Düngerwerthe zu verarbeiten versucht hat, und daß die zu diesem
Zwecke errichtete ausgedehnte Fabrik seit etwa Mai 1874 in regelmäßigen Betrieb
gekommen ist. Als einer der technischen Experten dieser Gesellschaft habe ich
einigermaßen Einsicht in die bei einer solchen Düngererzeugung vorwaltenden
Verhältnisse erlangt. Ich leugne nicht, daß ich dem gewählten Verfahren vielfach
kritisch gegenüber getreten bin und noch heute der Meinung bin, daß der Zweck, aus
den Fäcalstoffen die werthvollen Düngersubstanzen in der vollkommensten und
wohlfeilsten Art und in concentrirtester Form zu gewinnen, durch die derzeitige
Betriebsmethode nicht erreicht wird. Das englische Patent, nach welchem gearbeitet
wird, ist Gifford und Comp. zu
hohem Preise abgekauft und beruht auf folgenden Grundlagen. Seit Jahren wird auf der
westindischen Insel Alta Vela ein braunes, steiniges Thonerdephosphat gewonnen,
welches dort in sehr bedeutenden Lagern vorkommt, und etwa 30 bis 33 Proc.
Phosphorsäure, an Thonerde und Eisenoxyd gebunden, sowie etwa 25 Proc. Sand und Thon
enthält.
Es ist immerhin noch nicht festgestellt, in wie weit die an Thonerde und Eisenoxyd
gebundene Phosphorsäure von den Pflanzen absorbirt und verwerthet wird. Es wird kaum
zu leugnen sein, daß viele Bodenarten den natürlichen Gehalt an Phosphorssäure in
Gestalt einer derartigen Thonerde- oder Eisenoxyd-Verbindung
enthalten, ja daß vielleicht auch die in Form von Kalkphosphaten zugeführte
Phosphorsäure im Boden sofort an Eisenoxyd oder Thonerde gebunden wird, daß also die
Verwendbarkeit für die Vegetation nicht ausgeschlossen ist. Daneben aber wird die
Löslichkeit der Verbindung, besonders in der dichten Form des betreffenden
Minerales, so gering sein, daß eine vorhergehende Aufschließung unumgänglich
erscheint. Die viel feiner vertheilte phosphorsaure Thonerde- und
Eisenoxyd-Verbindung, welche durch das Ausziehen phosphorhaltiger Eisenerze
mit schwefligsaurem Wasser nach Jul. Jacobi zu Kladno in
Böhmen (vergl. 1871 201 245) gewonnen wird, kann nicht
unmittelbar zu Dünger verwendet werden. Man schließt sie vielmehr (bei Carl Rademach er in Prag – vergl. 1874 212 486) mit Schwefelsäure auf, fällt die entstandene
schwefelsaure Thonerde durch schwefelsaures Kali oder Ammoniak als Alaun heraus und
benützt die rückständige Phosphorsäurereiche Mutterlauge entweder für sich, oder
nach der Fällung durch Kalk als Düngemittel. Gifford
wählt einen einfacheren Weg. Er schließt das Mineral, nachdem es fein gemahlen, mit
3 Aeq. Schwefelsäure
auf, mischt die saure Lösung mit den Excrementen und fügt dann Kalkmilch bis zur
neutralen Reaction zu. Die phosphorsaure Thonerde wird durch das kohlensaure
Ammoniak der Excremente und den Kalk, in sehr feiner Vertheilung, gleichzeitig mit
den organischen Substanzen niedergeschlagen. Hierdurch will man nicht allein eine
Desinfection und Klärung der Excrementalstoffe erzielen, sondern die
Zwischenlagerung der verwesenden organischen Substanzen soll auch wesentlich die
Lösung der Thonerdeverbindung, ihre Verdaulichkeit für die Pflanzen steigern. Man
läßt die klare Flüssigkeit abfließen und bringt den breiigen Niederschlag zur
Trockne. – In England wurde dieses Phosphatverfahren ursprünglich zur Klärung
der Sewage- oder Spüljauche-Wässer in Vorschlag und Anwendung
gebracht. Hier ist der Zweck des Verfahrens weniger die lohnende Gewinnung von
Dünger, als die Klärung der Massen von Abfallswässern, welche nach neueren
englischen Gesetzen nicht mehr im rohen, ungereinigten Zustande in die Flußläufe
gelassen werden dürfen (vergl. 1874 211 214). Der in
ihnen erzeugte flockige Niederschlag von phosphorsaurer Thonerde dient zur Sammlung
der suspendirten Stoffe. Derselbe Zweck würde auch durch den Zusatz von Alaun und
Kalk, von Eisensalzen und Kalk erreicht werden. Man wählte das Thonerdephosphat nur
deshalb, weil es für sich nicht genügenden Düngerwerth besitzt und fast ebenso
billig als andere Fällungsmittel zu stehen kommt, und weil endlich der erhaltene
Phosphorsäurereiche Niederschlag einen höheren Düngerwerth repräsentirt. Bei den
Canalwässern ist der Gehalt an frischen menschlichen Excrementen relativ gering. Man
rechnet vielfach, daß dieselben aus 1 Th. Fäcalstoffen und 100 Th. zutretendem
Leitungs- und Regenwasser gemischt sind. Außer den Excrementen enthalten sie
Massen von feinem Sand und anderen mechanisch beigemischten Bestandtheilen. Unter
diesen Umständen ist es begreiflich, daß durch die Fällung und Klärung derselben ein
sehr großer Antheil gereinigter, klarer Flüssigkeit durch bloßes Absetzen zu
erhalten ist, welche man ohne Anstand ablaufen lassen kann; daß der Schlamm, welcher
sich in den Fällbassins absetzt, eine verhältnißmäßig geringe Schicht bildet, die
erst nach mehrfacher Wiederholung der Fällung in demselben Bassin herausgenommen zu
werden braucht, und daß endlich dieser Schlamm durch die Sandbeimischung
verhältnißmäßig kurz wird. Er läßt sich daher durch Filtrirvorrichtungen, z.B. durch
eine hohle, im Schlammbassin rotirende, mit Siebblech beschlagene Walze, welche
durch Schaber rein gehalten wird, von einem großen Theile seines Wassergehaltes
befreien und trocknet beim Liegen an der Luft ziemlich rasch aus.
Es erscheint kaum gerechtfertigt, die Verhältnisse der Canalwässer auf die viel
concentrirteren Fäcalien in Graz zu übertragen. Die Excremente werden dort in
angestrichenen Eichenholzfässern aufgefangen, die häufig gewechselt werden. Schon
damit sie sich nicht zu rasch füllen, existirt die Vorschrift, andere Abfallwässer,
wie Wasch- und Spülwässer, nicht in die Abtritte zu entleeren, was indessen
nicht ganz zu vermeiden ist. Dies ergibt sich aus den Angaben über die verarbeiteten
Massen. Man nimmt an, daß von den 92.000 Einwohnern von Graz etwa 60.000 das
Faßsystem benützen. Die Fabrik, welche die Abfuhr ausschließlich besorgt, gibt an,
daß täglich etwa 3000 Eimer Fäcalien abzuführen sind. Rechnen wir den Eimer zu 50
Kilogrm., so würden je 20 Menschen täglich 50 Kilogrm. Excremente produciren, eine
entschieden zu hohe Zahl.Vergl. 1873 210 144. 1874 214 490.D. Red. Man kann per Kopf eine jährliche Production von nur etwa 500 Kilogrm., also
etwas weniger als 1,5 Kilogrm. täglich rechnen. Bedenkt man, daß sich das Faßsystem
täglich mehr ausbreitet, und daß die Fässer nicht immer ganz gefüllt sind, so
vertheilt sich eine geringere Production auf eine größere Anzahl Köpfe. Wenn man
etwa 1,25 Kilogrm. tägliche Production an reinen Fäcalien und 1 Kilogrm. zutretendes
Spülwasser rechnet, dürfte man der Wahrheit am nächsten kommen. – Es begreift
sich unter diesen Umständen, daß die Menge des Niederschlages eine viel größere ist
als bei dem Canalwasser, und daß der Niederschlag viel schwieriger zu entwässern
ist. Dies stellte sich in der That gleich bei den ersten Versuchen heraus, die ich
mit Massen anstellte, welche nach Vorschrift der Erfinder präparirt waren. 100
Volumen ergaben 54,2 Volumen breiigen Niederschlag und 45,8 Volumen einer klaren
gelblich-bräunlichen Flüssigkeit. Als ich den Niederschlag zu filtriren
versuchte, floßen noch 10 Volumen ab; durch Evacuiren wurden noch 15,9 Volumen
entfernt. 28,3 Proc. des dickbreiigen, fast lehmartig consistenten Niederschlages
schwanden durch Trocknen auf 7,1 Proc. zusammen, so daß also noch 21,2 Proc. Wasser
zu verdampfen waren. Später im größeren Maßstabe angestellte Versuche ergaben nahezu
ähnliche Zahlen. Ich führe nur einen derselben an. In einem hohen, mit Zapflöchern
in verschiedener Höhe versehenen Fasse wurden 300 Kilogrm. Faßinhalt mit einer
Flüssigkeit vermischt, welche aus 15 Kilogrm. Thonerdephosphat, 10,5 Kilogrm.
Schwefelsäure von 60 Proc. und 30 Kilogrm. Wasser bereitet war. Dann wurden 5,5
Kilogrm. Kalk, mit 20 Kilogrm. Wasser gelöscht, zugesetzt und die Mischung zum
Absetzen 24 Stunden stehen gelassen. Von den so entstandenen 350 Liter konnten nur
140 Liter oder 40 Proc. durch Abzapfen entfernt werden. Auch auf einem Filter von Coaks mit
übergebreiteter Leinwand lief nur wenig mehr ab. Erst das Filtriren mittelst
Luftdruck, mit einer abgewogenen Probe des Filterrückstandes ausgeführt, brachte das
Filtrat auf 68,4 Proc., den Rückstand also auf 31,6 Proc., welcher 24,5 Proc.
Trockenrückstand gab, von der Totalmasse also wiederum 7,76 Proc. trockenen Dünger.
Bei dem praktischen Betriebe will man etwas mehr – nämlich 10 Proc. Dünger
erhalten haben; doch erklärt sich dies einmal durch einen bis zu 15 Proc. steigenden
Wassergehalt, dann dadurch, daß bei diesem Betriebe nur etwa 45 Proc. Flüssigkeit
abliefen, der Rest mit dem Dünger eingetrocknet wurde. Dies kostet zwar viel
Brennmaterial, bietet aber neben dem Mehrbetrag an Dünger den Vortheil, daß dieser
Dünger reicher an Stickstoff und darum wesentlich werthvoller ist.
Die Analyse I zeigt den Gehalt von selbst bereitetem Dünger des ersten Versuches, bei
welchem also jede Flüssigkeit nach Möglichkeit entfernt war; die Analyse II vom
Dünger des erwähnten größeren Versuches mit 300 Kilogrm. Faßinhalt.
I
II
Werth1 Proc. zu
I
II
Proc.
Proc.
kr.
fl.
kr.
fl.
kr.
Stickstoff
0,66
1,48
60
40
89
Phosphorsäure
13,91
12,72
15
2
9
1
91
Kali
0,50
0,14
10
–
5
–
1
Natron
–
0,43
1,2
–
–
–
0,5
Stickstofffreie org. Bestandth.
31,84
28,28
0,5
–
16
–
14
Sand und Thon
10,64
13,17
–
–
–
–
–
Wasser, Thonerde u.s.w.KalkSchwefelsäure.
42,45
18,69 15,50 9,50
– 0,5 1
–––
–21–
–––
–
8 9,5
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
100,00
100,00
1 Centner
2
91
3
13,0
Mittel werth für 50 Kilogrm. 3 fl. 02
kr. (6,04 Mark).
In der Praxis wird der Dünger jetzt mit etwa 10 bis 11 Proc. Phosphorsäure und 2,5
bis 2,6 Proc. Stickstoff garantirt. Der Zusatz von Phosphatmineral ist
wahrscheinlich etwas vermindert worden, der Stickstoffgehalt durch den Mehrbetrag
von eingedampfter Flüssigkeit erhöht. Diese ablaufende Flüssigkeit besitzt einen
relativ hohen Düngerwerth. In ihr ist das aus der Zersetzung des Harnstoffes
stammende kohlensaure Ammoniak als Sulfat, sowie der größte Theil des Kalis
vorhanden. Es wurde eine Portion der klaren Flüssigkeit, nachdem man die schwache
alkalische Reaction derselben durch etwas Schwefelsäure neutralisirt hatte,
vorsichtig zur Trockne gebracht. Man erhielt so eine bräunliche Masse, welche nach
dem Zerreiben dem Peru-Guano sehr ähnlich war und mit dem Namen
„Urat“ bezeichnet wurde.
Die Analyse ergab:
Proc.
Werth 1 Proc. zu
Stickstoff als Ammoniak
12,89
60
kr.
= 7 fl.
73 kr.
Stickstoff als organ. Substanz
0,67
50
„
= –
„ 33,5 „
Phosphorsäure
Spur
Kalk
4,25
0,5
„
= –
„ 2 „
Schwefelsäure
38,61
1
„
= – „ 38,5
„
Kali
4,25
10
„
= – „ 42,5
„
Natron
11,71
1,2
„
= –
„ 14 „
–––––––––––––––––––––––––––––
1 Centner (50 Kilogrm.)
= 9 fl. 03,5 kr.
oder 18,07 Mark.
Es dürfte interessant sein zu vergleichen, welchen Werth man bei möglichster
Entwässerung des Niederschlages durch Evacuiren aus dem Hauptproduct und welchen aus
der eigentlich zu entfernenden Flüssigkeit zu ziehen vermag.
100 Th. Fäcalmassen ergaben nach obigen Versuchen möglichst
entwässert etwa 70 Proc. Flüssigkeit und 30 Proc. Rückstand mit 7,5 Proc.
verkäuflichem Dünger.
100 Ctr. Fäcalmasse gaben also: 7,5 Ctr. Dünger à 3 fl. 02 kr. = 22 fl. 65 kr. und 70 Ctr.
Flüssigkeit mit 1,54 Ctr. Abdampfungsrückstand à
9 fl. 03,5 kr. = 13 fl. 91 kr.
Um den Niederschlag zu gewinnen, muß man aber Phosphatmineral,
Schwefelsäure und Kalk kaufen; Unkosten, welche bei der Uratbereitung durch den zum
Abdampfen nöthigen Brennstoff entstehen, müssen ersetzt werden. Bei mäßigen Preisen
des Brennmateriales ist der Werth der durch das Abdampfen gewonnenen Stoffe größer
als die Kosten des Brennmateriales. In Graz kostet der Centner Braunkohle 26 kr. Da
man mit 1 Centner 3 Center Wasser verdampfen kann, so betragen die Kosten per
Centner verdampftes Wasser 8,67 kr., für 70 Ctr. = 6 fl. 07 kr. Die erhaltenen 1,54
Ctr. Urat geben daher 7 fl. 84 kr. Gewinn.
Aus diesen Zahlen geht hervor, daß es durchaus nicht auf eine möglichste Entwässerung
des Niederschlages vor dem Trocknen ankommt, daß es sogar vortheilhaft sein könnte,
die ganze Masse, ohne irgend eine Flüssigkeit abzuziehen, unmittelbar zur Trockne zu
bringen. Freilich ist dazu bei solchen täglich zu bearbeitenden Mengen eine sehr
große Rost- und Heizfläche nöthig, ganz abgesehen von den übelriechenden
Dämpfen, Arbeitskosten u.s.w.
(Schluß folgt.)