Titel: | Untersuchungen über die Bildung des Kalk-Superphosphats; von A. Kolb. |
Fundstelle: | Band 215, Jahrgang 1875, S. 256 |
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Untersuchungen über die Bildung des
Kalk-Superphosphats; von A.
Kolb.
Aus den Comptes rendus, 1874 t. LXXVIII p.
825.
Kolb, Untersuchungen über die Bildung des
Kalk-Superphosphats.
Die gegenwärtig so wichtige Industrie der Superphosphate datirt
vom Jahre 1840, wo Liebig rieth, die Phosphate mit
Schwefelsäure zu benetzen, um sie theilweise löslich zu machen. Man drückt den dabei vorgehenden Proceß
durch folgende Gleichung aus:
PO₅, 3CaO + 2SO₃, HO = PO₅, CaO, 2HO + 2CaO, SO₃
und erklärt die damit nicht übereinstimmenden Resultate
durch zufällige Einflüsse. Zahlreiche Versuche lassen mich annehmen, daß der Alt
nicht so einfach verläuft, und ich will versuchen, den Beweis dafür zu liefern.
Beim Vermischen von 1 Aeq. dreibasischem Phosphat und 2 Aeq.
Schwefelsäure von 53° B. steigt anfangs die Temperatur von 120 bis
150°, je nachdem man mit einer kleinen oder großen Quantität operirt. Kann
sich dabei saures Phosphat bilden? Entschieden nicht, und zwar aus drei Gründen.
1) Weil das Monokalk-Phosphat, selbst im aufgelösten
Zustande, bei 100° sich theilweise zersetzt, wie ich mich überzeugt habe, und
Dikalk-Phosphat (Pyrophosphat) fallen läßt.
2) Weil der Gyps zwischen 120 und 150° wasserfrei wird, und
ich gefunden habe, daß letzterer ebenfalls auf das Monokalk-Phosphat, auch in
Lösung, zersetzend wirkt, indem er das zum Bestehen dieses Phosphats nothwendige
Wasser absorbirt.
3) Weil, wenn man Schwefelsäure mit einem Gemenge von
Monokalk- und Trikalk-Phosphat zusammenbringt, die Säure das letztere
ganz unzersetzt läßt und sich nur auf das erstere wirft:
SO₃ + Aq +
PO₅, CaO, 2HO =
PO₅ + Aq + CaO, SO₃.
Folglich befänden sich, wenn man Schwefelsäure allmälig auf das
Trikalk-Phosphat gießt, wie es in der Praxis geschieht, die ersten Portionen
sauren Phosphats, falls dasselbe entstände, in Berührung mit Schwefelsäure und
würden durch diese zersetzt, wofern eine solche Zersetzung nicht durch die Hitze
oder durch den wasserfreien Gyps erfolgte.
Was geht also vor, wenn man Schwefelsäure auf das
Trikalk-Phosphat gießt, und wäre das Superphosphat nicht, wie Deherain annimmt, blos Phosphorsäure, eingehüllt in Gyps?
Schon Millot und Joulie haben
in den Superphospaten freie Phosphorsäure nachgewiesen, aber nur als einen
zufälligen, aus secundären und partiellen Reactionen hervorgegangenen Bestandtheil
angesehen. Nimmt man auf 100 Th. Trikalk-Phosphat 95 Th. Schwefelsäure von
53° B., so sind die Bedingungen zu der nachstehenden Formel gegeben:
6(SO₃, Aq) + 2(PO₅, 3CaO) = 2PO₅ + 6(CaO; SO₃) + Aq.
Das Experiment lieferte mir 43 bis 44 Th. freie Phosphorsäure; die
Theorie verlangt 45,7.
Deherain würde mithin Recht haben, wenn man obige
Gewichtsverhältnisse einhielte; allein dies geschieht nicht, denn man bekäme eine
schmierige und unverkäufliche Masse. In der Praxis gründet man die Gewichtsmengen
auf die Formel 2(SO₃, Aq) + PO₅,
3CaO. Nimmt man, dieser Formel entsprechend, reine
Materialien und prüft gleich einige Minuten nach erfolgter inniger Vermischung,
während das Ganze noch warm ist, und dann in successiven Zeiträumen von
Viertelstunden oder Stunden, so findet man, daß die anfangs in sehr beträchtlicher
Menge frei vorhandene Phosphorsäure fortwährend abnimmt, während die des sauren
Kalkphosphats, welche anfangs nur wenig beträgt, den umgekehrten Gang verfolgt und
zunimmt.
Es ist mithin klar, daß anfangs freie Phosphorsäure auftritt und
daß dieselbe erst allmälig sich in saures Phosphat umwandelt. Verdreifacht man die
Formel 2(SO₃, Aq) + PO₅, 3CO, um sie mit der vorigen leichter vergleichen zu
können, so bekommt man 6(SO₂, Aq) + 3(PO₅, 3CO), was sich auch ausdrücken läßt durch:
6(SO₃, Aq) +
2PO₅, 3CaOPO₅, 3CaO
= 6CaO, SO₃ + Aq +
2PO₅PO₅, 3CaO
Das ist meiner Ansicht nach die einzige Erklärungsweise für die 49
Proc. Phosphorsäure, welche man einige Minuten nach erfolgter Mischung im freien
Zustande vorfindet.
Was geht alsdann vor? Ohne die Erklärung durch Wasservertheilung
zu erschweren, bemerke ich, daß die letzte Gleichung freie Phosphorsäure und
dreibasisches Phosphat enthält. Nach der interessanten Arbeit Joulie's, welchem wir eine sehr gute und rasche Bestimmungsweise der
Phosphate verdanken, wandelt die freie Phosphorsäure das dreibasische Phosphat in
zweibasisches um. Als ich mich von der Richtigkeit dieser Angabe überzeugen wollte,
war ich sehr erstaunt, ein ganz abweichendes Resultat zu erhalten, weshalb ich den
Versuch mit verschiedenen Mengenverhältnissen mehrmals wiederholte. Das Ergebniß war
aber stets dasselbe – nämlich, daß bei gewöhnlicher Temperatur die
Phosphorsäure, selbst bei einem Ueberschusse von dreibasischem Phosphat,
Monokalk-Phosphat gibt.
2PO₅ + PO₅, 3CaO + Aq = 3(PO₅, CaO, 2HO) + Aq.
In der Wärme dagegen tritt ein anderer Proceß auf; das
Monokalk-Phosphat zersetzt sich in dem Maße, als es sich bildet, wieder in
freie Säure und Dikalk-Phospat (Pyrophosphat). Daraus folgt, daß die Bildung
eines Superphosphats in zwei Phasen besteht: 1) Freiwerden von 2/3 der
Phosphorsäure, und 2) Angriff des letzten Drittels dreibasischen Phosphats durch die
freigewordene Säure.
Es findet zwischen diesen beiden Phasen allerdings keine scharfe
Grenzscheide statt; die erste tritt sehr rasch ein, selbst bei Anwendung von
anscheinend sehr widerspänstigen Phosphaten (vorausgesetzt, daß sie nur sehr fein
zertheilt sind); die zweite hingegen verläuft weit langsamer. Die Phosphorsäure
besitzt, wenn sie auch das frisch präcipitirte dreibasische Phosphat rasch angreift,
doch eine schwächere Wirkung auf härtere und festere Phosphate als die
Schwefelsäure, und diese letztere sehr wichtige Thatsache wirft einiges Licht auf
den Vorgang bei der Bereitung der Superphosphate.
Wenn nämlich das Phosphat leicht angreifbar ist, so verlaufen die
beiden Phasen sehr schnell, ja oft zu schnell, und die durch die erste entwickelte
Wärme schadet der zweiten durch Erzeugung von Pyrophosphaten; aber man findet dann
keine freie Phosphorsäure mehr. Ist das Phosphat hingegen schwer angreifbar, so
verläuft die erste Phase ziemlich vollständig, die zweite aber langsam und
unvollständig; die Masse bleibt lange teigig, die Phosphorsäure zieht Feuchtigkeit
aus der Luft an, wird schwächer, und es hält sich lange Zeit hindurch eine gewisse
Quantität freier Phosphorsäure und unzersetztes Phosphat. Man sagt dann, die
Schwefelsäure habe nicht gut eingewirkt, allein dies ist nicht richtig, denn man
trifft häufig noch freie Schwefelsäure in der Masse an.
Bis jetzt habe ich noch nicht der Stärke der anzuwendenden
Schwefelsäure Erwähnung gethan. Man bedient sich mit Recht einer Säure von
53° B., welche 4 Aeq. Wasser und ein specif. Gewicht von 1,56 hat; denn man
muß nicht allein das zur Hydratbildung des Gypses, sondern auch das zum Bestehen des
Monokalk-Phosphats, welches nach Joulie die Formel
(PO₅, CaO, 2HO) + 2HO hat, erforderliche
Wasser zuführen.
Das theoretische Schlußresultat wird also durch die nachstehenden
Gewichtsverhältnisse erzielt:
PO₅, 3CaO + 2(SO₃, 4HO) = (PO₅, CaO, 2HO) + 2HO + 2(CaO, SO₃, 2HO).
Bei Anwendung concentrirter Säure dagegen:
3(PO₅, 3CaO) + 6(SO₃, HO) = 2(PO₅, 2HO) + PO₅, 3CaO + 6(CaO, SO₃).
1) Entweder bleibt alles so, was ich aber für unwahrscheinlich
halte, denn es müßten dann 30 Proc. der Phosphorsäure frei bleiben, wenn keine
Feuchtigkeit weiter hinzuträte, und ich habe Aehnliches niemals beobachtet.
2) Oder die Phosphorsäure reagirt auf das Phospat:
2(PO₅, 3HO) + PO₅, 3CaO = 3(PO₅, CaO, 2HO).
aber das so entstandene Monokalk-Phosphat wird
sofort durch den wasserfreien Gyps zersetzt, und man hat, wie ich es oft bemerkt
habe, ein Product vor sich, welches keine freie Schwefelsäure mehr und nur noch sehr
wenig Phosphorsäure oder lösliches Phosphat enthält.
Man könnte noch vermuthen, daß in diesem Falle sich
doppelt-schwefelsaurer Kalk bilde:
3(PO₅, 3CaO) + 6(SO₃, HO) = 3(CaO, HO, 2SO₃) + 2(PO₅, 3CaO) + PO₅, 3HO;
und ich glaubte anfangs selbst daran, allein in solchem
Falle müßte Weingeist die Hälfte der angewendeten Schwefelsäure aus der Masse
aufnehmen, was durch das Experiment vollständig widerlegt wurde.