Titel: | Ueber die dunklen Punkte im Papiere; von Prof. Wiesner. |
Autor: | Wiesner |
Fundstelle: | Band 215, Jahrgang 1875, S. 270 |
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Ueber die dunklen Punkte im Papiere; von Prof.
Wiesner.
Wiesner, über die dunklen Punkte im Papiere.
Vor kurzer Zeit wendete sich eine bedeutende Papierfabrik mit dem Ersuchen an mich,
über das Wesen von eigenthümlichen dunklen Punkten, die sich in ihren Papieren
bilden, Aufschluß zu geben. Reichliches Untersuchungsmaterial wurde mir zur
Verfügung gestellt. – Es dürfte wohl keine einzige Papiersorte geben, welche
nicht wenigstens Spuren dunkler Flecke oder Punkte zeigen würde. Gewöhnlich lassen
dieselben keine ausgesprochene Färbung, wohl aber meist einen scharfen Umriß
erkennen.
Die in den fraglichen Papieren enthaltenen Punkte – die Fabrik bezeichnete sie
als „Fladern“ – zeigten entweder einen ziemlich scharfen
kreisförmigen Umriß; sie waren dann dunkel karminroth gefärbt und hatten einen
Durchmesser von etwa 0,1 bis 0,3 Millim., oder aber sie erschienen ziemlich
unregelmäßig contourirt, graubräunlich von Farbe und erreichten dann eitlen
Durchmesser von 1 ja sogar von 2 Millim. Die zuerst genannten rothen Pünktchen waren
mir früher nie vorgekommen, und wenn auch die letzteren ihrer unregelmäßigen Gestalt
halber mir einigermaßen auffielen, so war ich doch der Meinung, sie wären identisch
mit den so oft im Papiere erscheinenden dunkeln Fleckchen, von welchen ich schon vor
Jahren nachwies, daß sie aus kleinen, mitten in der Papiermasse sitzenden
Pilzwucherungen bestehen.Wiesner: Technische Mikroskopie (Wien 1867) S.
239. Als ich jedoch das mit den fraglichen „Fladern“
besetzte Papier auf dem Platinblech veraschte, gewahrte ich, daß dieselben in der
dicht zusammenhängenden weißen Asche des Papieres als hellbräunliche Punkte sichtbar
wurden, mithin nicht von Pilzwucherungen (Mycelien von Schimmelpilzen) herrühren
konnten.
Ich fand mich deshalb veranlaßt, sowohl die rothen Punkte als die breiten, dunkeln
„Fladern“ der mir überschickten Papiere einer genauen
Untersuchung zu unterziehen, deren Resultate ich hier in Kürze mitzutheilen mir
erlaube.
Die rothen Punkte erscheinen auch bei der Betrachtung mit
der Loupe von ziemlich scharfem Umrisse. Bei Betrachtung mit dem Mikroskope zeigte
die Contour viele Unregelmäßigkeiten. Das rothe Pigment ist in Wasser schwer, in
Alkohol leicht löslich. Essigsäure verändert die Farbe nicht, wohl aber
Schwefelsäure und Salpetersäure, welche violette Farbentöne hervorrufen. Salzsäure,
Ammoniak und Schwefelammonium bringen die Farbe zum Verschwinden. Die durch
Salzsäure entfärbten Partien der Papiere wurden durch Kalilauge wieder gefärbt (die
Färbung erschien unter dem Mikroskope rosenroth), die durch Ammoniak zum
Verschwinden gebrachte Färbung trat auf Zusatz von Essigsäure wieder hervor. Diese
Reactionen ließen die Gegenwart von Anilinroth in den rothen Pünktchen des Papieres
vermuthen. Dieser Befund brachte mir eine interessante Arbeit von Otto Erdmann
Journal für praktische Chemie, 1866 S. 385. Dies Journal, 1867 184 167. in Erinnerung, in welcher gezeigt wird, daß gewisse Fermentorganismen
– dieselben, welche das Wunder der blutenden Hostien, das häufige Rothwerden
feuchten Mehles oder Brodes hervorbringen, – Farbstoffe ausscheiden, welche
mit Anilinfarben übereinstimmen. Eine genaue mikroskopische Untersuchung hat auch
gelehrt, daß in den rothen Punkten des Papieres kleine, in molecularer Bewegung
befindliche Organismen vorkommen, die identisch sind mit den berührten
Fermentorganismen, nämlich mit Monas prodigiosa
Ehrenberg (= Bacteridium
prodigiosum
Schröter). Zwischen den kleinen, farblos erscheinenden
Monas-Körperchen erschienen abgestorbene,
intensiv roth gefärbte Pilzfäden. Diese letzteren haben mit der Entstehung der
rothen Farbe nichts zu thun, sondern sind blos durch das von den Bacteridien
ausgeschiedene Pigment passiv gefärbt worden, wahrscheinlich erst nach ihrem
Absterben. Daß Pilzfäden die rothe Farbe der Ausscheidungen von Monas prodigiosa annehmen, ist schon von Schröter nachgewiesen worden.Cohn: Beiträge zur Biologie der Pflanzen. 2. S.
113. Nach diesen Beobachtungen und unseren Kenntnissen über die Lebensbedingungen
der Fermentorganismen läßt sich annehmen, daß die rothen Punkte der Leimung des
Papieres ihr Entstehen verdanken und darin nur in Folge des Klebergehaltes jener
Stärke sich bildeten, aus welcher der zum Leimen des Papieres benützte
Stärkekleister bereitet wurde.
Die großen graubraunen „Fladern.“
Das Mikroskop lehrt, daß selbe aus unregelmäßigen Körnern bestehen, welche
– sei es vor, sei es nach der Veraschung – auf Zusatz von
Schwefelsäure Gypsnadeln bilden, mithin kohlensaurer Kalk sind, welcher, wie weitere
mikrochemische Untersuchungen darlegten, etwas eisenschüssig ist. Es ist wohl keinem Zweifel unterworfen,
daß diese Kalkkörner der mineralischen Füllung des Papieres angehören. Da, wie
weitere Untersuchungen lehrten, zur Füllung Gyps diente, so läßt sich wohl annehmen,
daß in dem feinen, zur Füllung benützten Gypspulver größere Kalkkörnchen enthalten
waren, welche der Papiermasse sich einmengten und so Veranlassung zur Bildung der in
Rede stehenden „Fladern“ gaben.
Wien, im Februar 1875.