Titel: | Die Phosphat-Dünger-Fabrik in Graz; von Professor Dr. H. Schwarz. |
Autor: | H. Schwarz |
Fundstelle: | Band 215, Jahrgang 1875, S. 349 |
Download: | XML |
Die Phosphat-Dünger-Fabrik in Graz;
von Professor Dr. H.
Schwarz.
(Schluß von S.
256 des vorhergehenden Heftes.)
Schwarz, über die Phosphat-Dünger-Fabrik in
Graz.
Die praktische Ausführung der Methode hat nunmehr folgende Gestalt angenommen.
Die sehr ausgedehnten Fabriksanlagen befinden sich auf einer von der Mur und einem
Mühlarme begrenzten Insel, welche südlich von Graz in einer Entfernung von mehr als
eine Viertelstunde gelegen ist. Die mit Fäcalien gefüllten Fässer werden in
verschlossenen KastenwagenDas Modell hierzu wurde vom Magistrat vorgeschrieben. Da sich diese Wagen
unnöthig schwer erwiesen haben, also viel todte Last transportirt werden
mußte, da sie unnöthig viel Lärm auf dem Straßenpflaster verursachten und
unter der rohen Behandlung der Fuhrknechte sehr bald in mangelhaften Zustand
geriethen, hat man die Wagen jetzt durch Abnahme des Kastens den Rollwagen
gleich gemacht, auf denen man schon früher die Fässer transportirte.
Empfehlenswerth würde die Anwendung des Rollwagen-Modelles sein, wie
es am Rhein üblich ist, wo durch Anwendung aufwärts gekröpfter Achsschenkel
der Laderaum trotz großer Räder fast ins Niveau des Straßenpflasters gelegt
ist. nach der Fabrik geführt und dort auf einer Sturzbühne in ein gemauertes
unterirdisches Reservoir entleert. Die Fässer sollen dann vorschriftmäßig gespült
und desinficirt werden, was indessen kaum in ausreichendem Maße stattfindet. Am
besten wäre wohl dazu ein Strahl gespannter Dämpfe geeignet. Zum Transport in die
Fabriksräume bedient man sich der Luftleere. Es sind eine Anzahl horizontal gelegte,
ziemlich hoch stehende cylindrische Kessel aus starkem Eisenblech vorhanden, welche
durch zwei von der Dampfmaschine getriebenen Luftpumpen mit Trunkkolben luftleer
gemacht werden. Sobald der abschließende Schieber geöffnet wird, treibt der
Luftdruck die Fäcalmassen durch ein etwa 100 Meter langes und 15 Centim. weites
gußeisernes Rohr in diese Kessel.
Das Phosphatmineral, welches, über Trieft bezogen, in Form größerer Steinklumpen in
die Fabrik gelangt, wird dort durch eine Walzenquetsche zerdrückt, abgesiebt und der
Rest unter horizontalen Mühlsteinen fein gemahlen. Das Aufschließen mit (beiläufig
60proc.) Schwefelsäure geschah anfangs in einer Art Maischmaschine, welche aber in
ihren eisernen Theilen bald zerfressen wurde, was allein dem die Maschinenlieferung
besorgenden Ingenieur zur Last fällt, der sich ausdrücklich gerühmt haben soll,
nichts von Chemie zu verstehen. Jetzt erfolgt das Aufschließen in mit Blei
ausgeschlagenen Bottichen, das Umrühren durch Handarbeit. Die Kalkmilch läßt sich
natürlich in der dazu bestimmten Maischmaschine ohne Anstand herstellen. Komisch
erscheint es nur, daß der Ingenieur zur Leitung des sauren Phosphates ein langes Eisenrohr,
zur Leitung der Kalkmilch aber ein Bleirohr anwendete, das noch durch mancherlei
Biegungen zum Verstopfen die beste Gelegenheit bot. Auch dem Kessel, welcher zum
Aufsaugen des sauren Phosphates diente, droht natürlich die Gefahr des
Zerfressenwerdens.
Die so nach der Rückseite der lang gestreckten Fabrik gebrachten Fäcalien, die
Phosphatlösung und die Kalkmilch läßt man nach einander in drei große
aufrechtstehende Holzbottiche mit Rührwerk einfließen. Die Bottiche sind durch einen
Deckel verschlossen, von welchen ein weites Zinkblechrohr die entwickelten Gase nach
dem Schornstein ableitet. Es tritt beim Mischen der Fäcalien mit der sauren
Phosphatlösung durch Zersetzung des kohlensauren Ammoniaks ein starkes Aufschäumen
ein. Unzersetzter Harnstoff findet sich in den Fäcalien nur wenig. Selbst im Winter
wurde in ihnen hauptsächlich kohlensaures Ammoniak aufgefunden, was leicht
erklärlich ist, da jedenfalls das bekannte Harnstoffferment in den Fässern im
reichsten Maße vorhanden ist. Man muß die Mischung allmälig vornehmen, damit kein
Ueberschäumen eintritt. Durch den Zusatz der Kalkmilch wird die Fällung vollendet;
man läßt dann den Inhalt der Bottiche in die mit Cement gemauerten Absetzbassins
abfließen. Diese sind 4 bis 5 Fuß (1,3 bis 1,6 Meter) tief, 21 bis 25 Fuß (6,6 bis
7,9 M.) breit und 120 Fuß (38 M.) lang, so daß die Klärung der Flüssigkeit, das
Absetzen des Niederschlages auf dem Wege von der hinteren nach der vorderen Seite
der Bassins zum größten Theile erfolgt. Dort fließt die Flüssigkeit über die etwas
niedriger liegende, ausgußförmig gebogene Oberkante in einen flachen Canal, der
wieder in hin und her gehende schmale Absetzcanäle mündet, welche durch Schieber
abgesperrt werden können, und von dort endlich fast vollkommen geklärt in die Mur,
die mit ihrer großen Wassermenge und ihrem starken Fall diese Effluvien rasch
fortführt.
Es wird mit wechselnden Bassins gearbeitet. Sobald das eine fast mit Schlamm gefüllt
ist, erfolgt die Entleerung in das andere Bassin. Vorläufig wird der Schlamm mittels
Bütten zur Trockenmaschine geschafft; später soll dies durch einen Elevator
geschehen. Es sind vier Trockenmaschinen vorhanden, die nach einem englischen
Patente im Wesentlichen aus einer aus Eisen zusammengenieteten Heizfläche bestehen,
unter welcher die Flamme der Feuerung hinwegstreicht. Am Ende der Heizfläche
angelangt, stieg früher die Flamme durch einen breiten Spalt nach aufwärts und
kehrte über die Heizfläche nach vorn zurück, um dort in den Schornstein zu
entweichen. Der Düngerschlamm, welcher sich auf der Heizfläche befindet, sollte so
nicht allein von unten, sondern auch von oben erhitzt werden. Eine Anzahl in Eisenrahmen
liegender Deckel von Eisenblech dienen statt eines Gewölbes; sie gestatten von
obenher zu jedem Punkte der Heizfläche zu gelangen. Der Düngerschlamm kommt auf den
der Feuerung zunächst gelegenen Theil der Heizfläche; er wird in dem Maße, als er
austrocknet, nach dem anderen Ende fortgeschoben und fällt dort als nahezu trockenes
Pulver heraus. Dasselbe enthält noch etwa 30 Proc. Feuchtigkeit, die aber an der
Luft sich bald auf ca. 15 Proc. herabmindert.
Besonders sinnreich ist die Construction der mechanischen Vorrichtung zum successiven
Fortrücken des Düngers auf der Heizfläche. Hierzu dienen eine größere Zahl quer über
die Heizfläche liegender Schienen, welche durch Längsschienen zusammengehalten
werden. Sie werden durch Riemenscheiben und Zahnradmechanismus zuerst in Berührung
mit der Heizplatte in der Richtung von vorn nach hinten vorgeschoben, dann durch ein
Klinkwerk gehoben, zurückgeführt, wieder gesenkt und vorwärts gerückt u. sf. Auf
diese Art erreicht man eine systematische Trocknung und eine gute Ausnützung der
Wärme.
Man soll im Durchschnitt mit 1 Kilogrm. Kohle 3 Kilogrm. Wasser verdampfen. Ob die
ganze Menge des producirten Düngers mit den vorhandenen Maschinen fertig gemacht
werden kann, lasse ich dahingestellt; man muß bedenken, daß, um täglich 300 Centner
trockenen Dünger zu gewinnen, mindestens 1200, vielleicht 1500 Ctr. Wasser verdampft
werden müssen, wofür sowohl die Heiz- als die Rostfläche zu gering
erscheinen. Diese ganze Wassermasse gelangte bisher mit den Verbrennungsgasen in den
Schornstein, welcher, durch eine Scheidewand getheilt, in der anderen Abtheilung die
Dampfkesselfeuergase aufnahm. Wenn auch durch die Höhe und Weite des Schornsteines,
sowie durch die Erwärmung, welche die Gase der Kesselfeuerung gewähren, der Zug
nicht schlecht war, so trat doch in der der Trockenvorrichtung dienenden Hälfte der
Uebelstand ein, daß bei Herabminderung der äußeren Temperatur leicht eine
Condensation des Wasserdampfes an den Wänden der Esse eintrat. Außerdem entwichen
beim Trocknen der Düngermassen viel übelriechende Gase, die sich beim Südwind bis
ins Innere der Stadt verbreiteten. Die Fabrik hatte von Anfang an schon mit
mancherlei Opposition zu kämpfen. Nachbarn, deren Grundstücke dadurch zur
Verwerthung als Bauplätze ungeeignet wurden, oder in deren landwirthschaftlichem
Interesse es lag, den Fäcaldünger wie bisher für ein Trinkgeld an die Fuhrknechte zu
erhalten, setzten alles Mögliche dagegen in Bewegung. Ihre Agitation wurde natürlich
durch die üblen Schornsteingerüche unterstützt. Die Gase, welche aus dem Schornstein
entwichen, senkten sich erst in einiger Entfernung zu Boden. Es scheinen dies riechende flüchtige
Säuren, manchmal auch bei localer Ueberhitzung der Heizfläche Producte der trockenen
Destillation zu sein. Da eine Verbrennung dieser Gase unmöglich ist, solange sie mit
den Feuerungsgasen und dem überschüssigem Wasserdampfe gemischt sind, so änderte man
die Einrichtung in folgender Art ab. Die Feuerungsgase streichen nun unterhalb der
Heizplatte fort und fallen am Ende derselben unmittelbar in einen Canal hinab,
welcher sie nach dem Schornsteine führt. Der Zug und die Verbrennung hat dadurch so
gewonnen, daß man auf derselben Rostfläche mehr Kohlen verbrennen kann, ohne daß
dadurch der absolute Verdampfungseffect sich ändert. Man hat sogar gefunden, daß man
kaum mehr Kohlen verbraucht als früher und bedeutend mehr fertiges Product erzielt.
Der Raum oberhalb der Heizplatte, auf welcher der zu trocknende Dünger liegt und die
übelriechenden Gase sich entwickeln, steht mit Körting'schen Exhaustoren in Verbindung, welche die Gase ansaugen und, nachdem
sie mehrfach durch Einspritzwasser gewaschen und dadurch von riechenden Producten
befreit sind (die sich als fettartiger Schaum auf dem abfließenden Wasser
abscheiden), durch weite Blechröhren unter die Roste der Dampfkesselfeuerung behufs
ihrer Verbrennung führen. Der Trockenraum, der sonst mit Rauch und Gestank erfüllt
war, zeigt vollkommen reine Luft, und die Arbeiter, welche früher stark an
Augenschmerzen litten, arbeiten jetzt darin ohne jede Belästigung. Es erscheint dies
als eine zwar etwas kostspielige, aber sehr gelungene Anordnung. Nachdem diese
Belästigung beseitigt, blieben noch die Gasentwicklungen auf der Sturzbühne und in
dem Raume der Fällbassins. Erstere dürften schwer zu beseitigen sein; letztere
scheinen größtentheils aus Schwefelwasserstoff zu bestehen, da silberne Uhren in den
Fabriksräumen sehr bald schwarz anlaufen. Der Schwefelwasserstoff ist, wie man in
der Nachbarschaft von Schwefelthermen beobachten kann, für die weitere Umgebung kaum
sehr lästig, da er sich bald zu oxydiren scheint. Es bleiben freilich noch andere
schwer zu definirende Gase übrig, wovon ein Theil jedenfalls durch die in den
Bassinraum mündenden Feuerungen der Trockenapparate angesaugt und durch Verbrennung
zerstört wird. Ob man durch Bedecken der Fällbassins und directe Verbindung
derselben mit den Feuerungen den Zweck noch vollkommener erreichen könnte, lasse ich
dahingestellt. Jedenfalls kommt von diesen Effluvien der Stadt Graz nur ein Minimum
zu.
Wie man sieht, strebt die Unternehmung nach Kräften danach, die Verarbeitung der
Fäcalien auf rationeller Basis in großartiger Weise durchzuführen. Ob diese
Fabrikation sich rentirt, hängt einerseits von dem vorhandenen Düngerwerth, dann von
dem Procentsatze desselben, welchen die angewendete Methode zu gewinnen gestattet,
endlich von den hierzu aufzuwendenden Kosten ab. Der Düngerwerth der Fäcalien wurde
durch Bestimmung des Ammoniaks, der Phosphorsäure und des Kalis bestimmt. Er stellt
sich, wenn wir statt der bei einigen Versuchen gefundenen 0,542 Proc. Stickstoff nur
0,5 Proc. als Ammoniak, 0,25 Proc. Phosphorsäure und 0,8 Proc. Kali annehmen, auf
durchschnittlich 36 kr. per Centner heraus, was für eine Million Centner Fäcalien
jährlich 360.000 fl. ausmacht. Nehmen wir der Sicherheit halber nur 30 kr. per
Centner und nur 800.000 Ctr. Fäcalien, so bleibt immer noch der Jahreswerth von
240.000 fl. Demnach liegt in der That ein werthvolles Object der Bearbeitung vor.
Nehmen wir an, daß jährlich 45 Proc. oder 360.000 Ctr. Flüssigkeit abfließen, und
daß diese einen Gehalt von 2,2 Proc. Urat im Werth von 9 fl. 03,5 kr. beim
Eindampfen ergeben würden, so laufen damit 74.000 fl. Düngerwerth fort. Eine
tägliche Production von 300 Ctr. trockenen Düngers, à 3 fl. 50 kr. veranschlagt, entspräche einer Tagesproduction von
1050 fl., bezieh. einer Jahresproduction von ca. 380.000 fl. Dabei ist aber ein
bedeutender Theil des Düngerwerthes durch die Zuthaten an Phosphatmineral und
sonstigen Chemikalien gebildet, welche durch die Rechnung nur durchgehen, und
daneben ein sehr beträchtlicher Verbrauch an Brennmaterial, Fuhrkosten, Arbeitslohn
etc. in Abzug bringen.
Uebrigens ist in letzterer Zeit viel mit aufgeschlossenem Spodiumabfall gearbeitet
worden, welcher den Vortheil darbietet, daß der Niederschlag viel weniger Wasser
zurückhält, sich leichter absetzt und viel rascher trocknet. Auch dürfte der
Düngerwerth des gefällten phosphorsauren Kalkes williger von den Consumenten bezahlt
werden. Freilich sind so große Massen Spodiumabfall nicht so billig zu beschaffen
als die phosphorsaure Thonerde, da das daraus bereitete Superphosphat ja schon lange
im Handel bekannt und direct verkäuflich ist, so daß man es nicht erst mit Fäcalien
zu vermischen braucht, wie es das Thonerdephosphat erfordert.