Titel: | Calcinglas; von Dr. Fritz Guhrauer. |
Autor: | Fritz Guhrauer |
Fundstelle: | Band 215, Jahrgang 1875, S. 358 |
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Calcinglas; von Dr. Fritz Guhrauer.
Guhrauer, über Calcinglas.
Bei directer gewöhnlicher Schmelze, unter Anwendung des Glaubersalzes als Alkali, ist
es bisher noch nicht gelungen, ein genügend farbloses Glas zu erhalten, welches eine
Verarbeitung zu Hohlwaaren gestatten würde. Allerdings gebührt, und zwar
ausschließlich den Spiegelhütten der französischen Actiengesellschaft zu Stolberg
bei Aachen, Mannheim, St. Gobain etc. das Verdienst, mit Glaubersalz ein Glas
darzustellen, welches an Reinheit, Farblosigkeit und Schönheit zur speciellen
Verwendung für Spiegelscheiben nichts zu wünschen übrig läßt. Wollte man jedoch
dieses Glas für Hohlwaaren, Halbkrystall-Artikel nutzbar machen, so würde
dasselbe die hierfür gewünschte Qualität keineswegs ergeben, da es bereits bei einer
Stärke von wenigen Centimeter eine entschieden auffallende Färbung zeigt. Die
Ursache, weshalb ein mit Glaubersalz auf gewöhnlichem Wege fabricirtes Glas eine
totale Farblosigkeit nicht zuläßt, geht aus folgendem hervor.
Wie bekannt, zeigen alle Natrongläser an und für sich eine grünliche Färbung, welche
sich genügend und vollständig nur durch Braunstein Paralysiren läßt. Im vorliegenden
Falle wird jedoch die Wirkung des Braunsteins durch die dem Glassatze beizumengende
Kohle, welche den Zweck hat, die leichtere Zersetzung des Glaubersalzes
herbeizuführen, beeinträchtigt. Die Kohle wirkt reducirend auf den Braunstein,
verwandelt das Manganhyperoxyd in das nichtfärbende Manganoxydul, während das
Manganoxyd allein die dem Grün complementäre Farbe erzeugt (vergl. dies Journal,
1874 213 326). Ob die während des Schmelzproceßes durch
Zersetzung des Glaubersalzes frei werdende schweflige Säure gleichfalls nachtheilig
für die Farbe des Glases ist, lasse ich dahin gestellt sein; hierüber müssen
Versuche näheren Aufschluß geben. Den störenden Einfluß der Kohle dadurch zu
beseitigen, daß man erst nach erfolgtem Schmelzprocesse zur Entfärbung mittels
Braunstein schreitet, gibt in der Praxis nicht den gewünschten Erfolg. Die Erfahrung
lehrt, daß sich unter diesen Umständen eine gleichmäßige Wirkung des Braunsteins auf
die ganze Glasmasse sehr schwer erzielen läßt, und ist in solchem Falle das auf dem
Boden des Hafens liegende Glas meist stark violett gefärbt, während die oberen
Schichten die ursprünglich grüne Färbung beibehalten haben.
Das Verfahren, welches dennoch gestattet, lediglich aus den Rohmateralien Sand, Kalk,
Glaubersalz und Kohle ein für genannte Zwecke verwendbares Glas darzustellen, beruht
auf dem vorherigen Calciniren der Glasmasse, der Bereitung des sogen. Calcinglases.
Hierunter versteht man ein – kaum geschmolzen in Wasser gelassenes Glas,
welches in Folge der plötzlichen Abkühlung einen fein zertheilten Zustand annimmt.
Dieses Glas wird getrocknet und nochmals unter Beifügung von Entfärbungs- und
Reinigungsmitteln wie Braunstein, Salpeter etc. umgeschmolzen, wobei schließlich ein
völlig farbloses Product erhalten wird. – Diese höchst einfache Methode will
ich versuchen, genauer zu beschreiben. Zur Fabrikation des Calcinglases kann jeder
gewöhnliche Schmelzofen mit einer Feuerung nach beliebigem System dienen. Im
Souterrain befinden sich um die Feuerung, resp. Gas- und Luftkammern herum,
eiserne, mit Wasser gefüllte Gefäße, welche durch steinerne oder thönerne Rinnen mit
den Häfen in Verbindung stehen, und in welche das geschmolzene Glas abgelassen wird.
Die Häfen sind seitlich am Boden durchbohrt, und diese Oeffnungen mit eisernen
Ventilen, in denen Wasser circulirt, geschlossen. Ist die Glasmasse soweit
geschmolzen, daß sie sich im zähflüssigen Zustande befindet, so werden die Ventile
geöffnet, und das Glas fließt in die zu seiner Aufnahme bestimmten Gefäße. Hierbei ist die
besondere Vorsicht zu beobachten, daß die Häfen zur rechten Zeit wieder geschlossen
werden, um das Herabfließen der Glasgalle oder auch eine Explosion zu
verhindern.
Zur Bereitung des Calcinglases werden die Materialien Sand, Glaubersalz, Kalk und
Kohle ohne sonstige Zuthat innig gemengt und verschmolzen. Das Calcinglas wird nach
gehöriger Abkühlung, durch Ausbreiten im Hüttenraum getrocknet und nochmals, wie
bereits erwähnt, unter Beifügung von Glasabfällen, Braunstein etc. in einem
beliebigen Ofen umgeschmolzen. Die entfärbende, bezieh. Neutralisationsfarbe
hervorbringende Wirkung des Braunsteins wird hierbei nicht, im Vergleiche zur
gewöhnlichen Schmelze, durch einen direct reducirend wirkenden Körper
beeinträchtigt, und hängt es somit nur von der Wahl guter Rohstoffe und richtiger
Mischungsverhältnisse ab, ein den gestellten Anforderungen entsprechendes farbloses
Glas zu erhalten. Die Vermuthung, daß diese Methode in Folge der zweimaligen
Schmelzung einen bedeutenden Zeit- und Brennmaterialaufwand bedingt, liegt
nahe, ist aber eine irrthümliche. Die Temperatur des Calcinofens ist eine sehr hohe,
da derselbe nie längere Zeit und nur während des Füllens der Häfen geöffnet wird,
wodurch eine rasche Schmelzung des Glassatzes stattfindet, welche überdies noch
durch ein Verfahren, dessen Bekanntmachung in einer späteren Abhandlung erfolgen
soll, beschleunigt werden kann. 12 bis 15 Stunden reichen hin, um den Inhalt eines
mehrere Centner Glas fassenden Hafens zu verschmelzen. Was die Umschmelzung des
Calcinglases anbelangt, so geht diese der Natur der Sache gemäß in noch geringerem
Zeitraume von statten. In Summa dürfte die Fabrikation eines derartigen Glases noch
Ersparnisse an Zeit und Brennmaterial ergeben, abgesehen von dem Vortheile, welcher
durch Verwendung des im Vergleich zu anderen Materialien billigen Glaubersalzes
erreicht wird. Hierbei kömmt noch in Betracht, daß der Calcinofen seiner hohen Hitze
wegen, die Verarbeitung eines möglichst harten, alkaliarmen Satzes gestattet, was
nicht nur in pecuniärer Beziehung sondern auch in Betreff der Qualität des Glases
von nicht zu unterschätzender Wichtigkeit ist. Die Nothwendigkeit für dieses
Verfahren, zwei Oefen in Betrieb setzen zu müssen, kann umgangen werden, da sich
beide Schmelzungen in einem Ofen combiniren lassen. Die Fabrikation des Calcinglases
ist eine derartig beschleunigte, daß ein Calcinofen mit z.B. acht Häfen genügendes
Material für 24 Umschmelzungshäfen liefert; dem zu Folge reichen in einem Ofen 1/4
der Häfen für die erstere Operation hin, während 3/4 derselben für die weitere
Behandlung des Calcinglases verwendet werden können.
Diese Methode, welche in Frankreich, Belgien und Holland allgemein bekannt ist,
scheint in Deutschland, trotz ihrer Vorzüglichkeit noch wenig Eingang gefunden zu
haben. Ich hatte Gelegenheit in einer holländischen Fabrik dieses Verfahren kennen
zu lernen, welches ich zur Nachahmung nur empfehlen kann.
Breslau, Januar 1875.