Titel: | Ueber die Anforderungen an Dampfkessel; von Professor Carl Lovis in Riga. |
Fundstelle: | Band 215, Jahrgang 1875, S. 390 |
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Ueber die Anforderungen an Dampfkessel; von
Professor Carl Lovis in
Riga.
Lovis, über die Anforderungen an Dampfkessel.
In dem vom Riga'schen Comite zur Beschickung der Wiener
Weltausstellung 1873 herausgegebenen BerichteErschienen in 4 Abtheilungen: 1) Landwirthschaft, von Prof. v. Hehn. 2) Mechanische Technologie, von Prof. Hoyer. 3) Maschinenwesen, von Prof. Lovis. 4) Bildungswesen, von Staatsrath Krannhals. Nebst einer Beilage: Die Stuttgarter
Centralstelle, von Prof. Hoyer. (Verlag von N.
Kymmel. Riga 1874.) schickt Prof. Lovis seiner Besprechung der
ausgestellten Dampfkessel nachstehende Erörterung über die an einen guten Dampfkessel zu stellenden Anforderungen voraus,
welche der Referent dieses Journals einer allgemeinen Würdigung seitens der
bezüglichen Constructeure warm empfehlen kann.
Diese Anforderungen sind durchaus nicht in allen Fällen dieselben; sie richten sich
vielmehr nach den örtlichen Verhältnissen und dem jedesmaligen Zweck des Kessels. So
wird z.B. ein Kessel, der bei sonst guten Eigenschaften die erforderliche Menge
Dampf gerade dann erzeugt, wenn er das in gewisser Menge disponible, sonst werthlose
oder gar lästige Brennmaterial gerade consumirt (Sägespäne in Sägemühlen) vollkommen
am Platze sein, selbst wenn die Verdampfungsfähigkeit im Verhältniß Zum
Brennstoffconsume schlecht ist.
Die Vergleichung verschiedener Dampfkesselsysteme in Hinsicht auf die
Verdampfungsfähigkeit wird in den allerdings meisten Fällen ganz falsch ausgeführt,
indem man einfach beliebige Kessel verschiedener Constructionen heizt und
beobachtet, welcher derselben die größte Menge Wasser pro Pfund Brennstoff
verdampft. Durch diese Vergleichungsmethode gewinnt man kein Urtheil über die
verschiedenen Kesselsysteme, sondern über die beiden
gerade zur Disposition stehenden individuellen Kessel. Es
hat sich denn auch herausgestellt, daß gerade dasjenige Kesselsystem, welches an dem
einen Orte als das beste erkannt wurde, an dem anderen Orte als unvortheilhaft
bezeichnet werden mußte. In der That läßt sich mit allen Dampfkesselsystemen, wenn
nur die Dimensionen der maßgebenden Theile richtig gewählt werden, die gleiche
Verdampfungsfähigkeit erzielen.
Bekanntlich nennt man das Verhältniß der durch Dampfkessel nutzbar gemachten, d. i.
auf Dampferzeugung verwendeten Wärme zu der Wärmemenge, welche der Brennstoff unter
den theoretisch günstigsten Bedingungen entwickeln würde, den
„Wirkungsgrad“ der Kesselanlage. Derselbe hängt ab:
1) von der größeren oder geringeren Vollkommenheit der
Verbrennung des Brennstoffes;
2) von der Fähigkeit des Kessels, die auf dem Roste producirte
Wärme aufzunehmen;
3) von den Wärmeverlusten, welche der Schornstein bedingt und
die durch Abkühlung der Umfassungswände entstehen.
Auf die Vollkommenheit der Verbrennung wirken außer der in erster Linie in Betracht
kommenden Bedienung namentlich drei Umstände ein, nämlich der Rost, der Herdraum und
die Menge der zur Verbrennung zugeführten Luft.
Der Rost soll so groß genommen werden, daß der Brennstoff in verhältnißmäßig dünnen
Schichten zur Verbrennung gelangt, damit die durch denselben eintretende Luft ihren
Sauerstoff an möglichst viele Brennstofftheilchen abgeben kann. Dies tritt aber nur
dann ein, wenn gleichzeitig ein hinreichend großer freier Raum unter dem Roste den
gleichmäßigen Zutritt der Luft gestattet und der Rost möglichst viele
Durchbrechungen zeigt, d.h. entweder aus vielen schmalen Stäben, oder aus Stäben mit
Quereinschnitten oder dergl. zusammengesetzt ist, wobei natürlich etwaige Verstopfungen
zu jeder Zeit leicht zu beseitigen sein müssen.
Der Herdraum ist insofern von Einfluß, als die Flamme Platz finden soll, sich
vollkommen zu entwickeln. Die bekannten Versuche in Mülhausen i. E. haben gezeigt,
daß man mit Unrecht bis dahin den Herdraum niedrig gemacht hat. Der Rost darf viel
tiefer gelegt werden, als gewöhnlich geschieht.
Mit der Menge der zugeführten Verbrennungsluft wächst nach zahlreichen Versuchen
innerhalb gewisser Grenzen auch die Vollkommenheit der Verbrennung; sie hängt ab von
der Evacuationsfähigkeit, d.h. der Zugwirkung des Schornsteins. Dieser ist nach den
Widerständen, welche die Luft und weiterhin die Verbrennungsproducte auf ihrem Wege
durch die ganze Feuerungsanlage finden, anzuordnen und muß um so größer sein, je
größer die Widerstände sind. Unter sonst gleichen Umständen wird mithin demjenigen
Kessel der Vorzug zu geben sein, welcher der Bewegung der Gase den geringsten
Widerstand entgegensetzt.
Die Wärmeaufnahmefähigkeit eines Dampfkessels hängt ab von seiner Lage gegen das
Feuer, von der Größe und Reinheit der Heizfläche auf beiden Seiten der Blechplatten,
von der Innentemperatur und von dem Querschnitt der Rauchzüge.
Da Wärmestrahlen die Luft und andere Gase durchdringen, ohne dieselben zu erwärmen,
und erst von festen Körpern, welche sie treffen, aufgenommen werden, so ist es für
einen Dampfkessel vortheilhaft, wenn seine Heizfläche von möglichst vielen Strahlen
aus dem glühenden Brennstoff getroffen wird. Die Befürchtung, daß die durch directe
Strahlung dem Feuer entnommene Wärme im Feuerraume eine so bedeutende
Temperaturabnahme zur Folge habe, daß sie der vollkommenen Verbrennung allzu
nachtheilig sein würde, hat sich als irrig erwiesen, daher man denn auch von den in
Mauerwerk gelagerten Vorfeuerungen, wenn nicht andere, von äußeren Umständen
abhängige Zwecke verfolgt werden, abgekommen ist. Man lege also die Feuerung so an,
daß ein recht großer Theil der Heizfläche des Kessels von den Wärmestrahlen des
glühenden Brennstoffes direct getroffen wird, damit für die Abgabe der in den
Verbrennungsgasen enthaltenen Wärme, deren Menge durch die Temperatur der Gase
angezeigt wird, eine nicht zu große Heizfläche des Kessels erforderlich ist.
Diese Wärmemenge wird indirect und zwar dadurch auf den Kessel übertragen, daß die
heißen Gastheilchen mit der Heizfläche des Kessels in Berührung treten. Je größer
die Heizfläche ist, desto mehr findet die Berührung statt, desto mehr Wärme wird
mithin aus den Gasen vom
Kessel aufgenommen. Allein hierbei kommen noch andere wichtige Umstände in Betracht.
Je reiner die Metallfläche auf der Außenseite ist, desto leichter dringt die Wärme
in die Platte ein, und je reiner sie auf der Innenseite ist, desto leichter wird die
Wärme an das Wasser abgegeben. Da nun Ruß, Oxydation und Asche auf der einen,
Oxydation und mineralische Niederschläge auf der anderen Seite der Kesselwandungen
vollständig nicht verhütet werden können, so muß die Construction des Kessels eine
öftere Reinigung von diesen Ansätzen leicht und bequem zulassen. Dies ist für die
Entfernung von Flugasche bei horizontalen Röhren um so nothwendiger als sich beim
Gebrauch in kurzer Zeit das untere oder obere Drittel der Röhren, je nachdem die
Gase innerhalb oder außerhalb sich fortbewegen, so stark bedeckt zeigt, daß von
einem Wärmedurchgang kaum mehr die Rede sein kann. Aehnlich steht es mit der
Entfernung der mineralischen Niederschläge im Inneren des Kessels, dem Kesselstein,
welcher trotz zahlloser angepriesener Mittel entweder nur ungenügend oder mit zu
großen Geldopfern, oder doch nicht ohne andere schwerwiegende Uebelstände zu
verhüten ist, sobald das Wasser entsprechende Stoffe enthält.
Als eine Verunreinigung der Heizfläche auf der Innenseite sind auch Dampfbläschen zu
bezeichnen, welche nach ihrer Entstehung nicht sofort entweichen können und den
Wärmedurchgang in das Wasser ganz bedeutend erschweren. Kesselconstructionen, welche
die Bildung solcher Dampfpelze begünstigen, sind daher zu verwerfen.
Die Temperatur des Kesselwassers ist von der Dampfspannung abhängig und daher der
willkürlichen Wahl nicht unterworfen. Da nun aber das Speisewasser mit niedriger
Temperatur in den Kessel eintritt, so bieten Kessel, bei denen die Verbrennungsgase
in der umgekehrten Richtung sich fortbewegen als das Speisewasser nach seinem
Eintritt in den Kessel (Gegenstromkessel), immerhin Vortheile. Die mehrfach in den
Zeitschriften besprochenen, angeblich eintretenden Erosionen sind dem Verf. trotz
vielfacher Anwendung von Gegenstromkesseln nicht vorgekommen; nur muß freilich für
leichte Dampfabsonderung resp. Entfernung Sorge getragen werden. Dahingegen soll
niemals kaltes Speisewasser da eintreten, wo die Verbrennungsgase am heißesten sind,
weil sonst gefährliche Spannungen und Risse im Blech entstehen.
Der Querschnitt der Rauchcanäle ist für die Verdampfungsfähigkeit insofern von großer
Bedeutung, als die einzelnen Gastheilchen um so leichter mit der Kesselwand in
Berührung kommen, je kleiner jener Querschnitt ist. Freilich werden die Widerstände
für die Bewegung der Gase bei kleinem Canalquerschnitt groß und folglich der
Schornstein kostspieliger. Die Rücksicht auf die Reinigung der Canäle gibt indeß
meistens schon die Minimalgröße an.Ein zu kleiner Querschnitt ist auch in Hinblick auf die hieraus resultirende
größere Geschwindigkeit der Gase von Nachtheil.D. Ref.
Im Hinblick darauf, daß man noch so häufig der Ansicht begegnet, als müsse man die
Verbrennungsgase möglichst oft um den Kessel herumführen, sei hier noch erwähnt, daß
bei gleicher Heizflächengröße und sonst gleichen Umständen ohne Erzielung irgend
eines Vortheiles durch lange, schmale Heizcanäle nur die Widerstände vermehrt,
mithin der Schornstein vertheuert wird.
Der Wärmeverlust durch den Schornstein ist proportional der Temperatur und Menge der
Gase, welche von demselben abgeführt werden. Die Temperatur kann um so niedriger
sein, je höher der Schornstein unter sonst gleichen Umständen ist; doch ergibt sich
eine untere Grenze für die Temperatur in kälteren Gegenden schon dadurch, daß eine
Condensation der Wasserdämpfe an den Wandflächen des Schornsteins eintritt, wenn die
Temperatur der Gase durch Abkühlung unter 100° sinkt. Blechschornsteine sind
in dieser Hinsicht begreiflicherweise schlechter als gemauerte. Um die Condensation
der Wasserdämpfe an den Wänden zu verhindern, muß man die Gase mit einer höheren
Temperatur in einen Blechschornstein eintreten lassen, als dies bei gemauerten
nothwendig ist, und trotzdem ist sie bei großer Kälte nicht ganz zu vermeiden. Aus
diesen Gründen sollten Blechschornsteine in kälterem Klima nur da angewendet werden,
wo die Anlage keine stabile ist, wo ein Blasrohr angewendet werden muß, oder wo der
Brennstoff sehr billig ist.
Die Quantität der Verbrennungsgase ist, abgesehen von der zu verbrennenden
Brennstoffmenge, abhängig von der Menge der zur Verbrennung dem Roste zugeführten
Luft. Da nun die durch den Schornstein verloren gehende Wärme proportional ist der
abzuführenden Gasmenge, so tritt hier ein Widerspruch zu der oben für eine möglichst
vollkommene Verbrennung aufgestellten Bedingung entgegen. Die Menge der
Verbrennungsluft ist daher beschränkt; sie soll im Mittel nach ausgeführten
Versuchen und Berechnungen etwa das Doppelte von derjenigen Luftmenge betragen,
welche gerade den zur vollkommenen Verbrennung nöthigen Sauerstoff enthält.
Wärmeverluste durch Abkühlung lassen sich auf ein Minimum herabziehen durch starkes
Mauerwerk, Anwendung von Luftschichten und Umhüllung mit schlechten Wärmeleitern.
Kessel mit innerer Feuerung geben im Allgemeinen in dieser Hinsicht weniger Verluste
als solche mit Unterfeuerung; doch haben sie meistens den Uebelstand, daß die
Luftzuführung zu wünschen übrig läßt. Uebrigens ist der Verlust durch Abkühlung bei
Unterfeuerungen durch Anwendung dicken Mauerwerkes und abgeschlossener Luftschichten
ebenso vollständig zu vermindern.
Nachdem im Vorstehenden die Bedingungen angegeben sind, welche für einen großen
Wirkungsgrad einer Dampfkesselanlage maßgebend sind, entsteht die Frage: Welcher ist
der vortheilhafteste Wirkungsgrad?
Mit jeder Dampfkesselanlage wird eine gewisse Dampferzeugung auf dem finanziell
ökonomischsten Wege bezweckt. Es sollen daher die Kosten für den Brennstoffaufwand,
die Renten der Anlagekosten, die Amortisationsquote, die Unterhaltungskosten der
Anlage und die Kosten für die Bedienung zusammengenommen ein Minimum werden. Hieraus
geht hervor, daß es nicht Aufgabe sein kann, ohne Rücksicht auf die Höhe der
Anlagekosten etc. den größtmöglichen Wirkungsgrad zu erzielen. Die durch den großen
Wirkungsgrad erzielten jährlichen Ersparnisse an Brennstoff können leicht aufgezehrt
werden durch die größeren jährlichen Kosten an Renten, Unterhaltung, Bedienung und
Amortisation. Der vortheilhafteste Wirkungsgrad läßt sich daher allgemein nicht
bestimmen, sondern muß in jedem einzelnen Falle nach den jedesmaligen Verhältnissen
ermittelt werden. Ist nun auch eine genaue Berechnung kaum möglich, so kann es doch
einem gebildeten Techniker keine Schwierigkeiten machen, in jedem Falle ungefähr das
Richtige zu treffen.
Wir haben nun noch andere Erfordernisse zu besprechen, welchen ein guter Dampfkessel
genügen soll.
Große Dauerhaftigkeit ist bei sonst sorgfältiger
Ausführung meistens verbunden mit Einfachheit der Construction; doch gibt es auch
complicirte Constructionen, welchen die Dauerhaftigkeit nicht abgesprochen werden
kann. Ob sie zulässig sind, hängt davon ab, welche Vortheile sie in anderer Hinsicht
bieten. Im Zusammenhange mit der Dauerhaftigkeit steht die größere oder geringere
Sicherheit gegen Explosionsgefahr. Wenngleich die
Ursachen der Explosionen noch nicht hinlänglich erforscht sind, so ist doch so viel
bekannt, daß weite, von außen gepreßte Röhren – namentlich, wenn sie sehr
lang sind, Gefahr bieten. Cornwallkessel stehen somit in dieser Hinsicht anderen
Constructionen nach. Auch Kessel mit großem Wassergehalt sind im Allgemeinen
gefährlicher als solche mit geringem Wassergehalt; doch erfordern die letzteren eine
sehr sorgsame Aufsicht in Bezug auf die Speisung und Regelmäßigkeit der
Dampfproduction. Ebene oder elliptisch geformte Wände haben eine geringere
Festigkeit als kreisförmig gebogene und erfordern eine besondere Verankerung.
Es dürfte hier der Ort sein, auch darauf aufmerksam zu machen, daß diejenigen
Stellen, an welchen Beschädigungen am ehesten zu erwarten sind, behufs Reparatur
leicht zugänglich sein sollen.
Nasche Dampfproduction ist nur dann als Vorzug hinzustellen, wenn der Betrieb am Tage
oft unterbrochen wird. Im anderen Falle ist es bei gleichem Wirkungsgrade ziemlich
gleichgiltig, ob die erforderliche Dampfspannung am Morgen nach dem Anheizen etwas
früher oder später eintritt. Es hängt dies von dem Wassergehalte ab. Ein größerer
Wassergehalt gibt langsamere Dampfproduction, läßt aber Unregelmäßigkeiten im
Dampfconsume nicht so bemerklich werden.
Wichtig ist unter allen Umständen die Erzeugung von trockenem Dampf. Ist der Dampf feucht, d.h. enthält er viel mechanisch
fortgerissenes Wasser, so ist dies nicht nur in der Maschine hinderlich, sondern
auch mit Brennstoffverlust verbunden, weil es ohne Nutzen bis zur Siedetemperatur
erhitzt wurde. Auf die Erzeugung von trockenem Dampf wirken ein großer
DampfraumInsbesondere eine große Verdampffläche.D. Ref., Formen, welche die entwickelten Dampfbläschen leicht emporsteigen lassen,
und das Fortleiten der bereits am Kessel abgekühlten Verbrennungsgase an dem
Dampfraume vor ihrem Eintritt in den Schornstein. Auch besondere Wasserabscheider
lassen sich mit Erfolg anwenden.
Von Einfluß auf die Kosten für die Einmauerung und das Kesselhaus ist noch die
Raumbeanspruchung eines Kessels. Ein kleiner Kessel ist um so mehr von Werth, wo der
Grund und Boden theuer oder der disponible Raum beschränkt ist.